Pneumologie 2014; 68(03): 173-186
DOI: 10.1055/s-0033-1359180
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Wirksamkeit von Umweltzonen in der ersten Stufe: Analyse der Feinstaubkonzentrationsänderungen (PM10) in 19 deutschen Städten[*]

Effectiveness of Low Emission Zones of Stage 1: Analysis of the Changes in Fine Dust Concentrations (PM10) in 19 German Cities
P. Morfeld
1   Institut für Epidemiologie und Risikobewertung in der Arbeitswelt (IERA) der Evonik Industries AG, Essen
2   Institut und Poliklinik für Arbeitsmedizin, Umweltmedizin und Präventionsforschung der Universität zu Köln
,
D. A. Groneberg
3   Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Umweltmedizin der Goethe-Universität, Frankfurt
,
M. Spallek
4   Europäische Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor EUGT e.V., Berlin
5   Institut für Arbeitsmedizin, Charité Universitätsmedizin Berlin
› Institutsangaben
Weitere Informationen

Korrespondenzadresse

PD Dr. Peter Morfeld
Institut für Epidemiologie und Risikobewertung in der Arbeitswelt (IERA) der Evonik Industries AG
Rellinghauser Straße 1–11
45128 Essen

Publikationsverlauf

eingereicht 11. September 2013

akzeptiert nach Revision03. Dezember 2013

Publikationsdatum:
15. Januar 2014 (online)

 

Zusammenfassung

Hintergrund: Es ist unbekannt bzw. umstritten, ob die in Deutschland eingeführten Umweltzonen (UWZ) die Feinstaubbelastung nachweisbar reduzieren.

Methode: PM10-Konzentrationen von den Messstationen innerhalb und außerhalb der UWZ in 19 deutschen Städten wurden analysiert (Augsburg, Berlin, Dortmund, Duisburg, Düsseldorf, Essen, Frankfurt a. M., Hannover, Herrenberg, Ilsfeld, Karlsruhe, Köln, Ludwigsburg, Mannheim, München, Reutlingen, Stuttgart, Tübingen, Wuppertal), um die Wirksamkeit der Fahrverbote (Stufe 1) für Fahrzeuge der Schadstoffgruppe 1 (ohne Plakette) auf die Schadstoffkonzentration zu untersuchen. Kontinuierliche Halbstundenmesswerte und gravimetrische Tagesmittelwerte wurden für den Zeitraum von ca. 2005 bis Ende 2009 übernommen. Die Analyse beruht auf vier einander paarweise zugeordneten Messwerten als gematchte Quadrupel aus zwei Index- und zwei Referenzwerten (Indexstationen liegen innerhalb, Referenzstationen messen außerhalb der UWZ). Ein Indexwert und der simultan gemessene Referenzwert wurden während der aktiven Phase der UWZ gemessen, das andere Wertepaar wurde vor Einführung der UWZ erhoben. Die Wertepaare haben eine Zeitdifferenz von 364 Tagen oder von einem Vielfachen von 364 Tagen, wodurch die Jahreszeit, der Wochentag und die Tageszeit im Quadrupel konstant gehalten werden. Differenzen der Indexwerte wurden regressionstechnisch mit den Differenzen der Referenzwerte korrigiert, wobei meteorologische Parameter (Mischungsschichthöhe, Niederschlagsmenge, Windgeschwindigkeit), Schulferienzeiten, Phase der Umweltprämie, LKW-Fahrverbotszeiten und Ausgangswerte an den Index- und Referenzstationen als Kovariablen in sog. „fixed effects“ Regressionsanalysen der Quadrupel berücksichtigt wurden (Differenzwertmethode im Zwei-Perioden-Fall). Dieser statistische Ansatz wurde vor der eigentlichen Datenanalyse an simulierten Messdaten der FU Berlin erfolgreich erprobt.

Ergebnisse: 2 110 803 Quadrupel kontinuierlicher PM10-Messungen und 15 735 gravimetrische Quadrupel wurden aus den verfügbaren Daten der Messstationen identifiziert, aus denen 61 169 Quadrupel zu Tagesmittelwerten aufgebaut wurden. Die Analysen für die erste Stufe ergaben als beste Effektschätzer (an allen Indexstationen) eine Feinstaubreduktion von ≤ 0,2 μg/m3 (bzw. relative PM10-Reduktionen ≤ 1 %). Der beste Effektschätzer an allen Verkehrsstationen (also ohne städtische Hintergrund- und Industrieindexstationen) lag unterhalb von 1 μg/m3 (bzw. weniger als 5 %).

Schlussfolgerungen: Alle Analysewerte liegen damit unter den vor Einführung von UWZ prognostizierten Feinstaubreduktionen. Diese Studie untersuchte als erste übergreifend die Wirksamkeit von UWZ der Stufe 1 in Deutschland auf die Feinstaubkonzentrationen von PM10 nach einem einheitlichen Datensammlungs- und Analyseplan und unter Berücksichtigung möglichst vieler Störeinflüsse.


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Abstract

Background: It is not known/is disputed whether introduction of low emission zones (LEZs) leads to a reduction of fine dust pollutants.

Methods: Data on PM10 concentrations obtained from measurement stations within and outside of LEZs from 19 German cities (Augsburg, Berlin, Dortmund, Duisburg, Düsseldorf, Essen, Frankfurt a. M., Hannover, Herrenberg, Ilsfeld, Karlsruhe, Köln, Ludwigsburg, Mannheim, München, Reutlingen, Stuttgart, Tübingen, Wuppertal) were analyzed in order to investigate the effect of banning vehicles (“tier 1”) of the pollutant group 1 (without stickers) on the pollutant concentration, i.e, this study focused on LEZs that restricted cars of EURO 1 standard without appropriate retrofitting systems from entering these zones. For the period from about 2005 until the end of 2009, data from continuous half-hour measurements as well as gravimetrically determined daily measurements of PM10 were collected. The analysis consisted of four pairwise corresponding measurement values as matched quadruples of two index and two reference values (index stations are inside, and reference stations are outside the LEZs). One index value and the simultaneous reference value were measured during the active LEZ period, and the other pair of values was measured before the LEZ was introduced. The pairs of values had a difference in time of 364 days or a multiple of 364 days keeping the season, weekday and time of day constant within the quadruple. Differences in index values were regressed on differences in reference values while meteorological parameters (height of the inversion base, amount of precipitation, wind velocity), school holidays, period of environmental bonus paid, periods when trucks were banned as well as baseline data at index and reference stations were taken into account as covariates in so-called “fixed effects” regression analyses of the quadruples (difference score method in the two-period case). The statistical approach was successfully validated prior to this study in an analysis of simulated data from FU Berlin.

Results: 2,110,803 quadruples of continuous PM10 and 15,735 gravimetric quadruples were identified leading to 61,169 quadruples based on daily PM10 averages. The analyses showed that best LEZ effect estimates for fine dust reduction were (at all index stations) ≤ 0.2 μg/m3, i. e., a relative PM10 reduction ≤ 1 %. Best estimates at all index stations near traffic (excluding urban background and industry index stations) were below 1 μg/m3 (less than 5 %, respectively).

Conclusions: Effects were smaller than predicted prior to the introduction of LEZs. This study is the first that investigated comprehensively the effectiveness of “tier 1” LEZs in Germany on PM10 reduction with a homogeneous approach in data collection and analysis and taking into account the most relevant confounding factors.


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Einleitung

Saubere Luft ist ein Grundpfeiler der menschlichen Gesundheit und sowohl für die Homöostase des Atemtrakts als auch des Gesamtorganismus von größter Bedeutung. Unter den Luftschadstoffen wird insbesondere dem Feinstaub der Kategorien PM10 und PM2.5 eine große Relevanz beigemessen [1] [2].

Die Einführung von Umweltzonen wird seitens Bund und Ländern als eine der wichtigsten Maßnahmen zur Einhaltung der europäischen PM10-Grenzwertvorgaben angesehen und soll wesentlich zur Verbesserung der Luftqualität in den Städten beitragen [3] [4] [5]. Die seit dem 1. Januar 2005 geltenden europaweiten Grenzwerte für Feinstaub legen fest, dass die Werte für die PM10-Konzentration im Jahresmittel an allen Messstation im verkehrsnahen Bereich unter 40 µg/m3 liegen müssen[1]. Zudem darf der PM10-Tagesmittelwert an diesen Stationen an höchstens 35 Tagen pro Kalenderjahr einen Wert von 50 μg/m3 überschreiten (siehe zu diesen beiden Regelungen die Europäische Richtlinie zur Luftqualität 1999/30/EG [7]). Die Feinstaubemissionen sinken zwar seit Jahren deutschlandweit, allerdings ist der Rückgang mit nur etwa 30 Prozent gegenüber 1990 deutlich geringer als bei einigen anderen Luftschadstoffen [8].

Dabei richtet sich die Einrichtung einer Umweltzone primär durch gezielte Einfahrtbeschränkungen auf eine Verringerung der Feinstaubemissionen durch Kraftfahrzeuge, die als eine wichtige Quelle der Feinstaubbelastung in Innenstädten identifiziert wurden [9] [10]. Gleichzeitig wird Feinstaub auch aus klinischer und epidemiologischer Sicht als einer der gesundheitlich bedeutsamsten Luftschadstoffe angesehen [3] [4] [5] [9] [10]. In der Realität werden jedoch die Feinstaubgrenzwerte der EU Kommission vielerorts auch nach Einführung von Umweltzonen nicht eingehalten [3] [11] [12]. Dies hat zu intensiven Diskussionen und gelegentlich heftigen Auseinandersetzungen in der Öffentlichkeit zur Frage der Effektivität von Umweltzonen geführt, die auch in der ärztlichen Beratung von Patienten zu Unsicherheiten führen kann [13] [14] [15] [16]. Erneut angefacht wurden diese Diskussionen durch den Bericht des Umweltbundesamtes, wonach 2011 die PM10-Feinstaubwerte im Mittel über dem Niveau der vorangegangenen vier Jahre lagen. Ein relativ hoher Anteil von 42 Prozent der Tagesdurchschnittswerte an verkehrsnahen Stationen lag dabei über dem zulässigen PM10-Tagesgrenzwert der EU [17].

Beispiele umfangreicher Verkehrsbeschränkungen bei Großsportveranstaltungen hatten in der Vergangenheit mehrfach grundsätzlich Möglichkeiten zu Reduktionen der PM10-Feinstaubbelastung gezeigt, so z. B. eine Verringerung um 16 % bei den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta [18]. Es gibt allerdings auch gegenteilige Veröffentlichungen, in denen eine Reduktion der im Verkehr befindlichen Fahrzeuge entweder mit keiner messbaren Verringerung [19] [20] oder nur mit einer geringen Absenkung [21] oder sogar mit einer Erhöhung [22] der Luftbelastung einherging. Die Datenlage weist dabei in allen Fällen auf erhebliche Einflüsse örtlicher und insbesondere lokaler meteorologischer Gegebenheiten hin (vgl. z. B. [23]).

Unterschiedliche geografische, meteorologische, städtebauliche und verkehrstechnische Verhältnisse erschweren eine übergreifende Analyse der Umweltzoneneffekte auf PM10-Feinstaub und erfordern daher eine genauere Betrachtung der Rahmenbedingungen jeder einzelnen Umweltzone zur umfassenden Effektivitätsbeurteilung. Prognosen zu den zu erwartenden Reduktionen der Luftverschmutzung haben vor Einführung der Umweltzonen einen Rückgang der Feinstaubwerte bei völliger Aussperrung von EURO 3 Fahrzeugen („grüne“ Plakette) um bis zu 10 % und für Stufe 1 („rote Plakette“) um ca. 2 % bis 3 % abgeschätzt [24]. Prognostizierte Werte auf der Basis von Verkehrszählungen und Flottendaten liegen bei etwa 3 % bis 6 % des Jahresmittelwertes aufgrund der Umweltzone [5]. Zwischenzeitlich liegen auch Analysen zu tatsächlichen Schadstoffkonzentrationsänderungen vor. Hierbei zeigten sich in den Auswertungen im Auftrag des Allgemeinen Deutschen Automobil-Clubs (ADAC) in den Umweltzonen Berlin, Mannheim, Stuttgart, Tübingen und Ludwigsburg nach Ansicht des Autors keine Wirksamkeit [25]. Cyrys und Koautoren gaben in einer Analyse zur Umweltzone in München hingegen an, dass eine deutliche feinstaubvermindernde Wirkung um ca. 5 % bis 12 % an den untersuchten Stationen der Umweltzone in München nachweisbar war [26]. Cyrus u. Mitarb. stellten ihre Ergebnisse allerdings unter den Vorbehalt, dass die „vorgestellten Ergebnisse … in weiteren Untersuchungen und Analysen verifiziert werden müssen“ (siehe hierzu die durchgeführte Prüfung in [27]). Bruckmann et al. [4] berichteten über durchschnittliche Rückgänge in den PM10-Feinstaubwerten durch die Umweltzoneneinführung in NRW um 2,4 μg/m3 oder um 7 % aufgrund eines einfachen Vergleichs der Zeiträume 2007 (ohne Umweltzone) und 2009 (Umweltzone der Stufe 1). Rauterberg-Wulff und Lutz [10] schätzten auf Basis einer direkten Gegenüberstellung von Mittelwerten der Zeiträume 2007 (ohne Umweltzone) und 2010 (Umweltzone der Stufe 2) und unter Annahme von Proportionalitäten zwischen wichtigen Einflussgrößen auf die PM10-Werte für Berlin einen durch die Umweltzone der Stufe 2 bedingten Rückgang der PM10-Konzentrationen von 2 μg/m3 bzw. 7 %.

Die vorliegende Studie geht in drei Aspekten deutlich über alle bislang vorliegenden Auswertungen hinaus. Erstens wird eine deutschlandweite Analyse der bis Ende 2009 eingeführten Umweltzonen vorgenommen. Zweitens werden eventuelle Störgrößen in die Analyse so umfassend wie möglich einbezogen, wie meteorologische Parameter (z. B. die Mischungsschichthöhe). Zum Dritten wird eine erweiterte und detaillierte statistische Methodik eingesetzt: fixed-effect Regressionsmodelle zu Messwertvierlingen (Analyse von gematchten Quadrupeln unter Einschluss von Kovariablen). Das Design dieser Untersuchung wurde vorab ausführlich diskutiert und publiziert [28]. Auch eine Pilotanalyse für die Umweltzone München wurde bereits durchgeführt und veröffentlicht [27]. Die Arbeiten zur Umweltzone München beinhalteten auch einen „Stresstest“ der Auswerteverfahren, indem Simulationsdaten zu PM10-Konzentrationen der Münchner Umweltzone ausgewertet wurden, denen ein Effekt definierter Größe aufgeprägt war ([29], www.parest.de). Die Effektgröße war der auswertenden Stelle nicht bekannt, wurde aber erfolgreich identifiziert [27].

Mit der „Plakettenverordnung“ der 35. Bundes-Immissionsschutz-Verordnung vom 10. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2218; Bundesministerium der Justiz in Zusammenarbeit mit der juris GmbH 2006) und ihren begleitenden Vorschriften wurden in Deutschland die rechtlichen Grundlagen für die Einrichtung kommunaler Umweltzonen geschaffen. Diese Verordnung regelt die Kennzeichnung von Fahrzeugen nach Schadstoffgruppen mit Plaketten sowie entsprechende Ausnahmen von Fahrverboten. Es wurden vier Schadstoffgruppen festgelegt, die sowohl für PKW als auch für LKW gelten. Notwendige Kennzeichnungsplaketten gibt es in drei Farben für Schadstoffgruppen außerhalb der Schadstoffgruppe 1: Rot für die Schadstoffgruppe 2, gelb für die Schadstoffgruppe 3 und grün für die Schadstoffgruppe 4. Die Zuordnung der Plaketten ergibt sich aus der Emissions-Schlüsselnummer, die in den Fahrzeugpapieren eingetragen ist. Umweltzonen wurden frühestens ab dem 01.01.2008 mit einem Fahrverbot für die Schadstoffgruppe 1 eingeführt.

In der aktuellen Studie sollte zunächst der Einfluss der ersten eingeführten Fahrverbotsstufe, d. h. für Fahrzeuge der Schadstoffgruppe 1 (ohne Plakette) auf die Schadstoffkonzentration in zur Analyse geeigneten Umweltzonen untersucht werden. Der Studienzeitraum endete am 31.12.2009. Als einzige Umweltzone führte Hannover bereits zum 01.01.2009 die Stufe 2 ein, also ein Fahrverbot auch für Fahrzeuge mit roter Plakette (www.umweltbundesamt.de/umweltzonen). In dieser Untersuchung soll diese zwischenzeitliche Verschärfung in Hannover zunächst außer Acht gelassen werden.

Die Studie wird von der EUGT (Europäische Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor e. V., http://www.eugt.org/) gefördert und begleitet.


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Material und Methoden

Quadrupelbildung und Auswertestrategie

Das zugrundeliegende Studiendesign und die Auswertemethodik wurden bereits detailliert in einer Veröffentlichung zum Studienprotokoll beschrieben [28]. Den Kern des Analysebestandes bilden Vierlinge (Quadrupel) aus einander geeignet zugeordneten Messwerten innerhalb und außerhalb des Umweltzonengebietes für den Zeitraum sowohl vor als auch nach Einführung der Umweltzone. Hierbei werden die Einführungsdaten aller Umweltzonen taggenau berücksichtigt. Zum Aufbau dieser Quadrupel werden zunächst alle zeitgleichen Messwerte an Index- und Referenzstationen während der aktiven Umweltzonenphase ermittelt. Als Indexstationen werden die Messstationen bezeichnet, die räumlich innerhalb der Umweltzone liegen, Referenzstationen befinden sich dagegen außerhalb der Zone. Im nächsten Schritt werden dann zu jedem Index/Referenz-Messwertepaar entsprechende Messwerte an denselben Stationen bei identischer Tageszeit, jedoch 364 Tage zuvor im Datenbestand gesucht (oder falls dies nicht gelingt als Vielfache von 364 Tagen). Somit werden bei Einhaltung des Wochentages und der Tageszeit Vergleichsmesswerte vor Einführung der Umweltzone gesucht (die Länge der ausgewerteten aktiven Umweltzonenphase betrug in der vorliegenden Untersuchung höchstens ein Jahr). Alle Auswertungen werden auf die so zusammengestellten und vollständig vorliegenden Quadrupel beschränkt. Ziel der Analyse ist es, die zeitliche Veränderung innerhalb der Vierlinge zu verfolgen. Unter der Annahme, dass nur die Differenz der Indexmesswerte durch die Einführung der Umweltzone beeinflusst wird, aber nicht die Differenz der Referenzmesswerte außerhalb der Umweltzone, gibt jeder Vierling Auskunft über den Effekt der Umweltzone. Dieser Effekt ist bereits durch die Berücksichtigung der Referenzwerte zu beiden Zeitpunkten für großräumige Einflussgrößen (Partikeltransport, Wetterbedingungen, Jahreszeit etc.) korrigiert.

Mit einem der Feinstaubüberlagerungstheorie entsprechenden additiven und einem ergänzenden multiplikativen Modellansatz werden die zeitlichen Veränderungen innerhalb der Messwertvierlinge genauer untersucht. Dabei können auch Kovariablen in die Rechnungen eingehen, um Störungen und Abweichungen von der o. g. Annahme abfangen zu können. Hierzu werden fixed-effect Regressionsmodelle eingesetzt (sog. Differenzwertmethode im Zwei-Perioden-Fall [30]). Der Effekt der Umweltzone wird durch die Konstante in einem Regressionsmodell geschätzt, welches die Differenz der Messwerte innerhalb der Indexstation auf die Differenz der Messwerte innerhalb der Referenzstation zurückführt. Ein möglicher Trend in den Konzentrationswerten vor Einführung einer Umweltzone kann mit Hilfe der unterschiedlichen Zeitdifferenz zwischen den Index- bzw. Referenzwertpaaren berücksichtigt werden.

Die Zuordnung von Referenz- zu Indexstationen erfolgte „über Kreuz“, d. h. es wurden Quadrupel aus den Daten einer Indexstation zu allen entsprechenden Referenzstationen aufgebaut (die Daten wurden nicht vorab kollabiert/zusammengeführt). Neben einem mittleren Effekt der Umweltzone wurden in erweiterten Modellen auch die Einzeleffekte an den Indexstationen im Vergleich zum jeweiligen Referenzpartner abgeschätzt. Herleitung und Besprechung der wesentlichen Regressionsgleichungen sowie Literaturangaben zur Begründung und Diskussion des statistischen Auswerteansatzes wurden in Morfeld et al. [28] publiziert.


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Umweltzonen und Messstationen

Umweltzonen wurden seit Anfang 2008 bis Ende 2009 in 34 deutschen Städten eingeführt. Da die Analysen zur Effektivität der Umweltzonen auf Messwert-Quadrupeln basieren sollen (vgl. Kapitel 2.1), galt es in Vorarbeiten zu erheben, wo geeignete Messungen vorliegen, um Messwert-Vierlinge zusammenstellen zu können.

Im Rahmen einer Vorstudie wurden die deutschen Umweltzonen deshalb danach untersucht, ob

  • Luftqualitätsmessstationen existieren, die vor und nach Einführung der Umweltzone innerhalb der Umweltzone aktiv waren. Diese wesentlichen Messstationen werden als Indexstationen bezeichnet.

  • Luftqualitätsmessstationen existieren, die vor und nach Einführung der Umweltzone außerhalb der Umweltzone aktiv waren, aber nahe des Umweltzonengebiets liegen. Diese Bezugsstationen werden als Referenzstationen bezeichnet.

Eine detaillierte Beschreibung des Selektionsprozesses enthält Morfeld et al. [28].

In der vorliegenden Gesamtauswertung zu PM10 berichten wir zu 19 Umweltzonen in 6 Bundesländern und über einen Beobachtungszeitraum bis zum 31.12.2009. Details enthält [Tab. 1]. Nur solche Stationen sind in [Tab. 1] aufgeführt, zu denen Messwertvierlinge (gematchte Quadrupel, vgl. Abschnitt 2.1) aufgebaut werden konnten. Es sind also nur solche Messstationen gelistet, die alle Einschlusskriterien erfüllten und in die nachstehenden Analysen eingingen. Einige der Referenzstationen wurden mehrfach verwendet. In Baden-Württemberg wurde die Messstation DEBW034-Waiblingen als Referenzmessstation für Ilsfeld und zusätzlich für Ludwigsburg und Stuttgart verwendet, die Messstation DEBW042-Bernhausen für Reutlingen und zusätzlich für Stuttgart sowie die Messstation DEBW112-Gärtringen für Herrenberg und zusätzlich für Reutlingen und Tübingen. In Nordrhein-Westfalen wurde die Messstation DENW029-Hattingen als Referenzmessstation für Dortmund und zusätzlich für Essen und Wuppertal eingesetzt.

Tab. 1

Übersicht zu den in dieser Studie analysierten Umweltzonen. Jahr des Beginns der Datenübernahme ( = Start des Beobachtungszeitraums) und Einführungstermin der Umweltzonen. Ende des Beobachtungszeitraums ist überall am 31.12.2009. Anzahl der Stationen mit PM10-Messdaten, die eine Quadrupelbildung ermöglichten, differenziert nach Indexstationen (innerhalb der Umweltzonen) und Referenzstationen (außerhalb der Umweltzonen).

Datenübernahme

Einführung

geeignete Messstationen

Fläche
Umweltzone

Fläche
Stadt

Einwohnerzahl
Umweltzone

Einwohnerzahl
Stadt

Bundesland

Stadt

ab

Umweltzone

insgesamt

Innerhalb

außerhalb

/km2

/km2

2007

2011

Baden-Württemberg[1]

Herrenberg

2006

01.01.2009

 2

 1

 1[2]

 17

  64,71

   15 000

      29 935

Ilsfeld

2004

01.03.2008

 2

 1

 1[2]

  2,5

  26,51

     4000

        8663

Karlsruhe

2005

01.01.2009

 3

 1

 2

 11,4

 173,46

   94 250

    291 995

Ludwigsburg

2005

01.03.2008

 3

 2

 1[2]

 30

  43,33

   55 000

     86 939

Mannheim

2005

01.03.2008

 4

 2

 2

  7,5

 144,96

   93 900

    291 458

Reutlingen

2004

01.03.2008

 3

 1

 2[2]

  4,5

  87,06

   24 500

    110 084

Stuttgart

2004

01.03.2008

 8

 6

 2[2]

207

 207

  590 000

    591 015

Tübingen

2005

01.03.2008

 2

 1

 1[2]

 11,9

 108,12

   64 000

     83 248

Summe Baden-Württemberg

27

15

12

291,8

 855,15

  940 650

  1 493 337

Bayern

Augsburg

2007

01.07.2009

 4

 3

 1

  5,2

 146,93

   40 000

    272 699

München

2006

01.10.2008

 7

 5

 2

 44

 310,71

  431 000

  1 388 308

Summe Bayern

11

 8

 3

 49,2

 457,64

  471 000

  1 661 007

Berlin

Berlin „BLUME“

2004

01.01.2008

12

 5

 7

 88

 891,85

1 100 000

  3 375 222

Summe Hessen

Frankfurt a.M.

2003

01.10.2008

 4

 1

 3

110

 248,31

  550 000

    687 775

Summe Niedersachsen

Hannover

2005

01.01.2008

 5

 1

 4

 50

 204,14

  218 000

    514 137

Nordrhein-Westfalen

Dortmund

2006

01.01.2008

 6

 2

 4[2]

 19,1

 280,71

ca. 158 000

    572 087

Duisburg

2006

01.10.2008

 4

 3

 1

ca. 50

 232,83

ca. 376 500

    486 816

Düsseldorf

2006

15.02.2009

 5

 1

 4

 13,8

 217,41

   36 500

    593 682

Essen

2006

01.10.2008

 5

 3

 2[2]

 84

 210,34

ca. 291 000

    566 862

Köln

2006

01.01.2008

 6

 2

 4

 16

 405,17

  130 000

  1 023 373

Wuppertal

2006

01.02.2009

 4

 2

 2[2]

 35,3

 168,39

  194 000

    342 885

Summe NRW

30

13

17

218,2

1514,85

1 186 000

  3 585 705

Gesamt

89[2]

43

46[2]

807,2

4171,94

4 465 650

11 317 183

1 gravimetrische Messungen in Baden-Württemberg (sonst kontinuierlich)


2 inkl. Mehrfachverwendung von Referenzstationen (Details siehe Text)



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Messgrößen und Regressionsmodelle

Zentrale Messgröße dieser Studie ist die PM10-Staubfraktion, welche von den zuständigen Landesmessbehörden als Halbstunden- oder Tagesmittelmesswerte in µg/m3 erhoben und dokumentiert wird.

Die Stationsdatenbank des Umweltbundesamtes [31] enthält Angaben zu Mess- bzw. Probenahmeverfahren.

Zwei kontinuierliche Messverfahren waren im Einsatz, um Halbstundenwerte der PM10-Konzentration zu gewinnen:

  1. β-Absorptions-Verfahren (BA). Dieses Messverfahren nutzt aus, dass Staub, der auf Filterbändern abgeschieden wird, die β-Strahlung einer Kr-Strahlenquelle in definierter Weise schwächt.

  2. Tapered Element Oscillating Microbalance (TEOM). Dieses Messverfahren beruht auf einer definierten Frequenzänderung einer oszillierenden Filterwaage durch abgeschiedene Stäube. Zur Beschreibung und Bewertung der Verfahren siehe z. B. Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW [32].

Tagesmittelwerte der PM10-Konzentration wurden mit gravimetrischen Verfahren erhoben, siehe z. B. Lenschow et al. [33], LUBW 2009 [34] sowie Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW [32].

Die Messwerte an den Messstationen in Baden-Württemberg wurden mit gravimetrischen Verfahren gewonnen, alle anderen mit kontinuierlich arbeitenden Messgeräten (vgl. [Tab. 1]). Werte unterhalb der Nachweisgrenze wurden auf die halbe Nachweisgrenze des jeweiligen Messgerätes gesetzt. Um die Daten auf den jeweils interessierenden Aggregatniveaus auswerten zu können (Halbstundenwert oder Tageswert), wurden Kollabierungsprogramme geschrieben, die den gesamten Datenbestand entsprechend auf Mittelwerte bei Festhalten der Station verdichteten. Es wurden Auswertungen für die mit kontinuierlichen Verfahren gemessenen Halbstunden-Konzentrationen erstellt sowie für die gravimetrisch ermittelten Tageswerte, und es wurden – nach Kollabierung der Halbstundenwerte auf Tagesmittelwerte – zudem die Tagesmittelwerte an allen Stationen analysiert.

Neben einer Grundbeschreibung zur Verteilung der Messdaten wurden zur Schätzung des Umweltzoneneffektes Regressionsmodelle berechnet, in denen stets die Differenz der PM10-Indexmesswerte in µg/m3 als Zielgröße verwendet wurden und die Differenz der PM10-Referenzmesswerte in µg/m3 als Regressor. Die Ausgangsmesswerte der Referenzstationen in µg/m3 gingen als Kovariablen ein, um eine zeitlich unterschiedliche Wirkungsstärke der Referenzstationswerte auf die Indexstationswerte zuzulassen [30]; die zusätzliche Berücksichtigung der Ausgangsmesswerte an den Indexstationen in µg/m3 korrigiert für eine mögliche Verzerrung durch „regression-to-the-mean“ [35] [36].

Für eine Wirksamkeitsbetrachtung wichtige meteorologische Einflussgrößen [37] wie Mischungsschichthöhe, Niederschlagsmenge und Luftgeschwindigkeit konnten vom Institut für Meteorologie der Freien Universität Berlin mit einer Auflösung von 1 Stunde für die Messzeiträume an allen Stationen bereit gestellt werden [29]. Um den auf Halbstundenbasis vorliegenden Daten der Staubkonzentration zugeordnet werden zu können, wurden die meteorologischen Daten gedoppelt. Die meteorologischen Größen wurden entsprechend dem Box-Modell [38] in inverser Form berücksichtigt, wobei die Werte ggf. um eine positive Konstante verschoben wurden, um Nulldivisionen zu vermeiden. Die Verschiebungskonstante wurde entsprechend an der kleinsten Schrittweite der Messgröße orientiert [39]. Demgemäß wurden in dieser Studie die meteorologischen Größen (Mischungsschichthöhe M in m; Windgeschwindigkeit W in m/s; Niederschlagsmenge N in mm/h) in die additiven Modelle in der Form 1/M, 1/(W + 0,1 m/s) und 1/(N + 0,1 mm/h) eingebunden bzw. deren Logarithmen im multiplikativen Modell.

Als weitere potenzielle Confounder wurden die Einführung der Umweltprämie (Indikator für den Zeitraum der Gewährung der sog. „Abwrackprämie“), die Schulferienzeiten (Indikator für den Zeitraum, in dem Schulferien in dem Bundesland waren), die LKW-Fahrverbotszeiten (Indikator für den Zeitraum, in dem an der Messstation ein LKW-Fahrverbot galt) und die Zeitdifferenz in Jahren zwischen Vergleichsmessungen vor und nach Einführung der Umweltzone in den Regressionsmodellen berücksichtigt.

Die additiven und multiplikativen Regressionsmodelle wurden zu unterschiedlichen Teildatenbeständen (Halbstundenmesswerte, Tagesmittelmesswerte, Halbstundenmesswerte auf Tagesmittelwerte verdichtet, verdichtete Halbstundenmesswerte und Tagesmittelmesswerte gemeinsam; jeweils mit oder ohne Ausschluss von LKW-Fahrverbotszeiten vor Einführung der Umweltzone; Einschränkung der Analysen auf Index-Verkehrsstationen) und mit variierenden Kovariablenkombinationen (Differenz an Referenzstationen, Ausgangswerte an Index- und Referenzstationen, Zeitdifferenzen; zusätzlich: meteorologische Parameter; zusätzlich: LKW-Fahrverbotszeiten, Schulzeiten, „Umweltprämienzeitraum“) erstellt, um die Robustheit der Ergebnisse zu untersuchen und ungeeignete Modellierungen zu erkennen. Alle Auswertungen wurden mit Stata 11 [40] auf einem 64-bit PC durchgeführt. Die Zusatzmodelle „Halbstundenwerte, verdichtet auf Tagesmittelwerte“, wurden zur statistischen Prüfung eines Effektes der Umweltzonen nicht verwendet. Somit wurden 2*3*2*2*2 = 48 Tests durchgeführt, und aufgrund dieser multiplen Testungen wurde zur Beurteilung des Umweltzoneneffektes ein Signifikanzniveau von 5 %/50 = 0,1 % angesetzt („family wise error rate“, [41]).


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Ergebnisse

Halbstundenmesswerte PM10

Insgesamt wurden 4 523 444 PM10-Halbstundendatensätze aus 5 Bundesländern und 11 Umweltzonen mit 28 Index- und 34 Referenzstationen für die Zeitspanne vom 01.01.2004 bis 31.12.2009 übergeben. Typische Beispielverläufe der PM10-Konzentration über die Zeit an einer Index- und an einer Referenzstation werden in [27] gezeigt. Von diesen Datensätzen konnten 4 221 606 Messungen zum Aufbau von Quadrupeln genutzt werden.

[Tab. 2] zeigt die Messwertverteilungen in diesen 2 110 803 Quadrupeln.

Tab. 2

Quadrupel aus PM10-Halbstundenwerten (5 Bundesländer, 11 Umweltzonen, 28 Index- und 34 Referenzstationen). Statistiken zu Indexstationen (Ind), Referenzstationen (Ref) sowohl vor (prae) als auch nach (post) Einführung der Umweltzone, Ind.diff und Ref.diff bezeichnen Differenzen zwischen den Index- und zwischen den Referenzmesswerten in µg/m3 (post-prae, d. h. kleiner Null bedeutet niedrigere Werte nach Einführung der Umweltzone).

Statistik

Ind.prae

Ind.post

Ref.prae

Ref.post

Ind.diff.

Ref.diff.

N

2 110 803

2 110 803

2 110 803

2 110 803

2 110 803

2 110 803

min

1

0,5

0,5

0,5

– 2996

– 2323

p5

8

8

5

5

– 37

– 33,9

p50

25,0

24

19

19

0

0

MW

28,6

28,1

23

22,4

– 0,433

– 0,566

p95

61,8

59

53

50

35

31

max

3021

3045

2344

3850

3026

3836

N: Umfang, min: Minimum, p5: 5-Perzentil, p50: 50-Perzentil (Median), MW: arithmetischer Mittelwert, p95: 95-Perzentil, max: Maximum

An den Indexstationen wurden im Mittel 28 bis 29 µg/m3 ermittelt, an den Referenzstationen 22 bis 23 µg/m3. Im Median war an den Differenzen keine Änderung und damit auch kein Effekt zu erkennen (stets 0 µg/m3). Im Mittelwert lagen die Differenzen der Indexstationswerte (innerhalb der Umweltzonen) bei – 0,43 µg/m3. Es wurde also ein gewisser Rückgang der Werte nach Einführung der Umweltzonen erkannt. Allerdings zeigten die Referenzstationen ebenfalls einen Rückgang und zwar ausgeprägter als an den Indexstationen (– 0,57 µg/m3). Dieser Vergleich ergab somit auch keinen Hinweis auf eine Wirksamkeit der Umweltzonen.

[Tab. 3] berichtet zu einer Auswertung der 2 110 803 Quadrupel unter Berücksichtigung von Kovariablen.

Tab. 3

Quadrupel aus PM10-Halbstundenwerten (5 Bundesländer, 11 Umweltzonen, 28 Index- und 34 Referenzstationen). Lineares Regressionsmodell mit Zielgröße: Indexstationsdifferenz Ind.diff. Kovariablen: Referenzstationsdifferenz Ref.diff, zentrierte Referenzbasiskonzentration Ref.basis, zentrierte Indexbasiskonzentration Ind.basis, Differenz in 1/(Mischungsschichthöhe M/m), Differenz in 1/(Windgeschwindigkeit W/m + 0,1), Differenz in 1/(Niederschlagsmenge N/mm/h + 0,1), zentrierte Zeitdifferenz zwischen Vergleichsmessungen vor und nach Einführung der Umweltzone Zeit.diff, absoluter Umweltzoneneffektschätzer E in μg/m3. Koeffizient Koef., robuster Standardfehler des Koeffizienten Std.Err., t-Wert, zweiseitiger P-Wert, geschätztes 95 %-Konfidenzintervall des Koeffizienten [95 % CI].

Robust

Ind.diff

Koef.

Std.Err.

t

P

[95 % CI]

Ref.diff

0,716

0,026

27,98

[*]

0,665

0,766

Ref.basis

0,655

0,024

26,97

[*]

0,607

0,703

Ind.basis

– 0,91

0,005

– 194

[*]

– 0,919

– 0,901

Diff 1/M

240,7

10,8

22,3

[*]

219,6

262,0

Diff 1/W

1,30

0,06

21,8

[*]

1,19

1,42

Diff 1/N

0,185

0,009

20,2

[*]

0,167

0,203

Zeit.diff

0,168

0,031

5,45

[*]

0,107

0,228

E

– 0,161

0,027

– 5,88

[*]

– 0,214

– 0,107

* P-Wert < 0,1 %


Der Koeffizient für den Einfluss der Referenzstationsdifferenz ist unterschiedlich in den beiden Beobachtungsphasen (0,716 bzw. 1,371 = 0,716 + 0,655) und stets deutlich von 1 verschieden. Es zeigt sich ein ausgeprägter „regression to the mean“-Effekt (– 0,910). Die Einflüsse der Differenzen der invertierten meteorologischen Größen sind stets positiv. Dies entspricht der Erwartung: je höher die Mischungsschichthöhe, die Windgeschwindigkeit oder die Niederschlagsmenge desto niedriger die Staubkonzentration. Der unabhängige Einfluss dieser meteorologischen Größen auf die Feinstaubwerte lässt sich eindeutig sichern, auch nach Berücksichtigung der Referenzstationsmesswerte. Über die Zeit ergibt sich unabhängig von der Umweltzoneneinführung ein steigender Trend in den PM10-Halbstundenwerten. Das Modell beschreibt einen die PM10-Staubkonzentrationen verringernden Effekt der Umweltzone (E = – 0,161 μg/m3). Werden zusätzlich Schulferienzeiten, die Phase der Umweltprämie und LKW-Fahrverbotszeiten berücksichtigt, so ergab sich E = + 0,084 μg/m3, also kein Hinweis auf eine die Staubkonzentration senkende Wirkung der Umweltzone. Die relative Veränderung wurde mittels eines multiplikativen Modells studiert, analog strukturiert zum linearen Modell in [Tab. 3]. Die mittlere Änderung wurde auf – 0,88 % geschätzt, wurden zusätzlich Schulferienzeiten, die Phase der Umweltprämie und LKW-Fahrverbotszeiten berücksichtigt, so ergab sich + 0,79 %.

Wird als einzige Kovariable die Messwertdifferenz an den Referenzstationen in die Auswertungen aufgenommen, so ergab sich im additiven Modell ein Effektschätzer von + 0,008 μg/m3, im multiplikativen Modell – 0,43 %.


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Tagesmittelwerte PM10

Wurden die PM10-Halbstundenmesswerte auf Tagesmittelwerte verdichtet und mit den Tagesmesswerten aus Baden-Württemberg zusammengeführt, so konnten die PM10-Daten zu 6 Bundesländern und 19 Umweltzonen mit 43 Index- und 46 Referenzstationen gemeinsam analysiert werden. Es entstanden als Input für die Auswertungen 146 152 Tages-Datensätze, die den Aufbau von 61 169 Quadrupeln erlaubten. [Tab. 4] zeigt die zugehörigen Messwertverteilungen.

Tab. 4

Quadrupel aus PM10-Tagesmittelwerten (6 Bundesländer, 19 Umweltzonen, 43 Index- und 46 Referenzstationen). Statistiken zu Indexstationen (Ind), Referenzstationen (Ref) sowohl vor (prae) als auch nach (post) Einführung der Umweltzone, Ind.diff und Ref.diff bezeichnen Differenzen zwischen den Index- und zwischen den Referenzmesswerten in µg/m3 (post-prae, d. h. kleiner Null bedeutet niedrigere Werte nach Einführung der Umweltzone).

Statistik

Ind.prae

Ind.post

Ref.prae

Ref.post

Ind.diff.

Ref.diff.

N

61 169

61 169

61 169

61 169

61 169

61 169

min

3

3

2

2,292

– 389

– 202

p5

11

11

8

8

– 32,5

– 29,0

p50

25,1

24,2

19,3

18,5

– 0,729

– 0,593

MW

28,6

27,6

22,6

21,6

– 1,038

– 0,938

p95

57,8

53,1

48,3

44

28,5

25,0

max

411,4

278,8

222,0

297,0

248

278

N: Umfang, min: Minimum, p5: 5-Perzentil, p50: 50-Perzentil (Median), MW: arithmetischer Mittelwert, p95: 95-Perzentil, max: Maximum

An den Indexstationen wurden im Mittel ca. 28 µg/m3 ermittelt, an den Referenzstationen ca. 22 µg/m3. Im Median änderten sich die Indexstationswerte um – 0,73 µg/m3, die Referenzstationsdaten um – 0,59 µg/m3, die Mittelwerte der Differenzen lagen bei – 1,04 µg/m3 bzw. – 0,94 µg/m3. Diese Vergleiche lassen einen Effekt der Umweltzoneneinführung auf den Tagesmittelwert der PM10-Konzentration in der Größenordnung von – 0,1 µg/m3 bis – 0,2 µg/m3 erwarten.

Tab. 5

Quadrupel aus PM10-Tagesmittelwerten (6 Bundesländer, 19 Umweltzonen, 43 Index- und 46 Referenzstationen). Lineares Regressionsmodell mit Zielgröße: Indexstationsdifferenz Ind.diff. Kovariablen: Referenzstationsdifferenz Ref.diff, zentrierte Referenzbasiskonzentration Ref.basis, zentrierte Indexbasiskonzentration Ind.basis, Differenz in 1/(Mischungsschichthöhe M/m) Differenz in 1/(Windgeschwindigkeit W/m + 0,1), Differenz in 1/(Niederschlagsmenge N/mm/h + 0,1), zentrierte Zeitdifferenz zwischen Vergleichsmessungen vor und nach Einführung der Umweltzone Zeit.diff, absoluter Umweltzoneneffektschätzer E in μg/m3. Koeffizient Koef., robuster Standardfehler des Koeffizienten Std.Err., t-Wert, zweiseitiger P-Wert, geschätztes 95 %-Konfidenzintervall des Koeffizienten [95 % CI].

Robust

Ind.diff

Koef.

Std.Err.

t

P

[95 % CI]

Ref.diff

0,995

0,012

84,69

[*]

0,972

1,018

Ref.basis

0,914

0,013

68,18

[*]

0,888

0,941

Ind.basis

– 0,905

0,007

– 120,91

[*]

– 0,919

– 0,890

Diff 1 /M

83,7

7,12

11,74

[*]

69,7

97,6

Diff 1 /W

0,321

0,043

7,49

[*]

0,237

0,405

Diff 1 /N

0,045

0,008

5,73

[*]

0,03

0,061

Zeit.diff

– 0,141

0,055

– 2,55

1,1 %

– 0,25

– 0,033

E

– 0,134

0,037

– 3,6

[*]

– 0,207

– 0,061

* P-Wert < 0,1 %


Wie in der Analyse der Halbstundenwerte ergab sich (siehe [Tab. 5]) der Koeffizient für den Einfluss der Referenzstationsdifferenz als zeitabhängig (0,995 vs. 1,909 = 0,995 + 0,914) und „regression to the mean“ konnte nachgewiesen werden (– 0,905). Die Einflüsse der Differenzen der invertierten meteorologischen Größen sind ebenfalls positiv. Über die Zeit ergibt sich unabhängig von der Umweltzoneneinführung ein gewisser abfallender Trend, wenn auch nicht sehr stark ausgeprägt im Vergleich zu den anderen Effekten im Modell. Dies deutet eine Heterogenität der Entwicklungen zwischen den Bundesländern an, da die Halbstundenwertanalyse einen anderen Trend zeigte. Das Modell beschreibt einen die PM10-Staubkonzentrationen verringernden Effekt der Umweltzone (E = – 0,134 μg/m3). Werden jedoch zusätzlich Schulferienzeiten, die Phase der Umweltprämie und LKW-Fahrverbotszeiten berücksichtigt, so ergab sich E = + 0,003 μg/m3, also kein Hinweis auf eine die Staubkonzentration senkende Wirkung der Umweltzone. Die relative Veränderung wurde mittels eines multiplikativen Modells studiert, so strukturiert wie das lineare Modell in [Tab. 3]. Die mittlere Änderung wurde auf – 0,72 % geschätzt, wurden zusätzlich Schulferienzeiten, die Phase der Umweltprämie und LKW-Fahrverbotszeiten berücksichtigt, so ergab sich ein Schätzer von – 4,5 %.

Da sich gleichzeitig zu diesem hohen relativen Schätzer von – 4,5 % ein starker und unplausibler feinstauberhöhender Effekt der LKW-Fahrverbotszeiten ausprägte (+ 6,4 %), wurden die Analysen unter Ausschluss von LKW-Fahrverbotszeiten vor Einführung der Umweltzone wiederholt, um diese Einflussgröße in anderer Weise zu kontrollieren und hierdurch die Sensitivität der Ergebnisse in Abhängigkeit von den LKW-Fahrverbotsangaben zu untersuchen. In dieser Zusatzanalyse konnten 57 379 Quadrupel aufgebaut werden. Als Umweltzonenschätzer ergab sich im additiven Modell E = – 0,11 μg/m3 bzw. – 2,4 % im multiplikativen Modell, was eine besondere Instabilität des multiplikativen Schätzers belegte, die ursächlich dem Einfluss von LKW-Fahrverbotszeiten zuzuordnen ist. Eine weitergehende Untersuchung zur Instabilität des Schätzers im multiplikativen Modell identifizierte eine Sondersituation in Baden-Württemberg. Die Auswertung der 8 Umweltzonen in Baden-Württemberg (15 735 Quadrupel) ergab im additiven Modell für die Zeiten des LKW-Fahrverbots eine Zunahme der PM10-Konzentration im gemessenen Tagesmittel um + 1,47 μg/m3 bzw. + 8,3 % im multiplikativen Modell (gleichzeitige Umweltzoneneffektschätzer: – 0,06 μg/m3 bzw. – 4,4 %). Eine Analyse der Halbstundenmesswerte aus allen anderen Bundesländern, im Original und verdichtet auf Tagesmittelwerte, ergab dagegen stets eine ausgeprägte Verringerung der Staubbelastung in den Zeiten des LKW-Fahrverbots (im Tagesmittel um – 1,0 μg/m3 bzw. – 5,6 %).

Regressionsanalysen der 61 196 Quadrupel, in der nur die Messwertdifferenzen an den Referenzstationen als Kovariablen mitgeführt wurden, schätzten den Effekt auf – 0,10 μg/m3 bzw. – 0,57 %.

Einen Überblick zu den Wirksamkeitsschätzungen der Umweltzoneneinführung für unterschiedliche Teildatenbestände und bei verschiedenen Kovariablenkombinationen in den Regressionsmodellen enthält der Anhang.


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Effekte der Umweltzonen

Einzelauswertungen der Umweltzonen ergaben weite Streuungen der Effektschätzer. So fanden sich in voll adjustierten Modellen und bei Ausschluss von Fahrverbotszeiten vor Einführung der Umweltzonen in den untersuchten 19 Zonen additive Effekte zwischen – 4,4 μg/m3 und + 1,4 μg/m3 bzw. multiplikative Effektschätzer von – 30 % bis + 10 %. Auf Wunsch des Projektbegleitkreises wurde auf Einzeldarstellungen zugunsten der Gesamtauswertung verzichtet.


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Effekte an Verkehrsstationen

Die berichteten Ergebnisse basieren auf den PM10-Konzentrationsdifferenzen in 111 Gegenüberstellungen von Index- und Referenzstationen, dabei waren 28 Indexstationen von der Indexstationsart „Hintergrund“, eine von der Indexstationsart „Industrie“ und 78 von der Indexstationsart „Verkehr“. Wurden die Analysen auf die Verkehrsstationen beschränkt, so konnten 40 460 Quadrupel zu Tagesmittelwerten aufgebaut werden. Als mittlerer Effektschätzer ergab sich E = – 0,72 μg/m3 unter Berücksichtigung des vollen Kovariablensatzes im additiven Modell.


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Diskussion

Diese Studie untersuchte als erste übergreifend die Wirksamkeit verschieden gestalteter Umweltzonen in Deutschland auf die PM10-Feinstaubkonzentrationen nach einem einheitlichen Datensammlungs- und Analyseplan und unter Berücksichtigung möglichst vieler Störeinflüsse. Die Auswertungen zeigten einen nur geringen Effekt einer Umweltzoneneinführung der Stufe 1 (mit Fahrverboten für Fahrzeuge ohne Plakette und einem Emissionsniveau schlechter als EURO 2) auf PM10-Konzentrationen bis Ende 2009:

  • im Mittel an allen Indexstationen nicht höher als ca. 0,2 μg/m3, d. h. nicht höher als ca. 1 %,

  • im Mittel an allen Verkehrsstationen unter 1 μg/m3, d. h. nicht höher als ca. 5 %.

Diese Aussagen gelten bei Berücksichtigung von Differenzen der Referenzwerte, Ausgangswerte an den Index- und Referenzstationen, meteorologischer Parameter (Mischungsschichthöhe, Niederschlagsmenge, Windgeschwindigkeit), Zeiten der Schulferien, der Umweltzonenprämie und des LKW-Fahrverbots. Diese Schätzungen passen auch zu den direkten Auswertungen der Quadrupel. In voll adjustierten Modellen, d. h. bei gleichzeitiger Berücksichtigung aller Kovariablen, fallen die Wirksamkeitsschätzungen eher niedriger aus.

Vor Einführung der Umweltzonen im Auftrag des Umweltbundesamtes durchgeführte Wirkungsschätzungen für den betrachteten Zeitraum lagen mit einer Spanne von 3 % bis 6 % der Jahresmittelwerte im Vergleich zu unserer realen Messdatenanalyse höher [5]. Unsere ermittelten Größenordnungen passen besser zu den niedrigeren Prognosen des PAREST-Projektes der FU Berlin ([29], www.parest.de, [42]). Hintergrundinformationen und einzelne Berichte zu diesem Projekt sind über die Homepage des Umweltbundesamtes mittlerweile verfügbar [43]. Die Schätzungen aus PAREST sind weitgehend vergleichbar mit den Angaben zum Effekt an allen Indexstationen unserer Untersuchung, da die PAREST-Simulationen mit einer räumlichen Auflösung von 1 km2 arbeiteten. Sie bilden also nicht besondere Situationen wie verkehrsbelastete Straßen ab, sondern schätzen eine Umweltzone in ihrer Wirkung insgesamt ein. In PAREST ergaben sich folgende Maximalszenarien unter der Voraussetzung, dass in allen definierten Umweltzonen nur noch Fahrzeuge mit einer grünen Plakette (Emissionsniveau der PKWs besser als EURO 3) zugelassen sind:

  • Berlin: bis 0,4 μg/m3, relativ: 1 % bis 2 %

  • München, bis 0,2 μg/m3, relativ: bis 1 %

  • Ruhrgebiet [alternativ: gesamtes Ruhrgebiet als Umweltzone] bis 0,4 μg/m3 [0,5 μg/m3 bis 0,7 μg/m3], relativ: bis 1,2 % [2 % bis 2,6 %].

Aufgrund dieser Ergebnisse ist nicht zu erwarten, dass die von uns ermittelten geringen PM10-Rückgänge bei der Stufe 1 (Fahrverbote für Fahrzeuge ohne Plakette) nach einer Erweiterung der Umweltzonen auf größere Areale und/oder weiterer Verschärfung der Zufahrtsregelungen (Einfahrverbot für Fahrzeuge mit roter und/oder gelber Plakette) relevant höher ausfallen. Modellierungsrechnungen des INTARESE-Projektes [44] für die beiden Umweltzonen in Rom bestätigen dies: Die wesentlichen PM10-Rückgänge werden bereits durch ein Einfahrverbot für EURO 0 erwartet und betragen 0,4 μg/m3 bzw. 0,6 μg/m3. Falls nur noch EURO 4-Fahrzeuge im Umweltzonenbereich fahren würden, werden die Absenkungen in den PM10-Konzentrationen auf 0,47 μg/m3 bzw. 0,7 μg/m3 geschätzt, also kaum höher [45]. Die in Bruckmann et al. [4] und Rauterberg-Wulff und Lutz [10] berichteten Wirkungsschätzungen stehen bei Berücksichtigung ihrer einfacheren Bewertungsmethodik (keine Quadrupelbildung, keine Regressionsanalysen mit Kovariablen) nicht im Konflikt zu den Ergebnissen dieser Studie. Zudem lassen auch Langzeittrends der PM10-Jahresmittelwerte aus Baden-Württemberg keine zusätzliche Wirkung durch eine Umweltzoneneinführung auf die seit einigen Jahren grundsätzlich rückläufigen Konzentrationen an Verkehrsstationen erkennen [46]. Eine direkte Gegenüberstellung unserer Ergebnisse und der Befunde aus diesen Studien ist aber aufgrund der unterschiedlichen Zugangsweisen in den Analysen nicht sinnvoll.

Wir beobachteten eine starke Heterogenität der Daten hinsichtlich Umweltzonen und Bundesländern, insbesondere verursacht durch auffällige Effektschätzungen in Baden-Württemberg. In Baden-Württemberg wurde das in der DIN EN 12341 empfohlene gravimetrische Messverfahren eingesetzt (Bestimmung von Tagesmittelwerten), während in den anderen Bundesländern Halbstundenmesswerte, ermittelt mit kontinuierlichen Verfahren, dokumentiert wurden. Die Umweltzoneneffektschätzer für Baden-Württemberg sind zudem deutlich reduziert, wenn LKW-Fahrverbotszeiten vor Einführung nicht ausgespart, sondern adjustiert werden, d. h. sie reagierten sensitiv auf Variationen des Auswerteansatzes. Zu den anderen Bundesländern abweichende und unplausible Effekte des LKW-Fahrverbots auf die PM10-Feinstaubkonzentrationen in Baden-Württemberg verstärkten die Heterogenität zwischen den Ländern. Eine mögliche Erklärung liefert die nur in Stuttgart auftretende besondere Situation, wonach zunächst ein LKW-Fahrverbot galt (01.01.2006 bis 28.02.2008) und dieses Verbot genau mit Einführung der Umweltzone (01.03.2008) aufgehoben wurde [47]. Eine solche Konstellation (Antikorrelation) führt zu potenziellen Multikollinearitäten, die die Effektschätzer in den Regressionsmodellen von ihrem Neutralwert verzerrend wegtreiben können [48]. Grundsätzlich ist festzustellen, dass das Konzept „Umweltzone“ in den Bundesländern sehr unterschiedlich verwirklicht wurde, wie bereits die breite Variation der Flächen- und Bevölkerungszahlen in [Tab. 1] verdeutlicht.

Die weite Streuung der einzelnen Umweltzonenschätzer muss auch unter Beachtung des Phänomens „regression-to-the-mean“ diskutiert werden [49]. Aufgrund dieses Phänomens ist zu erwarten, dass in Einzelbeobachtungen zu Umweltzonen bei hohen Ausgangswerten tendenziell Rückgänge ermittelt werden und bei niedrigen Basiswerten tendenziell Anstiege. Dies gilt selbst unter Annahme einer Nullhypothese, d. h. unter der Annahme, dass die Einführung einer Umweltzone keinen kausalen Effekt auf die PM10-Konzentration ausübt. „Regression-to-the-mean“ ist als Phänomen in der Ermittlung von Umweltzoneneffekten insbesondere deshalb zu beachten, da die Verteilungen der Messwertdifferenzen an den Indexstationen eine größere Wölbung als eine Normalverteilung zeigten (Kurtosis-Exzess), und damit ausgeprägt besetzte Flankenbereiche mit vielen hohen und niedrigen Werten auftraten. Insofern sind der Interpretation von Einzelbefunden zu Umweltzonen klare Grenzen gesetzt, und sie werden deshalb – nach Absprache mit den Landesämtern und auf deren Wunsch – hier nicht weiter verfolgt.

Das multiplikative Modell stellte sich in seinen Schätzungen als deutlich instabiler dar, während der additive Auswerteansatz zu weitgehend ähnlichen und robusten Resultaten führte. Die Befunde aus den voll adjustierten additiven Analysen deckten sich weitgehend mit den Ergebnissen aus einer direkten Auswertung der Quadrupel und mit denen aus einfacheren Regressionsmodellen bei alleiniger Berücksichtigung der Messwertdifferenz an den Referenzstationen als Kovariable. Zudem gestützt auf inhaltliche Überlegungen in Lenschow et al. [33] und auf kontrastierende Auswertungen nach Hoek et al. [50] (Vergleich der Partikelkonzentrationen in drei europäischen Ländern im additiven und multiplikativen Ansatz) erscheint das additive Modell besser geeignet und plausibler, um die PM10-Feinstaubkonzentrations­änderungen zu verfolgen. Zudem haben die zwischenzeitlich häufig verwendeten und umfangreich erprobten „land-use“ Modellierungen den linearen Regressionsansatz als einen erfolgreichen analytischen Zugang zur Schätzung von Umweltstaubexpositionen ermittelt [51]. Log-lineare Modelle werden aufgrund ihrer multiplikativen Struktur selten eingesetzt, trotz der im Allgemeinen besseren Normalisierung der Messwertverteilungen.

Eine Berücksichtigung weiterer Kovariablen in den Auswertungen ist grundsätzlich möglich [28], setzt aber eine einheitliche und flächendeckenden Erhebung dieser Angaben vor und nach Einführung der Umweltzonen voraus. Diese Anforderung an die Verfügbarkeit der Daten limitiert solche angestrebten Erweiterungen in der Auswertung. Intensive Vorprüfungen ergaben, dass in Deutschland derzeit kaum Angaben zum Verkehrsaufkommen an den Index- und Referenzstationen vorliegen und auch keine verwertbaren Daten zur Änderung der Flottenzusammensetzung, die in Analysen eingebunden werden könnten. Allerdings ist dieser Mangel aus methodischer Sicht nicht gravierend, denn zumindest ein Teil der Änderung des Verkehrsaufkommens oder der Flottenzusammensetzung könnte auch durch die Einführung der Umweltzone mitbedingt sein. Falls dies der Fall ist, müssen diese Änderungen auch als kausale Auswirkungen einer Umweltzone angesehen werden. Unterschiedliche Entwicklungen von Verkehrsaufkommen und Flottenzusammensetzung an Index- und Referenzmesspunkten wären dann nicht nur als eine unabhängige Störgröße anzusehen und dürften entsprechend nicht in den Analysen im Sinne von Kovariablen berücksichtigt werden, selbst wenn die Daten verfügbar wären. Autoren, die die Entwicklung von Verkehrsströmen in Berlin verfolgten, argumentierten aufgrund ihrer Auswertungen aber gegen eine Interpretation, dass Umweltzonen solche Verdrängungs- oder Nebeneffekte an den Referenzstationen verursachen [9]. Grundsätzlich lässt sich dies Argument jedoch in beide Verzerrungsrichtungen führen: Verkehrsverdrängung aus der Umweltzone könnte zu einer Überschätzung der Wirksamkeit der Maßnahme durch eine Verringerung der Indexstationswerte und Erhöhung der Referenzstationswerte durch die Belastungsverlagerung an die Referenzstationen führen; eine nicht nur an den Index-, sondern gleichzeitig auch an den Referenzstationen induzierte Flottenerneuerung könnte zu einer Unterschätzung des Effektes durch eine Verringerung der Messwerte an den Referenzstationen führen. Es lässt sich somit nicht folgern, dass der Vergleich von Index- und Referenzstationspaaren in unserer Studie zur Stufe 1 der Umweltzoneneinführung einseitig verzerrt ist. Dennoch gilt, dass eine Berücksichtigung von Verkehrsdaten an Index- und Referenzstationen (selbst wenn sie existierten) als Kovariablen in üblichen Regressionsmodellen und zur Schichtung von Ergebnissen nicht angezeigt ist.

Bei der Analyse der Wirksamkeit von Umweltzonen ist die Methodik entscheidend: Der erwartete Effekt ist klein, und seine Messung bedarf daher einer sorgfältigen Datenaufbereitung und Auswertung. Die meisten bislang vorliegenden Studien vergleichen die Messergebnisse lediglich relativ grob oder berücksichtigten Kovariablen nur ungenügend, um verlässliche quantitative Angaben zu erlauben. Auch aktuellere Veröffentlichungen erscheinen aus methodischer Sicht wenig aussagekräftig zur Frage der Wirksamkeit einer Umweltzone. So berichten Qadir et al. [52] zwar von einem Rückgang verkehrsbezogener Einflussfaktoren von bis zu 60 % nach Einführung der Umweltzone in München. Bewertet wurden u. a. PM2,5-Messwerte, die aber nur an einer Verkehrsstation in der Umweltzone ermittelt wurden. Daten einer Referenzstation außerhalb der Zone zum Vergleich fehlen, und es wurden auch keine weiteren Kovariablenadjustierungen vorgenommen. Obwohl die Autoren den beschriebenen Rückgang aufgrund nicht exakt differenzierbarer Quelleneinträge außerhalb des Verkehrs sogar als „nicht signifkant“ einschränken, werden dennoch positive gesundheitliche Wirkungen der Umweltzoneneinführung diskutiert [52]. Die methodisch aufwendigere Auswertung zu Umweltzonen in den Niederlanden (mit dem Schwerpunkt auf LKW) unter Nutzung von Messwerten von 8 Verkehrs- und 10 Referenzstationen vor und nach Einführung der Umweltzonen zeigt insgesamt einen Rückgang für die analysierten Luftschadstoffe, am deutlichsten für PM2,5 [53]. Die Autoren sehen sich jedoch nicht in der Lage, die beobachteten Effekte eindeutig den Umweltzonen zuzuordnen. Ausführliche Diskussionen anderer Untersuchungen zur Wirksamkeit von Umweltzonen wurden in Morfeld et al. [28] und Morfeld et al. [27] geführt.

Um Datenverzerrungen zu vermeiden, haben wir die Messwerte geeignet gematcht (Quadrupelbildung). Durch diese Einschränkung auf gematchte Vierlinge entstanden keine Powerprobleme, sodass sich dieser Ansatz in der Praxis bewährt hat. Neben einer theoretischen Absicherung [28] wurde der Ansatz erfolgreich mit Simulationsdaten einem „Stresstest“ unterworfen [27].

Angemerkt sei, dass die von uns ermittelten Konfidenzintervalle bzw. p-Werte aufgrund der zu unterstellenden Autokorrelation der Messdaten tendenziell zu eng bzw. zu klein sind. Das Ergebnis einer geringen Effektivität hat somit einen konservativen Charakter. Autokorrelationsregressionen konnten wegen unvollständiger Zeitverläufe der Messwertkonzentrationen nicht direkt angewendet werden [28].

Andere Arbeiten, z. B. Bruckmann et al. [4] und Rauterberg-Wulff und Lutz [10], berichten nicht nur zu Schätzungen von mittleren Änderungen der PM10-Feinstaubkonzentrationen durch die Umweltzoneneinführung, sondern extrapolieren diese Befunde auf eine durch die Umweltzoneneinführung bedingte Änderung in den Überschreitungstagen des Grenzwertes von 50 μg/m3. Dies wird in dieser Arbeit nicht durchgeführt; denn ein Einfluss der Umweltzoneneinführung auf die Anzahl der Überschreitungstage, d. h. bezogen auf einen hohen und nicht auf einen mittleren Wert in der Messwertverteilung, ist analytisch sehr anspruchsvoll (vgl. z. B. die Ausführungen und Literaturhinweise zu Methoden und Anforderungen in der Bestimmung von hohen Perzentilen (centile) und zur Quantil-Regression (qreg) in den online frei zugänglichen Stata 11-Helpfiles [40]). Wie durch die vorliegende Analyse belegt, erlaubt die Datenlage – trotz ihres großen Umfangs und ihrer zielgerichteten Aufarbeitung – bei der geringen Effektgröße und den ausgeprägten Störvariablen kaum die gesicherte Ermittlung eines durch die Umweltzoneneinführung bedingten durchschnittlichen Rückgangs in den PM10-Feinstaubkonzentrationen, sodass die Verfolgung eines potenziellen Kausaleffektes auf den deutlich schwerer bestimmbaren Parameter „Überschreitungstage“ ausgeschlossen erscheint.

Die in dieser Studie übernommenen Messdaten stellen die einzigen vorliegenden Längsschnittdaten zur Entwicklung der PM10-Konzentrationen vor und nach Einführung der Umweltzonen in Deutschland bis Ende 2009 dar und können daher als „data best available“ gelten. Ein Interpretations- und Bewertungsproblem ergibt sich allerdings aus der nicht gesicherten oder möglicherweise sogar fehlenden Repräsentativität der Lage der Messstationen für die Bewohner der Umweltzone. Da dies nicht nur für die Lage der deutschen Messstationen gilt, sondern auch an anderen Stationen in Europa ein Problem darstellen kann, wurden weitergehende Untersuchungen zu dieser Frage im Rahmen eines separaten EUGT-Forschungsprojektes aufgenommen [54].

Unsere Studie zielt auf eine Gesamtbewertung der Maßnahme „Umweltzone“. Bei dieser Zielstellung haben wir auch die Auswirkung auf die verkehrsnahen Stationen ermittelt. Allerdings legen die bisherigen Ergebnisse der aktuellen Untersuchung zur Repräsentativität der Messstellen nahe [54], dass es sinnvoller zu sein scheint, die Daten der Hintergrundstationen zu analysieren, da diese verlässlicher eine Belastung der insgesamt betroffenen Bevölkerung beschreibt, die nicht nur an verkehrsbelasteten Straßen wohnt. Deshalb erscheinen uns die ermittelten Ergebnisse, bezogen auf alle Indexstationen innerhalb der Umweltzone, besser geeignet, um die Maßnahme „Umweltzone“ zu bewerten, als eine Einschränkung der Evaluation allein auf die verkehrsnahen Stationen.

Neuere epidemiologische Übersichtsarbeiten betonen die wesentliche Rolle der PM2,5-Konzentration in der Bewertung von Gesundheitseffekten durch die Umweltstaubbelastung [55] [56], die aber von den derzeitigen Messvorschriften zu Umweltzonen nicht erfasst werden. Auch Risikoszenarien sowie Cost-Benefit-Analysen beziehen sich in der EU zunehmend nicht mehr nur auf die PM10-Fraktion, sondern berücksichtigen vermehrt die kleineren Staubgrößenfraktionen wie beispielsweise PM2,5 [57]. Die aktuelle Entscheidung einer IARC working group, erstmals ein weltweit sehr heterogenes Substanzgemisch „outdoor air pollution“ als krebserzeugend beim Menschen einzustufen, betont dabei die Rolle der Feinstaubbelastung („particulate matter from outdoor air pollution“) und benennt zur Charakterisierung der Staubbelastung sowohl die PM10- aber auch die PM2,5-Fraktion [58]. Morfeld et al. [59] diskutieren die epidemiologische Evidenz sowie Hintergründe zur Entscheidung der IARC working group und versuchen eine Einbettung in den europäischen Kontext. Neben der PM2,5-Fraktion werden aktuell andere Bestandteile des Feinstaubs, z. B. der Rußanteil (BC, Black Carbon) als relevanter angesehen als die gesamte PM10-Konzentration: “Effect estimates (from both short- and long-termstudies) are much higher for BC than for PM10 and PM2.5 when the particulate measures are expressed per unit of mass concentration. … BC is a better indicator of harmful particulate substances from combustion sources (especially traffic) than undifferentiated PM mass” [60], ohne dass jedoch international Klarheit darüber besteht, was konkret unter Ruß oder BC zu verstehen ist [61].

Allerdings indizieren andere aktuelle Veröffentlichungen nach wie vor die wesentliche gesundheitliche Bedeutung der PM10-Konzentrationen [62], Gesundheitseffektabschätzungen durch Umweltzoneneinführung werden auf PM10-Änderungen bezogen [45] und der gröberen Fraktion innerhalb von PM10 wird dabei die Gesundheitsrelevanz zugemessen [63]. Jedoch wird für beide Messgrößen (PM10 und PM2,5) beschrieben, dass sie von Hintergrundbelastungen gleichartig überlagert sind, die eine Zuordnung von Konzentrationsänderungen zu Kraftverkehrssituationen oder -maßnahmen deutlich erschweren [64] [65]. Aber auch in der aktuellen Diskussion um relevante Wirkungsparameter für mögliche Gesundheitseffekte bleibt festzuhalten, dass Umweltzonen als Maßnahme der Länder eingeführt wurden, um die Feinstaub-Luftqualitätsgrenzwerte der EU einzuhalten, die auf der Grundlage von PM10-Daten festgelegt wurden [66].

Unsere vorliegende Wirksamkeitsüberprüfung richtet sich deshalb primär auf diesen Einführungsgrund und derzeit nicht auf die sich weiter entwickelnde Diskussion zu gesundheitlichen Wirkungen auch bestimmter anderer Luftschadstoffe. Das bedeutet, die Maßnahme „Umweltzone“ zielt auf eine Erreichung und Einhaltung des PM10-Feinstaubgrenzwertes in der Außenluft zur Verbesserung der Luftqualität und nicht primär auf Gesundheitseffekte. Mit Hinweis auf die Diskussionen um die Relevanz der Lage von Messstationen zu Beurteilung einer Belastung der Bevölkerung verzichten wir derzeit auf eine Abschätzung möglicher Gesundheitswirkungen.

Dennoch haben wir zusätzlich die vorliegenden, limitierten Daten zu den Ruß-Messgrößen EC (elemental carbon), OC (organic carbon) und TC (total carbon, EC + OC) ausgewertet. „Rußpartikel bestehen zu über 95 % aus einer Mischung von elementaren und organisch gebundenen Kohlenstoff [sic] (EC und OC)“ [67]. Zur Messung wurden kleine Staubsammler mit PM10-Charakteristik verwendet, und die Rußkonzentrationen wurden thermografisch analysiert [9]. Auf Basis von Monatsmittelwerten konnten Quadrupel für Berlin (RUBIS: n = 1728) und für Mannheim (n = 22) aufgebaut werden. Für EC ergab sich eine mittlere Konzentration bei ca. 5 µg/m3 und als Effektschätzungen – 0,31 µg/m3 und – 0,48 µg/m3 im linearen Modell bzw. – 6,4 % und – 8,7 % im log-linearen Modell, jeweils mit allein „Ref.diff,“ als Kovariable und der Variablengruppe „Ref.diff, Ref.basis, Ind.basis, Diff 1/M, Diff 1/W, Diff 1/N, Zeit.diff“ (vgl. zur Erläuterung [Tab. 3] bzw. den Anhang). Für OC ermittelten wir einen Durchschnittwert von ca. 8 µg/m3. Als Effektschätzung – 0,26 µg/m3 und – 0,16 µg/m3 (linear) bzw. – 3,0 % und – 2,1 % (log-linear). Daraus ergibt sich für TC ein geschätzter Mittelwert von ca. 13 µg/m3 und Effektschätzungen bei etwa – 0,55 µg/m3 bzw. – 4,2 %. Für PM2,5 konnten auf der Basis von Tagesmittelwerten in Mannheim 650 Quadrupel und, abgeleitet aus Halbstundenwerten, in Hannover 99 Tagesmittelwert-Quadrupel zusammengestellt werden. Als Konzentrationsmittel ergab sich ca. 17 µg/m3. In allen Effektschätzungen waren die Koeffizienten positiv. Diese Ergebnisse zu den verfügbaren Ruß- und PM2,5-Daten bestätigen nicht die Vermutung, dass die Umweltzoneneinführung eine ausgeprägtere konzentrationsabsenkende Wirkung auf diese Parameter zeigt als auf PM10-Konzentrationen. Alle Indexstationen, die Ruß- und PM2,5-Daten zur Auswertung bereitstellten, waren verkehrsnahe Stationen. Auch aus dieser ergänzenden Analyse ergeben sich keine weitergehenden Gesichtspunkte zu den Wirkungen bestimmter Feinstaubfraktionen auf Lungenerkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder andere, mit Feinstaubwirkungen in Zusammenhang gebrachte gesundheitliche Fragestellungen [56] [58] [59] [60] [62] [63] [64] [65].

Der vorgestellte Ansatz zur Messung der Effektivität von Umweltzonen war auf eine Auswertung der PM10-Konzentration zur Stufe 1 beschränkt (d. h. im Wesentlichen auf Fahrverbote für Dieselfahrzeuge mit Emissionsstandard schlechter als EURO 2 und ohne Partikelreduktionssystem sowie für Benziner schlechter als EURO 1 und ohne geeigneten Katalysator) und sollte bis zur Stufe 3 (nur noch Fahrzeuge mit grüner Plakette zugelassen) weitergeführt werden. In Folgearbeiten werden wir die Analyse auf andere Messgrößen/Schadstoffe, wie Stickoxide (NO, NO2 und NOx), ausdehnen.


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Anhang

Im Folgenden wird ein Überblick zu den Wirksamkeitsschätzungen der Umweltzoneneinführung für unterschiedliche Teildatenbestände und bei verschiedenen Kovariablenkombinationen in den Regressionsmodellen gegeben. Zeiten mit LKW-Fahrverboten vor Einführung der Umweltzonen sind eingeschlossen, und es wurden die PM10-Quadrupel durch Paarbildungen über alle verfügbaren Index- und Referenzstationen aufgebaut.

1) Analysierte Teildatenbestände der PM10-Quadrupel

HSW Kont:
Alle Stationen mit PM10-Messwerten (kontinuierlich, Halbstundenwerte) aus 5 Bundesländern mit 11 Umweltzonen

TMW Kont:
HSW, Kont-Daten kollabiert auf Tagesmittelwerte, aus 5 Bundesländern mit 11 Umweltzonen
TMW Grav:
Alle Stationen mit PM10-Messwerten (gravimetrisch, Tagesmittelwerte): nur 1 Bundesland (Baden-Württemberg) mit 8 Umweltzonen (gravimetrisches Verfahren wurde in geringerem Umfang auch in NRW eingesetzt, aber keine Quadrupel von diesen Daten identifizierbar)

TMW gesamt:
Alle Stationen mit PM10-Messwerten (kontinuierlich oder gravimetrisch, Tagesmittelwerte) aus 6 Bundesländer mit 19 Umweltzonen


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2) Kovariablengruppen in den Regressionsanalysen zu den PM10-Quadrupeln

Kovariablen:
Ref.diff.: Referenzstationsdifferenz in μg/m3, Ref.basis: zentrierte Referenzbasiskonzentration in μg/m3, Ind.basis: zentrierte Indexbasiskonzentration in μg/m3, Diff 1/M: Differenz in 1/(Mischungsschichthöhe M/m), Diff 1/W: Differenz in 1/(Windgeschwindigkeit W/m + 0,1), Diff 1/N: Differenz in 1/(Niederschlagsmenge N/mm/h + 0,1), Zeit.diff: zentrierte Zeitdifferenz zwischen Vergleichsmessungen vor und nach Einführung der Umweltzone in Jahren, Diff Abwrackprämie: zeitabhängige Differenz im Indikator für den Zeitraum der Gewährung der sog. „Abwrackprämie“, Diff Ferien: zeitabhängige Differenz im Indikator für Schulferien in dem Bundesland, Diff LKW-Fahrverbot: zeitabhängige Differenz im Indikator für den Zeitraum, in dem an der Messstation ein LKW-Fahrverbot galt.

Kovariablengruppe 0:
nur Ref.diff. als Kovariable

Kovariablengruppe 1:
Ref.diff, Ref.basis, Ind.basis, Diff 1/M, Diff 1/W, Diff 1/N, Zeit.diff

Kovariablengruppe 2:
Ref.diff, Ref.basis, Ind.basis, Diff 1/M, Diff 1/W, Diff 1/N, Diff Abwrackprämie, Diff Ferien, Diff LKW-Fahrverbot, Zeit.diff


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3) Auswertekombinationen, zu denen in [Tab. A1] und [Tab. A2] berichtet wird

Tab. A1

Lineare Regressionsmodelle mit der PM10-Indexstationsdifferenz in μg/m3 als Zielgröße. Zu Spalte 1 siehe Text (Teildatenbestände und Kovariablenkombinationen). Absoluter Umweltzoneneffektschätzer E in μg/m3, zweiseitiger P-Wert, robust geschätztes 95 %-Konfidenzintervall des Effekts E in μg/m3.

PM10

Anzahl
Bundesländer

Anzahl
Umweltzonen

Anzahl
Quadrupel

E
μg/m3

P

0,95-Konfidenzintervall

HSW Kont, 0

5

11

2 110 803

0,008

0,714

– 0,033

0,048

HSW Kont, 1

5

11

2 110 803

– 0,161

 < 0,001

– 0,214

– 0,107

HSW Kont, 2

5

11

2 110 803

0,084

0,039

0,004

0,164

TMW Kont, 0

5

11

    45 434

0,140

0,003

0,048

0,231

TMW Kont, 1

5

11

    45 434

0,101

0,012

0,022

0,180

TMW Kont, 2

5

11

    45 434

0,428

 < 0,001

0,317

0,538

TMW Grav, 0

1

8

    15 735

– 0,758

 < 0,001

– 0,898

– 0,618

TMW Grav, 1

1

8

    15 735

– 0,745

 < 0,001

– 0,878

– 0,612

TMW Grav, 2

1

8

    15 735

– 0,056

0,562

– 0,246

0,134

TMW gesamt, 0

6

19

    61 169

– 0,100

0,013

– 0,178

– 0,021

TMW gesamt, 1

6

19

    61 169

– 0,134

 < 0,001

– 0,207

– 0,061

TMW gesamt, 2

6

19

    61 169

0,003

0,953

– 0,097

0,103

Tab. A2

Log-lineare Regressionsmodelle mit der logarithmierten PM10-Indexstationsdifferenz in μg/m3 als Zielgröße. Zu Spalte 1 siehe Text (Teildatenbestände und Kovariablenkombinationen). Relativer Umweltzoneneffektschätzer 100*(E-1) in %, zweiseitiger P-Wert, robust geschätztes 95 %-Konfidenzintervall des Effekts 100*(E-1) in %.

PM10

Anzahl
Bundesländer

Anzahl
Umweltzonen

Anzahl
Quadrupel

(E-1)
*100 %

P

0,95-Konfidenzintervall

HSW Kont, 0

5

11

2 110 803

– 0,429

 < 0,001

– 0,509

– 0,350

HSW Kont, 1

5

11

2 110 803

– 0,84

 < 0,001

– 0,91

– 0,77

HSW Kont, 2

5

11

2 110 803

7,85

 < 0,001

7,20

8,51

TMW Kont, 0

5

11

    4 5434

0,378

0,006

0,110

0,647

TMW Kont, 1

5

11

    4 5434

0,23

0,049

0,00

0,46

TMW Kont, 2

5

11

    4 5434

7,68

 < 0,001

5,36

10,05

TMW Grav, 0

1

8

    1 5735

– 3,24

 < 0,001

– 3,69

– 2,79

TMW Grav, 1

1

8

    1 5735

– 3,40

 < 0,001

– 3,80

– 3,00

TMW Grav, 2

1

8

    1 5735

– 4,30

0,001

– 6,79

– 1,74

TMW gesamt, 0

6

19

    6 1169

– 0,569

 < 0,001

– 0,798

– 0,338

TMW gesamt, 1

6

19

    6 1169

– 0,72

 < 0,001

– 0,92

– 0,51

TMW gesamt, 2

6

19

    6 1169

– 4,39

 < 0,001

– 6,16

– 2,59

HSW Kont, 0 = Halbstundenwerte Kontinuierlich, Kovariablengruppe 0;
HSW Kont, 1 = Halbstundenwerte Kontinuierlich, Kovariablengruppe 1;
HSW Kont, 2 = Halbstundenwerte Kontinuierlich, Kovariablengruppe 2;

TMW Kont, 0 = Tagesmittelwerte Kontinuierlich, Kovariablengruppe 0
TMW Kont, 1 = Tagesmittelwerte Kontinuierlich, Kovariablengruppe 1
TMW Kont, 2 = Tagesmittelwerte Kontinuierlich, Kovariablengruppe 2
TMW Grav, 0 = Tagesmittelwerte Gravimetrisch, Kovariablengruppe 0
TMW Grav, 1 = Tagesmittelwerte Gravimetrisch, Kovariablengruppe 1
TMW Grav, 2 = Tagesmittelwerte Gravimetrisch, Kovariablengruppe 2 (nur Baden-Württemberg)
TMW gesamt, 0 = Tagesmittelwerte gesamt, Kovariablengruppe 0
TMW gesamt, 1 = Tagesmittelwerte gesamt, Kovariablengruppe 1
TMW gesamt, 2 = Tagesmittelwerte gesamt, Kovariablengruppe 2

3) Übersicht zu den Ergebnissen ([Tab. A1] und [Tab. A2])


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4) Wesentliche Befunde

Im linearen Modell (Annahme: additive Wirkung der Umweltzoneneinführung auf die PM10-Konzentrationen) liegen die Effektschätzungen weitgehend ähnlich bei höchstens – 0,2 μg/m3. Schätzungen passen zu den direkten Auswertungen der Quadrupel.

Im multiplikativen Modell (Annahme: proportionale Wirkung der Umweltzoneneinführung auf die PM10-Konzentrationen) ergeben sich stärker schwankende Schätzungen mit einer Tendenz zu einem bias „weg von der Null“. Schätzungen passen nicht zu den direkten Auswertungen der Quadrupel.

Bewertung:

Die Ergebnisse sind besser mit einer additiven Wirkung der Umweltzonen verträglich als mit einer multiplikativen. Der durchschnittliche absenkende Effekt liegt unter 0,2 μg/m3, d. h. unter 1 %.


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Interessenkonflikt

PD Dr. Peter Morfeld und Prof Dr. David Groneberg sind Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats der Europäischen Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor (EUGT, www.eugt.org ). PD Dr. Spallek ist Geschäftsführer von EUGT e. V. EUGT e. V. hat sich zur Aufgabe gemacht, Aus- und Wechselwirkungen von Emissionen, Immissionen und Gesundheit zu untersuchen.

Danksagung

Für die Übergabe von Luftqualitätsmessdaten, die intensive Unterstützung des Projektes und die konstruktive Kritik und Diskussion in dem Projektbegleitkreis möchten wir uns bedanken bei:

Peter Bruckmann und Reinhold Beier, Landesamt für Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutz NRW, Abteilung 4, Luftqualität, Geräusche, Erschütterungen, Strahlenschutz;

Stefan Jacobi und Wieslawa Stec-Lazaj, Hessisches Landesamt für Umwelt und Geologie (HLUG), Abteilung I Immissions- und Strahlenschutz;

Michael Köster und Andreas Hainsch, Staatliches Gewerbeaufsichtsamt Hildesheim, Abteilung 4 – Zentrale Unterstützungsstelle für Luftreinhaltung und Gefahrstoffe (ZUS LG);

Martin Lutz und Arnold Kettschau, Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz, Abteilung III Umweltpolitik, Referat III D Immissionsschutz;

Heinz Ott, Bayerisches Landesamt für Umwelt Abteilung 2, Referat 2, 4 Luftgütemessungen Südbayern, Luftreinhaltung beim Verkehr;

Werner Scholz und Christiane Lutz-Holzhauer, Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW), Referat 33 Luftqualität;

Ralf Wehrse und Jan Osmers, Bremer Senator für Umwelt, Bau, Verkehr und Europa Fachbereich Umwelt, Abteilung 2, Umweltwirtschafts-, Klima- und Ressourcenschutz, Referat 22 Immissionsschutz.

Diese Studie wurde gefördert durch die Europäische Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor (EUGT, www.eugt.org ).

Wir möchten uns auch für die intensive und hilfreiche Begutachtung einer früheren Manuskriptversion durch zwei unbekannte Reviewer bedanken.

* Auf Grundlage eines Vortrags auf dem 15. Technischen Kongress des VDA (Verband der Automobilindustrie) am 22. März 2013 in München.


1 PM10-Fraktion: medianer Staubpartikeldurchmesser liegt bei ca. 10 µm, zur Definition dieser Staubfraktion und zu häufigen Fehldarstellungen in Publikationen und offiziellen Dokumenten siehe Büchte 2006 [6].



Korrespondenzadresse

PD Dr. Peter Morfeld
Institut für Epidemiologie und Risikobewertung in der Arbeitswelt (IERA) der Evonik Industries AG
Rellinghauser Straße 1–11
45128 Essen