Radiologie up2date 2013; 13(04): 279-281
DOI: 10.1055/s-0033-1358823
Der besondere Fall
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Seltene AV-Fistel bei Myelomeningozele

M. Wiedermann
,
O. Jansen
,
A. Nabavi
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Korrespondenzadresse

Meike Wiedermann
Universitätsklinik Schleswig-Holstein
Campus Kiel
Institut für Neuroradiologie
Arnold-Heller-Straße
24105 Kiel
Telefon: 0431 597-8550   
Fax: 0431 597-4913   

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
01. Dezember 2013 (online)

 

Fallvorstellung

Eine 57-jährige Patientin stellte sich mit seit 3 Jahren progredienter Gangstörung und zunehmender Schwäche in den Beinen vor. Die Patientin wurde an ihrem 5. Lebenstag an einer Myelomeningozele operiert. Im 15. Lebensjahr erfolgte die Anlage einer Neoblase und eines Anus praeters bei neurogener Blasen- und Mastdarmentleerungsstörung. In der klinischen Untersuchung zeigten sich beidseits distal betonte Paresen der Beine mit einem Kraftgrad 2/5 der Fußheber und -senker. Zudem gab die Patientin Sensibilitätsstörungen in beiden Füßen an.


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Bildanalyse

In der MRT (1,5 Tesla Achieva, Philips, Amsterdam, NL) zeigten die T2w Aufnahmen einen Zustand nach operierter sakraler Myelomeningozele, aber auch mäanderartig, gleichmäßig erweiterte intradurale Gefäße, die teilweise bis nach zervikal reichten. Es wurde der Verdacht auf eine durale AV-Fistel gestellt. Dieser Verdacht wurde in der kontrastmittelverstärkten MR-Angiografie (CE-MRA) erhärtet (Abb. [1]). Retrospektiv war der Fistelpunkt in den T2w Aufnahmen der MRT-Untersuchung zu identifizieren (Abb. [2]). Die spinale Katheterangiografie konnte jeweils mehrere fistelzuführende Äste aus der A. iliaca interna beidseits als arterielle Zuflüsse dokumentieren. Diese Feeder speisten ein Gefäßkonglomerat, welches sakral im Narbenbereich der ehemaligen Myelomeningozele lag. Die venöse Drainage erfolgte über sakrale Venen in lumbale und thorakale intradurale Venen (Abb. [3]).

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Abb. 1 Sagittale T2w MRT-Aufnahme (a) mit deutlich zu erkennenden geschlängelten, dilatierten spinalen Venen als typischem Hinweis auf eine spinale AV-Fistel. Im beschriebenen Fall lag kein Kongestionsödem des Myelons vor. Der Konusstand ist auf dem Bild nicht zu erkennen und befindet sich auf der Höhe L2. Es ist die bei der Patientin bekannte dysrhaphische Störung ersichtlich. Die CE-MR-Angiografie in „maximum intensity projection“ (b) zeigt ebenfalls die perimedullär erweiterte Drainagevene. Die Pfeile markieren jeweils die dilatierten, intraduralen Venen.
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Abb. 2 Sagittale T2w MRT-Aufnahme mit Darstellung des Zuflusses (Pfeil 1) der AV-Fistel und der venösen Drainage (Pfeil 2) über die geschlängelt verlaufenden, dilatierten Venen im Narbenbereich der ehemaligen Myelomeningozele.
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Abb. 3 Digitale Substraktionsangiografie mit Darstellung der arteriellen Zuflüsse aus der A. iliaca interna rechts in Ansicht von rechts anterior (RAO-Projektion) (a) und Kontrastierung des Gefäßkonglomerats (b). Der beginnende venöse Abfluss (Pfeil in c) und das Konglomerat in der Dysrhaphie sind im nicht subtrahierten Bild dargestellt. Der Pfeil in d zeigt den weiteren venösen Abfluss über eine intradurale, dilatierte Vene.

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Diagnose und Verlauf

Diagnose. Es ergab sich die Diagnose einer durch eine durale AV-Fistel verursachten Myelopathie. Diese AV-Fistel hatte sich im Narbenbereich der ehemaligen Myelomeningozele entwickelt, die fistelzuführenden arteriellen Äste entstammten der A. iliaca interna.

Verlauf. Das Gefäßkonglomerat war interventionell nur schlecht zu erreichen und wurde über multiple Zuflüsse versorgt. Daher wurde primär eine operative Totalexstirpation der Narbe und des Restlipoms mit Resektion der Fistel und Rekonstruktion der Dura durchgeführt. Eine Kontrollangiografie dokumentierte den kompletten Verschluss der Fistel. Die Wundheilung wurde durch ein Liquorkissen kompliziert, das sekundär operiert wurde. Danach konnte die Patienten gut mobilisiert werden. Während sich die Motorik verbesserte, waren die Gefühlsstörungen der Füße bis zum Zeitpunkt der Entlassung noch nicht rückläufig.


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Krankheitsbild

AVM. Spinale arteriovenöse Malformationen (AVM) werden unterschieden in intramedulläre und perimedulläre AVM, welche beide als angeboren gelten, und die häufigere, erworbene durale AV-Fistel [1]. In der Regel treten sie thorakal oder lumbal auf und zeigen Zuflüsse aus segmentalen Arterien. Die venöse Drainage erfolgt meist über konsekutiv dilatierte perimedulläre Venen.

Myelomeningozele. Die Myelomeningozele, ein Subtyp der dysrhaphischen Störungen, ist als Herniation von Leptomeningen und variablen Anteilen des Nervengewebes durch einen angeborenen ossären Defekt der Wirbelsäule definiert. Es ist eine relativ häufig angeborene Störung (Inzidenz 1 : 2000), deren Ursache ein fehlender Neuralrohrschluss ist. Die klinischen Symptome hängen von Lage und Ausprägung der Myelomeningozele ab. Dysrhaphien sind mit anderen, vor allem neurologischen Pathologien assoziiert. Die Entwicklung einer duralen AV-Fistel im Bereich einer Myelomeningozele ist sehr selten.


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Diskussion

AV-Fistel und Dysrhaphie. Das kombinierte Auftreten einer dysrhaphischen Störung mit einer duralen AV-Fistel ist sehr selten und wurde bisher weltweit nur 9-mal beschrieben. Die Ätiologie der Koexistenz ist unklar. In den meisten beschriebenen Fällen wird von einer erworbenen duralen AV-Fistel in der dysrhaphischen Störung ausgegangen, da die Symptome erst im mittleren Erwachsenenalter langsam progredient auftraten. Djindjian et al. sahen die Ursache der Fistelbildung in einer lokalen Hypervaskularisation in der Dysrhaphie [2]. Sato et al. postulierten eine gestörte Angiogenese im lipomatösen Gewebe der Lipomyelodysplasie [3].

Durale AV-Fistel. Am häufigsten betroffen von duralen AV-Fisteln am Spinalkanal sind Männer mittleren Alters. Typischerweise treten eine progressive Paraparese, Sensibilitätsstörungen, Impotenz und Blasen- und Mastdarmstörungen auf. Die Ursache der chronischen Myelonschädigung ist insbesondere die venöse Hypertonie in den drainierenden Gefäßen und die konsekutive venöse Kongestion im Myelon. Diese kann zu einer sekundären chronischen Hypoxie führen. Meist entwickelt sich somit eine langsam progressive, initial oft unspezifische Symptomatik.

Bildgebung. Um eine lange Schädigungsdauer des Rückenmarks zu vermeiden, ist eine frühe Diagnose wichtig. Die Untersuchung der Wahl ist eine spinale MRT-Untersuchung. In den T2w Aufnahmen können medulläre Ödeme und dilatierte spinale Venen gezeigt werden. In den T1w Aufnahmen mit Kontrastmittel können auch kleine gestaute Venen erkannt werden. Mit der CE-MRA können die Diagnose und häufig auch die Lokalisation des Fistelpunktes der AV-Fistel bestimmt werden. Die definitive Diagnose und exakte Lokalisation der Fistel können aber meist nur mittels einer spinalen Angiografie bewiesen werden. So waren auch in dem hier präsentierten Fall die zuführenden Arterien aus der A. iliaca interna erst mittels einer Angiografie sicher zu identifizieren. Diese Feeder aus der A. iliaca interna sind bei duralen AV-Fisteln am Spinalkanal sehr selten.

Das T2-Myelopathiesignal kann meist als erstes indirektes Zeichen der fistelinduzierten Myelopathie gefunden werden [4]. Bei manchen Patienten mit AV-Fistel kann aber der typische Nachweis der ausgeprägt dilatierten Venen oder das spinale Kongestionsödem gänzlich fehlen, was die Diagnosestellung einer AV-Fistel extrem erschwert.


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  • Literatur

  • 1 Bostroem A et al. Spinal vascular malformations – typical and atypical findings. Zentralbl Neurochir 2007; 68: 205-213
  • 2 Djindjian M et al. Sacral lipoma of the filum terminale with dural arteriovenous fistula. Case report. J Neurosurg 1989; 71: 768-771
  • 3 Sato M et al. Spinal dural arteriovenous fistula with lipomyelodysplasia. Neurol Med Chir (Tokyo) 2013; 53: 107-109
  • 4 Schaat TJ, Salzman KL, Stevens EA. Sacral origin of a spinal dural arteriovenous fistula: case report and review. Spine (Phila Pa 1976) 2002; 27: 893-897

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  • Literatur

  • 1 Bostroem A et al. Spinal vascular malformations – typical and atypical findings. Zentralbl Neurochir 2007; 68: 205-213
  • 2 Djindjian M et al. Sacral lipoma of the filum terminale with dural arteriovenous fistula. Case report. J Neurosurg 1989; 71: 768-771
  • 3 Sato M et al. Spinal dural arteriovenous fistula with lipomyelodysplasia. Neurol Med Chir (Tokyo) 2013; 53: 107-109
  • 4 Schaat TJ, Salzman KL, Stevens EA. Sacral origin of a spinal dural arteriovenous fistula: case report and review. Spine (Phila Pa 1976) 2002; 27: 893-897

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Abb. 1 Sagittale T2w MRT-Aufnahme (a) mit deutlich zu erkennenden geschlängelten, dilatierten spinalen Venen als typischem Hinweis auf eine spinale AV-Fistel. Im beschriebenen Fall lag kein Kongestionsödem des Myelons vor. Der Konusstand ist auf dem Bild nicht zu erkennen und befindet sich auf der Höhe L2. Es ist die bei der Patientin bekannte dysrhaphische Störung ersichtlich. Die CE-MR-Angiografie in „maximum intensity projection“ (b) zeigt ebenfalls die perimedullär erweiterte Drainagevene. Die Pfeile markieren jeweils die dilatierten, intraduralen Venen.
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Abb. 2 Sagittale T2w MRT-Aufnahme mit Darstellung des Zuflusses (Pfeil 1) der AV-Fistel und der venösen Drainage (Pfeil 2) über die geschlängelt verlaufenden, dilatierten Venen im Narbenbereich der ehemaligen Myelomeningozele.
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Abb. 3 Digitale Substraktionsangiografie mit Darstellung der arteriellen Zuflüsse aus der A. iliaca interna rechts in Ansicht von rechts anterior (RAO-Projektion) (a) und Kontrastierung des Gefäßkonglomerats (b). Der beginnende venöse Abfluss (Pfeil in c) und das Konglomerat in der Dysrhaphie sind im nicht subtrahierten Bild dargestellt. Der Pfeil in d zeigt den weiteren venösen Abfluss über eine intradurale, dilatierte Vene.