Pneumologie 2014; 68(01): 19-75
DOI: 10.1055/s-0033-1359038
Leitlinie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Prolongiertes Weaning[*]

S2k-Leitlinie herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V.Prolonged WeaningS2k-Guideline Published by the German Respiratory Society
B. Schönhofer12
,
J. Geiseler2
,
D. Dellweg2
,
O. Moerer2
,
T. Barchfeld3
,
H. Fuchs3
,
O. Karg3
,
S. Rosseau3
,
H. Sitter34
,
S. Weber-Carstens3
,
M. Westhoff3
,
W. Windisch3
Further Information

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Bernd Schönhofer
Klinik für Pneumologie, Intensiv- und Schlafmedizin
Klinikum Region Hannover/Oststadt-Heidehaus
Podbielskistraße 380
30659 Hannover

Publication History

Publication Date:
15 January 2014 (online)

 

Zusammenfassung

Beatmungstherapie stellt einen zentralen und wesentlichen Bestandteil der modernen Intensivmedizin dar. Sie kommt bei Patienten mit schwerer respiratorischer Insuffizienz infolge Versagens der muskulären Atempumpe oder eines Oxygenierungsversagens bei direkter oder indirekter Schädigung des Lungenparenchyms zum Einsatz, wenn mit anderen Maßnahmen (Sauerstoffgabe, Lagerungstherapie, Sekretmanagement oder kontinuierlichem positivem Atemwegsdruck – Continuous Positive Airway Pressure [CPAP]) keine ausreichende Stabilisierung erreicht werden kann.

Während der Beatmungszeit wird die Ursache der Atmungsinsuffizenz behandelt. Es entfallen ungefähr 40 – 50 % der gesamten Beatmungszeit eines Intensivpatienten auf die Entwöhnung von der maschinellen Beatmung (Weaning).

Der überwiegende Anteil beatmeter Patienten kann nach kurzzeitiger Beatmungstherapie unproblematisch von der Beatmung entwöhnt werden. Allerdings muss eine Beatmung bei ca. 20 % der Patienten auch noch dann fortgesetzt werden, wenn die ursprüngliche Indikation (z. B. eine schwere Pneumonie) längst behoben ist, sodass die Phase des Weanings deutlich verlängert ist. Neben der respiratorischen Funktionsstörung tragen häufig hohes Alter und Komorbiditäten der Patienten zum prolongierten Weaningprozess bei.

Nach internationalem Konsens liegt ein prolongiertes Weaning dann vor, wenn es erst nach drei erfolglosen Spontanatmungsversuchen (Spontaneous Breathing Trial = SBT) oder nach über sieben Tagen Beatmung nach dem ersten erfolglosen SBT gelingt.

Das Patientenkollektiv mit prolongiertem Weaning stellt das behandelnde Team vor eine besondere Herausforderung. Ganz wesentlich für den Therapieerfolg ist die eng verzahnte interdisziplinäre Versorgung der prolongiert beatmeten Patienten. Nicht selten sind es der fehlende multidisziplinäre Ansatz und die unzureichende Beachtung der multifaktoriellen Ursachen, die ein erfolgreiches Weaning verhindern. Das erfolgreiche Weaning dieser Patienten setzt eine hohe Expertise in der modernen Intensivmedizin, der Anwendung invasiver und nicht-invasiver Beatmungsverfahren, klare Weaningkonzepte sowie eine enge, fachübergreifende inderdisziplinäre Absprache voraus.

Bei sehr komplexem prolongierten Weaningprozess gelingt es in spezialisierten Weaningzentren/-einheiten in ca. 50 % der Fälle, doch noch ein Weaningversagen abzuwenden.

Bei einem Teil der Patienten schlagen auch wiederholte Weaningversuche fehl, sodass gegebenenfalls eine dauerhafte Beatmung in außerklinischer Umgebung erforderlich ist.

Aufgrund der wachsenden Bedeutung des prolongierten Weanings wurde diese Leitlinie auf Initiative der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. (DGP) gemeinsam mit anderen wissenschaftlichen Gesellschaften, die sich zum Thema prolongiertes Weaning engagieren, entwickelt.

Es liegt der Leitlinie eine systematische Recherche von Leitliniendatenbanken, Cochrane Library und PubMed zugrunde.

Unter der Moderation der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) erfolgte die Konsensusfindung im formalen interdisziplinären Verfahren mittels nominalem Gruppenprozess (Delphi-Verfahren).

In der Leitlinie werden Definitionen, Epidemiologie und Weaningkategorien, die zugrundeliegende Pathophysiologie, das gesamte Spektrum der verfügbaren Therapiestrategien, die Weaningeinheit, die Überleitung in eine außerklinische Beatmung und schließlich Empfehlungen zu Therapieentscheidungen am Ende des Lebens bei prolongiertem bzw. erfolglosem Weaning abgehandelt. Die Besonderheiten bei pädiatrischen Patienten werden innerhalb der einzelnen Kapitel jeweils gesondert behandelt.

Adressaten der Leitlinie sind Intensivmediziner, Pneumologen, Anästhesisten, Internisten, Kardiologen, Chirurgen, Neurologen, Pädiater, Geriater, Palliativmediziner, Pflegekräfte, Physiotherapeuten, Atmungstherapeuten, der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK), der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e. V. (MDS) und die Hersteller von Beatmungstechnik.

Das wesentliche Ziel dieser Leitlinie ist es, den aktuellen Wissensstand zum Thema „Prolongiertes Weaning“ in der Akutmedizin primär auf der Basis der Erfahrung von Experten bei noch fehlenden wissenschaftlichen Daten zu etablieren.


Abstract

Mechanical ventilation (MV) is an essential part of modern intensive care medicine. MV is performed in patients with severe respiratory failure caused by insufficiency of the respiratory muscles and/or lung parenchymal disease when/after other treatments, i. e. oxygen, body position, secretion management, medication or non invasive ventilation have failed.

In the majority of ICU patients weaning is routine and does not present any problems. Nevertheless 40–50 % of the time during mechanical ventilation is spent on weaning. About 20 % of patients need continued MV despite resolution of the conditions which originally precipitated the need for MV.

There maybe a combination of reasons; chronic lung disease, comorbidities, age and conditions acquired in ICU (critical care neuromyopathy, psychological problems).

According to an International Consensus Conference the criteria for “prolonged weaning” are fulfilled if patients fail at least three weaning attempts or require more than 7 days of weaning after the first spontaneous breathing trial.

Prolonged weaning is a challenge. An inter- and multi-disciplinary approach is essential for weaning success.

Complex, difficult to wean patients who fulfill the criteria for “prolonged weaning” can still be successfully weaned in specialised weaning units in about 50% of cases.

In patients with unsuccessful weaning, invasive mechanical ventilation has to be arranged either at home or in a long term care facility.

This S2-guideline was developed because of the growing number of patients requiring prolonged weaning. It is an initiative of the German Respiratory Society (Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V., DGP) in cooperation with other societies engaged in the field.

The guideline is based on a systematic literature review of other guidelines, the Cochrane Library and PubMed.

The consensus project was chaired by the Association of Scientific Medical Societies in Germany (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften, AWMF) based on a formal interdisciplinary process applying the Delphi-concept.

The guideline covers the following topics: Definitions, epidemiology, weaning categories, pathophysiology, the spectrum of treatment strategies, the weaning unit, discharge from hospital on MV and recommendations for end of life decisions. Special issues relating to paediatric patients were considered at the end of each chapter.

The target audience for this guideline are intensivists, pneumologists, anesthesiologists, internists, cardiologists, surgeons, neurologists, pediatricians, geriatricians, palliative care clinicians, nurses, physiotherapists, respiratory therapists, ventilator manufacturers.

The aim of the guideline is to disseminate current knowledge about prolonged weaning to all interested parties. Because there is a lack of clinical research data in this field the guideline is mainly based on expert opinion.


1 Einleitung

Der Grundstein für die weltweite Anwendung der Beatmungstherapie mit positiven Atemwegsdrücken (Positiv-Druckbeatmung) wurde in den 50er-Jahren des vorherigen Jahrhunderts durch den Anästhesisten Björn Ibsen gelegt, der sie im Rahmen der Poliomyelitis-Epidemie bei Patienten mit respiratorischer Insuffizienz erstmalig in großem Umfang einsetzte [1] [2]. Sie stellt einen zentralen und wesentlichen Bestandteil der modernen Intensivmedizin dar und wird zunehmend auch in stationären Bereichen anderer Versorgungsstufen sowie der außerklinischen Beatmung eingesetzt [3]. Sie kommt bei Patienten mit schwerer respiratorischer Insuffizienz infolge Versagens der muskulären Atempumpe oder eines Oxygenierungsversagens bei direkter oder indirekter Schädigung des Lungenparenchyms zum Einsatz, wenn mit anderen Maßnahmen (Sauerstoffgabe, Lagerungstherapie, Sekretmobilisation oder kontinuierlichem positivem Atemwegsdruck – Continuous Positive Airway Pressure [CPAP]) keine ausreichende Stabilisierung erreicht werden kann. Weiterhin gibt es primär nicht respiratorische Indikationen (z. B. Koma, Intoxikationen), bei denen eine Atemantriebsstörung, mangelnde Schutzreflexe oder die drohende Verlegung der Atemwege eine Beatmung erforderlich machen [4] [5]. Vorrangige Ziele sind die Stabilisierung der alveolaren Gasräume, die Sicherung eines ausreichenden pulmonalen Gasaustauschs sowie die Normalisierung/Minimierung der Atemarbeit.

Während der Beatmungszeit wird die Ursache der Atmungsinsuffizienz behandelt. Allerdings muss eine Beatmung häufig auch noch dann fortgesetzt werden, wenn die ursprüngliche Indikation (z. B. eine schwere Pneumonie) längst behoben ist. So entfallen ungefähr 40 – 50 % der gesamten Beatmungszeit eines Intensivpatienten auf die Entwöhnung von der maschinellen Beatmung (Weaning) [4] [5] [6] [7] [8]. Der überwiegende Anteil beatmeter Patienten kann nach kurzzeitiger Beatmungstherapie unproblematisch von der Beatmung entwöhnt werden. Für die verbleibenden Patienten (ca. 20 %) ist die Phase des Weanings deutlich verlängert. Ein prolongiertes Weaning liegt vor, wenn es erst nach drei erfolglosen Spontanatmungsversuchen (Spontaneous Breathing Trial = SBT) oder nach über sieben Tagen Beatmung nach dem ersten erfolglosen SBT gelingt [9]. Das Patientenkollektiv mit prolongiertem Weaning stellt das behandelnde Team vor eine besondere Herausforderung [10]. Bei sehr komplexem prolongierten Weaningprozess gelingt es in spezialisierten Weaningzentren/-einheiten in ca. 50 % der Fälle doch noch, ein Weaningversagen abzuwenden [11].

Bei einem Teil der Patienten schlagen auch wiederholte Weaningversuche fehl, sodass gegebenenfalls eine dauerhafte Beatmung in außerklinischer Umgebung erforderlich ist [11]. Die demografische Entwicklung, die zu einer Zunahme des Anteils geriatrischer Patienten in allen Versorgungseinrichtungen und -stufen führt, verschärft diese Situation. Aufgrund der Multimorbidität dieser Patientengruppe drohen dauerhafte Funktionseinschränkungen durch ein prolongiertes Weaning. Somit ergeben sich veränderte Herausforderungen an das Management von Beatmungs- und Weaningkomplikationen bei geriatrischen Patienten.

Vor dem Hintergrund der wachsenden Bedeutung des prolongierten Weanings wurde dieses Leitlinienprojekt auf Initiative der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. (DGP) gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e. V. (DGAI), der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH), der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin e. V. (DGEM), der Deutschen Gesellschaft für Fachkrankenpflege und Funktionsdienste e. V. (DGF), der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie e. V. (DGG), der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin e. V. (DGIIN), der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e. V. (DGK), der Deutschen Gesellschaft für Neurointensiv- und Notfallmedizin e. V. (DGNI), der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin e. V. (DGP), der Deutschen Interdisziplinären Gesellschaft für Außerklinische Beatmung e. V. (DIGAB), der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), dem Deutschen Verband für Physiotherapie (ZVK) e. V., der Deutschsprachigen Medizinischen Gesellschaft für Paraplegie e. V. (DMGP), der Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrischen Intensivmedizin (GNPI) und unter dem Dachverband der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF) erstellt.

Wegweisend für die vorliegende Leitlinie war unter anderem die Arbeit der Task Force von fünf internationalen Fachgesellschaften zum Weaning [9]. Diese Leitlinie bezieht sich ausdrücklich nur auf Patienten mit prolongiertem Weaning. Neben der respiratorischen Funktionsstörung tragen häufig Komorbiditäten zum prolongierten Weaningprozess bei. Das erfolgreiche Weaning dieser Patienten von der Beatmung setzt eine hohe Expertise in der Anwendung invasiver und nicht-invasiver Beatmungsverfahren und adjuvanter Therapiekonzepte sowie der gängigen Verfahren der modernen Intensivmedizin voraus. Ganz wesentlich ist die eng verzahnte interdisziplinäre Versorgung (HNO-ärztliche und thoraxchirurgische Versorgung, Logopädie, Physio-, Ergo- und Schmerztherapie, psychiatrische/psychologische und neurologische Betreuung). Nicht selten sind es der fehlende multidisziplinäre Ansatz und die unzureichende Beachtung der multifaktoriellen Ursachen, die ein erfolgreiches Weaning verhindern.

Um eine möglichst effiziente Therapie zu gewährleisten, sind ein klares Weaningkonzept und eine hohe Expertise sowie enge, fachübergreifende interdisziplinäre Absprachen erforderlich. Die vorliegende Leitlinie zum prolongierten Weaning liefert neben den Definitionen und der Darstellung der pathophysiologischen Zusammenhänge eine Hilfe zur Etablierung eines Weaningkonzeptes, das auf dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse und auf in der Praxis bewährten Verfahren beruht. Die Besonderheiten bei pädiatrischen Patienten werden innerhalb der einzelnen Kapitel jeweils gesondert behandelt.

Bestandteile eines prolongierten Weanings sind sowohl die akute Phase der invasiven und nicht-invasiven Beatmung, als auch die Überleitung in eine außerklinische Beatmung bei persistierender manifester Atempumpenschwäche. Der Definition und den Ausstattungsmerkmalen von Beatmungsstationen der verschiedenen Versorgungsstufen sowie dem Überleitmanagement in die außerklinische Beatmung, die in der vorliegenden Leitlinie berücksichtigt werden, kommt deshalb eine wesentliche Bedeutung zu [12] [13] [14] [15] [16] [17].

Bei der Durchführung eines prolongierten Weanings ist die fortbestehende Indikation zur Beatmung regelmäßig zu überprüfen. Bei nicht zu entwöhnenden Patienten mit langem Krankenhausverlauf und ungünstiger Prognose kann der Entschluss gefasst werden, das ursprüngliche Therapieziel zugunsten eines palliativen Therapiekonzeptes zu verlassen. Die vorliegende Leitlinie gibt Empfehlungen zu Therapieentscheidungen am Ende des Lebens bei prolongiertem bzw. erfolglosem Weaning. Hierbei wird die Patientenautonomie als wichtiges ethisches Grundprinzip in den Vordergrund gestellt, begleitet von dem Ziel, die bestmögliche Lebensqualität und Symptomfreiheit sowie die Sicherstellung der Betreuungsqualität des Patienten und der Familienangehörigen zu gewährleisten.


2 Leitlinienreport

2.1 Verantwortlichkeiten

Die Erstellung der Leitlinie erfolgte im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. (DGP) in Kooperation mit folgenden medizinischen Fachgesellschaften:

  • Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e. V. (DGAI)

  • Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH)

  • Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin e. V. (DGEM)

  • Deutsche Gesellschaft für Fachkrankenpflege und Funktionsdienste e. V. (DGF)

  • Deutsche Gesellschaft für Geriatrie e.V. (DGG)

  • Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin e. V. (DGIIN)

  • Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e. V. (DGK)

  • Deutsche Gesellschaft für Neurointensiv- und Notfallmedizin e. V. (DGNI)

  • Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin e. V. (DGP)

  • Deutsche Interdisziplinäre Gesellschaft für Außerklinische Beatmung e. V. (DIGAB)

  • Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI)

  • Deutscher Industrieverband für optische, medizinische und mechatronische Technologien e. V. (SPECTARIS)

  • Deutscher Verband für Physiotherapie (ZVK) e. V.

  • Deutschsprachige Medizinische Gesellschaft für Paraplegie e. V. (DMGP)

  • Gesellschaft für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin (GNPI)


2.2 Übersicht

(s. [Tab. 1])

Tab. 1

Übersicht.

Leitlinie, Titel

Prolongierte Entwöhnung (Weaning) vom Respirator

Entwicklungsstufe

S2 k

Anmeldedatum

November 2008

Anmelder

Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. (DGP) und Deutsche Interdisziplinäre Gesellschaft für Außerklinische Beatmung e. V. (DIGAB), vormals AG Heimbeatmung und Respiratorentwöhnung e. V.

Hintergrund, Zielorientierung der Leitlinie

Die maschinelle Beatmung zur Therapie der Atmungsinsuffizienz kommt im Sinne des Krisenmanagements meistens nur kurzzeitig zur Anwendung. Jedoch liegt die Zahl der Patienten mit prolongierter Respiratorentwöhnung (sogenanntem „Weaning“) auf Intensivstationen inzwischen bei 10 %–20 % der Beatmungspatienten.

Erfolgreiche Respiratorentwöhnung basiert auf der individuellen Anwendung evidenzbasierter Therapiestrategien und erfordert spezielle Kenntnisse und langjährige Erfahrung des Beatmungsteams. Einen besonderen Stellenwert hat hier die spezialisierte Weaningeinheit, deren Gesamtkonzept die genannten Voraussetzungen realisiert.

Diese Leitlinie soll den aktuellen Wissensstand zum Thema „Prolongiertes Weaning“ primär auf der Basis publizierter Evidenz, aber auch gestützt auf die Erfahrung von Experten bei noch fehlenden wissenschaftlichen Daten, in der Akutmedizin etablieren.

Federführende Fachgesellschaft(en)

Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. (DGP),

Deutsche Interdisziplinäre Gesellschaft für Außerklinische Beatmung e. V. (DIGAB), vormals AG Heimbeatmung und Respiratorentwöhnung e. V.

Leitung

Prof. Dr. Bernd Schönhofer (Hannover)

Kontaktadresse (Leitliniensekretariat)

Prof. Dr. Bernd Schönhofer, Klinik für Pneumologie, Internistische Intensiv- und Schlafmedizin, Klinikum Hannover Oststadt-Heidehaus, Podbielskistr. 380, 30659 Hannover, Tel.: 0511/9063347, Fax: 0511/9063779, E-Mail: Bernd.Schoenhofer@t-online.de

Institut für Lungenforschung (ILF) GmbH (Ansprechpartner: Dr. N. Hämäläinen)

Organisation der Konsensuskonferenzen und des Literaturverzeichnisses

Adressaten der Leitlinie (Anwenderzielgruppe)

Intensivmediziner, Pneumologen, Anästhesisten, Internisten, Kardiologen, Chirurgen, Neurologen, Pädiater, Geriater, Palliativmediziner, Pflegekräfte, Physiotherapeuten, Atmungstherapeuten, MDK, MDS, Industrie

Versorgungssektor und Patientenzielgruppe

Intensivmedizin, Weaningeinheiten, andere Einrichtungen für beatmete Patienten; ambulante Beatmungspflege, Patienten mit schwieriger Entwöhnung vom Respirator, Langzeitbeatmete

Methodik (Art der Konsensusfindung, Art der Evidenzbasierung)

systematische Recherche von Leitliniendatenbanken, Cochrane Library und PubMed, formales interdisziplinäres Verfahren der Konsensusfindung (Nominaler Gruppenprozess: NGP, Delphi-Verfahren) und/oder formale Evidenzbewertung der Literatur

Ergänzende Informationen zum Projekt

Termine und Zwischenberichte im Leitliniensekretariat
auf Anfrage: Projektskizze

Erstes Treffen der Steuerungsgruppe

November 2008

Geplante Fertigstellung

Herbst 2013


2.3 Zusammensetzung der Leitliniengruppe

Vom Koordinator wurden im Auftrag der federführenden Fachgesellschaft DGP die Vorstände aller o. g. medizinischen Fachgesellschaften über das Vorhaben informiert und gebeten, Vertreter zu benennen.

Es wurden die im Folgenden aufgeführten Personen als Vertreter der Fachgesellschaften mit jeweils einem Stimmrecht benannt:

B. Schönhofer, U. Achtzehn, T. Barchfeld, H. Becker, C.-P. Criée, B. Esche, J. Geiseler, F. Heinemann, O. Karg, C. Kelbel, D. Köhler, M. Westhoff für die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. (DGP)

H. Burchardi, E. Kilger, O. Moerer, S. Weber-Carstens für die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e. V. (DGAI)

D. Schreiter für die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH)

A. Weimann für die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin e. V. (DGEM)

R. Dubb für die Deutsche Gesellschaft für Fachkrankenpflege und Funktionsdienste e. V. (DGF)

H. J. Heppner für die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie e. V. (DGG)

S. Rosseau für die Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin e. V. (DGIIN)

U. Janssens für die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e. V. (DGK)

W. Müllges für die Deutsche Gesellschaft für Neurointensiv- und Notfallmedizin e. V. (DGNI)

T. Jehser für die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin e. V. (DGP)

D. Dellweg, B. Schucher, K. Siemon, und W. Windisch für die Deutsche Interdisziplinäre Gesellschaft für Außerklinische Beatmung e. V. (DIGAB)

H. Burchardi, B. Schönhofer für die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI)

U. Brückner für den Deutschen Verband für Physiotherapie (ZVK) e. V.

S. Hirschfeld-Araujo für die Deutschsprachige Medizinische Gesellschaft für Paraplegie e. V. (DMGP)

H. Fuchs und T. Nicolai für die Gesellschaft für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin (GNPI)

A. Bosch (Fa. Heinen & Löwenstein) und M. Bögel (Fa. Weinmann Geräte für Medizin GmbH + Co. KG) für den Deutschen Industrieverband für optische, medizinische und mechatronische Technologien e. V. (SPECTARIS) haben sich bei den Konsensuskonferenzen an der Diskussion beteiligt, sie hatten aber kein Stimmrecht.


2.4 Finanzierung

Die angefallenen Kosten (Leitlinienkonferenzen) wurden von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin getragen. Die Reisekosten der Vertreter der anderen beteiligten Gesellschaften wurden jeweils von diesen Gesellschaften übernommen.


2.5 Adressaten

Die Empfehlungen der Leitlinie richten sich an Intensivmediziner, Pneumologen, Anästhesisten, Internisten, Kardiologen, Chirurgen, Neurologen, Pädiater, Geriater, Palliativmediziner, Pflegekräfte, Physiotherapeuten, Atmungstherapeuten sowie Mitarbeiter des MDK, des MDS und der Industrie.


2.6 Auswahl, Bewertung der Literatur und Erläuterung zu der Vergabe der Empfehlungsgrade

Die initiale Literaturrecherche von November 2008 bis Oktober 2009 erfolgte seitens der Arbeitsgruppen (siehe dort) nach deren spezifischen Suchwörtern (Key Words) in den Datenbanken Cochrane, PubMed/MEDLINE und Embase. Die initiale Datenbankabfrage diente als Basis für die weitere Arbeit. Durch die Vielzahl der an der Leitlinie teilnehmenden Fachrichtungen sowie durch den zeitlichen Verlauf der Leitlinienerstellung wurde eine Einbindung weiterer Literaturstellen im Rahmen des Konsensusprozesses erforderlich.

Bis zum Oktober 2012 wurden in den AGs insgesamt 8130 Literaturstellen gesichtet; hiervon gingen 526 Literaturstellen in die Leitlinie ein.

Die Evidenzbewertung der Literatur orientierte sich am Oxford Centre of Evidence Based Medicine; durch die Vergabe werden anhand zugrundeliegender Studien die Evidenzgrade 1a-c, 2a-c, 3a-b, 4 und 5 verwandt. Allerdings wurde seitens des Expertengremiums festgestellt, dass für den wesentlichen Teil der in diesen Leitlinien behandelten Themenblöcke eine ungenügende Studienlage für das definierte Patientenkollektiv vorliegt und nur für Teilaspekte Empfehlungen auf dem Niveau eines Evidenzgrades höher als 2 möglich sind. Insbesondere wurden keine randomisierten oder weiteren höherwertigen Studien zum Thema der Leitlinie veröffentlicht. An diesem Sachverhalt hat sich bis zum Redaktionsschluss im Januar 2013 nichts Wesentliches geändert.

Vor diesem Hintergrund wurde im Rahmen der ersten Konsensuskonferenz am 03.11.2009 einstimmig beschlossen, sämtliche Empfehlungen auf dem Niveau der Expertenmeinung (Evidenzgrad V, Expertenmeinung ohne explizite Bewertung der Evidenz) mit dem entsprechenden Empfehlungsgrad E auszusprechen, obschon für einige Themen ein höherer Evidenzgrad vorliegt und dementsprechend ein härterer Empfehlungsgrad möglich gewesen wäre.


2.7 Leitlinienkonferenzen

Es wurden die drei protokollierten Konferenzen an folgenden Terminen abgehalten:
03.11.2009

15.06.2010

07.06.2011

Alle Sitzungen fanden in Kassel statt.

Die jeweiligen Ergebnisse wurden in Protokollen festgehalten.


2.8 Prozess der Leitlinienerstellung

2.8.1 Festlegung der Ziele

Dies erfolgte beim ersten Treffen der Redaktionsgruppen vor der ersten Leitlinienkonferenz am 16.03.2009 (vgl. Kapitel 1 der Leitlinie).


2.8.2 Zusammensetzung der Arbeitsgruppen

Für die einzelnen Kapitel und Subkapitel der Leitlinie wurden Schriftführer benannt, die die Textentwürfe der jeweiligen Arbeitsgruppe, unterstützt von den AG-Mitgliedern, für die Leitlinienkonferenzen verfassten. Die Abstimmung innerhalb der Arbeitsgruppen erfolgte in Telefonkonferenzen und durch E-Mail-Korrespondenz.

  • AG „Einleitung“: O. Moerer (Leitung), H. J. Heppner, H. Sitter, W. Windisch

  • AG „Definition des Begriffs Prolongiertes Weaning“: W. Windisch (Leitung), B. Schönhofer

  • AG „Pathophysiologie des Weaningversagens“: M. Westhoff (Leitung), U. Janssens, D. Köhler

  • AG „Strategien im Weaningprozess“: B. Schönhofer und D. Dellweg (Leitung), T. Barchfeld, U. Brückner, C.-P. Criée, R. Dubb, B. Esche, J. Geiseler, F. Heinemann, H. J. Heppner, S. Hirschfeld-Araujo, U. Janssens, C. Kelbel, D. Köhler, O. Moerer, W. Müllges, S. Rosseau, D. Schreiter, B. Schucher, K. Siemon, S. Weber-Carstens, A. Weimann

  • AG „Weaningversagen und Leben nach Langzeitbeatmung“: S. Rosseau (Leitung), D. Köhler, O. Moerer, B. Schönhofer, S. Weber-Carstens, W. Windisch

  • AG „Therapieentscheidungen am Ende des Lebens“: O. Karg (Leitung), H. Burchardi, U. Janssens, T. Jehser

  • AG „Das Weaningzentrum/die Weaningeinheit“: J. Geiseler (Leitung), U. Achtzehn, H. Becker, D. Köhler, O. Moerer, B. Schönhofer, W. Windisch

  • H. Fuchs und T. Nicolai haben alle Texte der AGs aus dem Blickwinkel der Gesellschaft für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin bearbeitet.


2.8.3 Prozess der Leitlinienentwicklung, Konsensfindung und Abfassung des Textes

Vom Koordinator wurde im Vorfeld ein Rahmenentwurf erstellt. Die einzelnen, meist von den AGs vorbereiteten Kapitelentwürfe wurden sukzessive unter Moderation von PD Dr. Sitter (AWMF) in den drei Leitlinienkonferenzen diskutiert und konsensuell bzw. durch Mehrheitsbeschlüsse in definitive Fassungen überführt.

Bis zur ersten Konsensuskonferenz am 03.11.2009 wurde durch die einzelnen Arbeitsgruppen der erste Leitlinienentwurf erstellt. In den drei oben aufgeführten Konsensuskonferenzen wurden die Kernaussagen und Empfehlungen der Leitlinie unter Moderation von Herrn PD Dr. Sitter (AWMF) in einem nominalen Gruppenprozess erarbeitet.

Der zur Erstellung der Empfehlungen der Leitlinie notwendige Konsensprozess wurde durch die Kombination zweier formalisierter Konsensverfahren, den nominalen Gruppenprozess und die Delphi-Technik, erzielt. Beim nominalen Gruppenprozess treffen sich die Beteiligten unter Leitung eines neutralen Moderators zu streng strukturierten Sitzungen, deren Ablauf in folgende Schritte gegliedert ist:

  1. Präsentation der zu konsentierenden Aussagen.

  2. Änderungsvorschläge und Anmerkungen zu den vorgeschlagenen Aussagen und Algorithmen durch die Teilnehmer.

  3. Abfrage und Sammlung der Kommentare von einem unabhängigen und nicht stimmberechtigten Moderator (PD Dr. H. Sitter). Inhaltlich ähnliche Kommentare werden zusammengefasst.

  4. Abstimmung über die Diskussionswürdigkeit der einzelnen Vorschläge.

  5. Hieraus resultiert die Rangfolge der Vorschläge.

  6. Diskussion gemäß Rangfolge.

  7. Protokollierung der Mehrheitsentscheidung und Überarbeitung der Leitlinie.

  8. Beim nächsten Treffen werden die obigen Schritte 1 bis 7 erneut durchlaufen.

Dieses Verfahren wird bis zur Erzielung eines Konsenses fortgesetzt. Für Fragen, die bei der obigen Priorisierung eine untergeordnete Rolle spielten, wurde die Delphi-Technik benutzt. Hierbei verläuft die Konsensfindung analog zu den oben beschriebenen Schritten, jedoch treffen sich die Teilnehmer nicht, sondern kommunizieren schriftlich.



2.9 Erklärung des Interessenkonfliktes

In der abschließenden Sitzung am 07. 06. 2011 wurden die entsprechend dem Beschluss in der Sitzung am 03.11.2009 überwiegend vorliegenden und an die TeilnehmerInnen der Leitlinienkonferenz verteilten COI- Erklärungen diskutiert, insbesondere bezüglich möglicher materieller und immaterieller Verflechtungen, die sich durch von der Leitlinie betroffene Drittmittelgeber, Gutachtensaufträge und berufliche Stellung ergeben könnten. Man einigte sich auf die Verwendung des aktuellen AWMF-COI-Formblatts. Noch fehlende COI-Erklärungen wurden eingeholt.


2.10 Verabschiedung des Leitlinientextes in den Fachgesellschaften

Der von der Leitlinienkonferenz verabschiedete Leitlinientext wird den Vorständen der federführenden und beteiligten Fachgesellschaften zur Erörterung und Kommentierung bzw. Verabschiedung übersandt.


2.11 Verbreitung der Leitlinie

Die S2k-Leitlinie „Prolongiertes Weaning“ wird als Langversion einschließlich Leitlinienreport im offiziellen Journal der DGP „Pneumologie“ und zeitnah nach der Publikation der Langversion als Kurzversion über die Internetseite der AWMF sowie die Homepage der DGP zur Verfügung gestellt. Es wird eine englischsprachige, gekürzte Version erstellt.

Die Mitglieder der Leitliniengruppe verbreiten die Leitlinie im Rahmen von Vorträgen und Symposien auf wissenschaftlichen Kongressen und Fortbildungsveranstaltungen.

Es werden weiterhin die folgenden Publikationen angestrebt:

  • ggf. Publikation in Journalen anderer Fachgesellschaften

  • deutschsprachige und englischsprachige Kurzversionen fachspezifisch in den entsprechenden Organen beteiligter Fachgesellschaften

  • Kurzversion als Pocket-Version


2.12 Gültigkeitsdauer und Aktualisierung der Leitlinie

Die Leitlinie gilt bis zur nächsten Aktualisierung, die spätestens 3 Jahre nach der Online-Publikation der Leitlinie erfolgt. Verantwortlich für die Initiierung dieses Prozesses ist Prof. Dr. Schönhofer.


2.13 Redaktionelle Unabhängigkeit

Die angefallenen Kosten (Leitlinienkonferenzen) wurden von der DGP sowie von den beteiligten Fachgesellschaften (Übernahme der Reisekosten der jeweiligen Vertreter) getragen. Für die Darlegung potenzieller Interessenskonflikte wurde das AWMF-Formblatt verwendet, von allen beteiligten Mitgliedern der Leitliniengruppe ausgefüllt und unterzeichnet und vom Koordinator bewertet. Es wurde festgestellt, dass keine Interessenskonflikte vorliegen, die die fachliche Unabhängigkeit der Autoren im Hinblick auf die Erstellung der Leitlinie beeinträchtigen könnten. Ein teilweiser oder vollständiger Ausschluss einzelner Beteiligter von der Leitlinienerstellung war nicht erforderlich.


2.14 Namensliste der Teilnehmer der Konsensuskonferenz

Dr. Ute Achtzehn, Klinikum Chemnitz gGmbH, Innere Medizin IV, Flemmingstraße 2, 09116 Chemnitz

Dr. Thomas Barchfeld, Fachkrankenhaus Kloster Grafschaft, Annostraße 1, 57392 Schmallenberg

Prof. Dr. Heinrich Becker, Asklepios Klinik Barmbek, Pneumologie, Internistische Intensivmedizin und Weaningzentrum, Rübenkamp 220, 22291 Hamburg

Uta Brückner, Krankenhaus Donaustauf, Abteilung für Physiotherapie, Ludwigstraße 68, 93093 Donaustauf

Prof. Dr. Hilmar Burchardi, Kiefernweg 2, 37120 Bovenden

Prof. Dr. Carl-Peter Criée, Evangelisches Krankenhaus Göttingen-Weende e. V., Pneumologie, Beatmungsmedizin/Schlaflabor in Lenglern, Pappelweg 5, 37120 – Bovenden/Lenglern

PD Dr. Dominic Dellweg, Fachkrankenhaus Kloster Grafschaft, Annostraße 1, 57392 Schmallenberg

Rolf Dubb, Klinikum Stuttgart Katharinenhospital, Klinik für Anästhesie und operative Intensivmedizin,

Kriegsbergstraße 60, 70174 Stuttgart

Beatrice Esche, Asklepios Fachkliniken München-Gauting, Robert-Koch-Allee 2, 82131 Gauting

Dr. Hans Fuchs, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Freiburg, Mathildenstraße 1, 79106 Freiburg

Dr. Jens Geiseler, Asklepios Fachkliniken München-Gauting, Klinik für Intensiv-, Schlaf- und Beatmungsmedizin, Robert-Koch-Allee 2, 82131 Gauting

Dr. Frank Heinemann, Krankenhaus Donaustauf, Ludwigstraße 68, 93093 Donaustauf

Prof. Dr. Hans Jürgen Heppner, Helios Klinikum Schwelm Klinik für Geriatrie, Dr.-Moeller-Straße 15, 58332 Schwelm

Dr. Sven Hirschfeld-Araujo, Berufsgenossenschaftliches Krankenhaus Hamburg, Bergedorfer Straße 10, 21033 Hamburg

Prof. Dr. Uwe Janssens, St.-Antonius-Hospital, Klinik für Innere Medizin und Internistische Intensivmedizin, Dechant-Deckers-Straße 8, 52249 Eschweiler

Dr. Thomas Jehser, Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe, Palliativmedizin, Kladower Damm 221, 14089 Berlin

Dr. Ortrud Karg, Asklepios Fachkliniken München-Gauting, Leitung Medizinische Krankenhausorganisation, Robert-Koch-Allee 2, 82131 Gauting

Dr. Clemens Kelbel, Klinikum Westfalen GmbH, Knappschaftskrankenhaus Dortmund, Klinik für Pneumologie, Intensivmedizin und Schlafmedizin, Am Knappschaftskrankenhaus 1, 44309 Dortmund

PD. Dr. Erich Kilger, Klinikum der Universität München-Großhadern, Klinik für Anästhesiologie, Standort Augustinum, Marchioninistraße 15, 81377 München

Prof. Dr. Dieter Köhler, Fachkrankenhaus Kloster Grafschaft, Annostraße 1, 57392 Schmallenberg

PD Dr. Onnen Moerer, Universitätsmedizin Göttingen, Klinik für Anästhesiologie, Zentrum Anästhesiologie, Rettungs- und Intensivmedizin, Robert-Koch Straße 40, 37075 Göttingen

Prof. Dr. Wolfgang Müllges, Universitätsklinikum Würzburg, Neurologische Klinik und Poliklinik, Josef-Schneider-Straße 2, 97080 Würzburg

Prof. Dr. Thomas Nicolai, Klinikum der Universität München, Kinderklinik und Kinderpoliklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital, Lindwurmstraße 4, 80337 München

Prof. Dr. Michael Quintel, Universitätsmedizin Göttingen, Klinik für Anästhesiologie, Zentrum Anästhesiologie, Rettungs- und Intensivmedizin, Robert-Koch-Straße 40, 37075 Göttingen

Prof. Dr. Winfried Randerath, Krankenhaus Bethanien, Klinik für Pneumologie und Allergologie, Zentrum für Schlaf- und Beatmungsmedizin, Aufderhöher Str. 169 – 175, 42699 Solingen

Dr. Simone Rosseau, Charité Universitätsmedizin Berlin, Charité – Campus Mitte, Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Infektiologie und Pneumologie, Charitéplatz 1, 10117 Berlin

Dr. Dierk Schreiter, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der TU Dresden, Klinik und Poliklinik für Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie, Fetscherstraße 74, 01307 Dresden

Dr. Karsten Siemon, Fachkrankenhaus Kloster Grafschaft, Annostraße 1, 57392 Schmallenberg

PD Dr. Helmut Sitter, Philips-Universität Marburg, Institut für Chirurgische Forschung, Baldingerstraße, 35033 Marburg

Prof. Dr. Bernd Schönhofer, KRH Klinikum Oststadt-Heidehaus, Medizinische Klinik II – Klinik für Pneumologie, Intensiv- und Schlafmedizin, Podbielskistraße 380, 30659 Hannover

Dr. Bernd Schucher, LungenClinic Grosshansdorf, Abteilung Pneumologie, Wöhrendamm 80, 22927 Großhansdorf

PD Dr. Steffen Weber-Carstens, Charité Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Anästhesiologie mit Schwerpunkt operative Intensivmedizin, Campus Virchow-Klinikum, Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin

Prof. Dr. Arved Weimann, Klinikum St. Georg gGmbH, Klinik für Allgemein- und Visceralchirurgie mit Abteilung Endokrine Chirurgie, Delitzscher Straße 141, 04129 Leipzig

Dr. Michael Westhoff, Lungenklinik Hemer, Klinik Pneumologie I, Theo-Funccius-Straße 1, 58675 Hemer

Prof. Dr. Wolfram Windisch, Kliniken der Stadt Köln gGmbH, Abteilung Pneumologie, Ostmerheimer Straße 200, 51109 Köln



3 Definitionen, Epidemiologie und Weaningkategorien

3.1 Phasen der invasiven Positiv-Druckbeatmung

Wegweisend für die Definitionen und die Kategorisierungen in der vorliegenden Leitlinie sind neben den bereits publizierten Leitlinien zur akuten und chronischen respiratorischen Insuffizienz [15] [18] [19] auch die Ergebnisse der Task Force von fünf internationalen Fachgesellschaften: European Respiratory Society (ERS), American Thoracic Society (ATS), European Society of Intensive Care Medicine (ESICM), Society of Critical Care Medicine (SCCM) und Société de Réanimation de Langue Française (SRLF) [9], auf die im Text bei Bedarf Bezug genommen wird.

Für die mechanische Ventilation der Lungen mittels Positiv-Druckbeatmung über einen Endotrachealtubus werden entsprechend dieser Task Force sechs Phasen unterschieden ([ Abb. 1 ]) [9]:

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Abb. 1 Schema der verschiedenen Phasen einer invasiven mechanischen Ventilation – modifiziert nach [9].
  1. Behandlung der akuten respiratorischen Insuffizienz

  2. Erste Überlegungen des behandelnden Arztes dahingehend, dass der Patient bereit sein könnte, in den Weaningprozess zu gehen

  3. Tatsächliches Starten von täglichen Tests (z. B. RSBI = Rapid Shallow Breathing Index) zur Erfassung der Bereitschaft zur Entwöhnbarkeit, um den ersten Verdacht, der Patient könnte entwöhnbar sein, zu erhärten oder zu verwerfen

  4. Spontanatmungsversuch (SBT = Spontaneous Breathing Trial)

  5. Extubation (oder Dekanülierung)

  6. Ggf. Re-Intubation (oder Rekanülierung)

Diese sechs Phasen sind entsprechend des Inhaltes der vorliegenden Leitlinie für die Phasen 5 und 6 modifiziert, sodass nun Dekanülierung statt Extubation und Rekanülierung statt Re-Intubation aufgeführt sind.


3.2 Weaningprozess

Der eigentliche Weaningprozess beginnt mit der Phase 4, also mit dem SBT, und nimmt ca. 40 – 50 % der Gesamtdauer einer mechanischen Ventilation ein [4] [6] [7] [8]. Die richtigen Zeitpunkte zum Beginn der Phasen 4 (SBT) und 5 (Extubation/Dekanülierung) sind prognostisch entscheidend. Denn sowohl eine zu frühzeitige Entfernung des künstlichen Atemweges mit den Folgen einer Re-Intubation/Rekanülierung (Phase 6) und konsekutiv erhöhtem Risiko für eine nosokomiale Pneumonie und einen verlängerten Aufenthalt auf der Intensivstation [20] [21] [22] als auch eine verspätete Einleitung des Weanings mit den Folgen erhöhter Komplikationsraten im Zuge der verlängerten mechanischen Ventilation [23] [24] [25] erhöhen substanziell das Mortalitätsrisiko. Wichtig erscheint dabei die Erkenntnis, dass bereits eine verspätete Antizipation einer möglichen Entwöhnbarkeit ebenso wie die zu späte Überprüfung definierter Kriterien zur Erfassung der Bereitschaft einer Entwöhnbarkeit (Beatmungsphasen 2 und 3 vor dem eigentlichen Weaning) häufige Gründe dafür darstellen, dass ein Weaning unnötig hinausgezögert wird [9]. Dass die Extubation/Dekanülierung häufig verzögert erfolgt, wird auch dadurch dokumentiert, dass eine ungeplante Selbst-Extubation in fast der Hälfte der Fälle keine Re-Intubation nach sich zieht [26]. Die Inzidenz einer ungeplanten Extubation liegt abhängig von der Untersuchung zwischen 0,3 % und 16 %, wobei 83 % dieser ungeplanten Extubationen aktiv vom Patienten durchgeführt werden, während 17 % aus Versehen geschehen [27].


3.3 Weaningerfolg und Weaningversagen

Ein Weaningerfolg ist nach der Definition der internationalen Task Force von 2007 charakterisiert durch Extubation ohne nachfolgende ventilatorische Unterstützung für mindestens 48 Stunden nach Extubation [9]. Entsprechend ist ein Weaningversagen als 1) gescheiterter SBT, 2) Re-Intubation/Rekanülierung und/oder Wiederaufnahme der ventilatorischen Unterstützung oder 3) Tod innerhalb von 48 Stunden nach Extubation definiert [9]. So ist Weaningversagen bereits Anfang der 90er-Jahre als permanente (kontinuierliche oder intermittierende) Erfordernis der ventilatorischen Unterstützung definiert worden, wobei sowohl invasive (Endotrachealtubus, Trachealkanüle) als auch nicht-invasive (Maske) Beatmungszugänge in die Definition mit einbezogen wurden [28]. Mittlerweile hat sich die NIV fest im Weaningprozess etabliert [29]. Dabei wird der NIV eine Prognose-verbessernde Rolle bei Patienten mit primärem Weaningversagen eingeräumt, nämlich dann, wenn keine suffiziente Spontanatmung (d. h. erfolgloser SBT) möglich ist, aber dennoch eine Extubation/Dekanülierung mit konsekutiver NIV erfolgt [29]. Zudem hat die NIV günstige Effekte beim sekundären Weaningversagen, also bei primär suffizienter Spontanatmung (erfolgreicher SBT) und erfolgreicher Extubation, wenn Risikopatienten (z. B. chronische ventilatorische Insuffizienz, Herzinsuffizienz, höheres Alter) trotz primär erfolgreicher Extubation mittels NIV behandelt werden [30] [31] [32] [33].

Entsprechend der oben genannten Definitionen ist ein Patient, der nach Extubation oder Dekanülierung erfolgreich nicht-invasiv beatmet wird und entsprechend auf eine Normalstation verlegt oder sogar nach Hause entlassen werden kann, nicht entwöhnt. So konnten Schönhofer und Kollegen in einer großen Kohortenstudie an 403 Patienten mit invasiver Beatmung für > 2 Wochen, die expliziert zum Weaning in ein spezialisiertes Weaningzentrum verlegt wurden, zeigen, dass von den Patienten, die nach Hause entlassen wurden, immerhin ein Drittel eine Langzeit-NIV in häuslicher Umgebung fortführten [11]. Dies unterstreicht, dass die NIV zur Unterstützung der Extubation/Dekanülierung einerseits und zur Behandlung einer chronischen ventilatorischen Insuffizienz andererseits nicht immer voneinander getrennt werden können. Die internationale Task Force definiert für extubierte/dekanülierte aber noch NIV-pflichtige Patienten eine intermediäre Kategorie („Weaning in progress“) [9]. Da aber wie oben beschrieben die Langzeit-NIV für einen erheblichen Teil der Patienten im weiteren Krankheitsverlauf als Dauerbehandlung indiziert sein kann, schlägt die vorliegende Leitlinie vor, zwischen „komplettem Weaning“ und „Weaning von der invasiven Beatmung“ zu unterscheiden (siehe auch Kapitel 3.6).


3.4 Weaning-Klassifikation

Die internationale Task Force definiert drei Weaning-Gruppen ([Tab. 2]) [9]. Nach älteren Daten kann man schätzen, dass sich bis zu 70 % der Weaningpatienten auf die Gruppe 1 und 30 % der Patienten auf die Gruppen 2 und 3 verteilen [24] [25]. Eine aktuelle österreichische Multicenter-Studie konnte zeigen, dass von 257 intubierten Patienten auf der Intensivstation, die den Weaningprozess begonnen haben und bei denen es zu keiner Selbst-Extubation gekommen ist, jeweils 59 %, 26 % und 14 % den Gruppen 1, 2 und 3 der oben genannten Weaning-Klassifikation zugeordnet werden konnten [34]. Die Mortalität auf der Intensivstation lag für die Gruppen 1, 2 und 3 bei jeweils 3 %, 1 % und 22 %, die Krankenhausmortalität bei 13, 22 und 32 % . Daher war die Mortalität nur bei Patienten der Gruppe 3 (prolongiertes Weaning), nicht jedoch bei Patienten der Gruppe 2 (schwieriges Weaning) statistisch signifikant erhöht im Vergleich zu Patienten der Gruppe 1 (einfaches Weaning). Entsprechend war die Rate eines erfolgreichen (kompletten) Weanings (s. o.) nur beim prolongierten Weaning (74 %, Gruppe 3), nicht jedoch beim schwierigen Weaning (99 %, Gruppe 2), im Vergleich zum einfachen Weaning (98 %, Gruppe 1) reduziert. Die mediane Gesamt-Weaningdauer betrug 0,5 Tage (Gruppe 1), 2,9 Tage (Gruppe 2) sowie 10,0 Tage (Gruppe 3). Zusammenfassend bestanden zwar für das schwierige Weaning (Gruppe 2) längere Beatmungszeiten und längere Aufenthalte in der Klinik, die Prognose war jedoch nur beim prolongierten Weaning (Gruppe 3) im Vergleich zum einfachen Weaning (Gruppe 1) eingeschränkt [34].

Tab. 2

Internationale Weaning-Klassifikation [9]. SBT = Spontaneous Breathing Trial (Spontanatmungsversuch).

Gruppe

Kategorie

Definition

1

einfaches Weaning

erfolgreiches Weaning nach dem ersten SBT und der ersten Extubation

2

schwieriges Weaning

erfolgreiches Weaning nach initial erfolglosem Weaning spätestens beim 3. SBT oder innerhalb von 7 Tagen nach dem ersten erfolglosen SBT

3

prolongiertes Weaning

erfolgreiches Weaning erst nach mindestens 3 erfolglosen SBT oder Beatmung länger als 7 Tage nach dem ersten erfolglosen SBT


3.5 Prolongiertes Weaning versus prolongierte Beatmung

Während das prolongierte Weaning von der internationalen Task Force klar definiert und diese Definition auch für die vorliegende Leitlinie übernommen worden ist, sind die Begriffe prolongiertes Weaning und Langzeitbeatmung nicht klar abgegrenzt. So wird in der Literatur ein Zeitfenster von zwei bis drei Wochen Beatmung als Mindestdauer für die Kategorie Langzeitbeatmung angegeben [35] [36]. Hierbei ist jedoch festzuhalten, dass ein Patient, der wegen einer schweren Grunderkrankung länger als zwei Wochen invasiv beatmungspflichtig ist, nicht notwendigerweise Schwierigkeiten beim Weaning vom Respirator aufweisen muss, nachdem die Grunderkrankung erfolgreich behandelt worden ist. Vor diesem Hintergrund vermischen sich häufig die Begriffe der Langzeitbeatmung und des prolongierten Weanings. In der bereits oben zitierten Arbeit von Schönhofer und Kollegen wurde eine Beatmung als Langzeitbeatmung bezeichnet, wenn sie länger als zwei Wochen andauerte und mindestens zwei erfolglose Weaningversuche unternommen wurden [11]. In anderen Arbeiten wird der Begriff „prolongierte Beatmung“ verwendet, wenn eine mechanische Ventilation über mindestens 3 Wochen durchgeführt wird [37].

Diese Leitlinie bezieht sich daher ausdrücklich nur auf Patienten, die länger beatmungspflichtig sind, weil sie Schwierigkeiten beim Weaning haben. Als Langzeitbeatmung definiert diese Leitlinie daher eine Beatmung, die dauerhaft notwendig ist. Sie kann sowohl nicht-invasiv, in der Regel über Gesichtsmasken, oder invasiv über ein Tracheostoma erfolgen. Sowohl die invasive als auch die nicht-invasive Langzeitbeatmung können als außerklinische Beatmung, meistens im häuslichen Umfeld oder in Pflegeeinrichtungen, lebenslang durchgeführt werden. Auf die entsprechende Leitlinie zu Indikation, Organisation und Durchführung einer außerklinischen Beatmung sei an dieser Stelle verwiesen [15].


3.6 Definition des Patientenkollektivs für die vorliegende Leitlinie

Die internationale Weaning-Klassifikation (siehe Kapitel 3.4) definiert das prolongierte Weaning als Weaning, welches erst nach 3 erfolglosen SBT oder erst nach über 7 Tagen Beatmung nach dem ersten erfolglosen SBT gelingt [9]. Diese Gruppe von Patienten erscheint allerdings sehr heterogen, da die Definition sehr breit gefasst ist. So betrug die mediane Dauer des erfolgreichen Weanings in der österreichischen Outcome-Studie beim prolongierten Weaning 10 Tage [34]. Im Unterschied hierzu wurden in der Studie von Schönhofer und Kollegen die Patienten nach erfolglosem Weaning aus verschiedenen externen Kliniken im Median erst nach 33 Tagen invasiver Beatmung in ein spezialisiertes Weaningzentrum überwiesen [11]. Von diesen Patienten waren ca. 20 % ohne weitere Unterstützung vom Respirator entwöhnbar; ca. 30 % der Patienten wurden wegen chronisch ventilatorischer Insuffizienz mit einer außerklinischen Beatmung versorgt; ca. 30 % waren definitiv nicht vom Respirator entwöhnbar und ca. 20 % der Patienten verstarben noch in der Klinik. Zudem gibt es zunehmend Patienten, die trotz eines erfolgreichen SBT nicht dekanülierbar sind.

In der Tat befassen sich die spezialisierten deutschen Weaningzentren hauptsächlich mit nur sehr schwer und oft überhaupt nicht mehr zu entwöhnenden Patienten. Die Beatmungszeiten liegen mitunter bei weitem über sieben Tage nach dem ersten SBT, und bei einem Großteil der Patienten wird nach Entlassung eine außerklinische Langzeitbeatmung durchgeführt [15]. Offensichtlich werden daher in der Gruppe 3 der internationalen Weaning-Klassifikation (prolongiertes Weaning) [9] sehr unterschiedliche Patienten mit sehr unterschiedlichen Prognosefaktoren subsummiert. Daher differenziert die vorliegende Leitlinie die Gruppe des prolongierten Weanings entsprechend der [Tab. 3] in drei Untergruppen, die sich nach primärer Zuordnung zur internationalen Weaning-Gruppe 3 durch den weiteren Weaningverlauf innerhalb dieser Gruppe ergeben:

In der Untergruppe 3b (prolongiertes Weaning mit NIV) können folgende Subgruppen weiter unterschieden werden:

  • Patienten mit zeitlich begrenzter NIV: Bei diesen Patienten wird NIV nach Extubation/Dekanülierung während des Krankenhauses nur solange durchgeführt, bis eine mehrtägige Spontanatmung ohne manifeste Hyperkapnie möglich ist (komplettes Weaning). Diese Gruppe ist sehr heterogen. Im Einzelfall kann es auch nach der Entlassung erneut zur ventilatorischen Insuffizienz mit Indikation zur passageren oder bleibenden NIV kommen. Ein engmaschiges fach-pneumologisches Follow-up dieser Patienten im ambulanten oder stationären Bereich kann daher erforderlich sein.

  • Patienten mit direkter Überleitung in die außerklinische NIV: Diese Patienten werden mit NIV in die außerklinische Beatmung übergeleitet [15], wobei gelegentlich auch nach mehreren Monaten noch eine klinische Besserung eintreten kann, die eine Fortsetzung der nicht-invasiven außerklinischen Beatmung nicht mehr notwendig macht, z. B. bei deutlicher Gewichtsabnahme bei schwerer Adipositas oder bei langsam progredienter Besserung einer Critical-Illness-Polyneuropathie. Ein komplettes Weaning in der Klinik ist aber zunächst nicht möglich oder gar nicht angestrebt, wohl aber das Weaning von der invasiven Beatmung. In der Regel handelt es sich um Patienten mit einer chronischen ventilatorischen Insuffizienz, die auch nach erfolgreicher Therapie der vorangegangenen akuten Verschlechterung weiter besteht, z. B. COPD mit Akutexazerbation auf dem Boden einer vorbestehenden chronischen ventilatorischen Insuffizienz. Dabei kann eine hohe NIV-Abhängigkeit bestehen, d. h. das Absetzen der NIV geht mit einer hohen Wahrscheinlichkeit einher, dass es innerhalb kurzer Zeit zu einer akuten respiratorischen Verschlechterung, ggf. mit Notwendigkeit zur erneuten invasiven Beatmung, kommt. Andererseits kann aber auch eine geringe NIV-Abhängigkeit bestehen, d. h. dass die NIV primär zur Therapie von Symptomen einer chronischen Hypoventilation und zur Verbesserung der Langzeitprognose eingesetzt wird [15]. Bei diesen Patienten könnte zwar formal ein komplettes Weaning zunächst erreicht werden, eine Einleitung einer Langzeit-NIV ist aber grundsätzlich indiziert [15]. Bei prolongiertem Weaning ist daher immer zu prüfen, ob eine Indikation zur Langzeit-NIV besteht, auch wenn zunächst erfolgreich extubiert bzw. dekanüliert werden konnte. Vor diesem Hintergrund wird bei Patienten mit hohem Risiko einer beatmungspflichtigen Exazerbation ihrer COPD frühzeitig die Indikation zur elektiven Einleitung einer nicht-invasiven außerklinischen Beatmung gestellt, in der Regel dann, wenn der Patient bereits früher schon akut hospitalisationspflichtig war [15].

Es wird an dieser Stelle angemerkt, dass eine Abschätzung der Prognose anhand der erweiterten Differenzierung der Weaning-Gruppe 3 (prolongiertes Weaning) mit den Subgruppen 3a, 3b und 3c sehr schwierig ist. So sind es im Wesentlichen substanzielle Komorbiditäten, die oftmals die Prognose erheblich mitbestimmen, wobei schwere kardiologische Grunderkrankungen, Gefäßerkrankungen, begleitende Lungenerkrankungen, neurologische Defizite, Erkrankungen mit Einschränkungen des Immunsystems, Nierenerkrankungen, Leberzirrhose und Diabetes mellitus im Vordergrund stehen [38]. In den letzten Jahren haben der Schweregrad der Komorbiditäten und das Alter bei Patienten im prolongierten Weaning zugenommen. Beide Faktoren sind wesentlich dafür verantwortlich, dass sich die Prognose dieser Patienten in den Weaningzentren trotz zunehmender Erfahrung im Behandlungsteam verschlechtert hat [38]. Zudem können selbst erfolgreich entwöhnte Patienten mit Normokapnie innerhalb kurzer Zeit wieder beatmungspflichtig werden oder sogar versterben, häufig innerhalb von Wochen, insbesondere wenn sehr schwerwiegende Komorbiditäten bestehen [11]. Für diese Patienten ist der Begriff „instabil entwöhnt“ geprägt worden, auch wenn im Einzelfall längeres Überleben möglich ist [11].

Es sei außerdem darauf hingewiesen, dass die NIV bereits sehr frühzeitig im Weaning eingesetzt werden kann und nicht erst nach mindestens 3 erfolglosen SBT oder einer Beatmung von mehr als 7 Tagen nach dem ersten erfolglosen SBT, wie es in der Gruppe 3 für das prolongierte Weaning definiert ist [9]. So wurden in einer Studie von Nava und Kollegen Patienten mit exazerbierter COPD bereits nach 48 Stunden invasiver Beatmung nach einmalig erfolglosem SBT extubiert und mittels NIV weiter beatmet [30]. Diese Patienten entsprechen keiner der genannten Gruppen und müssen isoliert betrachtet werden.

Die vorliegende Leitlinie fokussiert in erster Linie auf Patienten der internationalen Weaning-Kategorie 3 [9]. Dabei wird hinsichtlich differenzierter medizinischer Maßnahmen im Rahmen des Weanings, ethischer Betrachtungen und Prognose-relevanter Faktoren und nicht zuletzt hinsichtlich der für ein optimales Weaning notwendigen Organisationsstrukturen auf die eigens in dieser Leitlinie neu definierten Untergruppen des prolongierten Weanings ([Tab. 3]) Bezug genommen. Diese Leitlinie bezieht sich auf Patienten mit im Vordergrund stehender schwerer respiratorischer Funktionsstörung, bei denen sich häufig die Komorbidität komplizierend auf den Weaningprozess auswirkt .

Tab. 3

Untergruppen des prolongierten Weanings nach Definition der vorliegenden Leitlinie. SBT = Spontaneous Breathing Trial (Spontanatmungsversuch); NIV = Non-invasive Ventilation/nicht-invasive Beatmung.

Gruppe

Kategorie

Definition

3a

prolongiertes Weaning ohne NIV

erfolgreiches Weaning mit Extubation/Dekanülierung erst nach mindestens 3 erfolglosen SBT oder Beatmung länger als 7 Tage nach dem ersten erfolglosen SBT ohne Zuhilfenahme der NIV

3b

prolongiertes Weaning mit NIV

erfolgreiches Weaning mit Extubation/Dekanülierung erst nach mindestens 3 erfolglosen SBT oder Beatmung länger als 7 Tage nach dem ersten erfolglosen SBT und nur mittels Einsatz der NIV, ggf. mit Fortsetzung der NIV als außerklinische Beatmung (weitere Differenzierung siehe Text)

3c

erfolgloses Weaning

Tod oder Entlassung mit invasiver Beatmung via Tracheostoma



4 Pathophysiologie des Weaningversagens

4.1 Einleitung

Das Weaningversagen ist gekennzeichnet durch die Notwendigkeit, eine Langzeitbeatmung aufgrund unzureichender Spontanatemfähigkeit fortzusetzen oder kurzfristig wiederaufzunehmen. Dabei besteht ein Missverhältnis von ventilatorischem Bedarf und ventilatorischem Eigenvermögen. Hauptsächlich liegt eine hyperkapnische ventilatorische Insuffizienz zugrunde. Deren Ursache ist nahezu immer eine Überlastungssituation der Atemmuskulatur (Atempumpe). Selten liegt eine direkte Störung des Atemzentrums vor [39] [40] [41] [42].

Es gibt allerdings auch ein Weaningversagen bei Patienten mit normalem Kohlendioxid-Partialdruck (PaCO2) unter Beatmung und im Vordergrund stehender Gasaustauschstörung. Diese Patienten sind bei fortschreitender Grunderkrankung, z. B. Lungenfibrose, nicht mehr entwöhnbar. In diesen Fällen ist der ventilatorische Bedarf ohne mechanische Beatmung aufgrund der reduzierten Gasaustauschfläche so groß, dass neben der Hypoxie auch eine hyperkapnische Insuffizienz durch Volumenbelastung der Atempumpe resultieren kann. Liegen dagegen reversible Ursachen der zur Beatmung führenden Gasaustauschstörung vor (z. B. Acute Respiratory Distress Syndrome (ARDS) oder Pneumonie), kann sich im Verlauf das Lungenparenchym wieder so weit erholen, dass ein Potenzial für ein erfolgreiches Weaning besteht. Das prolongierte Weaningversagen ist häufig multifaktoriell, sodass z. B. Kombinationen aus erhöhter Last (Obstruktion und Überblähung bei COPD), muskulärer Insuffizienz (z. B. Critical-Illness-Myopathie (CIM) und Critical-Illness-Polyneuropathie (CIP), diabetische Neuropathie), Gasaustauschstörung und Herzinsuffizienz vorliegen, die sich wechselseitig negativ beeinflussen.


4.2 Insuffizienz der Atempumpe

Für eine Insuffizienz der Atempumpe gibt es zwei grundsätzliche Mechanismen: 1. die Insuffizienz der Atemmuskulatur, die für die Deckung des aktuellen Sauerstoffbedarfs keine ausreichende Ventilation ermöglicht und 2. die (sub-)akute Überlastung der aktuell zur Verfügung stehenden Muskelleistung durch eine erhöhte Atemlast infolge unterschiedlicher Erkrankungen. Die situativ erforderliche Sauerstoffaufnahme und der dafür erforderliche ventilatorische Aufwand werden durch die aktuelle klinische Situation (z. B. Infekt, kardiale und pulmonale Funktion, muskuläre Kraft etc.) und durch eine vorbestehende Gasaustauschstörung oder eine Beeinträchtigung der muskulären Atempumpe bestimmt. Alle Faktoren können isoliert bzw. kombiniert zum Weaningversagen beitragen. Die einzelnen Krankheitsbilder werden gemäß ihrer pathophysiologischen Ursachen – muskuläre Insuffizienz und muskuläre Überlastung – betrachtet und nicht, wie sonst üblich, isoliert erörtert, um der komplexen Situation im Einzelfall besser gerecht zu werden. In [Tab. 4] sind die Zusammenhänge mit den jeweiligen Ursachen mit Beispielen dargestellt.

Tab. 4

Pathophysiologie und mögliche Ursachen der Atempumpeninsuffizienz. CIP = Critical-Illness-Polyneuropathie; ALS = Amyotrophe Lateralsklerose; CIM = Critical-Illness-Myopathie; VIDD = Ventilator Induced Diaphragmatic Dysfunction; PAH = pulmonal arterielle Hypertonie; Post-TBC-Syndrom = Langzeitfolgen nach pulmonaler Tuberkulose.

Unmittelbarer Grund für unzureichende Spontanatmung

Pathophysiologischer Bereich

Mögliche Ursachen

Beispiel

Schwäche der Atempumpe

Atemzentrum

Ischämie, Infektion

Enzephalitis

nervale Steuerung

Neuritis, Nervenschädigung

Zwerchfellparese, Guillain-Barré-Syndrom, CIP, ALS, Diabetes mellitus

Atemmuskeln

Myositis, Muskeldystrophie, Muskelatrophie

CIM, VIDD, Myasthenie, M. Duchenne, Post-Polio-Syndrom

Überlastung der Atempumpe

Atemwege

Obstruktion, Überblähung, Recurrensparese

COPD, Mucoviszidose

Lungenparenchym

reduzierte Compliance

Lungenödem, Fibrose

reduzierte Gasaustauschfläche

Emphysem, Pneumonie

Thoraxwand

reduzierte Compliance

Pleuraerguss, Skoliose, Post-TBC-Syndrom

Sauerstofftransport

(reduziert)

Anämie, Methämoglobin

Blutabnahme, Blutung, Infektanämie, Medikamente

Perfusionsminderung

Herzinsuffizienz, PAH, Lungenembolie

Sauerstoffverbrauch

(erhöht)

erhöhter Umsatz

Katecholamine, Unruhe/Agitation, Infektion

metabolische Versorgung

Stoffwechselstörung

Hypothyreose, Mangelernährung, Elektrolytimbalance

4.2.1 Atemzentrum

Ausreichende Atmung ist nur möglich mit einer intakt funktionierenden Atemregulation. Deren Störungen können vielfältige Ursachen haben [43] [44] [45] [46] [47]. Ein Ausfall des zentralen Atemantriebs als Ursache eines Weaningversagens ist sehr selten. Im Vordergrund stehen Medikamentenüberdosierungen (Sedativa, Narkotika, Antidepressiva), toxische oder metabolisch-endokrine Störungen und Elektrolytveränderungen [9] [48] [49], die den Atemantrieb dämpfen (Frequenz und Tiefe). Dabei handelt es sich in der Regel nur um ein passageres Problem. Eine Enzephalitis mit Beteiligung des Atemzentrums oder strukturelle Schädigungen durch Tumor, Hirndruck, Ischämie oder Blutung sind sehr seltene Ursachen eines Weaningversagens [9] [44]. Eine zentrale Fehlsteuerung der Atmung geht mit schweren anderen Funktionsausfällen einher, sodass diese Patienten meist nicht zum Weaning anstehen.


4.2.2 Nervale Steuerung

Trotz intakter zentraler Atemsteuerung kann auch eine Störung auf Ebene der Last-Kapazitäts-Adaptation von peripherem Nervensystem und Muskulatur vorliegen [50]. Dementsprechend können Erkrankungen der Muskulatur wie auch des peripheren Nervensystems ein Weaningversagen verursachen.

Am häufigsten sind metabolisch-toxische Schädigungen wie die Critical-Illness-Polyneuropathie, aber auch primäre Erkrankungen des peripheren Nerven oder der neuromuskulären Übertragung, wie spinale Muskelatrophien, die Amyotrophe Lateralsklerose, das Guillain-Barré-Syndrom oder die Myasthenia gravis [51] [52] [53]. Weiterhin gibt es direkte Störungen des N. phrenicus und Rückenmarksläsionen oberhalb des Niveaus C4 [54].


4.2.3 Atemmuskeln

Häufig wird im Verlauf einer Intensivbehandlung, einschließlich der Beatmung, insbesondere bei septischen Komplikationen, eine strukturelle und funktionelle Schädigung nicht nur der Nerven, sondern auch der Muskulatur selber („Critical-Illness-Myopathie“) induziert [52] [55] [56] [57] [58]. Hierbei spielen als Kofaktoren wahrscheinlich Muskelrelaxantien, Nierenversagen und eine diabetische Stoffwechsellage eine Rolle. Ein zweiter häufiger Grund für eine Schwäche der Atempumpe ist eine isolierte, nahezu immer reversible Inaktivitätsatrophie der Zwerchfellmuskulatur, die sogenannte Ventilator Induced Diaphragmatic Dysfunction (VIDD) [59] [60] [61]. Diese tritt bereits nach wenigen Tagen kontrollierter Beatmung ein, wenn keine assistierten oder spontanen Atmungsphasen zwischengeschaltet werden. Daher können zu Beginn des Weanings zu lange Phasen von Spontanatmung oder assistierter Beatmung einen bereits atrophierten Muskel überlasten. Weitere Ursachen sind durchgemachte oder akute (meist entzündliche oder toxische) Muskelerkrankungen sowie degenerative Myopathien und Muskeldystrophien.


4.2.4 Muskuläre Überlastung

Zahlreiche Erkrankungen und Mechanismen können zu einer chronischen muskulären Überlastung der Atempumpe führen. Dabei hängt es in Phasen des Weanings auch vom aktuellen Vermögen der Muskulatur selbst ab, eine zusätzliche Atemlast (Volumen oder Druck) zu tolerieren. Nicht selten ist eine im Behandlungsverlauf erworbene muskuläre Insuffizienz mit einer Erkrankung kombiniert, die für die Beatmung ursprünglich verantwortlich war und zu einer schädlichen Dauerbelastung oder Überlastung der Atempumpe geführt hat, wie z. B. eine COPD.

4.2.4.1 Erkrankungen der Atemwege

Einer der häufigsten Gründe des Weaningversagens ist die Druckbelastung der Atempumpe infolge Obstruktion der Atemwege. Diese wird oft durch eine Lungenüberblähung aggraviert, die über eine Zwerchfellabflachung mit ungünstiger mechanischer Kraftentwicklung zu einer Verschlechterung des Wirkungsgrads und damit zu höherem Sauerstoffbedarf und -verbrauch führt [39] [40] [62] [63]. Typisches Beispiel ist die COPD. Eine derartige Situation kann sekundär verschlechtert werden durch den artifiziellen Atemweg, d. h. den Tubus oder die Trachealkanüle, die über eine Widerstandserhöhung zu einer zusätzlichen Atemlasterhöhung führen. Gleichartige Auswirkungen haben Sekretverlegungen und entzündliche oder tumoröse Stenosierungen der Atemwege [64] [65] [66] [67] sowie pathologische Veränderungen der oberen Atemwege nach Extubation/Dekanülierung.


4.2.4.2 Thorakale Restriktion

Eine thorakale Restriktion führt zu einer reduzierten Compliance mit entsprechender Erhöhung der Atemarbeit. Häufigste passagere Ursachen sind ausgedehnte Pleuraergüsse. Des Weiteren kommen Krankheitsbilder wie die Skoliose oder ausgedehnte Pleuraschwarten nach Tuberkulose häufig in Frage [9].




4.3 Hypoxische Insuffizienz infolge Lungenparenchymerkrankung und kardio-pulmonale Wechselwirkungen

Interstitielle Flüssigkeitsvermehrung (akute oder chronische Lungenstauung, ARDS) oder eine Fibrosierung des Lungenparenchyms reduzieren neben der Gasaustauschfläche die Compliance der Lunge. Dies führt zur Belastung der Atempumpe [9] [68] [69] [70]. Ebenso kann bei Oxygenierungsstörungen wie Atelektasen, entzündlichen Infiltraten etc. über den vermehrten ventilatorischen Bedarf zur Aufrechterhaltung der Oxygenierung und durch die erhöhte Atemarbeit auf dem Boden der verminderten Lungencompliance ein hyperkapnisches Versagen auftreten. Dieses demaskiert sich häufig erst während der Spontanatmungsphasen im Weaning, während unter kontrollierter Beatmung durch Übernahme der Atemarbeit durch den Ventilator nur eine reine hypoxische Insuffizienz objektivierbar war.

Veränderungen des intrathorakalen Drucks unter Beatmung und im Weaning beeinflussen den Druckgradienten sowohl zwischen dem venösen Stromgebiet und dem rechten Herzen als auch zwischen linkem Ventrikel und der systemischen Zirkulation. Eine Erhöhung des intrathorakalen Drucks (unter Positiv-Druckbeatmung) führt zu einer Zunahme des rechtsatrialen Drucks und gleichzeitig zu einer Abnahme des linksventrikulären transmuralen Drucks. Als Folge nehmen der venöse Rückfluss zum rechten Herzen ab und der linksventrikuläre Auswurf zu. Über diese Vorlast- und Nachlastsenkung nimmt das intrathorakale Blutvolumen ab [71]. Im Gegensatz dazu verbessert eine Abnahme des intrathorakalen Drucks (zum Beispiel bei Inspiration unter Spontanatmung mit negativem Pleuradruck) den venösen Rückfluss zum rechten Herzen. Der linksventrikuläre transmurale Druckgradient nimmt dadurch jedoch zu, wodurch die Nachlast für den linken Ventrikel steigt. Gleichzeitig nimmt das intrathorakale Blutvolumen zu. Die hämodynamischen Effekte einer spontanen Atmung bzw. mechanischen Beatmung sind im Wesentlichen von der kardialen Pumpfunktion, aber auch vom aktuellen Volumenstatus des Patienten abhängig.

Bei Patienten mit eingeschränkter linksventrikulärer Pumpfunktion können die veränderten intrathorakalen Drücke unter beginnender Spontanatmung im Rahmen eines Weanings über eine Zunahme des venösen Rückstroms und des negativen Pleuradrucks eine relevante Vorlast-, aber auch Nachlasterhöhung des linken Ventrikels nach sich ziehen [71] [72], die prinzipiell zu einer akuten Verschlechterung der kardialen Pumpleistung mit Vorwärts- und Rückwärtsversagen führen können. Dieses gilt insbesondere für Spontanatmungsphasen mit erhöhter Atemanstrengung und tiefen Atemexkursionen, die mit entsprechend hohen negativen inspiratorischen pleuralen Drücken assoziiert sind. Der Wechsel von einer kontrollierten Beatmung auf eine Spontanatmung kann bei reduzierter linksventrikulärer Pumpfunktion zu einer linksatrialen Druckerhöhung mit nachfolgender pulmonalvenöser Stauung, Verschlechterung des Gasaustausches und damit zu einer weiteren Zunahme der Atemarbeit führen.

Ein abrupter Wechsel zwischen kontrollierter Beatmung und Spontanatmung resultiert in einem deutlich erhöhten Sauerstoffbedarf (u. a. der Atemmuskulatur) und damit in einer erhöhten myokardialen Arbeitslast. Dieses ist insbesondere kritisch für Patienten mit koronarer Herzkrankheit. In dieser Situation kann sich die myokardiale Pumpleistung weiter verschlechtern.

Der höhere metabolische Bedarf an Sauerstoff im Rahmen der kardialen Dekompensation wird oft begleitet von einem kompensatorischen Herzfrequenz- und Blutdruckanstieg, was wiederum ein Weaningversagen begünstigt [70] [73] .

Eine Zunahme des pulmonal-vaskulären Widerstands, ggf. aggraviert durch eine begleitende hypoxische pulmonale Vasokonstriktion, kann einen Anstieg des rechtsventrikulären Afterload und eine Abnahme des Herzzeitvolumens zur Folge haben und so zu einem Missverhältnis von Sauerstofftransportbedarf und -kapazität führen . Im Rahmen der interventrikulären Dependenz kann über einen Septumshift nach links eine schlechtere linksventrikuläre Füllung, eine Abnahme des linksventrikulären Schlagvolumens und damit des Sauerstoffangebotes für den Körper [74] [75] resultieren.

Derartigen kardio-pulmonalen Wechselwirkungen [71] [72] [74] [75] und der interventrikulären Dependenz kommen im Weaning besondere Bedeutung zu. So können nicht nur die Auswirkungen vorbestehender pulmonaler Erkrankungen auf die kardiale Funktion, sondern auch die Auswirkungen kardialer Erkrankungen auf die Ventilation, die pulmonale Compliance und die Atemlast ein Weaningversagen begünstigen. Die bei Herzinsuffizienz erniedrigte pulmonale Compliance, der gestörte Gasaustausch und die sekundär erhöhte Atemarbeit erfordern über einen erhöhten Perfusions- und Sauerstoffbedarf der Atemmuskulatur eine Steigerung des Herzzeitvolumens, mit dem Risiko der weiteren kardialen Dekompensation. Eine Stress- oder septische Kardiomyopathie, aber auch allein ein erhöhter metabolischer Bedarf mit erhöhtem Grundumsatz bei entzündlich-septischen Krankheitsbildern können insbesondere bei vorbestehender kardialer Schädigung eine kardiale Dekompensation mit negativen Auswirkungen auf die Atemarbeit nach sich ziehen, sodass eine bislang stabile Weaningsituation dekompensiert. Eine umfassende kardio-pulmonale Differenzialdiagnostik ist deshalb obligat.


4.4 Sauerstofftransport und -verbrauch

Der Transport des Sauerstoffmoleküls zum Mitochondrium kann auf mehreren Ebenen gestört sein. Einen wichtigen Punkt bei der Betrachtung der Sauerstoffaufnahme stellt die Reduktion der Lungenperfusion bei Herzinsuffizienz und bei Erkrankungen mit erhöhtem pulmonal-arteriellen Druck bzw. Widerstand (pulmonalarterielle Hypertonie, Lungenembolie) dar. Eine Rechtsverschiebung der Sauerstoffbindungskurve (z. B. bei Azidose) durch Änderung der 2,3 Diphosphoglycerat-Konzentration verbessert zwar die Sauerstoffabgabe im Kapillarbett, bewirkt aber eine langsamere Sauerstoffaufnahme in der Lunge, sodass konsekutiv eine kompensatorische Erhöhung der Ventilation und zwangsläufig eine vermehrte Belastung der Atempumpe resultieren. Darüber hinaus bedingt jede Erhöhung des globalen Sauerstoffverbrauchs wie bei Fieber, permanenten, insbesondere bronchialen Infektionen mit fehlender Hustenclearance unter Beatmung, Schmerz, Tachykardie, aber auch bei inadäquater Katecholaminanwendung, zwangsläufig eine zusätzliche Belastung der Herz- und/oder Atempumpe. Das gilt besonders dann, wenn schon Einschränkungen von Sauerstoffaufnahme und -transport aufgrund einer Herzinsuffizienz vorbestehen [71].

Weiterhin führen zerebrale Unruhezustände neben einer unnötig hohen Muskelbelastung auch zu einer Steigerung der Ventilation und Belastung der Atempumpe mit erhöhtem Sauerstoffbedarf. Unzureichende Respiratoreinstellungen können nicht nur in dieser Situation, sondern grundsätzlich eine Aggravation zur Folge haben [76] [77]. Sie führen über eine vermehrte Totraumventilation zu weiteren Gasaustauschstörungen und über unzureichende Gerätetriggerungen mit Patienten-Geräte-Asynchronizität zur dynamischen Lungenüberblähung z. B. bei COPD, Abnahme der pulmonalen Compliance und vermehrter Atemarbeit mit konsekutiv erhöhtem Sauerstoffverbrauch [78].

Neben einer Gastransport- und Gasaustauschstörung im Lungenparenchym kann auch ein Hämoglobinmangel ein entscheidender Faktor für das Weaningversagen sein. Eine Anämie führt kompensatorisch zu einer Belastung der Atem- und Herzpumpe. Bei Patienten mit belasteter Atempumpe konnte gezeigt werden, dass mit Korrektur der Anämie in gleichem Umfang die Atemarbeit sinkt [79] [80].


4.5 Weitere metabolische Aspekte

Alle Organe, einschließlich der Atemmuskulatur, haben eine metabolische Grundversorgung, deren Beeinträchtigung durch Stoffwechselstörungen (Hyper- und Hypothyreose, Nebenniereninsuffizienz), Elektrolytstörungen (Hyperkaliämie, Magnesium-, und Phosphatmangel) oder exogene endokrine Einflüsse wie eine Gukokortikosteroidtherapie Funktionsstörungen zur Folge haben kann [9] [44]. Das Thema Ernährung wird ausführlich in Kapitel 5.7.3 (Verbesserung des Ernährungszustandes und Metabolismus) erörtert.


4.6 Besonderheiten bei pädiatrischen Patienten

Weaningversagen und folgend Respirator-Abhängigkeit aufgrund (neuro-)muskulärer Insuffizienz ist bei Kindern häufig Folge einer angeborenen (neuro-)muskulären Erkrankung oder einer syndromalen Erkrankung mit Muskelhypotonie evtl. mit Thoraxdeformität. Seltener sind angeborene oder erworbene Störungen des Atemzentrums wie beim Undine-Sydrom oder bei zerebralen Erkrankungen z. B. nach einer perinatalen Asphyxie [81] [82] [83] [84]. Störungen der Innervation finden sich bei hohen Rückenmarksverletzungen sowie angeborenen oder erworbenen Zwerchfellparesen bzw. Recurrensparesen [85]. Erworbene Erkrankungen der Atempumpe wie durch Critical-Illness-Polyneuropathie oder erworbene Inaktivitätsatrophie der Atemmuskulatur verursachen bei Kindern selten ein Weaningversagen.

Muskuläre Überlastung der gesunden Atempumpe findet häufiger seine Ursache in einer Obstruktion der engen oder instabilen Atemwege des Kindes. Transiente Schwellung von Larynx und Trachealwand durch Intubationstrauma können Postextubationsstridor verursachen, was in bis zu 35 % die Ursache für Extubationsversagen ist [83] [84]. Langanhaltende Intubation kann fibrotische subglottische Stenosen hervorrufen. Hier ermöglicht oft erst die Tracheotomie das Weaning. Außerdem führen angeborene Fehlbildungen der Atemwege entweder mechanisch (z. B. kongenitale Larynxstenose) oder funktionell (Tracheomalazien) zu Weaningversagen und erfordern eine differenzierte Therapie [86] [87].

Gasaustauschstörungen durch Lungenparenchymerkrankungen können zwar das Weaning verlängern [83] [84], dauerhafte Respiratorabhängigkeit ist hier jedoch eher selten [81] [82] [88]. Sie tritt v. a. nach Langzeitbeatmung aufgrund von Frühgeburtlichkeit (chronische Lungenerkrankung des Frühgeborenen) auf [81].



5 Strategien im Weaningprozess

5.1 Strategien zur Prävention des Weaningversagens bei Risikopatienten (Kategorie 1 und 2)

Prolongierte invasive Beatmung kann mit unterschiedlichen Komplikationen (Volu-, Baro-, Atelek- und Biotrauma, tracheale Schädigungen, infektiöse Komplikationen) assoziiert sein [4] [89]. Mit zunehmender Beatmungsdauer nimmt die Wahrscheinlichkeit einer Ventilator- oder Tubus-assoziierten Pneumonie zu, welche eine deutliche erhöhte Mortalität aufweist [90]. Prolongierte Beatmung ist aus diesen Gründen mit einer erhöhten Sterblichkeit verbunden [91]. Deswegen muss in jedem Fall einer invasiven Beatmung so früh wie möglich mit dem Weaning begonnen werden. Ein allgemeiner Weaningablauf, modifiziert für die Situation des prolongierten Weanings, ist in [ Abb. 1 ] (s. Kapitel 3) dargestellt.

Die Leitlinie hat das prolongierte Weaning (Patienten der Kategorie 3) zum Hauptthema. In diesem Abschnitt 5.1 liegt der Schwerpunkt der Strategien bei den Patienten der Kategorie 1 (einfaches Weaning) und 2 (schwieriges Weaning). Des Weiteren sind die im Folgenden beschriebenen Strategien für das Verständnis des Weaningprozesses grundlegend. Für die Patienten der Kategorie 3 (prolongiertes Weaning) gibt es wenig wissenschaftliche Daten. Im weiteren Verlauf des Textes wird auf die Unterschiede der drei unterschiedlichen Patientengruppen hinsichtlich der ausgesprochenen Empfehlungen besonderer Wert gelegt.

5.1.1 Beurteilung des Weaningpotenzials

Als Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches Weaning, unabhängig vom Beatmungszugang bei Patienten mit invasiver Beatmung, sollten die Kriterien der Weaningbereitschaft erfüllt sein ([Tab. 5]). Die aufgeführten Parameter der [Tab. 5] stellen nur Anhaltspunkte dar, im Einzelfall kann es durchaus zu Abweichungen kommen.

Tab. 5

Kriterien für Bereitschaft zum Weaning (modifiziert nach [9]). AF = Atemfrequenz; VT = Tidalvolumen; PEEP = positiv endexspiratorischer Druck; HF = Herzfrequenz; RR = Blutdruck; RSBI = Rapid Shallow Breathing Index; FiO2 = inspiratorische Sauerstofffraktion; SaO2 = arterielle Sauerstoffsättigung

Klinische Kriterien

  • ausreichender Hustenstoß

  • keine exzessive Sekretion

  • Rückbildung der akuten Erkrankungsphase, die zur Intubation geführt hat

  • kein akuter Infekt

Objektive Kriterien

klinische Stabilität

  • kardiovaskulär

    • HF ≤ 140/min

    • RR syst. 90 – 160 mmHg (keine oder nur geringfügige Katecholamingaben, z. B. Noradrenalin < 0,2 µg/kg/min)

  • metabolisch (z. B. Ausschluss einer relevanten metabolischen Azidose, d. h. Base Exzess < – 5 mval/l)

adäquate Oxygenierung

  • SaO2 ≥ 90 % bei FiO2 ≤ 0,4 (bei Vorliegen einer chronischen respiratorischen Insuffizienz > 85 %)

  • oder paO2/FiO2  > 150 mmHg

  • PEEP ≤ 8 cmH2O

adäquate pulmonale Funktion

  • AF ≤ 35 /min

  • VT > 5 ml/kg

  • AF/VT < 105 ( = RSBI)

  • keine signifikante respiratorische Azidose

adäquate mentale Funktion

  • keine Sedierung oder adäquate Funktion unter Sedierung (RASS 0 /-1)

[ Abb. 2 ] zeigt den Algorithmus zur Evaluation der Extubationsfähigkeit. Die adäquate Beurteilung der neurologischen und neurokognitiven Funktion sowie der Kooperationsfähigkeit des Patienten erfordert eine tägliche Pausierung der Sedierung (SAT, Spontaneous Awakening Trial = spontaner Aufwachversuch) in Kombination mit Durchführung eines Spontanatmungsversuchs (SBT).

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Abb. 2 Algorithmus tägliches Screening der respiratorischen Situation im Weaning (nach [92]). SaO2 = arterielle Sauerstoffsättigung; FiO2 = inspiratorische Sauerstofffraktion; PaO2 = arterieller Sauerstoffpartialdruck; RASS: Richmond Agitation Sedation Scale.

Der Ablauf des Weanings ist grundsätzlich unabhängig vom Beatmungszugang (Maske, Tubus oder Trachealkanüle) in zwei Abschnitte gegliedert. Im ersten Abschnitt wird während der Beatmung die Weaningbereitschaft des beatmeten Patienten beurteilt. Im zweiten Abschnitt wird ein Spontanatmungsversuch (SBT) durchgeführt (s. [ Abb. 3 ]). Diesem diagnostischen Test kommt eine entscheidende Bedeutung bei der Abschätzung einer erfolgreichen Extubation zu.

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Abb. 3 Schema zur Analgesie und Sedierung beim nicht-prolongierten Weaning, S3 Leitlinie Analgesie, Sedierung und Delirmanagement in der Intensivmedizin [93] (modifiziert nach [103]).

5.1.2 Sedierung und Sedierungsprotokolle

Eine wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Extubation bzw. Dekanülierung ist ein wacher und kooperationsfähiger Patient.

Invasive Beatmung, v. a. über Endotrachealtubus, benötigt eine adäquate Analgesie und Sedierung, die gemäß der aktuellen S3-Leitlinie Analgesie, Sedierung und Delirmanagement in der Intensivmedizin [93] mindestens alle acht Stunden dokumentiert werden sollte. Für den Sedierungsscore sollte eine Zielvorgabe formuliert und dokumentiert sein. Durch zu tiefe Sedierung wird allzu oft die Beatmung unnötig verlängert [94]. Es existieren verschiedene gängige Score-Systeme, wie z. B. Ramsay Score [95], Riker Sedations-Agitations-Score [96] und Richmond Agitation Sedation Scale (RASS), die bei Intensivpatienten als validierter Goldstandard gilt [96] [97].

Im Weaning sollte man dem validierten RASS den Vorzug geben (siehe [ Abb. 2 ]) [98].
In Deutschland werden Sedierungs-Scores noch zu selten verwendet [99]. Neben der Sedierungstiefe sollte auch der Schmerz alle acht Stunden erfasst werden, z. B. mittels Visual Analogue Scale (VAS) oder Numeric oder Visual Rating Scale (NRS, VRS) bei wachen Patienten, bzw. anhand klinischer Symptome wie Mimik, Tachykardie, Schwitzen, Blutdruckverhalten, Atemfrequenz, Tränenfluss auch bei sedierten Patienten anhand von Scoringsystemen wie z. B. der Behaviour Pain Scale (BPS) für intubierte und nicht intubierte Patienten [100]. Verzögertes Aufwachen, prolongierte delirante Syndrome und Folgekomplikationen (z. B. Tubus assoziierte Pneumonie) führen zu einer prolongierten Beatmung. Mehrere Studien [101] [102] [103] konnten zeigen, dass durch Sedierungsprotokolle während der invasiven Beatmung eine signifikante Reduktion der Beatmungsdauer erreicht werden konnte. Kress [101] und Carson [102] zeigten dies durch tägliche Unterbrechung der Sedierung und sogenannte Aufwachphasen (Spontaneous Awakening Trial; SAT). Anhand eines Protokolls zur Sedierungstiefe lassen sich die Dauer der Beatmungszeit und der Aufenthalt auf der Intensivstation reduzieren [101] [104].


5.1.3 Tägliche Unterbrechung der Sedierung

Die morgendliche Unterbrechung der Sedierung (im Gegensatz zu kontinuierlicher Sedierung) im Sinne einer strikten Organisation der Sedierungsstrategie führt in Kombination mit einem SBT zu einer Verkürzung der Sedierungsdauer und damit zu einer Verkürzung der Dauer der maschinellen Ventilation, des Aufenthalts auf der Intensivstation und im Krankenhaus [103]. Auch wenn mehr Patienten sich selber extubierten, war hiervon die Rate der Re-Intubationen unbeeinflusst. Das wichtigste Ergebnis der Studie war aber, dass die strikte Kombination eines Sedierungsprotokolls mit einem Weaningprotokoll zu einer niedrigeren 1-Jahres-Mortalität führte. (siehe [ Abb. 3 ] Schema zur Analgesie und Sedierung beim nicht prolongierten Weaning und [ Abb. 4 ] Algorithmus für die Sedierungsunterbrechung).

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Abb. 4 Algorithmus zur Sedierungsunterbrechung (nach [93]).
Empfehlung E1

Die Sedierung bei invasiver Beatmung soll anhand von Sedierungs-Scores (z. B. RASS) gesteuert werden.

Empfehlung E2

Eine tägliche Unterbrechung der Sedierung mit einem Aufwachversuch (SAT) soll durchgeführt werden, um möglichst frühzeitig Patienten zu identifizieren, die einem Spontanatmungsversuch (SBT) zugeführt werden können.


5.1.4 Auswahl der Sedativa

Beim Weaning sollte bereits frühzeitig bei der Auswahl der Sedativa auf deren Wirkungs- und auch Nebenwirkungsprofil geachtet werden. Die Sedierung kritisch kranker und beatmeter Patienten erfolgt zum gegenwärtigen Zeitpunkt auf unterschiedlichste Art und Weise. Es gibt nicht das eine ideale Medikament zur Sedierung. Ebenso wenig gibt es ein allumfassendes Sedierungskonzept. Ein ideales Sedativum müsste folgenden Anforderungen genügen [105]:

  • effektive Sedierung mit schnellem Wirkungseintritt und kurzer Wirkdauer

  • keine Akkumulation des Wirkstoffs oder aktiver Metabolite

  • einfache Anwendung und Titration möglich

  • keine schwerwiegende kardiopulmonale Depression

  • Metabolisierung durch Organinsuffizienzen nicht beeinträchtigt

  • keine Toleranz- und Suchtentwicklung

Bei langzeitbeatmeten Patienten werden die Metabolisierung wie die Elimination der Sedativa durch Zusatzfaktoren (gestörte Leber- oder Nierenfunktion) beeinflusst. Bei älteren Patienten ist die Wirkdauer häufig verlängert oder es können paradoxe Wirkungen beobachtet werden. Im europäischen Raum werden vorrangig Midazolam und Propofol eingesetzt [106]. Hauptkriterium für die Bevorzugung von Midazolam und Propofol ist deren im Vergleich zu Lorazepam deutlich kürzere Halbwertszeit [107]. Allerdings ist für Benzodiazepine gezeigt worden, dass sie die Entwicklung eines Delirs begünstigen. Sie sollten daher mit Zurückhaltung eingesetzt werden. Bei der Verwendung von Propofol über 48 Stunden hinaus sollte auf eine Dosisbegrenzung (< 4 mg/kg KG/h) geachtet werden, um die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung eines Propofolinfusionssyndroms möglichst gering zu halten [108]. Insbesondere Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren sind von der Entwicklung eines Propofolinfusionssyndroms betroffen. Daher ist die Langzeitsedierung von Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren mit Propofol nicht zugelassen [109]. In der prolongierten Weaningphase sind oft individuell auf den einzelnen Patienten ausgerichtete Sedierungskonzepte notwendig. Häufig werden bei Reduktion der Sedierung bei Langzeitbeatmung Entzugssyndrome unterschiedlichen Schweregrades beobachtet [110]. In dieser Phase soll bei der Auswahl der Sedativa das Konzept des Rezeptorwechsels (Wechsel der Substanzen mit unterschiedlichem Wirkmuster) bzw. der Medikamentenpause zur Resensibilisierung der Rezeptoren beachtet werden. Die symptomatische medikamentöse Therapie bei Entzugssyndromen ist in [Tab. 6] dargestellt.

Tab. 6

Grundzüge der medikamentösen antipsychotischen und anxiolytischen Therapie (nach [100]).

Symptom

Empfohlene Wirkstoffgruppe

Agitation

langwirksame Benzodiazepine (z. B. Lorazepam),

nachts Propofol

Hyperaktivität des Sympathikus

Clonidin, β-Blocker

psychotische Symptome

Haloperidol oder Risperidon [111]

Oft werden gemischte Symptomkomplexe beobachtet, aus denen sich dann die Medikamente zur Behandlung des Entzugssyndroms wie der Sedierung ergeben.

Empfehlung E3

Bei einer zu erwartenden Sedierungsdauer bis zu sieben Tagen sollte bevorzugt Propofol eingesetzt werden. Für eine Sedierungsdauer länger als sieben Tage kann Midazolam verwendet werden. Propofol weist bei der Langzeitsedierung keinen Vorteil bezüglich der Dauer des Weanings vom Respirator gegenüber Midazolam auf. Der Einsatz von Propofol zur Langzeitsedierung ist bei Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren nicht zugelassen.

Empfehlung E4

Bei Agitation und Angstzuständen sind langwirksame Benzodiazepine indiziert. Bei sympathikotoner Hyperaktivität können Clonidin und β-Blocker empfohlen werden. Bei psychotischen Zuständen sind hochpotente Neuroleptika Mittel der ersten Wahl.


5.1.5 Spontanatmungsversuch (Spontaneous Breathing Trial; SBT)

Der Spontanatmungsversuch soll in Verbindung mit einem Aufwachversuch durchgeführt werden (siehe 5.1.3). Sind die Kriterien für die Weaningbereitschaft erfüllt (siehe [Tab. 5]), wird bei dem Patienten ein Aufwachversuch (Spontaneous Awakening Trial; SAT) durchgeführt. Dieser hat das Ziel, den Patienten wach werden zu lassen, ohne dass Zeichen für Stress oder respiratorische Erschöpfung entstehen. Ein Kriterium für die Wachheit des Patienten ist das Öffnen der Augen auf verbale Stimuli. Der SAT wird als erfolgreich bezeichnet, wenn der Patient nach Reduktion der Sedierung 30 min ohne Stress weiter beatmet werden kann. Wenn dies der Fall ist, kann ein Spontanatmungsversuch durchgeführt werden (siehe [ Abb. 2 ]).

Beim Spontanatmungsversuch entscheiden die ersten 30 Minuten über Erfolg oder Scheitern [112] [113]. Der prädiktive Wert für eine erfolgreiche Extubation ist bei einem SBT von 30 Minuten gleich dem eines SBT von 120 Minuten [112] [114]. Der positive Vorhersagewert für eine erfolgreiche Extubation nach erfolgreichem SBT liegt über 80 % und ist in mehreren großen Studien belegt [7] [25] [112] [115] [116], vorausgesetzt es bestehen keine anderen Kontraindikationen für eine erfolgreiche Extubation. Hier können neurologischer Status [117] oder ausgeprägte bronchiale Sekretvermehrung und Atemwegsobstruktion [115] Argumente gegen eine Extubation trotz erfolgreichem SBT darstellen. Im prolongierten Weaning kann auch bei Patienten mit eingeschränkter Vigilanz und Kognition (formal: nicht erfolgreicher SAT) ein Spontanatmungsversuch durchgeführt werden, wenn es die klinische Situation des Patienten zulässt. In diesem Zusammenhang sei auf den Unterschied der Spontanatmungsphasen im einfachen und prolongierten Weaning hingewiesen: Im einfachen Weaning ist der SBT ein diagnostischer Test zur Beurteilbarkeit der Extubationsfähigkeit, im prolongierten Weaning hingegen dienen die Spontanatmungsphasen (ggf. über viele Stunden) im Wechsel mit Beatmungsphasen der Rekonditionierung der Atempumpe [118] [119].

Empfehlung E5

Bei vorhandener Weaningbereitschaft soll möglichst frühzeitig ein Spontanatmungsversuch durchgeführt werden.

Mehrere Studien haben die Methodik der Durchführung des Spontanatmungsversuchs untersucht: Im Vergleich zwischen T-Stückversuch und Pressure Support mit niedrigen Drücken (7 cm H20 [8]; 8 cm H20 [120] oder CPAP [121] ergab sich in den zitierten Studien kein Unterschied in Bezug auf erfolgreichen SBT und erfolgreiche Extubation nach SBT. Für einige Patienten stellt bei der Durchführung des Spontanatmungsversuchs die respiratorische Last, die durch den Tubus verursacht wird, ein Problem dar. Eine automatische Tubus-Kompensation (ATC) kann diese Last ausgleichen. In zwei Studien [122] [123] bei Patienten im einfachen Weaning wurde ATC bei der Durchführung eines Spontanatmungsversuchs mit PSV bzw. PSV und T-Stück verglichen. In beiden Studien ergab sich kein Unterschied im Vergleich der untersuchten Methoden.

Für die Beurteilung des Spontanatmungsversuchs sind als Parameter die Atemfrequenz und der Quotient aus Atemfrequenz und Tidalvolumen (Rapid Shallow Breathing Index; RSBI [113]) ausreichend, der am Ende des SBT erhoben werden sollte. Hierbei soll die Atemfrequenz nicht über 35/min liegen und der RSBI nicht über 105/min/L. Scheitert der Spontanatmungsversuch, wird die Beatmung fortgesetzt. Es sollte die Ursache des Scheiterns des SBT analysiert werden, um Probleme, die zu beheben sind, zu erkennen und zu beseitigen. Die Beatmungsstrategien nach Scheitern des Spontanatmungsversuchs werden im Kapitel 5.2 beschrieben. Ein erneuter SBT sollte möglichst täglich durchgeführt werden, um den frühest möglichen Zeitpunkt zur Extubation nicht zu verpassen.

Empfehlung E6

Der RSBI sollte am Ende des SBT zur Beurteilung der muskulären Erschöpfung bestimmt werden .


5.1.6 Messung des Peak Expiratory Flow bei Patienten mit Tubus oder Trachealkanüle

Für Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen ist neben dem erfolgreichen SBT die Fähigkeit, Sekret nach der Extubation abzuhusten, für ein erfolgreiches Weaning von entscheidender Bedeutung. Nach Extubation bzw. Dekanülierung, d. h. bei spontan atmenden Patienten, ist die Messung des Peak Cough Flows (PCF) prädiktiv für das Risiko einer Sekretverlegung der unteren Atemwege – mehrere Arbeiten von J. Bach haben eine Korrelation von einem PCF ≤ 160 l/min und einer schlechten Prognose, v. a. bei Patienten mit ALS berichtet [124], d. h. ein schwacher Hustenstoß ist mit einer schlechten Prognose verbunden.

Bei intubierten bzw. tracheotomierten Patienten kann ein PCF nicht gemessen werden, da die Glottisfunktion für den intrathorakalen Druckaufbau beim Husten fehlt und der Fremdkörper Tubus oder Kanüle einen effektiven Hustenstoß behindert. Hier konnten einige Arbeiten [125] [126] in Analogie zum PCF bei Spontanatmung einen Peak Expiratory Flow (PEF), mit einem Inline-Peakflowmeter am Tubus gemessen, von kleiner 60 l/min bzw. 35 l/min als Prädiktor für ein Scheitern einer Extubation identifizieren. Bei der Durchführung eines entsprechenden intensiven physiotherapeutischen Sekretmanagements in der Postextubationsphase können auch neuromuskuläre Patienten mit niedrigerem PEF erfolgreich extubiert und dann meist auf nichtinvasive Beatmung umgestellt werden.

Empfehlung E7

Der Peak Expiratory Flow soll vor Extubation/Dekanülierung vor allem bei neuromuskulärer Beeinträchtigung gemessen werden. Bei Werten ≤ 60 l/min muss nach Extubation oder Dekanülierung ein intensives nicht-invasives Sekretmanagement durchgeführt werden.


5.1.7 Cuff-Leak-Test

Haben beatmete Patienten einen SBT erfolgreich abgeschlossen, kann nach der Extubation als Komplikation ein Post-Extubations-Stridor auftreten. Zur Beurteilung der Wahrscheinlichkeit dieser Komplikation (laut Literatur Häufigkeit zwischen 2 und 16 % [127]) kann ein Cuff-Leak-Test (Messen der Luftleckage nach Entblocken des Endotrachealtubus) vor der geplanten Extubation [127] [128] durchgeführt werden, um die zu erwartende Obstruktion nach der Extubation abschätzen zu können [127] [128] [129] [130]. Hierbei wird zunächst bei geblocktem Cuff im assistiert kontrollierten Modus das exspiratorische Tidalvolumen bestimmt. Die Messung wird mit entblocktem Cuff wiederholt – erwartet wird ein deutlich niedrigeres exspiratorisches Volumen aufgrund von Leckage. Eine geringe Differenz zwischen den beiden Volumina (Cuff-Leak-Volumen) < 130 ml kann Patienten mit Post-Extubations-Stridor identifizieren [128]. Eine kürzlich durchgeführte Metaanalyse [111] von neun Studien zur Durchführung des Cuff-Leak-Tests zur Beurteilung der oberen Atemwegsobstruktion ergab eine durchschnittliche Sensitivität des Tests von 0,63 und eine Spezifität von 0,86. Patienten mit Obesitas-Hypoventilations-Syndrom und schlafbezogener Atmungsstörung weisen eine vom Schlafstadium und von der Körperlage abhängige dynamische Obstruktion der oberen Atemwege auf. Der Cuff-Leak-Test kann daher besonders bei dieser Personengruppe falsch negativ sein.

Empfehlung E8

Ein Cuff-Leak-Test soll zur Beurteilung der Wahrscheinlichkeit eines Post-Extubations-Stridors vor einer Extubation durchgeführt werden.


5.1.8 Weaningprotokolle

Standardisierte Protokolle zum Weaning von der Beatmung können im Weaningprozess hilfreich sein. Diese Protokolle sind vor allem für das einfache Weaning, d. h. die Planung der Extubation nach kurzzeitiger Beatmung entwickelt worden. Einer der wesentlichen Aspekte ist hierbei die Identifikation des frühest möglichen Zeitpunktes zum Weaning. Hierfür spricht einmal die durch mehrfache Studien belegte Beobachtung, dass ca. 70 – 80 % aller > 24 h beatmeten Patienten schon beim ersten Weaningversuch erfolgreich von der Beatmung entwöhnt werden können [9]. Das impliziert, dass viele dieser Patienten schon früher hätten entwöhnt werden können. Diese Annahme wird unterstützt durch die Beobachtung, dass nur ca. 50 % der Patienten nach einer nicht geplanten Selbstextubation erneut beatmet werden müssen [131].

In mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass eine solche Protokoll-basierte Standardisierung des Weaningprozesses sowohl zu einer Verkürzung der maschinellen Beatmungsdauer als auch zu einer Erhöhung des Anteils erfolgreich entwöhnter Patienten führen kann [132] [133]. Ebenso konnte gezeigt werden, dass bei klinisch als nicht entwöhnbar eingeschätzten Patienten die Verlegung in eine Institution, in der ein Weaningprotokoll befolgt wurde, bei einem Drittel der Patienten zu einem sofortigen, erfolgreichen Weaning von der Beatmung führte [134]. Kritisch muss allerdings angemerkt werden, dass Protokolle in Institutionen, in denen sehr gute Organisationsformen wie z. B. strukturierte Visiten und maximale Personalausstattung umgesetzt sind, keinen weiteren Vorteil brachten [135]. Bei Traumapatienten konnte durch Weaningprotokolle eine Reduktion der Komplikationen maschineller Ventilation wie der nosokomialen Pneumonie beobachtet werden, die mit einer Abnahme der Mortalität assoziiert war [136]. Wichtiger Bestandteil von Weaningprotokollen ist die Wachheit eines Patienten, wenn er einen SBT bestreiten soll. Hier kommt es zu Synergien von Sedierungs- und Weaningprotokollen. Eine Untersuchung hierzu hat gezeigt, dass eine strikte Organisation der Sedierungsstrategie mit täglichem Aufwachversuch vor dem Weaningversuch zu einer Verkürzung der Sedierungsdauer und damit der Dauer der maschinellen Beatmung, dem Aufenthalt auf der Intensivstation und im Krankenhaus führte. Das wichtigste Ergebnis der Studie war aber, dass die strikte Kombination eines Sedierungsprotokolls mit dem Weaningprotokoll zu einer niedrigeren 1-Jahres-Mortalität führte [103]. Auch wenn die genauen Mechanismen dieses Überlebensunterschiedes diskutiert werden, lässt sich hieraus eine klare Empfehlung zur Durchführung des Vorgehens ableiten [100]. Diese Daten belegen auf eindrückliche Weise, wie unterschiedliche Organisationsformen tatsächlich die medizinischen Ergebnisse beeinflussen können.

Empfehlung E9

Bei Patienten der Kategorie 1 und 2 (einfaches und schwieriges Weaning) sollte eine Protokoll-basierte Standardisierung des Weaningprozesses von Beatmung und Analgosedierung etabliert werden. Dazu können einfach gehaltene Weaningprotokolle zur Sedierungstiefe mit Aufwachversuch und Spontanatmungsversuch sowie Extubationskriterien eingesetzt werden.



5.2 Beatmungsformen im Weaning

In der Beatmungsmedizin stehen heutzutage eine Vielzahl verschiedener Beatmungsmodi zur Verfügung, die zum Teil auch im prolongierten Weaning eingesetzt werden. Hierbei lassen sich grundsätzlich kontrollierte und assistierte Beatmungsformen unterscheiden, obschon die Übergänge fließend sind.

5.2.1 Kontrollierte Beatmung

Kontrollierte Beatmung bedeutet, dass die vom Beatmungsgerät kommende Druck- (Pressure Controlled Ventilation; PCV) bzw. Volumenunterstützung (Volume Controlled Ventilation; VCV oder kurz nur Controlled Ventilation; CV) durch die Einstellung am Beatmungsgerät kontrolliert wird und der Patient keinen Einfluss auf diese feste Vorgabe nehmen kann.

Kontrollierte Beatmung führt beim sedierten und oft auch muskelrelaxierten Patienten zu einer Übernahme der gesamten Atemarbeit durch den Ventilator. Ist der Patient nicht relaxiert und nur oberflächlich sediert oder sogar wach, wird auch bei diesen Beatmungsformen nicht zwingend die gesamte Atemarbeit vom Beatmungsgerät übernommen. Insbesondere wenn keine Synchronität zwischen Ventilator und Patient vorliegt, kann dies zu einer erheblichen atemmuskulären Arbeit des Patienten führen. Eine verbesserte Synchronisierung kann durch Implementierung eines inspiratorischen Triggers für den Patienten wie bei assistierten Beatmungsverfahren erreicht werden. Assistiert-kontrollierte Beatmungsmodi (Assist Control Ventilation; ACV oder Assisted Pressure Controlled Ventilation; APCV) können zu einem hohen Grad der atemmuskulären Entlastung führen, insbesondere wenn die Hintergrundfrequenz oberhalb der Atemfrequenz des Patienten liegt und dieser dann formal kontrolliert beatmet wird.

Generell ist eine muskelentlastende Beatmung, die eine Erholung der Atemmuskulatur ermöglicht, vom pathophysiologischen Standpunkt her im prolongierten Weaning zwischen den Spontanatmungsphasen sinnvoll [137]. Allerdings kann eine kontrollierte bzw. vollentlastende Beatmung auch zu strukturellen Schäden der Atemmuskulatur führen [138] [139]. Dieser induzierte Muskelschaden (Ventilator Induced Diaphragmatic Dysfunction; VIDD) wurde zunächst im Tierexperiment nachgewiesen [140], konnte in der Folge aber in der Akutphase von Erkrankungen auch für den Menschen bestätigt werden [141] [144]. Schon eine Beatmungsdauer von 18 – 69 Stunden (mittlere Beatmungsdauer 34 ± 16 Stunden) führt zu einer signifikanten Atrophie der Zwerchfellmuskulatur [141]. Die Kraftabnahme des Zwerchfells und die Atrophie korrelieren mit der Dauer der Beatmung [145] möglicherweise in einer logarithmischen Funktion, bei der die Kraftabnahme in den ersten Beatmungsstunden bzw. Tagen am stärksten ausgeprägt ist [146].

Neben der Dauer der Beatmung scheint der Grad der Entlastung für die Entstehung des Zwerchfellschadens von entscheidender Bedeutung zu sein, wie eine vergleichende Studie zwischen assistierter und kontrollierter Beatmung im Tierexperiment zeigen konnte [147]. In dieser Studie war als Zeichen der Muskelatrophie ein für die Apoptose verantwortliches Gen in der kontrollierten Beatmungsgruppe auf 174 % des Ausgangswertes erhöht. Neben der Muskelatrophie werden als weitere mögliche Ursachen einer VIDD oxidativer Stress, ein Strukturschaden der Muskeln sowie Änderungen des Muskelfaseraufbaus diskutiert [61]. Eine längerfristige vollständige Entlastung führt zu einer Atrophie der Atemmuskulatur [141] und erscheint daher im Weaning nicht sinnvoll. Zur Beurteilung der atemmuskulären Kraft und Ausdauer stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung. Die Messung der maximalen in- und exspiratorischen Drücke sowie der Vitalkapazität am spontan über den künstlichen Atemweg atmenden Patienten erfordern die Kooperation des Patienten und sind prädiktiv für die Dauer bis zum erfolgreichen Weaning [148]. Unter den dynamischen bildgebenden Verfahren wurde die Beurteilung der Zwerchfellbeweglichkeit im M-mode Ultraschall untersucht. Eine im Ultraschall nachgewiesene Minderbeweglichkeit ist dabei kennzeichnend für eine längere Weaningdauer [149]. Ein invasives und sehr aufwendiges Verfahren ist die magnetische Stimulation des Nervus Phrenicus bei gleichzeitiger Messung der Ösophagusdrücke mittels eines Katheters [150]. Diese Untersuchung ist unabhängig von der Mitarbeit des Patienten, jedoch abhängig von der Erfahrung des Untersuchers. Darüber hinaus ist das Verfahren selten verfügbar und nicht bei allen Patienten durchführbar.

Empfehlung E10

Zwischen den Spontanatmungsphasen im Weaning soll die Atemmuskulatur ausreichend entlastet werden, um sich regenerieren zu können.

Empfehlung E11

Eine dauerhafte vollentlastende Beatmung sollte vermieden werden.


5.2.2 Assistierte Beatmungsverfahren

Assistiert bedeutet, dass die Inspiration des Patienten die Beatmungsunterstützung am Ventilator auslöst. Dies wird über den Inspirationstrigger gewährleistet. Je nach Beatmungsform kann der Patient auch das Ende der Atemzugunterstützung durch einen Exspirationstrigger steuern.

5.2.2.1 Druckunterstützte Beatmung (PSV)

Der am häufigsten eingesetzte assistierte Beatmungsmodus ist die druckunterstützte Beatmung (Pressure Support Ventilation; PSV). Hierbei kann der Patient durch In- und Exspirationstrigger den Atemrhythmus selber steuern. Die Höhe der Druckunterstützung während der Inspirationsphase ist konstant und damit unabhängig vom Atemantrieb des Patienten; in der Exspirationsphase reduziert sich der Atemwegsdruck auf Null bzw. auf ein vorgewähltes PEEP-Niveau. PSV verringert die Atemarbeit, den Sauerstoffverbrauch der Atemmuskeln und verhindert die Zwerchfellermüdung [151] [152].


5.2.2.2 Proportional Assist Ventilation (PAV)

Bei dieser assistierten Beatmungsform misst der Respirator als Maß der Atemanstrengung den aktuellen Fluss und berechnet unter Kenntnis von Elastance und Resistance sowie der aktuellen Respiratorleistung die Atemanstrengung (Pmus) des Patienten. Der Grad der Kompensation (Entlastung der Atemarbeit) lässt sich dann in Prozent einstellen. Derzeit gibt es noch keine Studien, die das Weaning-Outcome dieser Beatmungsform mit dem anderer Beatmungsformen vergleichen. Die vorliegenden Daten zeigen eine Reduktion der Atemarbeit bei Weaningpatienten mit zu Grunde liegender COPD [153]. Die Entlastung war jedoch effektiver und der intrinsische PEEP reduzierte sich stärker, wenn PAV mit einem positiven Exspirationsdruck ergänzt wurde. In einer weiteren Studie konnte gezeigt werden, dass bei experimenteller Zunahme der thorakalen und abdominellen Restriktion die Unterstützung mit PAV effektiver ist als unter PSV, da sich PAV proportional zur Atemanstrengung des Patienten verhält [154]. Die Be- bzw. Entlastung unter PAV ist daher insgesamt homogener als unter PSV.

Veränderungen von Resistance und/oder Compliance während der Beatmung, die bei der Einstellung des Gerätes nicht berücksichtigt werden, können zum sogenannten „run-away Phänomen“ führen, einer Über- oder Unterassistenz der Beatmung. Dieses Problem wird bei der neueren PAV + Beatmung (PAV with adjustable gain factors) [155] [156] durch kontinuierliche Messung von Resistance und Compliance umgangen.

Derzeit gibt es keine Studiendaten, die einen Vorteil von PAV bei Patienten im prolongierten Weaning aufzeigen. Eine Empfehlung für den Einsatz von PAV kann deshalb nicht ausgesprochen werden.



5.2.3 Kombinierte Beatmungsverfahren

5.2.3.1 Synchronized Intermittent Mandatory Ventilation (SIMV)

Hier kann der Patient zwischen den zeitgesteuerten Atemzügen zusätzliche Atemzüge triggern. Der schnelle Wechsel von unterstützten und nicht unterstützten Atemzügen während der SIMV kann anscheinend vom Atemzentrum nicht in gleicher Geschwindigkeit beantwortet werden [157]. Das führt dazu, dass die Atemmuskulatur auch während der unterstützten Atemzüge aktiv ist, was zu einer Überlastung und Ermüdung der Atemmuskulatur führt [158].


5.2.3.2 Adaptive Support Ventilation (ASV)

Bei diesem Beatmungsverfahren handelt es sich um eine Kombination von druckkontrollierter SIMV und PSV. Vom Anwender einzugeben sind die gewünschte alveoläre Ventilation (V’A), der PEEP sowie die FiO2. Den Grad der Druckunterstützung sowie die Frequenz der mandatorischen Atemzüge ermittelt das System selber. Das System unterstützt die Spontanatmung und regelt den Support entsprechend um das vorgegebene V’A zu erreichen. Alle zu dieser Beatmungsform publizierten Studien wurden bei Patienten im einfachen Weaning (Gruppe 1) durchgeführt. Von vier randomisierten Studien [159] [160] [161] [162] konnten zwei Studien [159] [160] eine schnellere Extubation unter Verwendung von ASV erzielen. Der Zeitvorteil lag dabei bei vier Stunden [160] bzw. bei weniger als einer Stunde [159], somit bei einem klinisch eher nicht relevanten Zeitraum. Die beiden anderen Studien [161] [162] zeigten lediglich eine Verringerung der erforderlichen Manipulationen an Patient und Beatmungsgerät. Des Weiteren gibt es Hinweise für eine mögliche bessere Entlastung der Atemmuskulatur unter ASV [163].

Insgesamt gibt es keine Daten zur Anwendung im prolongierten Weaning oder aber Vergleichsstudien zu etablierten Weaningansätzen [36] [164], sodass derzeit der Einsatz dieses Verfahrens im prolongierten Weaning nicht empfohlen werden kann.




5.3 Konzepte des Weanings von der Beatmung unter Verwendung der verschiedenen Beatmungsformen

Ziel des Weaningprozesses ist es, die Atemmuskulatur wieder in den Zustand zu versetzen, die Atemlast eigenständig zu bewältigen. Die Verringerung der Last wird hauptsächlich durch die effektive Therapie der Erkrankung/Begleiterkrankungen erreicht, die zum Weaningversagen geführt haben. Die Wiederherstellung der atemmuskulären Kapazität ist der zweite wichtige Bestandteil des Weaningprozesses.

Das Training der Atemmuskulatur bzw. die graduelle Übernahme der Atemarbeit durch den Patienten kann durch kontinuierliche Reduktion der Unterstützung mit Hilfe assistierter Beatmungsformen oder durch intermittierende Spontanatmung (komplette Eigenatmung ohne Unterstützung durch ein Beatmungsgerät) erfolgen [165]. Diese Verfahren lassen sich auch kombinieren (Phasen der kontrollierten Beatmung im Wechsel mit vollständiger Entlastung und Phasen der assistierten Beatmung) und in ein individualisiertes Weaningkonzept einbinden (s. [ Abb. 5 ]).

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Abb. 5 Verschiedene Methoden der Reduktion der Beatmungsunterstützung und Übernahme der Atemarbeit durch den Patienten.

Prinzipiell kann in den Spontanatmungsphasen zusätzlich ein inspiratorisches Muskeltraining durchgeführt werden [166], um die atemmuskuläre Kapazität aufzubauen. Hierzu gibt es mittlerweile eine positive kontrollierte Studie, die aber SIMV als Beatmungsmodus verwendet hat [167].

5.3.1 Graduelle Reduktion der Unterstützung

Die graduelle Reduktion der Unterstützung wird in der Regel im PSV-Modus durchgeführt. Das erforderliche Druckniveau wird nach klinischen Kriterien so titriert, dass sich die Atemfrequenz des Patienten in einem Bereich unterhalb von 25 – 30 Atemzügen pro Minute bewegt. [36] [164] [168]. Im Weiteren wird die inspiratorische Druckunterstützung stufenweise solange reduziert, bis ein Niveau erreicht ist, bei dem der künstliche Atemweg entfernt werden kann (in der Regel < 8 cmH2O) [169]. Gegebenenfalls wird im Anschluss eine nicht-invasive Beatmung erforderlich (siehe Kapitel 5.6). Bei der Beatmung mit PSV ist zu beachten, dass ein zu sensibler Exspirationstrigger die Atemarbeit erhöhen kann. Auf der anderen Seite kann aber bei Patienten mit obstruktiven Atemwegserkrankungen ein zu unsensibel eingestellter Exspirationstrigger zum Aufbau eines intrinsischen PEEP führen, was die Patienten-Ventilator-Synchronität negativ beeinflusst [77] [170]. Der Grad der Atemarbeitsreduktion kann bei identischer Respirator-Einstellung gerätespezifisch erheblich differieren [171].


5.3.2 Automatisierte Anpassung der assistierten Beatmung (Automatisiertes Weaning)

Hierbei sind in einem geschlossenen Regelkreislauf (computerisiertes System [172] [173]) Algorithmen hinterlegt, die darauf abzielen, bestimmte Beatmungsparameter durch Regelung der Druckunterstützung (im PSV-Modus) innerhalb eines Zielkorridors zu halten (Atemfrequenz 12 – 28 Züge/Minute, VT oberhalb von 300 ml bzw. 250 ml bei einem Körpergewicht kleiner 50 kg und PETCO2 kleiner 55 mmHg bzw. 65 mmHg bei COPD-Patienten). In einer Untersuchung an stark vorselektierten Patienten war dieser Beatmungsmodus häufiger in der Lage, die Atmungsparameter des Patienten im Zielkorridor zu halten, als dies unter Standardtherapie mit PSV der Fall war [172]. In einer randomisierten multizentrischen Studie bei Weaningpatienten wurde dieser automatisierte Weaningmodus mit einem standardisierten Weaningprotokoll mit Spontanatmungsphasen verglichen. Es zeigte sich eine Reduktion der Weaningzeit von fünf auf drei Tage und eine Reduktion der gesamten Beatmungszeit von 12 auf 7,5 Tage [173]. Die Patienten gehörten bei Einschluss in die Studie zu den Weaning-Kategorien 1 und 2 (siehe Kapitel 3), insgesamt wurden nur 15 % der gescreenten Patienten in die Studie eingeschlossen [174]. Demgegenüber konnten Rose et al. keine Überlegenheit des Systems gegenüber dem konventionellen Vorgehen eines erfahrenen Weaningzentrums finden [175]. Eine weitere Studie bei Patienten der Kategorie 1 und 2, in der ein automatisiertes System mit einem Weaningprotokoll verglichen wurde, konnte eine Verkürzung der Zeit bis zur Extubation zeigen (4 vs. 5 Tage) [176]. Das System sollte nicht eingesetzt werden, wenn neurologische Erkrankungen die Atmungskontrolle beeinflussen [177], bei stark sedierten Patienten [178], bei starker Agitation des Patienten bzw. bei schwergradiger Neuro- oder Myopathie [177]. Des weiteren scheint es eine höhere Versagerquote bei Patienten mit COPD zu geben [178].


5.3.3 Intermittierende Belastung mittels Diskonnektion von der Beatmung (Spontanatmung) oder Reduktion der Druckunterstützung

Während die Last bei der graduellen Reduktion der Druckunterstützung relativ gleichförmig gehalten wird, bedient man sich beim Weaning mittels Spontanatmung einer zyklischen Belastung, vergleichbar dem Training im Ausdauersport [179].

Anders als im Kapitel 5.1.5 haben diese Phasen der Spontanatmung also nicht das Ziel zu diskriminieren, bei welchen Patienten der künstliche Atemweg entfernt werden kann, sondern sie dienen der Rekonditionierung der Atemmuskulatur. Die Länge der Spontanatmungsphasen geht daher in der Regel weit über die in Kapitel 5.1.5 beschriebenen Zeiträume von 30 bzw. 120 Minuten hinaus [180]. Sind die Spontanatmungsphasen dabei ausreichend lang, können die invasive Beatmung beendet und die künstlichen Atemwege entfernt werden, wenn keine anderweitigen Kontraindikationen vorliegen. Gegebenenfalls wird im Anschluss eine nicht-invasive Beatmung erforderlich (siehe Kapitel 5.6.1). Welche Dauer der Spontanatmungsphase in diesem Zusammenhang im prolongierten Weaning zu fordern ist, wurde bisher nicht systematisch untersucht; publizierte Daten geben Zeiträume von bis zu 18 Stunden an [11]. Diese Spontanatmungsphasen sollten täglich durchgeführt werden.

Wenn die muskuläre Kraft für eine herkömmliche Spontanatmungsphase mit Diskonnektion von der Beatmung nicht ausreicht, kann eine zyklische Belastung auch an der Beatmung, durch deutliche Reduktion der Druckunterstützung durchgeführt werden. Spontanatmungsphasen mit jeweils unterschiedlicher Druckunterstützung führen dabei zu einer wechselnden Belastung der Atemmuskulatur bzw. zu unterschiedlichen Trainingsintensitäten [152] [181]. Hierbei ist zu beachten, dass sowohl Art und Größe des Beatmungszuganges [66] [182] [183] [184] und neben der Wahl der Beatmungseinstellung auch die Charakteristika des Ventilators [185] [186] die Atemarbeit des Patienten beeinflussen. Für Empfehlungen zur Handhabung der Druckunterstützung innerhalb von Spontanatmungsphasen zur Beurteilung der Extubationsfähigkeit sei auf Kapitel 5.1.5 verwiesen.

Wird die Spontanatmung mit inspiratorischer Druckunterstützung durchgeführt [36] [187] [188] [189], so kann dies nur bei geblocktem Cuff erfolgen. Die Entblockung des Cuffs während der Spontanatmung hat jedoch Vorteile, da sie der Sekretelemination dient und spätere Komplikationen der oberen Atemwege möglicherweise reduziert [184] [190] [191]. Erfolgt die Spontanatmung ohne Druckunterstützung vom Ventilator, können verschiedene Tracheostoma-/Tubusaufsätze zum Einsatz kommen, deren inspiratorische und exspiratorische Resistance erheblich differieren können [192] [193], was die Atemarbeit des Patienten wiederum beeinflusst. Aufsätze mit exspiratorischer Resistance (PEP-Ventile oder Sprechventile) dürfen nur bei entblocktem Cuff verwendet werden.

Die Beatmung zwischen den Spontanatmungsphasen hat die Entlastung der Atemmuskulatur zum Ziel.

Welcher Entlastungsgrad in dieser Zeit die beste Wirkung erzielt, ist bisher nicht untersucht worden. Den verschiedenen assistierten Beatmungsformen ist gemeinsam, dass ein relevanter Teil der Atemarbeit trotz der maschinellen Unterstützung vom Patienten geleistet wird. Wie hoch dieser Anteil ist, hängt zum einen vom Grad der maschinellen Unterstützung und dem Atemantrieb, aber auch von der individuellen Atemmechanik (Resistance und Compliance) des Patienten ab [168]. Auch eine zu starke Belastung der Atemmuskulatur kann einen strukturellen Schaden hervorrufen [194].


5.3.4 Vergleich der unterschiedlichen Beatmungsansätze und Weaningkonzepte

Zwei große Studien haben das Weaning-Outcome von PSV gegenüber SIMV (Synchronized Intermittent Mandatory Ventilation) und dem Weaning durch Spontanatmung verglichen [36] [164]. Die Mehrheit der Patienten beider Studien befand sich im prolongierten Weaning. Brochard zeigte dabei eine Reduktion der mittleren Weaningdauer für PSV (5,7 Tage), die gegenüber dem Vorgehen mittels Spontanatmung (8,5 Tage) und SIMV (9,9 Tage) signifikant reduziert war. Esteban dagegen konnte eine verkürzte mittlere Weaningdauer bei täglichen bzw. mehrfachen täglichen Spontanatmungsphasen (3 Tage) gegenüber PSV (4 Tage) und SIMV (5 Tage) nachweisen. Eine weitere Studie, welche die Verfahren PSV und Spontanatmung vergleicht, konnte keine Überlegenheit einer Vorgehensweise feststellen [153]. In dieser Studie wurde aber mittels PSV, also nur teilentlastend zwischen den Spontanatmungsphasen beatmet; es zeigte sich immerhin ein Trend hin zur einer kürzeren Beatmungsdauer in der Spontanatmungsgruppe (130 vs. 181 Stunden). Die unterschiedlichen Ergebnisse der beiden ersten oben genannten Studien sind wahrscheinlich durch die unterschiedliche Anwendung der Weaningmethoden begründet. In der Studie von Brochard wurden in der Spontanatmungsgruppe bis zu drei zweistündige Spontanatmungsphasen durchgeführt, bevor die Extubation durchgeführt wurde. Dies bedeutet eine erhebliche Anforderung an die Atemmuskulatur und hat möglicherweise die Weaningdauer verlängert. In der Studie von Esteban wurden die Patienten dagegen bereits nach dem ersten erfolgreichen zweistündigen Versuch extubiert.

Insgesamt kann PSV als Methode des Weaning angewendet werden. Das Vorgehen mittels Spontanatmung ist jedoch möglicherweise überlegen, wenn die Anzahl der Spontanatmungsphasen anfänglich pro Tag auf ein bis zwei Episoden von maximal zwei Stunden Dauer begrenzt wird, um die Atemmuskulatur vor drohender Erschöpfung zu bewahren. Im weiteren Verlauf des Weaning können diese Zeiten natürlich unter Kontrolle von Klinik und Blutgasen (Hyperkapnie als Hinweis auf Überlastung der Atemmuskulatur) ausgedehnt werden, bis der Transfer auf nichtinvasive Beatmung oder komplette Spontanatmung möglich ist.

Empfehlung E12

Sowohl eine graduelle Reduktion der assistierten Beatmung als auch intermittierende assistierte oder nicht assistierte Spontanatmungsphasen können im Weaning eingesetzt werden. Das letztgenannte Verfahren ist möglicherweise im prolongierten Weaning überlegen.

Empfehlung E13

SIMV soll im prolongierten Weaning nicht zum Einsatz kommen, da es bei diesem Modus zu inakzeptabel hoher Atemarbeit kommen kann.



5.4 Stellenwert eines kontinuierlichen positiven Atemwegsdrucks im Weaning

Die Anwendung eines kontinuierlichen positiven Atemwegsdrucks (Continuous Positive Airway Pressure; CPAP) ist keine mechanische Druckunterstützung und damit keine Beatmungsform im engeren Sinne, spielt jedoch im Weaning eine gewisse Rolle. Der Einsatz von CPAP setzt die Spontanatmung des Patienten voraus und kann sowohl während der SBTs zur Prüfung der Extubationsbereitschaft (Kapitel 5.1.5) als auch während der SBTs zur Rekonditionierung der Atemmuskulatur (Kapitel 5.3.3) eingesetzt werden.

CPAP bei obstruktiver Lungenerkrankung: CPAP erhöht den intrathorakalen Druck und verringert die inspiratorische Atemarbeit durch Verlagerung der Last auf die Exspirationsmuskulatur [195]. Unter Spontanatmung fällt die Atemarbeit mit steigendem CPAP-Niveau [196], gleichzeitig wird die Dyspnoe verringert. Der Einsatz von CPAP ist bei obstruktiven Atemwegserkrankungen ggf. sinnvoll, da CPAP die Mechanik der durch den künstlichen Atemweg ausgeschalteten Lippenbremse ersetzt. Auch die Triggerarbeit nimmt hierdurch deutlich ab [197]. Durch Anwendung von CPAP kann der intrinsische PEEP bei obstruktiven Atemwegserkrankungen verringert werden, hierdurch verlängert sich die SBT-Zeit signifikant [198] [199].

CPAP vor geplanter Extubation: CPAP verringert den Rapid Shallow Breathing Index signifikant bei Patienten vor geplanter Extubation [200]. Trotzdem scheint wie in Kapitel 5.1.5 beschrieben die Druckunterstützung während dieser SBTs keinen Einfluss auf die Versagerquote nach Extubation zu haben [112] [122] [123].

CPAP bei Atelektasen: CPAP wurde bereits sehr früh nach abdominellen chirurgischen Eingriffen eingesetzt [201]. Durch die CPAP-Therapie wird in dieser Phase das Risiko für Atelektasen und Pneumonien signifikant reduziert und damit die Re-Intubationsrate gesenkt [202].

CPAP bei Herzinsuffizienz: CPAP hat positive Auswirkungen auf die Vor- und Nachlast des linken Ventrikels, sodass insbesondere bei schwerer Linksherzinsuffizienz die Spontanatmung nur mit CPAP möglich sein kann [68]. Generell ist der Einsatz von CPAP während der SBTs zur Rekonditionierung der Atemmuskulatur (Kapitel 5.3.3) möglich, publizierte Studien geben hierbei einen Druckbereich von bis zu 5 cmH2O an [36]. Wie bereits im Kapitel 5.3.3 beschrieben, hat die Entblockung des Tubus-/Tracheostoma-Cuffs während der Spontanatmungsphase [184] [190] [191] im prolongierten Weaning mehrere Vorteile. Das schließt eine Anwendung von CPAP während dieser Zeit aus.


5.5 Der Beatmungszugang

Die invasive Beatmung mit Trachealtubus bzw. Trachealkanüle und die nicht-invasive Beatmung mit verschiedenen Masken haben ihre eigenen Indikationsbereiche und weisen spezifische Vor- und Nachteile auf (siehe [Tab. 7]).

Tab. 7

Vor- und Nachteile invasiver und nicht-invasiver Atemwegszugänge (modifiziert nach [19]).

Translaryngealer Endotrachealtubus

Tracheotomie

Nicht-invasiver Atemwegszugang (nach [19])

Vorteile

reduzierte Aspirationsrate, keine Leckage,

Absaugen und Bronchialtoilette möglich,

einfaches und umfassendes Monitoring möglich,

Offenhalten der Atemwege,

Druckkonstanz,

hohe Beatmungsdrucke möglich,

keine Spontanatmung/Schutzreflexe erforderlich

wie bei „Endotrachealtubus“ plus:

Reduktion von Totraum, Atemwegswiderstand und Atemarbeit,

besserer Patientenkomfort,

geringere/keine Sedierung,

erhaltene Glottisfunktion mit geringerem Risiko zur Aspiration,

Verlegung von Intensivstation auf spezialisierte Stationen möglich [215]

keine Verletzung der Atemwege,

kein oder nur geringer Sedierungsbedarf,

intermittierender Einsatz möglich,

erhaltene Kommunikation,

erhaltene Hustenclearance,

orale Nahrungsaufnahme

Nachteile

Gefahr der Entwicklung Tubus-assoziierter Infektionen,

reduzierte Sekret- und Hustenclearance,

häufig tiefere Sedierung notwendig,

erhöhte resistive Atemarbeit bei Spontanatmung [203] [204] [205],

Sekretablagerung [206],

Verletzung der oberen Atemwege und des Sprechapparats [207] [208],

ungeplante Extubation [26] [27] [209] [210],

lokale Komplikationen (z. B. Larynx) [211] [212],

Tubusfehllage,

keine orale Nahrungsaufnahme,

Sinusitis bei nasalem Tubus [213],

Narbenbildung, Langzeitkomplikationen [214]

Frühkomplikationen:

lokale Wundinfektionen,

reduzierte Hustenclearance (weniger ausgeprägt als bei Endotrachealtubus),

Kommunikationsprobleme,

Komplikationen infolge invasiven Eingriffs,

Spätkomplikationen:

tracheale Narbenstrikturen bzw. Granulationsgewebe

Leckage mit Verlust des PEEP,

Aspirationsrisiko,

eingeschränktes Monitoring des applizierten Atemzugvolumens,

unzureichende Effektivität bei geringer Compliance,

lokale Komplikation (z. B. Druckstellen, Konjunktivitis, Aerophagie)

5.5.1 Invasiver Beatmungszugang

5.5.1.1 Endotrachealtubus

Endotrachealtuben werden fast immer als primärer invasiver Beatmungszugang verwendet. Im prolongierten Weaning weisen sie aber im Vergleich zu Trachealkanülen und nicht-invasiver Beatmung Nachteile auf (siehe [Tab. 7]). Eine Entblockung des Tubus während der Phasen der Spontanatmung kann in Analogie zur Situation bei Trachealkanülen zu einer weiteren Senkung der Atemarbeit führen [216], ist aber wegen des fehlenden Aspirationsschutzes nicht unproblematisch. Zusätzlich führt die Entblockung des Tubus zur Reduktion des extrinsischen PEEP und verbietet sich damit bei Krankheitsbildern mit einer Indikation zur kontinuierlichen PEEP-Anwendung (z. B. alveolärer Kollaps, Atelektasen). Auch der Tubusaufsatz kann einen extrinsischen PEEP verursachen.

Oropharyngeales Sekret kann sich, insbesondere bei gleichzeitig vorliegender Schluckstörung, subglottisch oberhalb des Cuffs ansammeln und von dort aus in die tiefen Atemwege gelangen. Einige Endotrachealtuben und Trachealkanülen bieten die Möglichkeit einer subglottischen Sekretabsaugung. Die Datenlage zur Prävention Tubus-assoziierter Pneumonien durch subglottische Absaugung ist jedoch widersprüchlich. Eine Metaanalyse [217] beschreibt die subglottische Sekretdrainage als effektiv bei einer geschätzten Beatmungsdauer > 72 Stunden. Die subglottische Sekretdrainage ist jedoch nicht bei allen Tubusarten gleich effektiv [218]. Da die Patienten in den eingeschlossenen Studien im Mittel nur zwischen 5 – 11 Tagen beatmet wurden, sind die hier gewonnenen Erkenntnisse nicht ohne Weiteres auf das in der Leitlinie behandelte prolongierte Weaning übertragbar.

Empfehlung E14

Zur Reduktion der tubusbedingten Atemarbeit sollte bei prolongierter Beatmung ein möglichst großlumiger Tubus verwendet werden.

Empfehlung E15

Während der Spontanatmungsphasen ist der Tubus zu entblocken, sofern nicht eine offensichtliche Aspirationsneigung vorliegt.

Da der Wert anderer präventiver Maßnahmen zur Senkung der Inzidenz der Tubus-assoziierten Pneumonie (z. B. supraglottische Dekontamination und antiseptisch imprägnierte Tuben zur Reduktion der Biofilmformation im Tubus [219 – 230]) in der Situation des prolongierten Weanings nicht allgemeingültig belegt ist, werden hierzu keine Empfehlungen ausgesprochen.


5.5.1.2 Tracheotomie

Um die mit invasiver Langzeitbeatmung verbundenen Komplikationen möglichst zu vermeiden oder zumindest gering zu halten, sollte bei weiter bestehender Indikation zur invasiven Beatmung und fehlender NIV-Option (siehe Kapitel 5.6.1) eine Tracheotomie durchgeführt (Dilatationstracheotomie bzw. chirurgische Anlage) und auf eine Trachealkanüle als Beatmungszugang umgestellt werden. Allerdings besteht zu Indikation, Zeitpunkt und Technik der Tracheotomie zurzeit noch kein allgemein verbindlicher Konsens.

Im klinischen Alltag kommen bei der Tracheotomie im Wesentlichen zwei Techniken zur Anwendung: die chirurgische Tracheotomie und die perkutane Dilatationstracheotomie (PDT) [231] [232] [233]. Gegenüber älteren vergleichenden Komplikationsanalysen zwischen offener chirurgischer und perkutaner dilatativer Tracheotomie werden in neueren Untersuchungen für die PDT insgesamt weniger Komplikationen beschrieben [234] [235] [236]. Im Vergleich zeigte die PDT weniger Wundinfektionen und Blutungskomplikationen sowie eine geringere Narbenbildung. Vorteile bestanden auch in der kürzeren Operationszeit und den geringeren Kosten. Bei den chirurgischen Tracheotomien fanden sich weniger Probleme bei der De-/Rekanülierung sowie weniger Kanülenobstruktionen.

Die Vor- und Nachteile der Tracheotomie gegenüber dem orotrachealen und dem nicht-invasiven Atemwegszugang sind in [Tab. 7] aufgeführt. Als Beatmungszugang ist die Trachealkanüle (via Tracheotomie) unter Sicherheitsaspekten dem translaryngealen Endotrachealtubus überlegen; allerdings sind in der ersten Woche nach Anlage des Tracheostomas Dislokationen unbedingt zu vermeiden, da es beim Versuch der Rekanülierung insbesondere nach Dilatationstracheotomie zu Kanülenfehllagen mit lebensbedrohlichen Konsequenzen kommen kann.

5.5.1.2.1 Perkutane Dilatationstracheotomie (PDT)

Mittlerweile haben sich die minimalinvasiven Techniken gegenüber dem chirurgisch angelegten Tracheostoma durchgesetzt [234]. Für die einzelnen Techniken wird auf die jeweils entsprechende Literatur verwiesen [237] [238] [239] [240] [241]. Eindeutige Hinweise für die Überlegenheit einer bestimmten Methode existieren nicht. Aufgrund der hohen Schrumpfungstendenz schließt sich das in minimalinvasiver Technik angelegte Tracheostoma nach Entfernung der Trachealkanüle häufig binnen kurzer Zeit spontan, was in den meisten Fällen erwünscht ist. Bei Unsicherheit über den Erfolg einer Dekanülierung, zur Unterstützung des Sekretmanagements oder zur Erzielung einer effektiven nicht-invasiven Ventilation kann ein Platzhalter in das Tracheostoma eingelegt werden, um dessen vorzeitigen Verschluss zu verhindern (siehe 5.5.4).

Das Punktionstracheostoma kann, insbesondere wenn es lange besteht, durchaus stabil sein und dann auch als langfristiger Beatmungszugang in der außerklinischen Beatmung verwandt werden. Trotz der offensichtlichen Vorteile der Tracheotomie entwickeln ca. 40 % aller über Trachealkanüle beatmeten Patienten auch ohne zugrundeliegende neurologische Erkrankung Schluckstörungen, die ihrerseits die Beatmungszeit bzw. den Dekanülierungsprozess und somit auch den Weaningprozess verlängern [242].

Empfehlung E16

Die Punktionstracheotomie ist aufgrund der Schrumpfungstendenz vor allem dort indiziert, wo die definitive Respiratorentwöhnung in Aussicht steht.


5.5.1.2.2 Chirurgische Tracheotomie

Prinzipiell besteht beim chirurgischen Vorgehen die Alternative zwischen nichtplastischer Tracheotomie und dem plastischen, epithelialisierten Tracheostoma [243] [244]. Bei der chirurgischen Tracheotomie sollte wegen des höheren Risikos der Entwicklung einer Stenose auf nichtepithelialisierte Tracheostomata verzichtet werden. Stattdessen sollte ein primär epithelialisiertes Tracheostoma (z. B. Björkscher Lappen oder Vertikalinzision mit Einnaht in den Hautschnittrand) angelegt werden.

Empfehlung E17

Für die dauerhafte außerklinische Beatmung soll ein stabiles Tracheostoma vorhanden sein.


5.5.1.2.3 Zeitpunkt der Anlage eines Tracheostomas

Es war lange klinische Praxis, Patienten mit prolongierter Beatmung erst nach einer Beatmungsdauer von etwa 10 – 14 Tagen oder sogar noch später zu tracheotomieren [245]. Vor allem mit der zunehmenden Verbreitung der Punktionstracheotomie hat sich der Zeitraum zwischen Intubation und Tracheotomie verkürzt [246] [247] [248] [249] [250]. Indirekt ergibt sich aus der Literatur, dass ein Patient spätestens nach 14 – 21 Tagen invasiver Beatmung tracheotomiert werden sollte [251] [252], da ein noch späterer Zeitpunkt mit einer erhöhten Mortalitätsrate assoziiert ist.

Der Begriff „frühe Tracheotomie bzw. Frühtracheotomie“ ist nicht eindeutig definiert – in der Literatur finden sich Zeiträume zwischen < 48 Stunden [251] bis zu Tag 10 nach Beginn der maschinellen Beatmung [253]. In dieser Leitlinie definiert sich die Frühtracheotomie über den Zeitraum der Durchführung an Tag 4 bis 7 nach Intubation. In den nachfolgend erwähnten Studien wurde die Frühtracheotomie innerhalb der ersten sieben Beatmungstage nach Intubation durchgeführt.

Die Studien zum Outcome (d. h. Mortalität, Beatmungsdauer, Häufigkeit von Pneumonien) nach Frühtracheotomie führen zu heterogenen Resultaten [251] [254] [255]. Es ergibt sich auch kein eindeutiger Zeitpunkt für die Frühtracheotomie. Von den drei vorliegenden Metaanalysen [256] [257] [258] konnte nur die erste eine signifikant kürzere Beatmungsdauer und einen kürzeren Aufenthalt auf der Intensivstation belegen. Keine Studie konnte für die Frühtracheotomie einen Vorteil hinsichtlich Pneumonierate und Mortalität nachweisen. Eine aktuelle Studie für die Frühtracheotomie ergab zwar tendenzielle Vorteile, eindeutig signifikante Unterschiede in der Pneumonieprävention, der Verkürzung der Beatmungsdauer, der Dauer des Aufenthalts auf der Intensivstation und der Mortalitätsrate zeigten sich jedoch nicht [259].

Wird bei hoher Wahrscheinlichkeit für ein prolongiertes Weaning eine frühzeitige Tracheotomie erwogen, sollte nach 4 – 7 Tagen invasiver Beatmung kritisch geprüft werden, ob alternativ hierzu eine Extubation mit anschließender NIV möglich ist (siehe Algorithmus in [ Abb. 6 ]).

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Abb. 6 Algorithmus für die Tracheotomie.
Empfehlung E18

Bei intubierten Patienten mit vorhersehbarem prolongierten Weaning sollte nach 4 – 7 Tagen invasiver Beatmung nur dann eine frühzeitige Tracheotomie erwogen werden, wenn keine Option für eine frühzeitige Extubation mit anschließender NIV besteht.




5.5.2 Kanülenmanagement

Nach der Anlage eines Dilatationstracheostomas sollte wegen der initialen Instabilität des Zugangs und möglicher Blutungskomplikationen nicht vor dem 5. postoperativen Tag ein Wechsel oder eine Entfernung der Trachealkanüle erfolgen. Bei einer ungewollten Trachealkanülendislokation vor diesem Zeitraum sollte im Notfall der orotracheale Atemwegszugang bevorzugt werden und, wenn notwendig, eine Blutungstamponade der Tracheotomieöffnung erfolgen.

Sekretablagerungen an der Innenwand der Trachealkanüle sind nicht sicher vorhersagbar [205] und führen während der Spontanatmung zur Erhöhung des Atemwegswiderstandes und damit der Atemarbeit. Die Kanüle muss daher fortlaufend visuell kontrolliert und entweder gereinigt oder ausgewechselt werden. Gegebenenfalls kann eine Trachealkanüle mit einer leicht zu reinigenden Innenseele eingesetzt werden, wobei die potenzielle Erhöhung der Atemarbeit durch das geringere Innenlumen zu berücksichtigen ist.

Im Weaning werden häufig zur Verbesserung der Kommunikation und damit der psychischen Gesamtsituation Sprechkanülen verwendet, von denen jedoch nicht alle mit einer subglottischen Sekretabsaugung ausgestattet sind.

Sofern kein Aspirationsrisiko besteht, sollte die Trachealkanüle während der Spontanatmungsphasen entblockt werden, um die Atemarbeit abzusenken [216]. Außerdem erleichtert eine entblockte Trachealkanüle die aus psychologischen Gründen wichtige verbale Kommunikation im Weaningprozess.

Der Hustenstoß und damit die bronchiale Sekretclearance können durch Entblockung des Trachealkanülencuffs verbessert werden. Erlaubt es die klinische Situation des Patienten, die Trachealkanüle während der Spontanatmungsphasen zu entfernen, kann hierdurch die Effektivität des Hustenstoßes bei gleichzeitiger Abdichtung des Tracheostomas im Vergleich zur entblockten Trachealkanüle weiter gesteigert werden.


5.5.3 Dekanülierung

Für eine definitive Dekanülierung sind folgende Voraussetzungen notwendig:

  • klinische Stabilität

  • ausreichende Spontanatmungskapazität bzw. Fähigkeit zur NIV

  • Fehlen einer ausgeprägten Schluckstörung/Aspirationsneigung

  • ausreichender Hustenstoß, alternativ nicht-invasives Sekretmanagement

  • Kooperation des Patienten (z. B. kein Delir)

  • Ausschluss Obstruktion im Bereich Glottis/Kehlkopf/Trachea

  • ggf. positiver Cuff-Leak-Test (vgl. Kapitel 5.1.7)

Zur Technik der Dekanülierung und des Übergangs zu Spontanatmung bzw. nachfolgender nicht-invasiver Beatmung besteht keine Einigkeit. Ohne dass sich hieraus allgemeingültige Empfehlungen ableiten lassen, werden nach einer Umfrage – neben dem spontanen Schrumpfen des Tracheostomas nach Entfernung der Kanüle – Platzhalter bzw. Einsetzen einer Trachealkanüle mit jeweils geringerem Durchmesser angewandt [260].


5.5.4 Verwendung von Platzhaltern

Bestehen Bedenken, einen vom Respirator entwöhnten Patienten zu dekanülieren oder weist er eine ventilatorische Insuffizienz mit vorübergehender oder bleibender Indikation zur NIV auf (siehe Kapitel 5.6.1), dann besteht die Option, das Tracheostoma mit Hilfe eines Platzhalters [184] [261], eines Buttons oder sehr dünnkalibriger Trachealkanülen (siehe auch „Minitracheotomie“; Kapitel 5.7.6.2) noch einige Tage während der Spontanatmung offenzuhalten. Der Tracheostomakanal ist damit im Fall einer erneuten Indikation zur invasiven Beatmung zur Rekanülierung nutzbar. Nach Anlage eines Verschlussdevices ist zur frühzeitigen Erkennung von Komplikationen (d. h. Stenose, Malazie, Ödem, Vorwölbung des Devices in die Trachea) eine endoskopische Lagekontrolle unabdingbar.

Unabhängig von der verwandten Technik der Dekanülierung können sich nach Verschluss des Tracheostomas der Widerstand der oberen Atemwege und die Atemarbeit in Abhängigkeit von den anatomischen Verhältnissen sowohl verringern als auch erhöhen. Gerade lokale Komplikationen an der Tracheostomaöffnung (z. B. rupturierte Knorpelspangen oder Granulationsgewebe), aber auch Ödeme im Larynxbereich können zum Misserfolg der Dekanülierung führen [184].

Empfehlung E19

Bei Unsicherheit über den Erfolg der Dekanülierung sollten Platzhalter verwendet werden, um auch noch nach Tagen eine Rekanülierung des Tracheostomas zu ermöglichen.


5.5.5 Verschluss des Tracheostomas

5.5.5.1 Spontaner Verschluss

Ist eine suffiziente Spontanatmung (bzw. nicht-invasive Beatmung bei persistierender ventilatorischer Insuffizienz) beim tracheotomierten Patienten nach erfolgreicher Respiratorentwöhnung gesichert, werden die Trachealkanüle bzw. der Platzhalter entfernt. Die perkutanen Dilatationstracheostomata verschließen sich binnen kurzer Zeit (meistens ohne weiteren Interventionsbedarf) komplett. Die chirurgisch angelegten, primär epithelialisierten Stomata bedürfen nicht selten eines plastischen Verschlusses.


5.5.5.2 Chirurgischer Verschluss/plastische Deckung

Schrumpft das Tracheostoma nicht binnen 14 Tagen nach Entfernung der Kanüle, ist eine bronchoskopische Untersuchung von Larynx und Trachea erforderlich, um eine subglottische Stenose als Ursache des verzögerten oder fehlenden Tracheostoma-Verschlusses auszuschließen. Nach einem Zeitraum von ca. 21 Tagen ist der Verschluss durch einen plastisch-chirurgischen Eingriff zu erwägen, falls es durch unzureichende Schrumpfung des Tracheostomas zu ineffektivem Husten und gestörter Sprachbildung kommt. Bei Patienten mit persistierender ventilatorischer Insuffizienz und Indikation zur Fortführung einer NIV im außerklinischen Bereich sollte ein früherer Verschluss in Betracht gezogen werden, sofern kein erhöhtes OP-Risiko dagegen spricht. Ob nach dem Verschluss des Tracheostomas eine mehrtägige NIV-Pause eingelegt wird, um Komplikationen wie z. B. Nahtdehiszenz, Mediastinal- oder Hautemphysem zu verhindern, ist abhängig vom klinischen Zustand und von der ventilatorischen Situation und damit eine individuelle Entscheidung. Ein Algorithmus für die definitive Dekanülierung ist in [ Abb. 7 ] dargestellt.

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Abb. 7 Algorithmus für die definitive Dekanülierung.
Empfehlung E20

Kommt es nach Kanülenentfernung innerhalb von drei Wochen nicht zu einer Schrumpfung des Tracheostomas, kann nach Ausschluss zugrundeliegender Komplikationen der plastisch-chirurgische Verschluss erwogen werden.



5.5.6 Komplikationen nach Dekanülierung

Die Entwicklung einer Trachealstenose nach Langzeitintubation oder Tracheotomie ist eine Komplikation, die mit einer Häufigkeit von ca. 10 % relevanter Stenosen ( > 20 % Lumeneinengung) zu erwarten ist [251]. Dabei kann es sich um fixierte Narbenstenosen, aber auch um tracheale Instabilitäten im Sinne einer Tracheomalazie handeln. Endoskopisch findet man häufig auch sogenannte komplexe Stenosen. Diese Stenosierungen sind nicht selten Ursache für ein Weaningversagen bzw. die Notwendigkeit einer Rekanülierung. Zusätzlich können vorbestehende, klinisch bisher asymptomatische Stenosen der Trachea, z. B. infolge intrathorakaler Struma, im Weaningprozess zum eigenständigen Problem werden.

Bei kooperativen Patienten kann die Durchführung einer Spirometrie (ggf. Taschenspirometrie am Bett) zur Evaluation einer Stenose und zur Verlaufskontrolle hilfreich sein. Nach Dekanülierung eines zuvor langzeitbeatmeten Patienten sollte eine Bronchoskopie durchgeführt werden, um eine asymptomatische Trachealstenose frühzeitig zu erkennen. Besteht nach Kanülenentfernung mit Abkleben des Tracheostomas der klinische Verdacht auf eine Trachealstenose, z. B. bei Stridor, muss vor der Entlassung eine Bronchoskopie durchgeführt werden. Hiermit kann zuverlässig das Ausmaß der Stenosierung erfasst und ggf. die Indikation zu einer interventionellen Maßnahme gestellt werden.

Empfehlung 21

Nach Dekanülierung eines zuvor langzeitbeatmeten Patienten muss bei klinischem Verdacht auf das Vorliegen einer Trachealstenose eine Bronchoskopie erfolgen.



5.6 NIV bei schwierigem Weaning vom Respirator und in der Postextubationsphase

Bei dem Thema „NIV bei schwierigem Weaning vom Respirator und in der Postextubationsphase“ sei auf die entsprechenden Abschnitte der S3-Leitlinie „NIV bei akuter respiratorischer Insuffizienz“ verwiesen [19]. Einschränkend bleibt allerdings festzustellen, dass sich diese Leitlinie auf den Einsatz von NIV nach ein- bis mehrtägiger invasiver Beatmung (d. h. der „Gruppe 2“ entsprechend der Definition der internationalen Konsensuskonferenz, [9]) bezieht. Allerdings lassen sich die Empfehlungen aufgrund der klinischen Erfahrung im Wesentlichen im Analogieschluss auf die Situation des prolongierten Weaning übertragen. Da keine höherwertigen wissenschaftlichen Studien zum Stellenwert von NIV im prolongierten Weaningprozess existieren, basieren die hierzu ausgesprochenen Empfehlungen auf der klinischen Erfahrung der Experten.

5.6.1 Kriterien zu der „NIV-Fähigkeit“ im Weaningprozess

Um im Sinne einer Weaning-Prädiktion die Fähigkeit beatmeter Patienten zur suffizienten Spontanatmung nach Extubation abzuschätzen, werden üblicherweise neben der klinischen Beurteilung die „klassischen“ Extubationskriterien [113] verwendet (siehe [Tab. 5]).

Diese herkömmlichen Weaning-Prädiktoren sind beim Einsatz von NIV im Anschluss an invasive Beatmung allenfalls orientierend brauchbar, weil hierbei die maschinelle Beatmung infolge anhaltender respiratorischer Insuffizienz fortgesetzt werden muss und sich lediglich der Beatmungszugang ändert. Eine weitere wichtige klinische Voraussetzung für die „NIV-Fähigkeit“ im Anschluss an eine invasive Beatmung ist die Kooperationsfähigkeit eines Patienten.

Wird erwogen, unmittelbar nach Extubation die Beatmung in Form von NIV fortzusetzen, ist zuvor kritisch zu prüfen, ob hierfür die wesentlichen Voraussetzungen gegeben sind. Die absoluten Kontraindikationen für den Einsatz von NIV ([Tab. 8]) sind zu beachten.

Tab. 8

Absolute Kontraindikationen für den Einsatz von NIV.

  • fehlende Spontanatmung, Schnappatmung

  • fixierte oder funktionelle Verlegung der Atemwege

  • gastrointestinale Blutung oder Ileus

5.6.1.1 Hyperkapnische akute respiratorische Insuffizienz (ARI)

Ist die NIV-Fähigkeit eines Patienten nach invasiver Langzeitbeatmung gegeben, sollten Patienten mit hyperkapnischer ARI (z. B. nach Exazerbation einer schwergradigen COPD) extubiert und auf NIV umgestellt werden. Allerdings sollte aufgrund der klinischen Situation absehbar sein, dass keine Indikation zu einer längerdauernden kontinuierlichen Respiratorpflichtigkeit besteht. Eine hohe NIV-Abhängigkeit würde zu einer deutlichen Beeinträchtigung der Lebensqualität führen.

Ansonsten verbessert NIV nach invasiver Beatmung die Weaning-Erfolgsrate, senkt die Letalitätsrate und Re-Intubations-, Tracheotomie- und Komplikationsrate [30] [262] [263] [264]. NIV wurde auch im schwierigen Weaningprozess bei Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen [265] [266] und Zwerchfellparese erfolgreich eingesetzt [267].

Empfehlung E22

Ist eine NIV-Fähigkeit auch im Rahmen der invasiven Langzeitbeatmung gegeben, sollten Patienten mit hyperkapnischer ARI extubiert bzw. dekanüliert und auf NIV umgestellt werden, wenn aufgrund der klinischen Situation absehbar ist, dass keine längerdauernde kontinuierliche Respiratorpflichtigkeit besteht.


5.6.1.2 Hypoxämische akute respiratorische Insuffizienz (ARI)

Analog zu den Empfehlungen zu NIV bei akuter respiratorischer Insuffizienz [19] kann NIV im prolongierten Weaning bei Patienten mit hypoxämischer akuter respiratorischer Insuffizienz nicht generell empfohlen werden.


5.6.1.3 NIV bei persistierender chronisch ventilatorischer Insuffizienz (CVI) nach Weaning

Bei Patienten mit fortbestehender chronisch ventilatorischer Insuffizienz, d. h. weiterhin nachweisbarer Hyperkapnie während der kontinuierlichen Spontanatmung, ist auch nach formell erfolgreich abgeschlossenem Weaning zu prüfen, ob eine außerklinische Beatmung indiziert ist. Entsprechend der im 3. Kapitel eingeführten Definitionen handelt es sich hierbei um die Patientengruppe „3b“. Auch wenn die Datenlage hierzu bisher auf Observationsstudien beruht, werden bis zu 30 % der entwöhnten Patienten im weiteren Verlauf effektiv mit NIV in häuslicher Umgebung versorgt [11] [268]. Im Wesentlichen gelten für die Krankheitsgruppen, die von außerklinischer Beatmung nach Weaning profitieren, die in der S2-Leitlinie „Invasive und nichtinvasive außerklinische Beatmung bei chronischer respiratorischer Insuffizienz“ [15] genannten Indikationen COPD, Obesitas-Hypoventilations-Syndrom, thorakal-restriktive Erkrankungen und neuromuskuläre Erkrankungen mit symptomatischer Hyperkapnie.

Empfehlung E23

Bei fortbestehender CVI nach Extubation/Dekanülierung profitieren Patienten auch nach formell erfolgreich abgeschlossenem Weaning von außerklinischer Beatmung.




5.7 Adjunktive Maßnahmen

Neben Beatmungstechniken und Umgang mit verschiedenen Interfaces (Masken, Trachealkanülen, etc.) ist beim schwierigen bzw. prolongierten Weaning eine rehabilitative Strategie mit einer Reihe von adjunktiven Maßnahmen von zentraler Bedeutung [269]. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit werden im Folgenden wichtige adjunktive Therapiemaßnahmen tabellarisch ([Tab. 9]) erläutert. Einige pathophysiologische und therapeutische Betrachtungen speziell zum Thema „hoher Atemantrieb“ finden sich zusätzlich im Text (5.7.1).

Tab. 9

Adjunktive Maßnahmen.

Aspekt

Therapeutische Maßnahme

Ziel

Pleuraergüsse/Überwässerung

Drainage

ggf. pharmakotherapeutische Maßnahmen z. B. Diuretikatherapie

Verbesserung der Atemmechanik und des Gasaustausches

hoher Atemantrieb

(siehe auch 5.7.1)

Sauerstoffgabe bei Gasaustauschstörung (z. B. Lungenemphysem)

Reduktion des inadäquat erhöhten Atemantriebes und des Atemminutenvolumens

Körperposition

Lagerung in atmungserleichternder Körperposition, z. B. Erhöhung des Oberkörpers

Reduktion der Atemarbeit

Entlastung des Zwerchfells besonders bei Adipositas permagna,

neuromuskulären Erkrankungen

und Thorakorestriktion

Malnutrition bzw. Katabolismus

Gabe einer kalorienreichen Ernährung mit relativ geringem Kohlehydrat-Anteil (35 – 40 %)

Verhinderung übermäßiger CO2-Produktion

Delirium und Angstzustände

Gabe von Antipsychotika und Anxiolytika (z. B. Clonidin, Haloperidol und Benzodiazepine)

Einhalten des Tag-Nacht-Rhythmus

Entspannungstechniken

Normalisierung der vegetativen und neurophysiologischen Funktion

Immobilität und muskuläre Dekonditionierung

Physiotherapeutische Maßnahmen

Atemmuskeltraining

Mobilisation und

Rekonditionierung der atrophierten Muskulatur

unzureichender Hustenstoß

Perkussion

Vibration und Oszillation

autogene Drainage

Lagerungsdrainage

technische Hilfsmittel für forciertes Husten: z. B.

  • mechanische Hustenassistenz

  • manuell assistiertes Husten (Thoraxkompression)

  • Minitracheotomie

verbesserte Sekretclearance

5.7.1 Reduktion des Atemantriebs

Wenn ein erhöhter Atemantrieb bei prolongierter mechanischer Beatmung zur Zunahme der Atemarbeit führt, besteht das therapeutische Ziel in der Reduktion des Atemantriebes. Wenn möglich, sind kausale Ursachen (wie z. B. Schmerzen), die zur Erhöhung des Atemantriebs führen, effektiv zu behandeln. Bei Oxygenierungsstörungen z. B. infolge COPD/Emphysem werden der Atemantrieb bzw. das Atemminutenvolmen durch Zufuhr von Sauerstoff reduziert, was letztlich zur erwünschten Abnahme der Atemarbeit führt. Im begründeten Einzelfall lässt sich der gesteigerte Atemantrieb durch Gabe von Opiaten unter engmaschigem Monitoring der Ventilation bzw. Blutgase dämpfen. Ein konsekutiver Anstieg des PCO2 im Sinne einer milden „permissiven Hyperkapnie“ (bei gleichzeitiger metabolischer Kompensation der Azidose durch Retention von Bikarbonat) kann unter diesen Umständen akzeptiert werden.


5.7.2 Transfusion und Weaning (Transfusionstrigger)

Patienten im prolongierten Weaning haben häufig Hämoglobinwerte unterhalb des Normbereichs. Ob eine Anhebung des Hämoglobinwertes durch Transfusion von Erythrozytenkonzentraten das Weaning günstig beeinflussen kann, wurde in der Leitlinie kontrovers diskutiert. Erschwert wurde diese Diskussion durch die Tatsache, dass es keine Studien gibt, die ausschließlich bei Patienten im prolongierten Weaning durchgeführt wurden. Da in dieser Frage kein Konsens in der Leitlinienkonferenz erzielt werden konnte, werden im Folgenden die Argumente und Konzepte beider Standpunkte (d. h. „Konservative Transfusionsstrategie“ und „Liberale Transfusionsstrategie“) dargestellt. Vor diesem Hintergrund erklärt sich die besondere Ausführlichkeit des Textes. Möglicherweise werden beim nächsten Update der Leitlinie mehr Daten vorliegen, sodass die Aussage dann präzisiert werden kann.

5.7.2.1 Konservative Transfusionsstrategie

Nationale und internationale Leitlinien empfehlen ein äußerst konservatives Vorgehen bei der Indikationsstellung zur Transfusion von Erythrozytenkonzentraten (EK).

„Die Gabe von EK ist angezeigt, wenn Patienten ohne Transfusion durch eine anämische Hypoxie aller Voraussicht nach einen gesundheitlichen Schaden erleiden würden und eine andere, zumindest gleichwertige Therapie nicht möglich ist“ [270].

Dieser zurückhaltende Umgang mit Bluttransfusionen ist gut begründet, da in einer Vielzahl von Studien die Komplikationen aufgezeigt wurden, die aus der Gabe von EK resultieren können. In einer prospektiven randomisierten Studie an 838 Patienten konnte gezeigt werden, dass eine liberale Transfusionsstrategie die Letalität bei Intensivpatienten erhöht [271] und auch bei beatmeten Patienten zu keiner Verbesserung des Outcomes führt [272]. Die Gabe von allogenen Erythrozytenkonzentraten hat negative Auswirkungen auf das Immunsystem [273]. Es erfolgt zwar ein Abgleich der ABO- und D-Antigene, damit verbleiben aber einige hundert Blutgruppenantigene unberücksichtigt [274]. Die Infektionsrate ist erhöht und es konnte insbesondere eine Häufung Ventilator-assoziierter Pneumonien und ARDS nachgewiesen werden [274] [275] [276] [277] [278] [279] [280] [281] [282] [283] [284] [285]. Das Risiko einer transfusionsinduzierten akuten Lungeninsuffizienz TRALI (Transfusion Related Acute Lung Injury) ist aufgrund ihrer direkten Assoziation mit Spenderantikörpern gegen Leukozyten des Empfängers zwar ganz wesentlich mit der Gabe von Plasma assoziiert, tritt aber auch nach der ausschließlichen Gabe von Erythrozytenkonzentraten auf [285] [286] [287] [288].

Das Risiko einer Immunisierung gegen humane leukozytäre Alloantigene (HLA) wird durch die Leukozytendepletion der Konserven stark vermindert. Ob damit auch die Häufigkeit aller weiteren Komplikationen reduziert wird, bleibt abzuwarten. Kürzlich publizierte Untersuchungen weisen darauf hin, dass dieser Effekt eher gering ausfallen dürfte [288] [289] [290] [291]. Weitere Nebenwirkungen umfassen hämolytische Transfusionsreaktionen, Graft-versus-Host-Reaktion bei immunsupprimierten Patienten, anaphylaktische Reaktionen bei Empfängern mit angeborenem IgA-Mangel, verzögerte hämolytische Reaktionen, febrile, HLA-bedingte Transfusionsreaktionen, urtikarielle Hautreaktionen und andere anaphylaktoide Reaktionen, transfusionsbedingte Purpura und Hyperkaliämie. Die Übertragung von Infektionskrankheiten (Bakterien, Viren, Protozoen, Prionen), z. B. von Hepatitiden, HIV und der Variante Creutzfeld-Jakob Krankheit (vCJK), ist nicht völlig auszuschließen [292]. Auch ist die Wertigkeit der transfundierten Erythrozyten bezüglich ihrer Sauerstofftransportfähigkeit umstritten [292] [293] [294] [295] [296] [297] [298] [299] [300] [301].

Es wird daher seit Jahren kontrovers diskutiert, welcher Hb-Wert angestrebt werden sollte, um eine kompensatorische anämiebedingte Belastung der Atem- und Herzpumpe zu verhindern [302] [303] [304] [305]. Unter Ruhebedingungen wird von gesunden Probanden ein akuter Hb-Abfall auf 5 g/dl toleriert [306] [307]. Diese Toleranzgrenzen verschieben sich aber bei Vorliegen kardiovaskulärer Einschränkungen [308] [309] [310]. Für eine liberale Transfusionsstrategie werden deshalb verschiedene Argumente aufgeführt. So wird die Tatsache herangezogen, dass eine Anämie sowohl bei präoperativen Patienten als auch bei nicht-chirurgischen Patienten mit kardialen Erkrankungen einen unabhängigen Risikofaktor für ein schlechteres Outcome darstellt, um höhere Transfusionstrigger zu legitimieren [311] [312] [313] [314] [315]. Allerdings führte selbst bei älteren Patienten mit Myokardinfarkt eine Transfusion bei Vorliegen eines Hämatokrit von 30 % zu keiner Verbesserung des Outcomes [315]. Alle diese Studien basieren in der Regel auf retrospektiven Analysen, die häufig nicht für die Gabe von Erythrozytenkonzentraten adjustiert wurden. Ob die Anämie in diesem Fall nicht eher einen Surrogatparameter darstellt oder aber für einen erhöhten Krankheitsschweregrad spricht, ist bisher nicht untersucht worden. Eine Analyse von chirurgischen Patienten zeigte, dass neben der Anämie vor allem die Transfusion als unabhängiger Risikofaktor gewertet werden muss [311]. Sowohl bei Patienten mit präoperativer Anämie als auch bei Patienten ohne vorausgehende Anämie stieg die Letalität mit der Anzahl transfundierter Ek’s [316].

Ob der Ausgleich einer Anämie durch Verbesserung des Sauerstoffangebots bei Patienten im prolongierten Weaning zur Entlastung der Atem- und Herzpumpe [317] und damit zum Weaningerfolg beiträgt, ist unklar. Vorliegende Daten einer kleinen Fallserie (fünf COPD-Patienten), bei denen nach Transfusion (Ziel Hämoglobin-Wert ≥ 12 g/dl) eine Abnahme der Atemarbeit mit nachfolgendem Weaningerfolg [317] gezeigt werden konnte sowie eine Untersuchung bei COPD-Patienten [79] reichen nicht aus, um ein liberales Transfusionsregime zu legitimieren. Bei Intensivpatienten zeigt sich eine transiente Verschlechterung des Oxygenierungsindex und des sogenannten Lung Injury Scores 24 – 48 h nach Transfusion [318].

Ein Zusammenhang zwischen der Höhe des Hämatokrit und der Entwöhnbarkeit oder der Dauer des Weanings von der Beatmung konnte bisher nicht nachgewiesen werden. Es fehlen größere prospektive randomisierte Studien, die die Vorteile eines solchen Vorgehens eindeutig bestätigen. In einer retrospektiven Untersuchung bei prolongiert beatmeten Patienten zeigten sich eine erhöhte Letalität, eine prolongierte Liegedauer und deutlich höhere Kosten [319] [320]. Alles in allem spricht keine der Untersuchungen dafür, von dem derzeit empfohlenen Konzept einer konservativen Transfusionsstrategie abzuweichen [271].

Bei Patienten mit eingeschränkter Kompensation, bei denen klinische Symptome (physiologische Transfusionstrigger; siehe [Tab. 10]) auf eine anämische Hypoxie hinweisen, kann ein Hb von > 8 – 10 g/dl angestrebt werden. Ein Ziel-Hb > 10 g/dl wird im Allgemeinen nicht empfohlen, kann jedoch in Einzelfällen indiziert sein. Pathophysiologisch begründet sich diese Strategie durch einen höheren arteriellen Sauerstoffgehalt im Blut bei höherem Hämoglobin-Wert, sodass die Ventilation, die für eine ausreichende Oxygenierung benötigt wird, sinken kann. Die Indikation zur Erythrozytentransfusion ergibt sich aus der Beurteilung des klinischen Gesamtbildes und wird nicht allein anhand von Laborwerten (Hämoglobin, Hämatokrit, Erythrozytenzahl) gestellt [271] . Sie sollte daher auf den aktuellen Zustand (Transfusionstrigger) und die Grunderkrankung des jeweiligen Patienten zugeschnitten sein [321] [322] [323] [324]. Eine Transfusion von Erythrozytenkonzentraten sollte nicht arbiträr erfolgen, da eine unzureichende Gewebeoxygenierung bei verschiedenen Hb-Konzentrationen auftreten kann [323]. Die Anlage eines zentralvenösen Katheters zur begleitenden Bestimmung der zentralvenösen Sauerstoffsättigung (ScvO2) kann erwogen werden. Mit Hilfe der ScvO2 kann das Verhältnis von Sauerstoffaufnahme und -abgabe beurteilt werden. Hierdurch lässt sich feststellen, ob ein Patient von einer Transfusion profitiert. Dieser Ansatz der differenzierten Indikationsstellung wird durch neuere Untersuchungen bestätigt [323] [324] [325] [326].

Aus der Abwägung zwischen den Komplikationen von Bluttransfusionen und dem Benefit, den die Gabe von Erythrozytenkonzentraten mit sich bringen kann, ergibt sich eine konservative Transfusionsstrategie. Hierbei sollte eine Anhebung des Hämoglobin klinisch gut begründet sein. Bei Patienten mit eingeschränkter Kompensation, bei denen klinische Symptome (physiologische Transfusionstrigger) auf eine anämische Hypoxie hinweisen, kann ein Hämoglobin-Gehalt von > 8 – 10 g/dl angestrebt werden. Eine grundsätzliche Anhebung des Hämoglobinwertes auf > 10 g/dl kann derzeit nicht empfohlen werden. Im prolongierten Weaning kann im Einzelfall eine Transfusion auf Hämoglobin-Werte > 10 g/dl indiziert ein. Die Indikationsstellung sollte idealerweise auf der Basis physiologischer Transfusionstrigger (siehe [Tab. 10]) erfolgen.

Tab. 10

Physiologische Transfusionstrigger, die bei laborchemisch gesicherter Anämie und erhaltener Normovolämie auf eine anämische Hypoxie hinweisen können [271] .

Kardio-pulmonale Symptome

  • Tachykardie

  • Hypotension

  • Blutdruckabfall unklarer Genese

  • Dyspnoe

Ischämietypische EKG-Veränderungen

  • neu auftretende ST-Senkungen oder -Hebungen

  • neu auftretende Rhythmusstörungen

Neu auftretende regionale myokardiale Kontraktionsstörungen im Echokardiogramm

Globale Indices einer unzureichenden Sauerstoffversorgung

  • Anstieg der globalen O2-Extraktion > 50 %

  • Abfall der O2-Aufnahme > 10 % vom Ausgangswert

  • Abfall der gemischtvenösen O2-Sättigung < 50 %

  • Abfall des gemischtvenösen PO2 < 32 mmHg

  • Abfall der zentralvenösen O2-Sättigung < 60 %

  • Laktazidose (Laktat > 2 mmol/l + Azidose)


5.7.2.2 Liberale Transfusionsstrategie

Die Empfehlung, bei Bluttransfusionen generell restriktiv vorzugehen, lehnt sich stark an die Querschnittsleitlinie der Bundesärztekammer [270] an, die eine Transfusion oberhalb eines Hämoglobins von 8 g/dl nur bei Hinweisen für anämische Hypoxie empfiehlt. Abweichungen davon sind im Einzelfall, in Abhängigkeit von der individuellen Situation, auch bei höherem Hämoglobingehalt erlaubt. Allerdings ist die Querschnittsleitlinie nicht vergleichbar mit den Strukturen anderer Leitlinien nach den AWMF-Vorgaben, da die wesentlich beteiligten Fachgesellschaften hier nicht eingebunden waren. Hintergrund für die Querschnittsleitlinie sind im Wesentlichen die Arbeiten von Hébert PC et al. [271] [272], die gezeigt haben, dass eine Transfusion oberhalb von einem Hämoglobin von ca. 9 g/dl bei Intensivpatienten keinen Vorteil, in Untergruppen sogar Nachteile bringt. Allerdings wurden alle diese Studien an Akutpatienten durchgeführt, von denen ca. 80 % beatmet waren, meist nur über wenige Tage. Zudem waren die Erythrozytenkonzentrate damals noch nicht leukozytendepletiert. Auch waren in den Studien kardiochirurgische Patienten ausgeschlossen. Im Vordergrund standen akute, meist infektiöse Ereignisse. Patienten im prolongierten Weaning, für die hier eine Empfehlung gegeben werden soll, kamen nicht vor. Die Autoren empfehlen zusammenfassend bei diesen Patienten nur dann eine Transfusion bei Hämoglobin-Werten über 9 g/dl, wenn Hinweise für eine anämische Hypoxie vorliegen, z. B. erfasst über die zentralvenöse Sättigung [326].

Bluttransfusionen bzw. die Gabe von Erythrozytenkonzentraten sind grundsätzlich mit Risiken verbunden. Allerdings sind diese durch die neuen gesetzlichen Vorgaben und den medizinischen Fortschritt (insbesondere Leukozytendepletion) deutlich gesunken [327]. Die häufigste Komplikation ist eine akute Herzinsuffizienz durch eine Volumenüberlastung infolge einer zu raschen Infusion, was insbesondere in Notfällen vorkommt (TACO = Transfusion Associated Circulatory Overload). Infektionen durch die Transfusion und eine akute Lungenschädigung (TRALI = Transfusion Related Acute Lung Injury) sind bei Erythrozytenkonzentraten selten geworden, wobei dieses auch häufiger mit einem TACO verwechselt wird [327] [328]. Besonders bei Sepsis scheint eine TRALI vermehrt vorzukommen [329] [330] [331]. Im prolongierten Weaning ist eine rasche Transfusion, wie eine Blutung sie erfordert, nicht angezeigt, sodass eine Volumenüberladung oder auch Infektion durch die bessere Vorbereitungszeit praktisch nicht auftritt. Zudem kann gewartet werden, bis die transfundierten Erythrozyten ihre volle Sauerstofftransportfähigkeit erhalten, was in der Regel etwa einen Tag dauert [332].

Ein liberales Transfusionsregime wird begründet durch pathophysiologische Daten, verbunden mit zahlreichen indirekten Hinweisen aus der Literatur. Beim prolongierten Weaning liegt in der Regel keine anämische Hypoxie vor, sodass hier die Ausnahmeregelung in der Querschnittsleitlinie nicht greift. Die Patienten sind stabil und haben keinen akuten Blutverlust. Die Beatmung ist in der Regel für den Gasaustausch ausreichend, sodass auch keine Gewebehypoxie vorliegt.

Patienten mit Hyperkapnie im prolongierten Weaning haben jedoch immer eine Insuffizienz der Atempumpe (siehe Kapitel 4). Da zusätzlich nicht selten eine kardiale Grunderkrankung besteht, liegt dann auch eine mehr oder weniger ausgedehnte Herzinsuffizienz vor [333]. Beide Organe, die Atem- und die Herzpumpe, sind die entscheidenden Faktoren zur Aufrechterhaltung des Sauerstoffangebotes (DO2). Es errechnet sich aus arteriellem Sauerstoffgehalt (CaO2) mal der Herzleistung (CO – Cardiac Output) (DO2 = CO × CaO2) [334]. Der Sauerstoffgehalt wird bestimmt aus dem Produkt von Hämoglobinwert und der Sauerstoffsättigung (SaO2) sowie der Hüfner-Zahl (1,34). Der frei im Plasma gelöste Sauerstoff (PaO2 [mmHg] × 0,0031) ist mengenmäßig zu vernachlässigen, sodass sich der Sauerstoffgehalt vereinfacht durch folgende Formel berechnen lässt: (CaO2 [ml/dl] = Hb [g/dl] × SaO2 × 1,34 [ml/g]). Damit wird offensichtlich, dass es bei einer Anämie kompensatorisch zu einer Zunahme der Herzleistung kommen muss, um das Sauerstoffangebot konstant zu halten. Zusätzlich ist die Ventilation an die Perfusion angekoppelt, bzw. wird auf einen stabilen Faktor von einem Ventilations-/Perfusionsverhältnis von etwa 0,85 in Ruhe geregelt [334]. Eine Anämie führt deswegen über die Zunahme der Herzleistung immer auch zusätzlich zu einer Belastung der Atempumpe. Umgekehrt führt eine Korrektur der Anämie zur Entlastung der Herz- und Atempumpe, sichtbar beispielsweise am Rückgang der Atemarbeit nach Erythrozytentransfusion [79] und Verbesserung des Weaningerfolges [317].

Die pathophysiologisch offensichtliche Entlastung einer Herzinsuffzienz nach Korrektur einer Anämie wird durch zahlreiche Arbeiten aus der Herzchirurgie bestätigt. Diese zeigen, dass eine prä- oder postoperative Anämie mit deutlicher Zunahme der Komplikationsrate (verlängerte Beatmungszeit, verlängerter Intensivaufenthalt, vermehrte kardiale Komplikationen, erhöhte Mortalität) verknüpft ist [311] [312] [313] [314] [335]. Bestand kein Hinweis auf eine Herzinsuffizienz wie bei akutem Koronarsyndrom, wurde dieser Zusammenhang erwartungsgemäß nicht gefunden, da hier der erniedrigte Sauerstoffgehalt kein Problem darstellt [316]. Auch bei nicht-kardiochirurgischen Operationen mit präoperativer Anämie kommt es zu vermehrten Komplikationen, was angesichts einer häufiger gleichzeitig bestehenden COPD oder Herzinsuffizienz nicht überrascht [315] [336]. Besonders gestützt wird die Hypothese einer durch Anämie belasteten Herzpumpe durch eine Publikation über 80.000 Patienten, die bei einem akuten Herzinfarkt einen sehr strengen Zusammenhang zwischen Hämatokrit bzw. dessen Anhebung durch Bluttransfusion und der 30-Tage-Mortalität gezeigt hat [337]. Die Entlastung der Atem- und Herzpumpe durch Ausgleich einer Anämie führt weiterhin zu einer zusätzlichen Abnahme des gesamten Sauerstoffverbrauchs, da beide Organe bei Insuffizienz einen erhöhten autochthonen Sauerstoffbedarf haben [303]. Deswegen führt eine Transfusion auch über diesen Mechanismus vermutlich zu einer weiteren Rekompensation der Atempumpe. Diese pathophysiologischen Überlegungen in Verbindung mit den stützenden Daten aus der Literatur sprechen beim prolongierten Weaning für ein liberales Transfusionsmanagement. Bei schwierigen Fällen kann daher das Hämoglobin deswegen bis in den Normbereich angehoben werden.



5.7.3 Verbesserung des Ernährungszustandes und Metabolismus

Sowohl Unter- als auch Überernährung können die Weaningphase verlängern. Patienten mit prolongiertem Weaning sind jedoch oftmals bereits initial durch eine vorbestehende pulmonale Erkrankung mangelernährt („pulmonale Kachexie“) oder werden es während der kritischen Krankheit durch die in Relation zur schweren Katabolie inadäquate Kalorienzufuhr [338]. Somit ist die Unterernährung ein häufig vorkommendes Problem. Eine Ernährungstherapie wirkt sich gerade bei vorbestehendem Ernährungsdefizit günstig auf das Gesamtkörperprotein, die Muskelkraft und respiratorische Funktionsparameter aus [339]. Beim kritisch Kranken können Eiweißverluste jedoch selbst durch eine positive Nicht-Protein-Energiebilanz nicht verhindert werden [340]. Eine total parenterale Ernährung erhöht über die Glukosezufuhr bei beatmeten Patienten die CO2-Produktion (VCO2) bis hin zur hyperkapnischen Azidose [341]. Dies kann gerade in einer prolongierten Weaningphase zu einer zusätzlichen und vermeidbaren Erhöhung der Atemarbeit führen. In einer Doppelblind-PRCT (N = 20) wurde von al-Saady et al. bei im Weaning befindlichen Patienten mit einer fettreichen enteralen Ernährung mit verringerter Menge an Kohlenhydraten („High Fat, Low Carb“) eine gegenüber der Standardgruppe signifikant kürzere Beatmungszeit gezeigt [342]. In einer weiteren PRCT (N = 32) fanden van den Berg et al., dass eine solche enterale Diät beim Weaningpatienten die CO2-Exkretion signifikant vermindert, während für den PaCO2-Wert jedoch keine Veränderung festgestellt wurde [343].

Bei gestörtem Schluckakt besteht die Gefahr, dass die Aspirationsneigung durch eine nasogastrale Sonde als Zugangsweg für die enterale Ernährung verstärkt wird. So kann bei einer erwarteten künstlichen enteralen Ernährung von mehr als 3 – 6 Wochen frühzeitig die Indikation zur PEG- bzw. PEJ-Anlage gestellt werden [344]. Peterson et al. haben bei Patienten, die über fünf Tage beatmet waren, in den ersten sieben Tagen nach der Extubation eine orale Kalorienzufuhr von maximal 50 % des Bedarfs gemessen [345]. In der nach der Weaningperiode folgenden anabolen Phase sollte die Energiezufuhr möglichst das 1,2 – 1,5-fache des errechneten Energiebedarfs betragen, wobei hier kontrollierte Studien fehlen [346]. Zur genauen Bestimmung des Energiebedarfs kann bei diesen Problempatienten die Durchführung einer indirekten Kalorimetrie hilfreich sein. Orale Zusatznahrungen (Trinknahrungen) sowie die Fortführung einer Sondenernährung kommen vor allem für die Patienten in Betracht, welche mit der oralen Zufuhr ihren Kalorienbedarf nicht adäquat zu decken vermögen. Hierbei richtet sich die Dauer der Supplementierung nach dem Ernährungsstatus. Die Annäherung an den Ruheenergiebedarf erfolgt in den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) [346]:

  • 20 – 30 Jahre: 25 kcal/kg KG

  • 30 – 70 Jahre: 22,5 kcal/kg KG

  •  > 70 Jahre: 20 kcal/kg KG

Mehrere kontrollierte Studien haben die Auswirkungen der Gabe einer enteralen mit Omega-3-Fettsäuren (Eikosapentaensäure = EPA) und Gamma-Linolensäure (GLA) angereicherten enteralen Ernährung bei beatmeten Patienten mit Lungenversagen, Lungenschädigung und/oder Sepsis [347] [348] [349] [350] untersucht. Hierbei ist die Weaningphase jedoch nicht separat betrachtet worden. In der Studie von Gadek et al. [347], bei der Omega-3-Fettsäuren in einer experimentellen enteralen Diät verabreicht wurden, konnte eine signifikant kürzere Beatmungs- und Intensivliegedauer gezeigt werden. Singer et al. [348] haben dies bei Patienten mit Lungenversagen durch signifikant günstigere Beatmungsparameter im Horowitz-Quotienten an Tag 4 und 7 bestätigen können. Während Singer et al. [348] bei Patienten mit Lungenschädigung keinen Unterschied im Überleben fanden, haben Pontes-Arruda et al. [350] bei septischen Patienten neben der Verbesserung der respiratorischen Parameter und der Verkürzung der Intensivliegedauer auch eine signifikant höhere Überlebensrate der supplementiert ernährten Patienten zeigen können. In zwei Metaanalysen sind die Vorteile der Gabe von Eikosapentaensäure und Gammalinolensäure für eine signifikant niedrigere Letalität [349] [351] sowie die Oxygenierung und eine längere Zeit ohne Ventilatorunterstützung [349] bestätigt worden. Die verfügbaren ASPEN- [352] und ESPEN-Leitlinien [353] sowie die Leitlinie der Sepsis-Gesellschaft [354] empfehlen deswegen für dieses Patientengut den Einsatz in Kombination mit Antioxidanzien. Kritisch gegenüber diesem Konzept sind aktuelle Ergebnisse einer randomisierten Doppelblind-Placebokontrollierten Multicenter-Studie [355]. Hier wurden 272 Patienten mit Lungenschädigung innerhalb von 48 Stunden eingeschlossen und in 44 Krankenhäusern des US National Heart, Lung, and Blood Institute ARDS Clinical Trials Network behandelt. Wiederum wurde ein enterales Supplement mit Omega-3-Fettsäuren, Gamma-Linolensäure und Antioxidanzien mit einer isokalorischen Kontrolllösung verglichen, die separat von der enteralen Ernährung zweimal täglich verabreicht wurden. Primärer Endpunkt war die Zahl der ventilatorfreien Tage. Der Plasma-Eikosapentaensäurespiegel stieg signifikant in der Interventionsgruppe an. Die Studie wurde vorzeitig beendet, da sich die Patienten der Interventionsgruppe signifikant länger am Respirator (14,0 vs. 17,2 Tage; p =,02) und auf der Intensivstation befanden (14,0 vs. 16,7 Tage; p =,04) als der Kontrollarm. Die 60-Tage-Letalität war in der Omega-3-Gruppe nicht signifikant höher. Diese Patienten hatten jedoch signifikant mehr Diarrhoen. Die Autoren schlossen aus ihren Ergebnissen, dass das Omega-3-Supplement das Behandlungsergebnis dieser Patientengruppe nicht verbessert, sondern möglicherweise sogar beeinträchtigt [355]. Kritisch muss an dieser Studie das insgesamt hypokalorische Ernährungsregime gesehen werden. Somit ist eine abschließende Bewertung der Supplemente nicht möglich.

Empfehlung E24

Während eines prolongierten Weanings sollte die künstliche Ernährung möglichst enteral und zur Verminderung der Atemarbeit mit einem erhöhten Fettanteil bei reduzierter Kohlenhydratzufuhr erfolgen. Wenn möglich sollte die Nahrungsaufnahme oral erfolgen. Bei einer erwarteten künstlichen enteralen Sondenernährung von mehr als 6 Wochen kann frühzeitig die Indikation zur PEG- bzw. PEJ-Anlage gestellt werden.

Empfehlung E25

Auf eine ausreichend hohe Gabe von Kalorien sowie Zufuhr von Elektrolyten, Vitaminen und Spurenelementen ist zu achten.


5.7.4 Antipsychotische und anxiolytische Therapiekonzepte

Ein Delir ist ein akuter Verwirrtheitszustand mit Störung von Bewusstsein, Wahrnehmung und Orientierung [356]. Im prolongierten Weaning stellt es ein häufiges Problem dar. Die rein agitierte Form des Delirs tritt nur sehr selten (2 %, gemäß [100]) auf. Häufiger sind gemischte Formen oder auch die rein hypoaktive Form des Delirs. Die pathophysiologischen Ursachen der Entstehung des Delirs sind komplex (siehe 5.7.4.1). Für das prolongierte Weaning existieren keine zuverlässigen Daten – eine aktuelle Arbeit berichtet über die Häufigkeit des Delirs in einer sogenannten Step-Down-Unit nach Aufenthalt auf der Intensivstation in der Größenordnung von 7,6 % manifestem Delir und 20 % leichteren Formen [357]. Durch das Delir wurde hier zwar der Krankenhausaufenthalt verlängert, jedoch die Zeitdauer für das Weaning nicht beeinflusst.

5.7.4.1 Pathophysiologie des Delirs

Risikofaktoren, die die Entstehung eines Delirs beeinflussen, sind im Wesentlichen (nach [358] [359]):

  • Alter

  • vorausgehende Phase einer Hirnschädigung

  • respiratorische Erkrankung

  • metabolische Störungen (Azidose, Hyponatriämie)

  • Medikation (z. B. Morphin)

  • Hypertonus

  • vorausgehender häufiger Alkoholgebrauch

  • höherer APACHE-II-Score

  • Dauer des Intensivaufenthaltes

Wichtig ist die frühzeitige Diagnose eines Delirs [103]. Hier haben sich neben indirekten klinischen Zeichen (u. a. Pupillenweite, Herzfrequenz, Blutdruck und Atemfrequenz) spezifische Messinstrumente wie ICDSC (Intensive Care Delirium Screening Checklist) [360] und CAM-ICU (Confusion Assessment Method for the ICU) [361] bewährt.


5.7.4.2 Therapie des Delirs

Die Therapie des Delirs besteht aus nicht-medikamentösen Ansätzen – z. B. Aufrechterhaltung des Tag-Nacht-Rhythmus, Re-Orientierung des Patienten, kognitive Stimulation, frühe Mobilisation – und aus einer spezifischen medikamentösen Therapie (in Analogie zu [100]) ([Tab. 6], Kapitel 5.1.4). Auch die vermehrte Einbeziehung von Angehörigen, verbunden mit der Möglichkeit, ggf. im Patientenzimmer mit zu übernachten, wirkt sich häufig positiv auf die Patienten aus.

Empfehlung E26

Bei Agitationszuständen sind nicht immer antipsychotische und anxiolytische Medikationen erforderlich; sie können oft schon durch einfache nicht-medikamentöse Maßnahmen (z. B. Kommunikation, kognitive Stimulation, frühe Mobilisierung) gelindert werden.



5.7.5 Maßnahmen zur Verbesserung der Schlafqualität

Der Schlaf auf Intensivstationen ist geprägt von Schlaffragmentation, erhöhten Anteilen von Leichtschlaf und Verminderung der Anteile von Tiefschlaf und REM-Schlaf [362].

Wichtige Ursachen der Störung der normalen Schlafarchitektur sind:

  • Störung des zirkadianen Rhythmus

  • verlängerte Bettlägrigkeit

  • Störung des Hell-Dunkel-Rhythmus

  • Verminderung der Melatonin-Sekretion

  • Lärm

  • pflegerische und ärztliche Tätigkeiten

  • mechanische Beatmung (z. T. abhängig vom eingestellten Beatmungsmodus) [363]

  • Schwere der akuten Erkrankung

  • medikamentöse Therapie

Schlafdeprivation geht mit folgenden Phänomenen einher (nach [358]):

  • verstärkte Schmerzempfindlichkeit

  • Verstärkung des Sympathikotonus

  • Abnahme des Parasympathikotonus

  • verminderte Immunantwort

  • Veränderungen von Stoffwechsel und Endokrinium

  • Störungen der Aufmerksamkeit

  • verminderte psychomotorische Funktionen

  • erhöhte Tagesschläfrigkeit

  • Depression (Fatigue, Erregbarkeit)

Primär sollten zur Verbesserung bzw. Wiederherstellung einer normalen Schlafarchitektur bzw. eines normalen Tag-Nacht-Rhythmus nicht-medikamentöse Maßnahmen eingesetzt werden.

Lärmreduktion, Etablierung eines Hell-Dunkel-Rhythmus etc. sind in spezialisierten Weaningeinheiten, in denen nächtliche Notfallsituationen seltener auftreten als auf allgemeinen Intensivstationen, leichter realisierbar.


5.7.6 Physiotherapie und Sekretmanagement

Der Stellenwert der Physiotherapie in der Intensivmedizin ist in der Literatur umstritten: während einige Arbeiten positive Effekte, u. a. bzgl. Prävention einer Ventilator-assoziierten Pneumonie aufzeigen konnten [364], zeigte eine Studie eine Verlängerung der Beatmungszeit durch Physiotherapie bei Patienten, die länger als 48 Stunden beatmet wurden [365]. Neben methodischen Schwächen der Studien (ungenau beschriebene Randomisierung, keine Aussage über Verblindung der Physiotherapeuten) reflektieren diese Arbeiten nicht die spezielle Situation des prolongierten Weanings. Physiotherapie besitzt hier einen hohen Stellenwert in der Therapie: Mobilisation und Sekretmanagement als Hauptbestandteile der Behandlung entscheiden über Erfolg und Misserfolg eines erfolgreichen Weanings vom Ventilator, einer Dekanülierung und Verlegung in eine Rehabilitationseinrichtung. Physiotherapie zur Rekonditionierung, Mobilisierung und Sekretelimination ist im komplexen Weaningprozess essenziell und muss täglich intensiv durchgeführt werden (siehe Qualitätsindikator). Mangels aussagekräftiger Studien in dieser speziellen Situation besitzen die im Folgenden genannten Empfehlungen lediglich den Evidenzgrad einer Expertenmeinung.

5.7.6.1 Mobilisation

Muskuläre Dekonditionierung stellt im prolongierten Weaning ein wesentliches Hindernis für eine frühzeitige Mobilisierung der Patienten dar. Ursächlich hierfür sind einerseits die lange Phase der Immobilität unter Analgosedierung, in der meist nur passive Lagerungen zur Kontraktur-Prophylaxe durchgeführt werden, andererseits auch die häufig vorhandene Critical-Illness-assoziierte Polyneuro- und/oder -myopathie (CIPNM). Eine frühzeitige Einbeziehung der Physiotherapie in den Weaningprozess ist notwendig, um nach einem eingehenden Assessment Prioritäten für die Behandlung festzulegen. Es ließ sich in Studien zeigen [366] [367] [368], dass eine frühzeitig einsetzende Physiotherapie die Weaningdauer verkürzt. Voraussetzung dafür ist, dass sowohl die kardiale als auch respiratorische Reserve des Patienten entsprechend den Empfehlungen der European Respiratory Society und European Society of Intensive Care Medicine Task Force on Physiotherapy for Critically Ill Patients [369] beachtet werden, um den Patienten nicht durch eine unphysiologisch hohe Belastung zu gefährden.

Mobilisation umfasst dabei alle Maßnahmen von passiven, aber vor allem aktiven physikalischen Aktivitäten, die der Verbesserung von alveolärer Ventilation, zentraler und peripherer Durchblutung und dem Muskelstoffwechsel dienen. Das Ziel dabei ist, Muskulatur aufzubauen, Kontrakturen vorzubeugen oder sie zu lösen, und negativen Effekten der Immobilisierung, wie z. B. Venenthrombosen und Muskelabbau, entgegenzuwirken. Auch Lagerungstherapie zur Vermeidung von Dekubitalulzerationen und zum Erhalt des Körpergefühls gehört mit dazu. Passive Mobilisation muss möglichst frühzeitig, nach Überwinden der Phase der Kreislaufinstabilität, begonnen werden. Intensive Physiotherapie sollte ebenfalls so früh wie möglich, bei wieder gewonnener Kooperationsfähigkeit des Patienten nach Reduktion bzw. Pausierung der analgetischen und sedierenden Medikamente, begonnen werden, in Analogie zu Daten aus der akuten invasiven Beatmung auf der Intensivstation [368].

Bei Patienten, die ihre Muskeln nicht willentlich kontrahieren können, z. B. bei Rückenmarks-Schädigung oder ausgeprägter Critical-Illness-assoziierter Polyneuro- und/oder -myopathie, konnte gezeigt werden, dass durch neuromuskuläre Elektrostimulation eine weitere Muskelatrophie zumindest teilweise verhindert und in Kombination mit aktiver Physiotherapie die Zeitdauer bis zur Mobilisierung in den Reha-Stuhl verkürzt werden konnte [370]. Mittels spezieller Trainingsgeräte ist neben aktiven Bewegungsübungen selbst im Liegen sowohl ein passives als auch ein aktives aerobes Training von Arm- und Beinmuskulatur, adaptiert an die individuelle Leistungsfähigkeit, möglich. In einem 6-wöchigen Trainingsprogramm konnte hiermit in einer randomisiert-kontrollierten Studie eine größere Kraftzunahme der Muskulatur und eine höhere Anzahl von Spontanatmungsphasen im Vergleich zur Kontrollgruppe erreicht werden [371]. Diese Trainingseinheiten sollten während des Weanings primär unter Beatmung, im weiteren Verlauf bei Besserung der funktionellen Reserven, auch während der Spontanatmungsphasen durchgeführt werden. Auch nach erfolgreichem Weaning kann die Fortführung derartiger Übungen in Ergänzung zur konventionellen, auf die Sekretelimination ausgerichteten Physiotherapie, zu einer Verbesserung der Ausdauerbelastung und Abnahme der Dyspnoe führen [372].

Es ließ sich durch direkte Messungen zeigen, dass die Atemarbeit bei Spontanatmung (insbesondere bei adipösen Patienten) in sitzender Position im Vergleich zum Liegen deutlich reduziert wird [373]. Darüber hinaus ist die Effektivität des Hustenstoßes im Sitzen am höchsten. Ob ein spezifisches Training der Inspirationsmuskulatur im Weaningprozess die Liberation vom Ventilator beschleunigt, oder wegen der Gefahr der Überlastung einer schon schwachen Atemmuskulatur vermieden werden sollte, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht endgültig geklärt, da die vorliegenden positiven Studien keine Kontrollgruppen hatten [166] [374] [375] oder andere methodische Mängel aufweisen. Die Ergebnisse aktuell laufender Studien müssen zur abschließenden Beurteilung abgewartet werden. Eine ausreichende Anzahl an Physiotherapeuten ist für diese im Weaning wichtige adjunktive Maßnahme von essenzieller Bedeutung. Auch ist in der Dienstplangestaltung darauf zu achten, dass die Physiotherapie auch am Wochenende erfolgt, um durch Therapieunterbrechnung den Behandlungserfolg nicht zu gefährden.

Empfehlung E27

Passive Mobilisierung muss so früh wie möglich unter Beatmung zur Vermeidung von Kontrakturen eingesetzt werden. Aktive Mobilisierung auch unter Beatmung sollte bei Kooperationsfähigkeit des Patienten ebenso so früh wie möglich und regelmäßig kontinuierlich, d. h. an sieben Tagen in der Woche, durchgeführt werden.

Empfehlung E28

Bei beatmeten Patienten sollte die Spontanatmung möglichst lange in einer die Atmung erleichternden Körperposition (bevorzugt in sitzender Position) erfolgen, um die Atemarbeit zu reduzieren und um das Abhusten zu erleichtern.


5.7.6.2 Sekretmanagement

Sekretretention mit den Folgen Erhöhung der Atemarbeit, Verschlechterung der Blutgase, insbesondere Hypoxämie durch Atelektase mit Shunt, und erhöhtes Infektrisiko stellt im prolongierten Weaning eine besondere Herausforderung dar. Aufgrund der gestörten mukoziliären Clearance, präexistierend z. B. bei COPD, oder bedingt durch Anwesenheit eines Fremdkörpers (Tubus oder Trachealkanüle) bzw. unzureichende Konditionierung der Inspirationsgase oder zu hohe inspiratorische Sauerstoffkonzentrationen, kommt es zu einer Sekretakkumulation in den Atemwegen. Der Husten als Kompensation ist durch den invasiven Beatmungszugang bzw. die häufig begleitende Muskelschwäche ebenfalls nicht effektiv in der Sekretentfernung aus den Atemwegen. Neben invasiven Techniken wie Bronchoskopie und endotrachealem Absaugen (Tätigkeit von Pflegekräften bzw. Atmungstherapeuten, ggf. mit schriftlicher Erlaubnis auch von Physiotherapeuten) hat die Physiotherapie eine wichtige Bedeutung: Hier kommen spezielle Techniken zur Sekretolyse zum Einsatz [376], z. B. mittels endobronchial oder transthorakal oszillierender Systeme [377] [378] oder Inhalationstherapie z. B. mit hochosmolaren Kochsalz-Lösungen. Die Sekretentfernung kann anschließend z. B. mittels Lagerungstherapie, Huffing, PEP-System [379], manuell assistiertem Husten oder Anwendung von mechanischen Hustenhilfen wie dem Mechanical Insufflator-Exsufflator [380] [381] erfolgen, dessen Indikation nur bei neuromuskulären Erkrankungen und gesunden Lungen besteht. Allen physiotherapeutischen Maßnahmen, die Sekretexpektoration fördern, liegt das Prinzip zugrunde, durch intrabronchiale Druckerhöhung während der Exspirationsphase bzw. dem Husten das peripher gelegene Sekret in die zentralen Atemwege zu befördern. Eine z. B. bei COPD gleichzeitig vorliegende bronchiale Instabilität kann durch Anwendung eines positiven Drucks während der Exspiration zu einer Verschiebung des sogenannten „Equal Pressure Points“ zu den großen Atemwegen hin und damit zu einer Verbesserung der Sekretclearance führen. Je nach zugrundeliegender Pathophysiologie der Sekretretention ist nach ausführlicher Untersuchung eine spezifisch auf die jeweilige Situation adaptierte physiotherapeutische Behandlung notwendig, die in [Abb. 8] schematisch in Anlehnung an die Empfehlungen der ERS- und ESICM-Task Force [369] dargestellt wird.

Bei Abhustschwäche stellt die Minitracheotomie eine Alternative zum Platzhalter nach Dekanülierung dar. Aufgrund des relativ geringen Kalibers (Innendurchmesser: 4,0 mm plus Wandstärke) ermöglicht sie ein weitgehendes Schrumpfen des Tracheostomas, wobei mittels Absaugkatheter weiterhin Sekret aus der Trachea abgesaugt werden kann. Hierdurch kann insbesondere bei Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen, die eine unmittelbare NIV nach Dekanülierung benötigen, aber einen abgeschwächten Hustenstoß aufweisen, die NIV ermöglicht und trotzdem ein effektives Sekretmanagement durchgeführt werden.

Wie für die Mobilisierung gilt hier genauso die absolute Notwendigkeit, die Sekretolyse und Sekretentfernung an sieben Tagen in der Woche regelmäßig, bei Bedarf mehrfach täglich, durchzuführen.

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Abb. 8 Maßnahmen zur Sekretolyse und Sekretentfernung im prolongierten Weaning (modifiziert nach [369]). HFCWO: High Frequency Chest Wall Oscillation; IPPB: Intermittent Positive Pressure Breathing; CPAP: Continuous Positive Airway Pressure; NIV: Nicht-invasive Beatmung; PEP: Positive Expiratory Pressure; IPV: Intrapulmonary Percussion Ventilation.
Empfehlung E29

Physiotherapie zur Rekonditionierung, Mobilisierung und Sekretelimination besitzt einen zentralen Stellenwert im komplexen Weaningprozess und muss intensiv täglich durchgeführt werden.

Empfehlung E30

Insbesondere bei Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen und NIV, bei denen eine ansonsten therapierefraktäre Hypersekretion besteht, kann eine „Minitracheotomie“ hilfreich sein, Sekret effektiv abzusaugen.

Qualitätsindikator QI 1

Physiotherapie und Sekretelimination werden täglich, auch am Wochenende, im Weaningprozess durchgeführt.



5.7.7 Diagnostik und Therapie von Schluckstörungen

Schluckstörungen mit nachfolgender Aspiration stellen im prolongierten Weaning nicht selten die Ursache für eine erfolglose Dekanülierung bzw. rezidivierende Infektionen der unteren Atemwege dar. Die Ursachen hierfür sind vielfältig (s. [Tab. 11]).

Tab. 11

Mögliche Ursachen von Dysphagien im prolongierten Weaning.

  • Critical-Illness-assoziierte Polyneuropathie bzw. Polymyopathie

  • zerebrale Durchblutungsstörungen – unter Analgosedierung klinisch häufig unbemerkt

  • Bewusstseinseintrübungen

  • Epiglottitis

  • nasogastrale Sonde

  • vorbestehende Schluckstörungen z. B. bei M. Parkinson oder Amyotropher Lateralsklerose

Die Trachealkanüle an sich stellt keinen unabhängigen Risikofaktor für eine Aspiration dar [382] [383]. Auch mit vorhandener Trachealkanüle kann der Larynx während des Schluckens adäquat angehoben werden [384]. Dennoch kann die Trachealkanüle erfahrungsgemäß im Einzelfall durch mechanische Irritation eine Störung des Schluckaktes verursachen.

Eine Aspiration kann häufig bereits klinisch, z. B. durch Absaugen von Aspirat, aber auch nach Anfärben des Speichels bzw. der Nahrung durch z. B. Lebensmittelfarbe bei entblockter Kanüle nachgewiesen werden.

Bei diagnostizierter Schluckstörung/Aspiration oder klinischem Verdacht auf Aspiration während der Nahrungsaufnahme im Weaningverlauf sollten weitere Tests vor einer definitiven Dekanülierung stattfinden.

Bei negativem Ergebnis, aber weiter bestehendem klinischen Verdacht [385] sollten zusätzlich sensitivere diagnostische Verfahren wie FEES (Fiberoptic Endoscopic Examination of Swallowing) [386] und die allerdings häufig nicht leicht verfügbare Videofluoroskopie durchgeführt werden. Auch lässt sich Aspiration mittels nuklearmedizinischer Methoden nachweisen [387].

Auf weitere Vorgaben zur Methode der Testung des Schluckaktes wird hier bewusst verzichtet, da keine standardisierte Testung existiert.

Unabhängig davon ergänzen sich diese Verfahren in ihrer Aussage und geben genauere Informationen über die orale, pharyngeale und oesophageale Phase des Schluckaktes. Auf den Erkenntnissen des diagnostischen Verfahrens, mit dem das Behandlungsteam die meiste Erfahrung hat, basiert dann eine problemorientierte und indivdualisierte Strategie. Eine quantifizierte Beurteilung des Ausmaßes der Dysphagie (z. B. nach [388]) sollte erfolgen, um eine spätere Vergleichbarkeit zu ermöglichen.

Bei vorliegender Schluckstörung sollte die Trachealkanüle mit Ausnahme der Zeiten des Schlucktrainings zum Schutz vor Aspirationen geblockt bleiben. Regelmäßiges Schlucktraining unter Anleitung von Logopäden bzw. Ergotherapeuten/Atmungstherapeuten ist bei vorhandener Schluckstörung notwendig.

Empfehlung E31

Vor Beginn der oralen Nahrungsaufnahme nach invasiver Langzeitbeatmung müssen Schluckstörungen frühzeitig erkannt werden.

Qualitätsindikator QI 2

Vor Beginn der oralen Ernährung im Weaning erfolgt eine Testung auf Schluckstörung.



5.8 Besonderheiten bei Querschnittlähmung

Das Weaning hochquerschnittgelähmter Patienten ist aus vielen Gründen eine Herausforderung für die Spezialzentren. Da es sich hier im Regelfall um ein prolongiertes, diskontinuierliches Weaning bei tracheotomierten Patienten handelt [389] [390], beträgt die in der Literatur angegebene Liegezeit auf den spezialisierten Stationen zwischen 40 und 292 Tagen [391]. Prolongierte Weaningverläufe sind somit die Regel, da rezidivierende pulmonale Infekte den Weaningprozess verzögern [390] [392]. Die Versagerquote nach Langzeitweaning wird einvernehmlich mit rund 30 % angegeben [389] [391]. Parallel dazu erschweren vielfältige vegetative Dysregulationen wie Hypotonien, Bradykardien, Temperaturregulationsstörungen und autonome Dysreflexien den Behandlungsverlauf [393] [394] und erfordern in diesem Zusammenhang einen erfahrenen Paraplegiologen. Seit ca. 15 Jahren wird bei Hochquerschnittgelähmten in den deutschen Zentren Respiratorentwöhnung durchgeführt [395].

5.8.1 Pathophysiologische Aspekte

Alle hochquerschnittgelähmten Patienten sind in ihrer Atmung eingeschränkt [392]. Dies liegt seltener an (vor)bestehenden Lungenerkrankungen, sondern hauptsächlich an der Beeinträchtigung der muskulären Atempumpe nach teilweiser oder totaler spinaler Denervation der Atem(hilfs)muskeln. An erster Stelle ist hier das Zwerchfell zu nennen, das bei diesen Patienten nahezu 100 % der verbliebenen aktiven Atemarbeit leistet [396] [397]. Es gilt, diesen Muskel und seine (Rest-)Funktionen behutsam, methodisch und vor allem ohne Ermüdung aufzutrainieren (siehe auch Kapitel 4.2.3 und 4.2.4). Dieses Training bewirkt, dass bestimmte Muskelfasertypen, welche zunächst schnell ermüden, nun eine ausdauernde Stoffwechselleistung erbringen können [397] [398] [399]. Dieses Phänomen ist bei Querschnittgelähmten zunächst nach Stimulation des Phrenicusnerven eingehend untersucht worden [400], kann jedoch auch für den Ausbau der respiratorfreien Zeiten bei spontan atmenden Patienten genutzt werden. Wichtig ist, den Ermüdungspunkt des Zwerchfells (sog. fatigue-point) nicht zu erreichen, da sonst das Weaning nachhaltig verzögert oder überhaupt nicht möglich ist [401] [402] [403].


5.8.2 Charakteristika von Patienten mit Querschnittlähmung

Die Mehrheit der Patienten besteht aus Tetraplegikern oder -paretikern mit einer traumatisch oder nicht traumatisch verursachten Querschnittlähmung (QSL) unterhalb C0–C7, ASIA Typ A, B, C (siehe [Tab. 12]). Seltener finden sich aber auch Paraplegiker mit zusätzlichen Begleitverletzungen und/oder -erkrankungen, welche die Atmungsleistung beeinträchtigen.

Tab. 12

Einteilung der Rückenmarkstraumen nach der ASIA-Impairment-Skala [404].

American Spinal Injury Association Scale (ASIA)

neurologischer Ausfall

A

motorisch und sensibel komplett in S4/S5

B

motorisch komplett, sensibel inkomplett in S4/S5

C

motorisch und sensibel inkomplett, Kraftgrade der erhaltenen motorischen Funktionen im Mittel < 3

D

motorisch und sensibel inkomplett, Kraftgrade der erhaltenen motorischen Funktionen im Mittel ≥ 3

E

keine motorischen und sensiblen Ausfälle


5.8.3 Ergänzende Ausschlusskriterien für den Beginn des Weaningprozesses

Zusätzlich zu den genannten allgemeinen Ausschlusskriterien (siehe auch Kapitel 5.1.1) gibt es bei einer QSL folgende mögliche medizinische Gegebenheiten, unter denen ein Weaning nicht begonnen bzw. fortgesetzt werden kann:

  • persistierende komplette Zwerchfelllähmung ohne Hustenstoß

  • autonome Dysreflexie

  • nicht kompensierte, die Atmung beeinträchtigende Rumpfspastik

  • septische Dekubitalgeschwüre


5.8.4 Praktischer Ablauf des Weaningprozesses

Das Weaning wird zunächst tagsüber im Bett liegend begonnen. Ab einer Spontanatmungszeit von 20 min/h wird das Weaning auch in sitzender Position durchgeführt (z. B. auch im Rollstuhl). Eine spirometrische Überwachung der Atemzugvolumina und eine Kapnometrie ist zu gewährleisten.

Während der Nacht wird die Atmungsmuskulatur des Patienten bis zur kontinuierlichen Spontanatmung am Tage durch einen kontrollierten Beatmungsmodus möglichst komplett entlastet.

Das Weaningkonzept wird tagsüber wie folgt durchgeführt: Für jede Stunde gibt es einen Anteil Spontanatmung und einen Anteil Entlastung am Respirator. Pro Tag ergeben sich somit zwölf Trainingseinheiten. Für die Bestimmung des Anteils der Spontanatmung spielt vor allem das sog. gemittelte Atemzugvolumen (spirometrisch gemessenes durchschnittliches Atemzugvolumen über 20 Spontanatemzüge) eine tragende Rolle. Weitere Einflussgrößen sind Vitalkapazität, Atemfrequenz, Ausmaß der Zwerchfellbeweglichkeit (Sonografie) und Prüfung des Hustenstoßes. Wichtige Abbruchkriterien der Spontanatmung sind Abnahme des Atemzugvolumens (mittleres AZV minus 30 %) sowie die Entwicklung vegetativer Symptomatik (Spastik, Dysreflexie). Ist das Weaning am Tage erfolgreich abgeschlossen (d. h. der Patient für ca. eine Woche tagsüber respiratorisch stabil), wird das Weaning in der Nacht wie folgt begonnen: pro Tag wird die Spontanatmungszeit hier um eine Stunde verlängert. Dabei hat der Patient die Wahl, ob er die Zeiten in die Nacht hinein verlängert haben möchte oder ob er in den frühen Morgenstunden früher vom Respirator diskonnektiert wird. Beim Weaningprozess haben sich standardisierte Protokolle als hilfreich erwiesen und sollten im Rahmen der Dokumentation verwendet werden [405]. Für detailliertere Ausführungen, Therapiebeispiele oder Dokumentationsvordrucke verweisen wir auf die Empfehlungen der Deutschsprachigen Medizinischen Gesellschaft für Paraplegie (www.dmgp.de).



5.9 Besonderheiten bei pädiatrischen Patienten

Es gibt bisher nur wenige Studien zum Weaning, zur Weaningbereitschaft und zur Extubation im Kindesalter. Im Folgenden wird sich auf Weaning von pädiatrischen Patienten bezogen, Studien an Früh- und Neugeborenen wurden nicht eingeschlossen.

5.9.1 Weaningprotokolle

Zwei prospektiv randomisierte Studien [406] [407] und retrospektive Analysen [408] [409] belegen die Verkürzung der Weaningdauer bei Verwendung eines Weaningprotokolls, eine randomisierte Studie konnte dies nicht bestätigen [410]. Eine kleine retrospektive Studie beschreibt ein Entwöhnungsprotokoll für Patienten mit spinaler Muskelatrophie Typ 1 (SMA1). Das Protokoll beschreibt u. a. die Verwendung eines In-/Exsufflators, die Extubation, wenn SaO2 > 94 % bei FiO2 0,21, vorgegebene Intervalle beim Absaugen sowie die Extubation mit nachfolgender NIV [411]. Dieses Vorgehen erhöhte in dieser Studie die Extubationsrate. Auch wenn der Benefit von Weaningprotokollen im Kindesalter wahrscheinlich ist, reicht zum jetzigen Zeitpunkt die vorliegende Studienlage nicht als Basis für eine eindeutige Empfehlung zu deren Anwendung.


5.9.2 Beurteilung der Entwöhnbarkeit

Die standardisierte Beurteilung der Entwöhnbarkeit von kurzzeitbeatmeten Kindern wurde in einer aktuellen randomisierten Studie untersucht. Täglich wurden folgende Parameter evaluiert (FiO2 ≤ 0,5, PEEP ≤ 8 cmH2O, keine neuen Infiltrate im Röntgenthorax, keine Dauersedierung oder Paralyse, normwertige Elektrolyte, hämodynamische Stabilität und Hämoglobin ≥ 8 g/dl) und dann ggf. ein Spontanatmungsversuch durchgeführt. Dieses Vorgehen verkürzte die Beatmungsdauer signifikant [407]. Weaning Readiness setzt bei Kindern nach allgemeiner Meinung neben den auch für Erwachsene geltenden Faktoren einen ausreichenden Hydratationszustand voraus [412] [413]. Ob ein restriktives gegenüber einem liberalen Flüssigkeitsmanagement die Extubation begünstigt, ist bisher nicht geklärt [414] [415] [416].


5.9.3 Sedierung und Sedierungsprotokolle

Aufgrund der niedrigen Toleranz von Beatmung ist bei Kindern Sedierung während maschineller Beatmung notwendig. Eine Studie beschreibt den Zusammenhang von Extubationsversagen und tiefer Sedierung [410]. Mit Sedierungsprotokollen für Kinder kann die Sedierungstiefe quantifiziert [417] [418] und besser gesteuert werden [418] [419] [420]. Tägliches Unterbrechen der Sedierung (Einschlusskriterien: mechanische Beatmung > 48 h, PIP < 29 mmHg) verkürzte die Beatmungsdauer in einer aktuellen randomisierten Studie [421].


5.9.4 Spontanatmungsversuch und Prädiktion der erfolgreichen Extubation

Eine Studie konnte bei Kindern keine Unterschiede in der Vorhersage eines Extubationsversagens durch Spontanatmungsversuch über T-Stück oder Beatmung mit PSV 2 h vor Extubation nachweisen [422]. Weitere klassische Parameter für Extubationsversagen wie V(t), Atemfrequenz, Pimax und f/V(T) im Spontanatmungsversuch sagten auch im Verlauf das Extubationsversagen unzureichend vorher [423]. In einer Studie hatte die Durchführung eines 15 min SBT eine gute Prädiktion (92 %) der erfolgreichen Extubation [424]. Die Rate an Extubationsversagen war aber nicht niedriger als in einem historischen Kontrollkollektiv mit Extubation nach klinischer Einschätzung. Die tägliche Beurteilung der Weaningfähigkeit gefolgt von einem Spontanatmungsversuch verkürzte die Beatmungsdauer bei kurzzeitbeatmeten Patienten jedoch ohne Auswirkung auf die Re-Intubationsrate [407]. Andere Prädiktoren für erfolgreiche Extubation wie Rapid Shallow Breathing Index < 8 (bzw. < 11) AZ/min/ml/kg und CROP (Compliance, Respiratory Rate, Arterial Oxygenation und Pimax) Index > 0,15 (bzw. > 0,1) ml/kg/AZ/min (Index, berechnet aus Compliance, Atemfrequenz, Oxygenierung und Beatmungsdruck) erbrachten kontroverse Ergebnisse [425] [426] [427] [428] [429] [430] [431]. Eine neuere prospektive Studie beobachtet eine hohe Prädiktion des Tension-Time-Index für den Weaningerfolg [432]. Ein Problem bei der Bewertung der respiratorischen Stabilität am CPAP/T-Stück besteht in der Verwendung der dünnen pädiatrischen Tuben; hier steigt der Widerstand mit der vierten Potenz des Radius. Oft kommt es durch Extubation zur Abnahme des Atemwegswiderstandes, sodass die Extubation trotz negativem Spontanatmungsversuch erfolgreich sein kann. Andererseits überschätzt eine Tubuskompensation durch höhere PSV-Drücke im Spontanatmungsversuch bei kleinen Tuben möglicherweise die „Readiness“ zur Extubation [433]. Zusammenfassend konnte mit der standardisierten Durchführung von Spontanatmungsversuchen bei Kindern keine Reduktion an Extubationsversagen erreicht werden.


5.9.5 Beatmungsformen im Weaning

Eine randomisierte Studie konnte keinen Unterschied zwischen Weaning über PSV, VC oder Weaning ohne Protokoll finden [410]. Eine weitere Studie findet bei 70 Kindern keinen Unterschied in der Beatmungsdauer bei Verwendung von PCV vs. SIMV mit PSV [434]. Eine Empfehlung zum Beatmungsmodus im Weaning im Kindesalter kann derzeit nicht gegeben werden. Allerdings ist in Analogie zur Erwachsenenmedizin von SIMV als Modus der Respiratorentwöhnung bei prolongiertem Weaning abzuraten.


5.9.6 Postextubation-Stridor

Aufgrund der engen Atemwege ist Postextubation-Stridor (Upper Airway Obstruction; UAO) ein häufiger Grund für Extubationsversagen bei Kindern [83]. Der Nutzen des Cuff-Leak-Tests [128] [435] bzw. die Analyse des Tubuslecks bei ungeblockten Tuben zur Abschätzung des Risikos für eine UAO nach Extubation ist umstritten [435] [436] [437]. Eine aktuelle Metaanalyse belegt, mit der Einschränkung niedriger Fallzahlen, dass die prophylaktische Anwendung von Steroiden die Häufigkeit von Postextubation-Stridor und möglicherweise Extubationsversagen reduziert [438] [439]. Möglicherweise profitieren Patienten mit erhöhtem Risiko (u. a. lange Beatmungszeit, multiple Atemwegsmanipulation, Laryngotracheitis/Epiglottitis, negativer Cuff-Leak-Test) von Steroiden vor Extubation [440]. Die Verwendung von Helium-Sauerstoffmischungen ist ein weiterer Ansatz, um bei Kindern die Re-Intubationsrate zu senken [441] [442] [443]. Randomisierte kontrollierte Studien fehlen hierzu bisher.


5.9.7 Tracheotomie

Eine Tracheotomie ist oft indiziert bei Stenosen oder Malazien der Atemwege des Säuglings oder Kleinkindes, um das Weaning zu ermöglichen [86] [87]. Ein Stomaverschluss ist aufgrund der engen Atemwege erst bei ausreichender Größe des Kindes wieder möglich. Frühzeitige Tracheotomie als Weaningstrategie bei schwerem Atemversagen wie z. B. bei ARDS des Kindes ist wenig beachtet. Sie wird meist nur bei Nichtentwöhnbarkeit als Überleitung zur außerklinischen Beatmung eingesetzt und häufig erst nach > 60 Beatmungstagen durchgeführt [444] [445] [446] [447]. Möglicherweise könnten ältere Kinder und Adoleszenten von einer früheren Tracheotomie als Weaningstrategie in Analogie zu den Erwachsenen profitieren [251]. Eine kleine retrospektive Analyse belegt dies aber nicht [447]. Derzeit kann hier keine allgemeine Empfehlung abgeleitet werden. Aufgrund der engen Atemwege und der kleinen, kurzen Kanülen ist das Risiko für Kanülendislokation erhöht. Leichte Rekanülierbarkeit und stabiler Atemweg ohne Kanüle ist lebensrettend [448]. Deshalb müssen Tracheotomien bei Kindern chirurgisch epithelialisiert angelegt werden. Die Kanülenlage muss regelmäßig endoskopisch kontrolliert werden, um Granulationen, Malazien und Dilatation der Tracheahinterwand frühzeitig zu behandeln und um eine Rückverlagerung nicht zu verzögern.


5.9.8 Nicht-invasive Beatmung

NIV wird im Kindesalter im Respiratorweaning erfolgreich angewendet [449] [450] [451]. NIV im Langzeitweaning wurde an einer kleinen Kohorte beschrieben [452]. Es sind aber keine randomisierten Studien zu NIV beim Weaningprozess im Kindesalter außerhalb der Neugeborenenperiode verfügbar, sodass derzeit keine allgemeine Empfehlung abgeleitet werden kann.

Empfehlung E32

Möglicherweise profitieren Kinder mit erhöhtem Risiko für Postextubation-Stridor von prophylaktischer Steroidgabe vor Extubation.

Empfehlung E33

Tracheotomien bei Kindern sollten chirurgisch epithelialisiert angelegt werden und die Kanülenlage sollte regelmäßig endoskopisch kontrolliert werden.

Empfehlung E34

Eine tägliche Unterbrechung der Sedierung soll bei Kindern durchgeführt werden, um die Beatmungsdauer zu verkürzen.




6 Weaningversagen und Leben nach Langzeitbeatmung

6.1 Indikationen zur außerklinischen Beatmung und Organisation der Überleitung

Patienten, die nach erfolgreichem Weaning von der invasiven Langzeitbeatmung eine persistierende ventilatorische Insuffizienz aufweisen (Gruppe 3b), können von einer nicht-invasiven Beatmung profitieren. Da eine nicht-invasive Beatmung weitgehend autonom durchgeführt werden kann, konzentriert sich der Überleitprozess bei der Entlassung dieser Patienten im Wesentlichen auf die Ausstattung mit Beatmungsgeräten und entsprechendem Zubehör sowie die Einweisung in deren Bedienung. Auch Patienten mit erfolglosem Weaning (Gruppe 3c) können in den außerklinischen Bereich entlassen werden, wenn sie die Fortführung der invasiven Beatmung wünschen [12] [453]. Ebenso können invasiv langzeitbeatmete Patienten in einer Palliativsituation auf eigenen Wunsch aus der Klinik entlassen werden. Vor Einleitung einer außerklinischen invasiven Beatmung sind stets alle Möglichkeiten zu prüfen, die invasive Beatmung in eine nicht-invasive Beatmung zu überführen [16] [453].

Erfolgloses Weaning (Gruppe 3c) mit der Notwendigkeit zur kontinuierlichen oder intermittierenden invasiven außerklinischen Beatmung sollte idealerweise von einem spezialisierten Weaningzentrum attestiert und die außerklinische Beatmung dort initiiert werden. Wenn die Verlegung in ein spezialisiertes Weaningzentrum nicht zu realisieren ist, sollte die Initiierung der außerklinischen Beatmung möglichst in enger Abstimmung mit einem Zentrum erfolgen, das über ausreichend Expertise in der komplexen Betreuung außerklinisch beatmeter Patienten verfügt und die langfristige Durchführung von Therapiekontrollen übernehmen kann (Zentren für Außerklinische Beatmung; www.digab.de [12] [13] [14] [454] [455]).

Die Anzahl außerklinisch invasiv beatmeter Patienten ist in den letzten Jahren deutlich angestiegen, wenngleich für Deutschland zur Zeit noch keine exakten Zahlen vorliegen. Für diese Patientenklientel steht bislang allerdings keine strukturierte ambulante ärztliche Betreuung zur Verfügung [456], da bei niedergelassenen Ärzten bis auf wenige Ausnahmen keine Beatmungskompetenz vorhanden ist [457] und die aufwendige Betreuung bisher nicht in den Vergütungssystemen abgebildet ist. Aus diesem Grund ist die außerklinische Versorgungssituation insbesondere multimorbider Patienten oftmals sehr instabil, sodass häufige Notarzteinsätze und wiederholte Krankenhauseinweisungen notwendig sind. Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), die Deutsche Interdisziplinäre Gesellschaft für Außerklinische Beatmung (DIGAB), der AOK Bundesverband und der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen haben daher detaillierte Durchführungsempfehlungen zur invasiven außerklinischen Beatmung herausgegeben, um die Versorgungssituation betroffener Patienten unter den aktuellen Vorgaben des SGB V und XI sicherer zu gestalten [458]. Aufgrund der rasanten Entwicklung der invasiven außerklinischen Beatmung erst in den letzten Jahren, der sektoralen Versorgungs- und Vergütungsstrukturen, sowie komplexer gesetzlicher Vorschriften und föderalistischer Besonderheiten existieren in Deutschland bislang keine umfassenden Erhebungen oder Studien zur außerklinischen Beatmungsversorgung. Die Übertragbarkeit von Erhebungen bzw. Empfehlungen aus den USA [16] und Kanada [455] oder einzelner europäischer Länder [459] [460] ist wegen der unterschiedlichen Gesundheitssysteme nur bedingt möglich. Ähnlich wie in anderen Industrienationen basieren die Empfehlungen für Deutschland daher im Wesentlichen auf der Erfahrung von Experten aus Weaningzentren und Zentren für außerklinische Beatmung, die seit vielen Jahren betroffene Patienten betreuen [15] [458].

Voraussetzung für die Überleitung invasiv beatmeter Patienten in den außerklinischen Bereich ist

  • neben einem Weaningversagen bzw. kurzfristig (innerhalb von 4 Wochen) nicht mehr zu erzielenden Weaningfortschritten

  • die Stabilisation der Grund- und Begleiterkrankungen sowie möglicher Komplikationen

  • eine vollständig abgeschlossene klinische Diagnostik und

  • die Etablierung einer im außerklinischen Bereich durchführbaren Dauertherapie [13] [16] [458].

Im außerklinischen Bereich sollte für die medizinische Versorgung und die Unterstützung des Pflegeteams ein weiter betreuender Arzt zur Verfügung stehen; idealerweise sollte der niedergelassene Arzt beatmungserfahren sein, alternativ sollte der niedergelassene Arzt Unterstützung von einem Expertenzentrum erhalten [15] [16] [455] [458]. Obwohl bei einigen Patienten unter fortgesetzter Betreuung durch ein Expertenzentrum auch im außerklinischen Bereich noch ein Weaning zu erzielen ist, ist die Überleitung in den außerklinischen Bereich mit dem primären Ziel des weiteren Weanings abzulehnen. In einigen Fällen wird die Schwere der Erkrankung der medizinischen, pflegerischen und technischen Machbarkeit der außerklinischen Versorgung Grenzen auferlegen. Vor Initiierung einer invasiven außerklinischen Beatmung sollte der betreuende Klinikarzt die außerklinische Versorgungsfähigkeit in der Patientenakte dokumentieren. Der die außerklinische Versorgung initiierende Klinikarzt ist für den gesamten Überleitprozess und die ordnungsgemäße Organisation der außerklinischen medizinischen und pflegerischen Versorgung verantwortlich [16]. Detaillierte Ausführungen zu den erforderlichen Qualifikationen für die assistive bzw. fachpflegerische Versorgung finden sich in [15] und [458]. Der Überleitprozess sollte von einem Überleitteam organisiert werden, das über ausreichend Erfahrung in der außerklinischen Beatmung verfügt [13] [14] [16] [455] [461]. Die Zusammensetzung und die konkreten Aufgaben des Überleitteams wurden bereits an anderer Stelle definiert [15].

Es existieren folgende Versorgungsmodelle für außerklinisch Beatmete:

  • autonome Versorgung in der Häuslichkeit (in der Regel nur bei nicht-invasiver Beatmung)

  • häusliche Versorgung mit ambulantem Pflegedienst oder persönlicher Assistenz (1:1 Versorgung)

  • ambulante Pflege im betreuten Wohnen oder einer Wohngruppe für Langzeitbeatmete

  • stationäre Pflegeeinrichtung mit Beatmungskompetenz

  • Palliativstation mit Beatmungskompetenz

Die Auswahl einer geeigneten außerklinischen Versorgungsform hängt primär vom Wunsch des Patienten und seiner Angehörigen bzw. Bezugspersonen ab. Zudem bestimmen der medizinische und technische Versorgungsbedarf die Art der außerklinischen Versorgung. So stehen z. B. nicht überall Dialysemöglichkeiten zur Verfügung bzw. die Wohnverhältnisse lassen keine häusliche Unterbringung zu [12] [16] [453] [455] [458].

Die invasive außerklinische Beatmung stellt hohe Anforderungen an die zeitlichen Ressourcen des Überleitmanagements, daher sollte bei dieser Versorgungsform der Überleitprozess ca. drei Wochen vor dem geplanten Entlassungstermin initiiert werden [16] [455] [458]. Neben der Behandlungspflege und der Hilfsmittelversorgung sind weitere Therapiemaßnahmen wie z. B. Physiotherapie, Logopädie, Ergotherapie, Ernährungsberatung, Wundmanagement, Schmerztherapie und Dialyse etc. zu koordinieren. Ggf. sind hier zusätzliche Schulungsmaßnahmen z. B. in der Dialysepraxis oder bei Krankentransportunternehmen unter Einbeziehung des Hilfsmittelproviders und des außerklinischen Pflegedienstes einzuleiten. Pflegedienst, ebenso wie Dialysepraxis, Therapeuten und Krankentransportunternehmen sind über notwendige Isolationsmaßnahmen bei chronischer Besiedelung durch multiresistente Erreger zu informieren. Der Patient sollte erst aus der Klinik entlassen werden, wenn die außerklinische Versorgung einschließlich der medizinischen Betreuung vollständig gewährleistet und die Kostenübernahme geklärt ist. Der Patient muss zum Zeitpunkt der Entlassung aus der Klinik mit allen notwendigen Geräten, Hilfsmitteln und Materialien versorgt sein [15] [458]. Zum Entlassungszeitpunkt sollten der Entlassungsbericht inklusive Beatmungsprotokoll und Geräteeinstellung sowie Kontaktdaten des weiter betreuenden Zentrums für außerklinische Beatmung und des weiter betreuenden niedergelassenen Arztes vorliegen. Zudem sollte ein Termin für die erste Kontrolluntersuchung im Expertenzentrum festgelegt sein. Der zeitliche und organisatorische Ablauf der Überleitung sind in [ Abb. 9 ] dargestellt.

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Abb. 9 Zeitlicher Ablauf des Überleitmanagements.

6.2 Leben nach Langzeitbeatmung

Die außerklinische Beatmung ist nicht als Fortführung einer intensivmedizinischen Behandlung im ambulanten Bereich zu betrachten. Zwar ist eine kontinuierliche invasive Beatmung eine lebenserhaltende Therapie, im außerklinischen Bereich müssen die Bedürfnisse des individuellen, selbst bestimmten Lebens, der Lebensqualität und schließlich auch des würdevollen Sterbens im Zentrum der langfristigen, oftmals Jahre dauernden Betreuung stehen [16] [454] [455] [460] [462] [463]. Es ist daher eine Versorgung anzustreben, die betroffenen Patienten trotz 24-stündiger Abhängigkeit von medizinischen Geräten und Pflegepersonen eine neue Lebensperspektive ermöglicht. Zur Reintegration in die soziale Gemeinschaft sind ggf. technische Hilfsmittel wie Kommunikations- und Mobilitätshilfen erforderlich. Eine optimal gestaltete außerklinische Beatmungsversorgung kann die Lebensqualität betroffener Patienten nachhaltig verbessern [462] [464]. Die Erfahrung lehrt, dass einige Patienten mittel- bis langfristig doch noch vom Beatmungsgerät zu entwöhnen sind. Hintergrund ist häufig die Konsolidierung einer Critical-Illness-assoziierten Polyneuropathie und/oder Polymyopathie. Diese Tatsache unterstreicht die Notwendigkeit zur langfristigen Betreuung außerklinischer Beatmungspatienten durch Expertenzentren.

Die außerklinische Beatmung sollte kritisch hinterfragt werden, wenn sie nicht zu einer für den Patienten annehmbaren Lebensqualität führt oder – im Rahmen eines palliativmedizinischen Konzeptes – den Sterbeprozess verlängert oder erschwert. Das Therapiekonzept sollte daher regelmäßig überprüft werden [465]. Wenn Patienten den Wunsch nach einem Beatmungsabbruch äußern, sollte umgehend das betreuende Zentrum kontaktiert werden. Ethische Betrachtungen zum Abbruch oder zur Begrenzung von Beatmung, zur Beatmung am Lebensende und zum Sterbeprozess finden sich im Kapitel 7 dieser Leitlinie. Vor der Überleitung in den außerklinischen Bereich sind die kurativ- oder palliativmedizinischen Ziele der ambulanten Betreuung zu definieren. Sie sind ebenso wie die Inhalte einer ggf. vorhandenen Patientenverfügung im Entlassungsbericht zu dokumentieren. Die Behandlungsziele sollten im Rahmen der nachfolgenden Kontrolluntersuchungen überprüft und bestätigt, oder je nach Verlauf revidiert werden. Auch nach mehrmonatiger außerklinischer Beatmung sollte bei jeder Kontrolluntersuchung das Weaningpotenzial neu bestimmt werden, um ein Weaning von der invasiven Beatmung zu erzielen oder gegebenenfalls auf eine nicht-invasive Beatmung umzustellen. Eine solche langfristige Beatmungsentwöhnung sollte nur in Kooperation mit einem spezialisierten Weaningzentrum durchgeführt werden. Von einer endgültigen Dekanülierung oder der Umstellung auf eine nichtinvasive Beatmung im außerklinischen Bereich ist aufgrund möglicher Komplikationen und reduzierter Überwachungsmöglichkeiten abzuraten.

Bei klinischer Verschlechterung unter den Bedingungen der außerklinischen Versorgung sollte das betreuende Zentrum konsultiert werden, um die Versorgungssituation zu überprüfen oder die Behandlungsziele neu zu definieren. Kontrolluntersuchungen sollten – auch bei stabiler Versorgungssituation – mindestens einmal jährlich erfolgen. Die Erfordernis stationärer oder ambulanter Kontrolluntersuchungen ist abhängig vom Krankheitsbild, von der Erkrankungsschwere, der Entfernung vom Zentrum sowie von der Art der notwendigen Untersuchungen und der Ausstattung des Zentrums.


6.3 Besonderheiten bei pädiatrischen Patienten

Bei definitivem Weaningversagen sollte die Behandlungszeit auf der Intensivstation begrenzt und frühzeitig die Pflege in der Familie angestrebt werden. Neben der medizinischen Versorgung sind die Belastbarkeit der Familie und deren räumliche Möglichkeiten zu bedenken. Für die Beatmungszeit muss die außerklinische Versorgung durch einen spezialisierten Pflegedienst gewährleistet sein. Kinder sollten bereits bei einer Beatmungszeit von mehr als 12 h mit mindestens zwei Beatmungsgeräten, die an die Physiologie von Kindern angepasst sind, sowie mit mindestens zwei Absauggeräten ausgestattet werden. Zur Überwachung während der Beatmung ist eine Pulsoxymetrie indiziert. Eine EKG-Überwachung erfolgt nur bei kardiologischer Indikation. Eine endexspiratorische CO2-Messung kann bei schnell wechselnden ventilatorischen Bedingungen erforderlich sein, wie z. B. bei häufigen Krampfanfällen oder Temperaturlabilität [15] [466] [467]. Auch zu medizinisch-pflegerischen und technischen Details in der außerklinischen Versorgung langzeitbeatmeter Kinder sei auf hierzu publizierte Ausführungen [15] verwiesen.

Neben der medizinischen Versorgung sollte bei der Pflege außerklinisch beatmeter Kinder auch die Gesamtentwicklung im Fokus stehen [16] [468] [469]. Bereits bei der Überleitung müssen entsprechende Maßnahmen Teil des Entlassungsmanagements sein. Teilnahme an Sonder- oder Regelkindergärten und Schule ist auch bei beatmeten Kindern anzustreben. Dies kann nur mit individueller Betreuung erreicht werden. Der Personalaufwand ist durch die Verknüpfung pflegerischer und heilpädagogischer Maßnahmen hoch. Weitere notwendige Fördermaßnahmen wie Physiotherapie, Ergotherapie oder Logopädie müssen durch die entsprechenden Förderstellen oder sozialpädiatrischen Zentren festgestellt werden [16] [470].

Kann die Pflege des Kindes nicht innerhalb der Familie gewährleistet werden, treten spezialisierte Pflegeeinrichtungen an deren Stelle. Diese sollten neben der medizinischen Versorgung die Förderung der Kinder auf verschiedenen Ebenen sicherstellen. Kindgemäße Umgebung, stabile Bezugspersonen und entsprechende Förderangebote sind essenziell. Dies können meist nur sowohl auf Kinderbetreuung als auch auf Langzeitbeatmung spezialisierte Einrichtungen mit entsprechend geschulten Mitarbeitern leisten [15] [471]. Nach der Entlassung in die außerklinische Beatmung sollten Kinder regelmäßig zu Kontrolluntersuchungen in einem pädiatrisch erfahrenen Beatmungszentrum vorgestellt werden, um die Beatmungseinstellungen an die aufgrund des Wachstums veränderte physiologische Situation anzupassen und ggf. das Weaningpotenzial zu überprüfen [468].

Empfehlung E35

Eine invasive außerklinische Beatmung sollte idealerweise in einem spezialisierten Weaningzentrum eingeleitet werden, mindestens aber in enger Abstimmung mit dem weiter betreuenden Zentrum für außerklinische Beatmung.

Empfehlung E36

Vor Entlassung in die außerklinische Beatmung sollte der Bedarf an Hilfsmitteln und Materialien sowie medizinischer, pflegerischer und sonstiger therapeutischer Versorgung festgelegt werden. Bei Kindern sollten die notwendigen Fördermaßnahmen definiert sein. Die benötigten Hilfsmittel und Materialien müssen vor der Entlassung funktionsfähig vorhanden sein.

Empfehlung E37

Zum Entlassungszeitpunkt sollte der Entlassungsbericht mit den Angaben zum weiter betreuenden Weaningzentrum oder Zentrum für außerklinische Beatmung, dem weiter betreuenden Arzt, den Behandlungszielen und dem vollständigen Therapieplan inklusive Beatmungsprotokoll und Geräteeinstellung vorliegen.

Empfehlung E38

Patienten mit außerklinischer Beatmung sollten sich mindestens einmal jährlich zur Kontrolluntersuchung im weiter betreuenden Weaningzentrum oder Zentrum für außerklinische Beatmung vorstellen. Bei jeder Kontrolluntersuchung sollten Weaningpotenzial und Behandlungsziele überprüft werden.

Qualitätsindikator QI3

Es existiert ein strukturiertes Überleitmanagement mit Anbindung an geeignete Versorgungsstrukturen.



7 Therapieentscheidungen am Ende des Lebens

7.1 Entscheidungsfindung

Von Beatmung nicht entwöhnbare Patienten haben ein deutlich erhöhtes Risiko, im Verlauf des folgenden Jahres zu versterben [472]. Bei langem Krankenhausaufenthalt und ungünstiger Prognose wird der Entschluss gefasst, die Beatmungstherapie nicht fortzusetzen. Eine Beendigung lebenserhaltender Therapien ist auf vielen Intensivstationen eine gängige Maßnahme. Die Angaben über die Häufigkeit schwanken jedoch sehr und reichen je nach Autor und Land von ca. 30 % bis zu 90 % der auf einer Intensivstation versterbenden Patienten [473] [474] [475] [476]. Diese Zahlen beinhalten den Abbruch verschiedener lebenserhaltender Therapien. Cook et al. berichteten dagegen explizit über den Abbruch mechanischer Beatmung auf kanadischen Intensivstationen bei 19,5 % der verstorbenen Patienten [477]. Diese unterschiedlichen Häufigkeiten lassen sich durch die Verschiedenheiten der jeweiligen kulturellen und religiösen Einstellungen in den unterschiedlichen Ländern erklären.

7.1.1 Entscheidungskriterien

Als objektives Kriterium für solche Entscheidungen ist lediglich der Einsatz von Vasopressoren zu benennen; an subjektiven Kriterien kamen dagegen eine Überlebenswahrscheinlichkeit < 10 %, die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung kognitiver Funktionen und der Verzicht der Patienten auf eine lebenserhaltende Therapie vor [477]. In der europäischen ETHICUS-Studie [478] genannte primäre ärztliche Entscheidungsgründe sind in [Tab. 13] aufgeführt.

Tab. 13

Primäre ärztliche Entscheidungsgründe für „End-of-Life“-Diskussion gemäß ETHICUS-Studie [478].

Entscheidungsgründe für „End-of-Life“-Diskussion

Nichtansprechen auf maximale Therapie

46,4 %

neurologische Defizite

20,0 %

chronische Erkrankung

12,3 %

Multiorganversagen

 9,6 %

schlechte Lebensqualität

 4,1 %

Sepsis/septischer Schock

 3,4 %

Wunsch des Patienten/der Familie

 2,1 %

Alter

 1,5 %

andere

 0,5 %

Für die Patienten jedoch waren nach einer Umfrage bei chronisch Kranken mit einer geschätzten 6-Monats-Mortalität von 50 % und bei akut Kranken über 80 Jahre die Überlebenswahrscheinlichkeit und die zu erwartende Lebensqualität nach der akuten Erkrankung gleich bedeutsam für die Zustimmung zu der Beatmungstherapie; weniger wichtig war ihnen ihre Lebensqualität vor der Behandlung auf der Intensivstation [479].

Eine individuelle Prognose lässt sich nur schwer abschätzen. Scoresysteme bieten keine Hilfe für die individuelle Entscheidung. Auf Intensivstationen sind auch nur wenige Patienten – 20 % z. B. in der Studie von Cook et al. [477] – in der Lage, an weitreichenden Entscheidungen aktiv zu partizipieren. Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten liegen bisher nur bei wenigen Patienten vor und es gibt demzufolge bisher keine ausreichende Erfahrung, in welchem Maß der vom Patienten vorverfügte Wille sich auf die jeweilige Situation anwenden lässt.

Therapieentscheidungen fußen daher überwiegend auf der Einschätzung der behandelnden Ärzte hinsichtlich der Überlebenswahrscheinlichkeit und in Bezug auf den mutmaßlichen Willen des Patienten [477]. In einer internationalen Befragung von Intensivmedizinern zu einem fiktiven Patienten im persistierenden vegetativen Status bei hypoxischer Hirnschädigung nach Herzstillstand ohne Kenntnis seines mutmaßlichen Willens und ohne Familienangehörige bevorzugen Ärzte in Nord- und Zentraleuropa, Kanada und Australien bei Auftreten eines septischen Schocks eine Beendigung der Beatmungstherapie und präterminale Extubation. Ärzte in Japan, Südeuropa, Brasilien, den USA und der Türkei gaben an, eher Antibiotika zu verordnen und die Beatmungstherapie fortführen zu wollen [480]. Eine der wichtigsten rechtlichen Voraussetzungen zur Durchfühung einer ärztlichen Maßnahme ist neben der Einwilligung des Patienten die medizinische Indikation. Der Arzt muss diese Indikation für eine prolongierte Beatmungstherapie nach dem jeweils aktuellen Stand der Wissenschaft überprüfen und entscheiden, ob diese Maßnahme für den Patienten einen Nutzen darstellen kann. Wenn ein primäres Therapieziel (z. B. Lebensverlängerung oder Erhalt der Lebensqualität) nicht realisierbar erscheint, ist die Indikation relativ oder nicht gegeben und die Therapie wird nicht begonnen oder fortgeführt. Wird die Indikation bejaht, müssen der Patient bzw. sein Betreuer informiert und die Einwilligung zur Behandlung eingeholt werden.


7.1.2 Gesetzliche Vorschriften

Bei der Durchführung einer prolongierten Respiratorentwöhnung ist die fortbestehende Indikation regelmäßig zu überprüfen. Eine medizinisch nicht mehr indizierte Beatmungstherapie verlängert das Leiden des Patienten unnötig und darf grundsätzlich nicht durchgeführt oder fortgeführt werden. Eine Beendigung der Beatmung in einer derartigen Situation wird in Deutschland dem Begriff „passive Sterbehilfe“ zugeordnet. Diese ist gesetzlich zulässig und ethisch vertretbar, muss aber durch gute Dokumentation der Entscheidungsfindung von einer strafbaren Tötung auf Verlangen klar abgegrenzt werden [481].

Schriftlich niedergelegte Patientenverfügungen sind – unabhängig von Art und Stadium der Erkrankung – in Deutschland seit 1. September 2009 gesetzlich verbindlich, wenn die darin enthaltenen Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen und es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Betroffene seine Entscheidung zwischenzeitlich geändert hat [482]. Der behandelnde Arzt prüft, welche Maßnahme im Hinblick auf den Gesamtzustand und die Prognose des Patienten indiziert ist. Er und der Betreuer des Patienten erörtern diese Maßnahme unter Berücksichtigung des Patientenwillens als Grundlage für die zu treffende Entscheidung. Die Bereitschaft in der Bevölkerung, eine Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht oder Betreuungsverfügung zu erstellen, ist jedoch generell noch sehr gering [483]. Liegt keine Patientenverfügung vor oder treffen die Festlegungen einer Patientenverfügung nicht auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zu, hat der Betreuer den mutmaßlichen Willen des Betreuten festzustellen und auf dieser Grundlage zu entscheiden [482].


7.1.3 Berücksichtigung von Patientenautonomie und Angehörigenwünschen

Der sog. ärztliche Paternalismus wurde in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr zu Gunsten einer partizipativen Entscheidungsfindung nach Aufklärung (Informed Consent) verlassen. Ist der Patient zu einer Willensäußerung selbst nicht in der Lage und liegt keine Patientenverfügung vor, hat der Betreuer seinen mutmaßlichen Willen festzustellen und auf dieser Grundlage zu entscheiden [482]. Dieses Vorgehen birgt jedoch das Risiko in sich, dass ein Betreuer mit dieser Entscheidung überfordert ist, da er neben medizinisch-fachlichen Fakten auch die persönlichen Werte des Patienten berücksichtigen muss. Eine sog. partizipative Entscheidungsfindung gemeinsam mit Patienten und/oder dessen Angehörigen sowie dem Betreuer erscheint daher der geeignete Weg. Der Prozess der Entscheidungsfindung im Verlauf prolongierter Beatmung ist häufig sehr langwierig, die Sichtweise des betreuenden Teams, des Patienten selbst bzw. seiner Angehörigen ambivalent und divergierend. Eine ärztlich ausgesprochene Empfehlung wird in ca. der Hälfte der Fälle von Familienangehörigen als hilfreich, etwa genauso häufig aber auch als Einmischung empfunden [484]. Falls keine entsprechende Vorsorgevollmacht erstellt und keine gesetzliche Betreuung eingerichtet worden ist, haben Patientenangehörige keine rechtliche Befugnis zur Behandlungsentscheidung. Nahen Angehörigen und Vertrauenspersonen des Betreuten soll nach Gesetz jedoch bei der Feststellung des mutmaßlichen Patientenwillens Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden, sofern dies ohne erhebliche Verzögerung möglich ist [482]. Kulturelle und religiöse Bestimmungen spielen bei Entscheidungen am Lebensende sowie bei der Erörterung dieser Entscheidungen mit Familienangehörigen eine erhebliche Rolle [485].


7.1.4 Ethikkonsile

Therapieentscheidungen am Ende des Lebens verlangen vom Arzt neben der intensivmedizinischen auch eine ethische und palliativmedizinische Kompetenz [486]. Beratungen oder Konsile durch sog. Ethikkomitees sind v. a. in Situationen divergierender Sichtweisen hilfreich [487] und können auch generell zu einer Verbesserung der Kommunikation über den Entscheidungsprozess beitragen [488]. Derartige Komitees sollen interdisziplinär und multiprofessionell zusammengesetzt sein, um zu medizinischen, ethischen, psychosozialen, spirituellen und juristischen Fragen Stellung nehmen zu können. So soll z. B. die Prognose der Grunderkrankung von einem entsprechenden Facharzt, nicht allein von dem die Respiratorentwöhnung durchführenden Arzt, beurteilt werden. Einseitige Entscheidungsfindungen durch Ärzte ohne Berücksichtigung des mutmaßlichen Patientenwillens sind dagegen nicht zulässig. Extrem schwierig stellt sich die Situation jedoch bei nicht entscheidungsfähigen Patienten ohne Angehörige dar: Meist entscheidet dann das Intensivteam ohne weitere Rechts- oder Ethikberatung [489] [490]. Diese gängige Praxis erfordert weitere Forschung und öffentliche Diskussion.

Empfehlung E39

Die Patientenautonomie ist ein wichtiges ethisches Grundprinzip und muss, sofern sie zum Ausdruck gebracht worden ist oder werden kann, bei End-of-Life-Entscheidungen beachtet werden. Eine Möglichkeit der Willensäußerung bereits vor Eintreten einer End-of-Life-Situation ist die Erstellung einer Patientenverfügung.

Empfehlung E40

Bei End-of-Life-Entscheidungen soll als Alternative zur autonomen Entscheidung durch den Patienten oder seinen Betreuer, falls diese nicht erfolgen kann, eine partizipative Entscheidungsfindung (im Gespräch zwischen Ärzten, Pflege und Familie) bevorzugt werden.

Empfehlung E41

In Konfliktfällen bei End-of-Life-Entscheidungen, z. B. innerhalb der Patientenfamilie oder zwischen Familie und Therapeuten, soll ein Ethikkomitee eingeschaltet werden.

Qualitätsindikator QI4

Die Weaningabteilung hat Zugang zu einem Ethikkomitee, das bei schwierigen und strittigen End-of-Life-Entscheidungen einberufen wird.



7.2 Kommunikation

7.2.1 Aufklärung von Patient und Angehörigen

Kommunikation mit den Patienten und deren Angehörigen soll bei diesen schwierigen Fragen oberste Priorität haben. Die Kommunikation soll frühzeitig beginnen und die Behandlung kontinuierlich begleiten. Prinzipiell soll man in der Kommunikation mit Patienten oder deren Angehörigen nicht von einem Therapieabbruch, sondern von einer Therapiezieländerung sprechen. Bei einer Therapiezieländerung wird z. B. die Absicht aufgegeben, Organfunktionen wiederherzustellen. Sie wird jedoch ersetzt durch die Absicht, eine weitgehende Beschwerdelinderung und bestmögliche Lebensqualität zu erzielen. Bei Patienten etwa mit chronisch pulmonalen Erkrankungen, wie einer chronisch obstruktiven Atemwegserkrankung (COPD), wäre im Vorfeld eine Diskussion über die Thematik „Beendigung einer Beatmungstherapie“ durchaus möglich. Nach Angaben von Curtis et al. beklagten die Patienten, dass die meisten Ärzte mit ihnen nicht über ihre Prognose, Sterben und Spiritualität gesprochen hätten [491]. Häufig stehen jedoch dieser Aufklärung von Seiten der Patienten Angst und Vermeidungshaltung entgegen. Bei langzeitbeatmeten Patienten ohne Analgosedierung ist eine entsprechende Kommunikation auch während der Beatmungstherapie möglich. Der Arzt muss dabei erkennen, wann der Patient bereit ist, über den Tod zu sprechen. Dabei ist es hilfreich, Hinweise des Pflegeteams und der Angehörigen aufzugreifen.

Eine Umfrage in europäischen Intensivstationen ergab, dass die Wünsche von Intensivpatienten zu End-of-Life-Care nur in ca. 20 % bekannt waren [492]. Den Familien wurde zwar häufig eine End-of-Life-Entscheidung mitgeteilt, befragt wurden sie dazu jedoch nur selten. Als Gründe dafür wurden angegeben: der Patient spricht auf die Therapie nicht an, die Familie ist nicht erreichbar sowie die Annahme, dass die Familie die Problematik nicht verstünde. Eine Umfrage auf französischen Intensivstationen zur Familienbeteiligung bei der medizinischen Entscheidung ergab, dass ca. ein Drittel der Angehörigen die Bedeutung tatsächlich nicht erfassten; sie waren oft ängstlich und depressiv [493]. Die Mehrzahl der Ärzte und nicht-ärztlichen Mitarbeiter der Intensivstation waren der Ansicht, dass die Familien in die Entscheidung mit einbezogen werden sollten; umgesetzt wurde dies aber nur bei weniger als der Hälfte der Patienten. Etwa die Hälfte der Familienmitglieder äußerte den Wunsch, in die Entscheidung einbezogen zu werden; nur sehr wenige haben dann aber tatsächlich eine Entscheidung getroffen. Dabei kann intensive Kommunikation mit Patienten und Familienangehörigen zu einer Abkürzung des Intensivaufenthaltes führen, da die Patienten früher symptomorientiert palliativmedizinisch betreut werden [494].


7.2.2 Gesprächsführung

Bei Familiengesprächen sind zwei Kommunikationsstrategien der Ärzte zu erkennen: entscheidungsorientierte und informationsorientierte Gespräche [495]. Inhaltlich wird meist über den zu erwartenden funktionellen Patientenstatus oder die Lebensqualität gesprochen, weniger häufig über die zu erwartende Überlebensprognose [496]. Daneben kommt auch den Rahmenbedingungen, wie dem Kommunikationsstil, dem Verständnis für die emotionalen Probleme und der Unterstützung des familiären Entscheidungsprozesses, eine besondere Bedeutung zu [497]. Besonders schwierig sind diese Gespräche mit fremdsprachigen Familien. Gesprächsaufzeichnungen zeigen ein hohes Risiko, dass diese weniger Informationen und weniger emotionale Unterstützung erhalten [498]. Wenn Familienangehörige sich nicht entscheiden können oder untereinander uneinig sind, besteht das Risiko, dass Ärzte zur Therapiebegrenzung Druck ausüben. Das Verständnis von Familienmitgliedern über die Beatmungstherapie ändert sich im Laufe der Zeit, es wird durch die Gewöhnung an die Umgebung der Intensivstation und ihre Abläufe beeinflusst. Durch fortwährende, einfühlsame Kommunikation wird so schließlich eine einvernehmliche Entscheidung möglich.

Familiengespräche müssen mit der gleichen Sorgfalt geplant und strukturiert werden wie alle anderen Intensivmaßnahmen. Zur gemeinsamen Entscheidungsfindung sollen weitere Berufsgruppen, v. a. Pflegepersonal aktiv mit einbezogen werden. Gerade Pflegepersonen können vegetative Reaktionen des Patienten als eine Form des Ausdrucks der Befindlichkeit häufig gut erkennen. Zur Verbesserung der Kommunikation untereinander dienen u. a. gemeinsame Visiten und interprofessionelle Dialoge. Ideal wären interdisziplinär zusammengesetzte Palliativpflegeteams (Sozialarbeiter, Seelsorger, Psychologen), die sowohl den Patienten und ihren Angehörigen als auch den Mitarbeitern zur Seite stehen.

Empfehlung E42

Es soll in Gesprächen nicht der Begriff „Abbruch ärztlich therapeutischer Maßnahmen“, sondern „Therapiezieländerung“ verwendet werden. Dabei stehen Symptomlinderung und bestmögliche Lebensqualität im Vordergrund. Strukturiert geführte Gespräche mit Patienten, Familienangehörigen und den Teammitgliedern verbessern die Betreuungsqualität.



7.3 Durchführung

7.3.1 Methoden der Beendigung einer Beatmungstherapie

Die Beatmungstherapie kann entweder abrupt beendet, langsam im Umfang reduziert (Rücknahme der Invasivität der Beatmung, wie Reduktion von PEEP oder FiO2) oder auch vorenthalten werden (z. B. keine Beatmung bzw. keine Eskalation bei Verschlechterung der respiratorischen Insuffizienz). Auf Intensivstationen werden Therapievorenthalt oder -abbruch sehr unterschiedlich gehandhabt: Eine Umfrage auf europäischen Respiratory Intermediate Care Stationen im Jahr 2005 hat ergeben, dass bei 21,5 % der Patienten mit chronisch pulmonalen Erkrankungen eine End-of-Life-Entscheidung gefällt worden ist, von diesen sind 68 % gestorben [499]. Bei 11 % dieser Patientengruppe wurde ein Therapieabbruch durchgeführt.

Asch et al. beobachteten, dass lebenserhaltende Therapien immer in einer bestimmten Reihenfolge abgebrochen wurden: zunächst wurden die Gabe von Blutprodukten, Hämodialyse und Vasopressoren eingestellt, danach Beatmung und zuletzt Volumensubstitution und Ernährung [500]. Je „künstlicher“ eine Therapie erschien, desto früher wurde sie abgebrochen.


7.3.2 Akzeptanz durch die Familie

Gerstel et al. analysierten den zeitlichen Ablauf einer Therapiezieländerung in 15 US-amerikanischen Intensivstationen: Bei etwa der Hälfte der Patienten wurden die lebenserhaltenden Interventionen über einen Zeitraum von mehr als einem Tag beendet [501]. Diese Patienten waren eher jünger, hatten einen längeren Intensivaufenthalt, erhielten mehr lebenserhaltende Therapien und es waren mehr Entscheidungsträger involviert. Die Angehörigen waren mit diesem verzögerten Ablauf deutlich zufriedener.


7.3.3 Terminales Weaning

Campbell et al. beschrieben in einer kleinen Fallserie die Patientenreaktion auf den Vorgang des sog. Terminalen Weanings [486]. Dies beinhaltet eine schrittweise Reduktion der Beatmung mit Belassen des Beatmungszuganges – im Gegensatz zur terminalen Extubation, bei der die Beatmung abrupt beendet und der Beatmungszugang entfernt wird. Während des Weanings wurden sowohl physiologische Parameter wie Herz- und Atemfrequenz, Sauerstoffsättigung, endexspiratorischer pCO2 gemessen als auch der Patientenkomfort mittels EEG und Scores geschätzt. Die Patienten benötigten keine oder nur eine geringe Analgosedierung (Morphin, Benzodiazepine), wobei die Bewusstseinslage der Patienten vor Beginn der Therapiereduktion deutlich eingeschränkt war. Die Überlebensdauer nach dem Weaning korrelierte nicht mit der Tiefe der Analgosedierung. Die subjektive Einschätzung des Patientenkomforts mittels Skalen korrelierte mit den Daten der bispektralen EEG-Analyse.


7.3.4 Medikamentöse Therapie

Nach den Grundsätzen der Bundesärztekammer kann bei Sterbenden die Linderung von Leiden so im Vordergrund stehen, dass eine möglicherweise dadurch bedingte unvermeidbare Lebensverkürzung hingenommen werden darf [481]. Eine gezielte Lebensverkürzung durch Maßnahmen, die den Tod herbeiführen oder das Sterben beschleunigen sollen, ist als aktive Sterbehilfe unzulässig und mit Strafe bedroht. Die ETHICUS Study Group hat gezeigt, dass hier keine klare Grenze gezogen werden kann, sondern ein Graubereich existiert: bei 72,6 % der gestorbenen Patienten wurde ein Therapieabbruch und bei 2,2 % eine aktive Verkürzung des Sterbeprozesses mittels analgosedierender Medikamente durchgeführt [502]. Die durchschnittlichen Dosen waren jedoch – im Gegensatz zu Angaben in anderen Studien [503] – nicht höher als bei den anderen Patienten. Dennoch nahmen die Ärzte an, dass diese Medikamentendosis bei den meisten Patienten zum Tode geführt habe.

OʼMahony et al. haben – entsprechend einer in ihrer Klinik durch ein interdisziplinäres Palliativpflegeteam erarbeiteten Verfahrensanweisung – eine terminale Extubation durchgeführt und retrospektiv die Akten auf Patientenreaktionen durchgesehen: 16 von 21 Patienten waren auf Normalpflegestation verlegt worden, alle Patienten wurden durch das Palliativpflegeteam und einen „Respiratory Therapist“ betreut [504]. Patientendyskomfort wie Agitation, Atemnot und Angst wurden kontinuierlich evaluiert und die analgosedierenden Medikamente wurden danach dosiert: Die Hälfte der Patienten war während der Extubation symptomatisch und benötigte Opioide oder Benzodiazepine, davon bei zwei Drittel in Form von Bolusgabe, bei einem Drittel als kontinuierliche Infusion. Opioide und Benzodiazepine lindern Leiden, können aber auch den Tod beschleunigen.

Der Einsatz von Muskelrelaxantien (ohnehin nur in Kombination mit Sedierung) bei der Beendigung der Beatmung ist unzulässig, denn dieser entspricht durch primäre Funktionsschädigung der in Deutschland verbotenen, aber z. B. in den Niederlanden erlaubten sog. aktiven Sterbehilfe. Muskelrelaxantien werden daher nie bei oder nach einem Abbruch der Beatmung eingesetzt, d. h. sie werden zuvor abgesetzt und die Beatmung erst beendet, wenn die neuromuskuläre Funktion wiederhergestellt ist.


7.3.5 Präfinale Rasselatmung

Nach Beendigung der Beatmung kann eine in- und exspiratorische Rasselatmung (sog. „Todesrasseln“) auftreten, die durch vermehrte pharyngo-tracheale Sekretbildung oder ein (terminales) Lungenödem bedingt ist. Dieses Rasseln ist ein Hinweis auf den eingetretenen Sterbeprozess und beeinträchtigt die in ihrem Wachbewusstsein eingeschränkten Patienten wahrscheinlich wenig. Für Angehörige kann das akustische Phänomen des Rasselns jedoch eine erhebliche Belastung darstellen. Um die Sterbebegleitung der Angehörigen zu erleichtern, soll deswegen auch dieses Symptom gelindert werden [505]. Absaugmanöver erreichen nur Sekrete in Pharynx oder Trachea und wirken auch nur kurzzeitig. Zur Sekretionsminderung soll auf eine Volumenzufuhr verzichtet werden, bevor anticholinerge Medikamente wie Butylscopolaminiumbromid oder Glycopyrroniumbromid gegeben werden.

Empfehlung E43

Zur Verhinderung von Stress und Leiden durch Atemnot in der Sterbesituation muss eine in der Dosis individuell angepasste Anxiolyse und Sedierung durchgeführt und exakt dokumentiert werden. Eine eventuelle Lebenszeitverkürzung durch unvermeidbare Nebenwirkungen darf dabei in Kauf genommen werden.



7.4 Organisation

7.4.1 Verfahrensanweisungen

In einigen Intensivabteilungen wurden Protokolle zum Therapieabbruch entwickelt und die Erfahrungen hiermit publiziert. Holzapfel et al. (Frankreich) berichteten 2001 über ein 4-Schritte Protokoll, wobei es sich hier nicht um ein Ablaufprotokoll, sondern eine Patienteneingruppierung handelte [506]:

  • Gruppe 1 – Keine Therapiebegrenzung

  • Gruppe 2 – Keine Reanimation und Begrenzung von Vasopressoren

  • Gruppe 3 – Therapieabbruch außer Beatmung mit Raumluft, Analgosedierung, Flüssigkeit, symptomorientierte Pflege

  • Gruppe 4 – Wie Gruppe 3, jedoch Hypoventilation (Minutenvolumen 5 l/min) und tiefere Analgosedierung

Pflege und Familienangehörige wurden in die Entscheidungen mit einbezogen. Die Entscheidung wurde in allen Fällen in den Krankenakten ausführlich dokumentiert (nicht nur mit einem Kommentar wie z. B. „Keine weiteren Intensivmaßnahmen“). Später hat diese Arbeitsgruppe eine Variation mit fünf Gruppen beschrieben, hinzu kam die Beendigung der Beatmung [507].

Treece et al. überprüften die Zufriedenheit von Pflegekräften und Ärzten mit einer Verfahrensanweisung „Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen“: Ca. die Hälfte der Pflegekräfte benutzte sie und sie wurde ganz überwiegend für nützlich gehalten [508]. Ein Score zur Qualität des Sterbens ergab keine signifikante Änderung nach Einführung des Protokolls. Die Gesamtdosis von Narkotika und Benzodiazepinen nahm zu, die Zeitspanne nach Beatmungsabbruch bis zum Eintreten des Todes blieb jedoch gleich.


7.4.2 Dokumentation

Gute Dokumentation sorgt auch für Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Entscheidungsprozesse. Kirchhoff et al. überprüften die Dokumentation in den Krankenakten von 50 Patienten: Die Entscheidung zum Therapieabbruch (überwiegend Beatmung) war in allen Fällen dokumentiert; deutlich seltener wurde jedoch festgehalten, wer bei der Maßnahme dabei war, wann damit begonnen wurde und welche Medikamente angewandt wurden [509].

Patientenzentrierte Pflege bedeutet, die Familien in unsere therapeutischen Bemühungen mit einzubeziehen. Neben einer intensiven Kommunikationsstrategie kann z. B. auch eine Trauerbroschüre zur höheren Zufriedenheit beitragen [510].

Empfehlung E44

Die Entscheidungsfindung zum Abbruch der Beatmung und der Prozess als solcher sind genauso exakt zu dokumentieren wie jede andere Maßnahme.


7.4.3 Empfehlungen anderer Gesellschaften

Eine Task Force des American College of Critical Care Medicine sowie der Society for Critical Care Medicine hat klinische Leitlinien zur Unterstützung der Familien von Patienten auf der Intensivstation erarbeitet. Sie plädieren v. a. für die sogenannte partizipitative Entscheidungsfindung, frühzeitige und wiederholte Familiengespräche, um deren Stress abzubauen und die Kontinuität in der Kommunikation zu verbessern, die Berücksichtigung kultureller Unterschiede, spirituellen Beistand, Mitarbeiterschulung und -supervision, um die Belastung durch die Interaktionen mit den Familien zu minimieren, Anwesenheit der Familie bei Visiten und bei Reanimation, offene flexible Besuchszeiten, Familienbetreuung vor, während und nach dem Tod des Patienten [511]. Seitens der Europäischen Gesellschaft für Palliativmedizin (EAPC) ist 2009 eine Leitlinie für den Einsatz sedierender Maßnahmen in der Palliativversorgung veröffentlicht worden [512].

Die Berücksichtigung dieser Punkte zeichnet eine patientenzentrierte Intensivstation aus. Die Datenlage zu diesen Themen ist jedoch dürftig, es fehlen hochwertige Studien. Um unsere Einstellungen zum Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen besser verstehen zu lernen und sie nötigenfalls auch zu ändern, muss klinische Forschung auch am Lebensende erfolgen. Daraus können dann Strategien zur Qualitätsverbesserung der Patientenbetreuung am Lebensende entwickelt werden.



7.5 Besonderheiten bei pädiatrischen Patienten

Bei Säuglingen und Kindern ist Therapielimitierung oder -beendigung in Deutschland aus zwei Situationen heraus notwendig und derzeit ethisch akzeptiert. 1) Bei Aussichtslosigkeit der Therapie bedeutet deren Fortführung nur Verlängerung von Leiden. Aussichtslosigkeit bedeutet hier: Gewinn von nur kurzer Lebenszeit, die nicht im Verhältnis zu dem Leiden, das der Patient dafür erdulden muss, steht. 2) Die Lebensqualität des Kindes bei Überleben wird als unzumutbares Leiden ohne Möglichkeit zur Besserung eingeschätzt [513] [514]. Häufiger erfolgt die Therapiebeendigung aufgrund der Aussichtslosigkeit der Therapie [515]. Schwere geistige oder körperliche Behinderung oder Respiratorabhängigkeit müssen die subjektive Lebensqualität eines Kindes nicht maßgeblich beeinträchtigen [516] [517] [518]. Die Prognose einer unerträglich schlechten Lebensqualität ist dadurch schwierig vorhersagbar. In diesen Fällen ist es Aufgabe des Arztes, das bestmögliche Kindesinteresse (manche Juristen reden hier auch von dem mutmaßlichen Willen des Kindes) auf Leben oder Sterben nach ethischen Gesichtspunkten zu ermitteln. Die Notwendigkeit einer Therapieeinschränkung im Kindesalter sollte im Rahmen eines formalen ethischen Konsils festgestellt werden. Das Ergebnis wird den Eltern/Sorgeberechtigten vermittelt und die Eltern/Sorgeberechtigten werden auch über alle sonstigen Behandlungsmöglichkeiten und Konsequenzen beraten. Die Entscheidung über die weitere Therapie wird gemeinsam mit den Sorgeberechtigten getroffen [513] [519] [520] [521] [522].

Eltern benötigen unterschiedlich viel Zeit, um die Situation zu verstehen, zu akzeptieren und eine Entscheidung zur Therapiebeendigung mittragen zu können [523]. Enge Führung ohne Drängen und psychologische Unterstützung der Eltern ist notwendig. Die meisten Eltern möchten bei einer Therapiebeendigung anwesend sein und eventuell das Kind im Arm halten [515].

Empfehlung E45

Bei Aussichtslosigkeit der Therapie oder nicht zumutbarem Leiden ohne Möglichkeit zur Besserung bei Überleben ist das bestmögliche Kindesinteresse auf Leben oder Sterben zu ermitteln.

Empfehlung E46

Behinderung oder Heimbeatmung müssen nicht die subjektive Lebensqualität von Kindern beeinträchtigen.

Empfehlung E47

Entscheidungen über Fortführung oder Beendigung von Therapie sollten bei Kindern im Rahmen eines ethischen Konsils und im Einvernehmen mit den Eltern getroffen werden.

Empfehlung E48

Man sollte Eltern ermöglichen, bei der Therapiebeendigung anwesend zu sein.



8 Das Weaningzentrum/die Weaningeinheit

Die zunehmende Anzahl von Patienten, die ein prolongiertes Weaning mit all seinen personellen und finanziellen Implikationen für das Gesundheitssystem [10] benötigen, überschreitet häufig die vorhandenen Ressourcen der Krankenhäuser, insbesondere da solche Patienten erhebliche Anforderungen an Medizin und Pflege stellen. Durch die zunehmende Lebenserwartung und auch Ausweitung von Operationsindikationen wird die Situation in der Zukunft nicht besser. Derzeit gibt es in Deutschland ca. 30 Intensivbetten pro 1000 Einwohner [524]. Auch wenn Patienten im prolongierten Weaning auf den Intensivstationen quantitativ eher eine geringere Rolle spielen (ca. 10 %) [10], können spezialisierte Weaningzentren eine Entlastung darstellen. Die Infrastruktur eines Weaningzentrums oder einer Weaningeinheit innerhalb einer Intensivstation sind infolge der Pluralität der Krankenhausstruktur in Deutschland sehr unterschiedlich. Nähere Vorgaben zu der strukturellen Organisation der Weaningeinheit zu machen, ist nicht Aufgabe dieser Leitlinie. Es wird deswegen im Folgenden nur dann auf die Struktur bzw. Ausstattung eines Weaningzentrums/einer Weaningeinheit Bezug genommen, wenn es die Pathophysiologie des prolongierten Weanings bzw. die Inhalte der Leitlinie betrifft.

Die apparative Ausstattung entspricht der einer Intensivstation. Ein besonderer Schwerpunkt ist darüber hinaus die nicht-invasive Beatmung, zu deren Stellenwert im Weaning auf die S3-Leitlinie „Nichtinvasive Beatmung bei akuter respiratorischer Insuffizienz“ [19] verwiesen wird. Auch im prolongierten Weaning mit häufig vorliegender persistierender Schwäche der Atempumpe spielt sie eine entscheidende Rolle, um die Anzahl der Patienten, die invasiv beatmet in die außerklinische Beatmung entlassen werden, sowohl aus humanitären aber auch aus finanziellen Gründen zu reduzieren. Nach den Ergebnissen einer aktuellen Umfrage [525] werden ca. 30 % der in pneumologischen Zentren entwöhnten Patienten mit einer nicht-invasiven außerklinischen Beatmung entlassen. Deswegen müssen Respiratoren für Maskenbeatmung bzw. außerklinische Beatmung zur Verfügung stehen, um die Patienten hieran adaptieren zu können. Ein entsprechendes Armentarium an Masken (Nasen-, Nasen-/Mund- sowie Gesichtsmasken) ist unbedingt erforderlich, um die nicht-invasive Beatmung sachgerecht durchführen zu können.

8.1 Einstellung auf nicht-invasive außerklinische Beatmung im prolongierten Weaning

Sinnvoll im Weaningzentrum/der Weaningeinheit ist ein Bereich mit dem Schwerpunkt der nicht-invasiven Beatmung, da nicht selten ein hyperkapnisches Atempumpenversagen dem Weaningversagen zugrunde liegt und auch nach abgeschlossenem Weaning fortbesteht (siehe Kapitel  5.6.1.1). Eine Alternative ist eine Krankenhaus-übergreifende Zusammenarbeit mit einem Zentrum mit entsprechender Expertise, damit NIV und das Entlassungsmanagement in die außerklinische Beatmung gut funktionieren. Die Erfahrungen zeigen, dass bei räumlicher Distanz häufig Probleme und Reibungsverluste an diesen Schnittstellen auftreten.


8.2  Qualitätsmanagement und Outcome

Für die Intensivmedizin fehlen oft Ergebnisanalysen bzw. Outcome-Daten. Bisherige Studien zeigen, dass es relativ einfach ist, Outcome-Daten vor allen Dingen über die Erfolgsrate des Weaningprozesses in Abhängigkeit von der Grunderkrankung und der Vorbeatmungszeit zu erstellen. Dem Weaningzentrum/der Weaningeinheit wird dringend empfohlen, solche Outcome-Analysen möglichst im Verbund durchzuführen. Modelle hierzu gibt es bereits [526].

Empfehlung E49

Neben der Standardausstattung gehören zur Weaningeinheit innerhalb einer Intensivstation Maskensysteme und Ventilatoren, wie sie in der außerklinischen Beatmung zum Einsatz kommen.


8.3 Besonderheiten bei pädiatrischen Patienten

Weaning oder Überleitung in Langzeitbeatmung findet meist auf den pädiatrischen Intensivstationen der großen Kinderkliniken statt. Eine Spezialisierung für diesen Bereich ist gewünscht. Intermediate Care mit kindgerechterer Umgebung wäre gerade bei Überleitung in die außerklinische Beatmung wünschenswert. Kennzeichen einer Spezialisierung für pädiatrisches Entwöhnen und Überleitung sollte sein: Ausstattung und Expertise in der pädiatrischen Intensivmedizin, in der invasiven und nicht-invasiven Beatmung und außerklinischen Beatmung, in der Behandlung neuromuskulärer Erkrankungen, in der Überleitung zur ambulanten Behandlung, Erfahrung im Management von Trachealkanülen inklusive Möglichkeit zur Bronchoskopie, konsiliarische Betreuung durch HNO-Heilkunde, pädiatrische Thoraxchirurgie, pädiatrische Radiologie sowie pädiatrische Gastroenterologie, fakultativ auch die Möglichkeit zur Polysomnografie sowie eine Nachsorgeambulanz für die Weiterbetreuung nach Entlassung. Strukturelle Voraussetzungen sind: kindgerechte Umgebung, dauernde Anwesenheit bzw. unmittelbare Erreichbarkeit von Pflegepersonal (Ängste der Kinder), Erzieher/Spielzimmer, Schule für Kranke, Physiotherapie, Elternwohnung sowie Möglichkeit für „Rooming in“, psychologische Begleitung der Eltern. Spezialisierung im prolongierten Weaning von Kindern sollte sich in entsprechenden Fallzahlen abbilden: Mindestens 10 Fälle von prolongiertem Weaning von Kindern/Jahr und 5 Fälle von Überleitung in außerklinische Beatmung von Kindern/Jahr. Im Folgenden gegebene Empfehlungen stützen sich v. a. auf Ansichten der Expertengruppe:

Empfehlung E50

Für Spezialisierung auf das Weaning und die Überleitung im Kindesalter ist Expertise in diversen pädiatrischen Subdisziplinen notwendig.

Empfehlung E51

Strukturelle Voraussetzungen umfassen kindgerechte Umgebung und auf Kinder spezialisierte Personalstrukturen.

Empfehlung E52

Spezialisierung in prolongiertem Weaning von Kindern sollte sich in entsprechenden Fallzahlen abbilden.



Abkürzungsverzeichnis

ACV: Assist Control Ventilation (assistiert-kontrollierte Beatmung)
AF: Atemfrequenz
AF/VT: Atemfrequenz geteilt durch Tidalvolumen
AG: Arbeitsgemeinschaft
ALS: Amyotrophe Lateralsklerose
AOK: Allgemeine Ortskrankenkasse(n)
APACHE: Acute Physiology And Chronic Health Evaluation
APCV: Assisted Pressure Controlled Ventilation (assistiert-druckkontrollierte Beatmung)
ASIA: American Spinal Injury Association
ASPEN: American Society for Parenteral and Enteral Nutrition
ARDS: Acute Respiratory Distress Syndrome
ARI: Akute respiratorische Insuffizienz
ASV: Adaptive Support Ventilation
ATC: Automated Tube Compensation (automatische Tubus-Kompensation)
ATS: American Thoracic Society
AWMF: Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V.
AZV: Atemzugvolumen
A’V: Alveoläre Ventilation
BPS: Behaviour Pain Scale
C4: Cervikalmark 4
CAM-ICU: Confusion Assessment Method for the ICU
CaO2 : Arterial Content of Oxygen (arterieller Sauerstoffgehalt)
CIM: Critical-Illness-Myopathie
CIP: Critical-Illness-Polyneuropathie
CIPNM: Critical-Illness-assoziierte Polyneuropathie und/oder Polymyopathie
cmH2O: Zentimeter Wassersäule
CO: Cardiac Output (Herzauswurfleistung)
COI: Conflict of Interest
CO2 : Kohlendioxid
COPD: Chronic Obstructive Pulmonary Disease (chronisch obstruktive Lungenerkrankung)
CPAP: Continuous Positive Airway Pressure (kontinuierlicher positiver Atemwegsdruck)
CROP: Compliance, Respiratory Rate, Arterial Oxygenation und Pimax
CV: Controlled Ventilation (kontrollierte Beatmung)
CVI: Chronisch ventilatorische Insuffizienz
DGAI: Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e. V.
DGCH: Deutsche Gesellschaft für Chirurgie
DGEM: Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin e. V.
DGF: Deutsche Gesellschaft für Fachkrankenpflege und Funktionsdienste e. V.
DGG: Deutsche Gesellschaft für Geriatrie e. V.
DGIIN: Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin e. V.
DGK: Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e. V.
DGNI: Deutsche Gesellschaft für Neurointensiv- und Notfallmedizin e. V.
DGP: Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V.
DGP: Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin e. V.
DIGAB: Deutsche Interdisziplinäre Gesellschaft für Außerklinische Beatmung e.V.
dl: Deziliter
DMGP: Deutschsprachige Medizinische Gesellschaft für Paraplegie e. V.
DO2 : Delivery of Oxygen (Sauerstoff-Angebot)
E: Empfehlung
EAPC: European Association for Palliative Care
EEG: Elektroenzephalogramm
EK: Erythrozytenkonzentrat
EKG: Elektrokardiogramm
EPA: Eikosapentaensäure
ERS: European Respiratory Society
ESICM: European Society of Intensive Care Medicine
ESPEN: European Society for Parenteral and Enteral Nutrition
ETHICUS: End-of-Life Practices in European Intensive Care Units
FEES: Fiberoptic Endoscopic Examination of Swallowing (endoskopische Schluckakt-Untersuchung)
FiO2 : Inspiratorische Sauerstofffraktion
f/V(T): Atemfrequenz geteilt durch Tidalvolumen (in Litern) – entspricht dem RSBI
g: Gramm
GLA: Gamma-Linolensäure
GNPI: Gesellschaft für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin
h: Stunde/Stunden
Hb: Hämoglobin
HCO3 - : Bikarbonat
HF: Herzfrequenz
HFCWO: High Frequency Chest Wall Oscillation
HIV: Humanes Immundefizienz-Virus
HLA: Humane leukozytäre Alloantigene
HNO: Hals-Nasen-Ohren
ICDSC: Intensive Care Delirium Screening Checklist
ICU: Intensive Care Unit (Intensivstation)
IgA: Immunglobulin A
IPPB: Intermittent Positive Pressure Breathing
IPV: Intrapulmonary Percussion Ventilation
Kcal: Kilokalorien
kg: Kilogramm
KG: Körpergewicht
l: Liter
M: Morbus
MDK: Medizinischer Dienst der Krankenkassen
MDS: Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e. V.
MEDLINE: Medical Literature Analysis and Retrieval System Online
mg: Milligramm
min: Minute
ml: Milliliter
mm: Millimeter
mmHg: Millimeter Quecksilber
mmol: Millimol
MV: Mechanical Ventilation (mechanische Beatmung)
NGP: Nominaler Gruppenprozess
NIV: Non-invasive Ventilation (nicht-invasive Beatmung)
NRS: Numeric Rating Scale
O2 : Sauerstoff
OP: Operation
PaCO2 : Kohlendioxid-Partialdruck
PAH: Pulmonal arterielle Hypertonie
PaO2 : Arterieller Sauerstoffpartialdruck
PAV: Proportional Assist Ventilation
PAV + : Proportional Assist Ventilation With Adjustable Gain Factors
PCF: Peak Cough Flow (Spitzenfluss während eines Hustenmanövers)
PCV: Pressure Controlled Ventilation (druckkontrollierte Beatmung)
PDT: Perkutane Dilatationstracheotomie
PEEP: Positive End-Expiratory Pressure (positiv endexspiratorischer Druck)
PEP: Positiver Exspirationsdruck
PETCO2 : Endtidaler Kohlendioxid-Partialdruck
PEF: Peak Expiratory Flow (maximaler Ausatemfluss)
PEG: Perkutane endoskopische Gastrostomie
PEJ: Perkutane endoskopische Jejunostomie
Pimax: Maximaler Inspirationsdruck
PIP: Peak Inspiratory Pressure
Pmus: Atemanstrengung des Patienten
PO2 : Sauerstoffpartialdruck
Post-TBC-Syndrom: Langzeitfolgen nach pulmonaler Tuberkulose
PRCT: Prospective Randomised Controlled Trial
PSV: Pressure Support Ventilation (druckunterstützte Beatmung)
QI: Qualitätsindikator
QSL: Querschnittlähmung
RASS: Richmond Agitation Sedation Scale
REM: Rapid Eye Movement
RR: Blutdruck (nach Riva-Rocci)
RSBI: Rapid Shallow Breathing Index
SaO2 : Arterielle Sauerstoffsättigung
SAT: Spontaneous Awakening Trial (spontaner Aufwachversuch)
SBT: Spontaneous Breathing Trial (Spontanatmungsversuch)
SCCM: Society of Critical Care Medicine
SGB: Sozialgesetzbuch
SIMV: Synchronized Intermittent Mandatory Ventilation
SRLF: Société de Réanimation de Langue Française
SMA1: Spinale Muskelatrophie Typ 1
ST-Senkung: Absenkung der ST-Strecke im Elektrokardiogramm
ScvO2 : Zentralvenöse Sauerstoffsättigung
TACO: Transfusion Associated Circulatory Overload (transfusionsassoziierte Volumenüberladung)
TRALI: Transfusion Related Acute Lung Injury (transfusionsinduzierte akute Lungeninsuffizienz)
T-Stück: T-förmiger Ansatz für den Tubus/die Trachealkanüle mit 2 seitlichen Filtern
UAO: Upper Airway Obstruction
US: United States
USA: United States of America
V’A: Alveoläre Ventilation
VAS: Visual Analogue Scale (visuelle Analogskala)
vCJK: Variante Creutzfeld-Jakob Krankheit
VCO2 : Produktion von Kohlendioxid
VCV: Volume Controlled Ventilation (volumenkontrollierte Beatmung)
VIDD: Ventilator Induced Diaphragmatic Dysfunction
VRS: Visual Rating Scale
VT: Tidalvolumen
ZVK: Deutscher Verband für Physiotherapie (ZVK) e. V.


Für die besonders hilfreiche Unterstützung in der redaktionellen Arbeit bei der Erstellung der Leitlinie sei Prof. Dr. H. Burchardi besonders gedankt.

* Weitere beteiligte Wissenschaftliche Fachgesellschaften und Institutionen:
Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e. V. (DGAI)
Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH)
Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin e. V. (DGEM)
Deutsche Gesellschaft für Fachkrankenpflege und Funktionsdienste e. V. (DGF)
Deutsche Gesellschaft für Geriatrie e. V. (DGG)
Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin e. V. (DGIIN)
Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e. V. (DGK)
Deutsche Gesellschaft für Neurointensiv- und Notfallmedizin e. V. (DGNI)
Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin e. V. (DGP)
Deutsche Interdisziplinäre Gesellschaft für Außerklinische Beatmung e. V. (DIGAB)
Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI)
Deutscher Industrieverband für optische, medizinische und mechatronische Technologien e. V. (SPECTARIS)
Deutscher Verband für Physiotherapie (ZVK) e. V.
Deutschsprachige Medizinische Gesellschaft für Paraplegie e. V. (DMGP)
Gesellschaft für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin (GNPI)


1 Sprecher


2 Personalunion: Kernredaktion und AG-Sprecher


3 AG-Sprecher in alphabetischer Reihenfolge


4 AWMF
(die übrigen Teilnehmer der Konsensuskonferenzen werden S. 23–27 aufgeführt)



Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Bernd Schönhofer
Klinik für Pneumologie, Intensiv- und Schlafmedizin
Klinikum Region Hannover/Oststadt-Heidehaus
Podbielskistraße 380
30659 Hannover


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Abb. 1 Schema der verschiedenen Phasen einer invasiven mechanischen Ventilation – modifiziert nach [9].
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Abb. 2 Algorithmus tägliches Screening der respiratorischen Situation im Weaning (nach [92]). SaO2 = arterielle Sauerstoffsättigung; FiO2 = inspiratorische Sauerstofffraktion; PaO2 = arterieller Sauerstoffpartialdruck; RASS: Richmond Agitation Sedation Scale.
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Abb. 3 Schema zur Analgesie und Sedierung beim nicht-prolongierten Weaning, S3 Leitlinie Analgesie, Sedierung und Delirmanagement in der Intensivmedizin [93] (modifiziert nach [103]).
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Abb. 4 Algorithmus zur Sedierungsunterbrechung (nach [93]).
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Abb. 5 Verschiedene Methoden der Reduktion der Beatmungsunterstützung und Übernahme der Atemarbeit durch den Patienten.
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Abb. 6 Algorithmus für die Tracheotomie.
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Abb. 7 Algorithmus für die definitive Dekanülierung.
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Abb. 8 Maßnahmen zur Sekretolyse und Sekretentfernung im prolongierten Weaning (modifiziert nach [369]). HFCWO: High Frequency Chest Wall Oscillation; IPPB: Intermittent Positive Pressure Breathing; CPAP: Continuous Positive Airway Pressure; NIV: Nicht-invasive Beatmung; PEP: Positive Expiratory Pressure; IPV: Intrapulmonary Percussion Ventilation.
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Abb. 9 Zeitlicher Ablauf des Überleitmanagements.