So lautet der Slogan einer Aktion deutscher medizinischer Fachgesellschaften und Elternverbände,
die Ende 2011 begonnen wurde [9]. Es handelt sich dabei um die Propagierung eines Gesundheitszieles, welches im Wesentlichen
durch die freiwillige und kreative Mitarbeit von Pränatalmedizinern, Geburtshelfern,
Neonatologen und Neuropädiatern erreicht werden soll. Natürlich besteht die Erwartung
auf flankierende Maßnahmen der Gesundheitspolitik, nichtärztlicher Angehöriger von
medizinischen Berufen und natürlich der Eltern.
Wie misst man „Gesunde Babys“?
Wie misst man „Gesunde Babys“?
In entwickelten Ländern werden heute relevante Gesundheitsstörungen in der frühen
Kindheit im Wesentlichen durch Frühgeburtlichkeit, angeborene Fehlbildungen und andere
Störungen der Perinatalperiode verursacht [8]. Es ist evident, dass die Anzahl von Todesfällen als der schwersten Form einer Gesundheitsstörung
wie die Spitze eines Eisberges einen Hinweis auf das Gesamtausmaß der Gesundheitsstörungen
mit Sterberisiko und dem Risiko einer lebenslangen Behinderung gibt. Nosokomiale Infektionen
sind ein gutes Beispiel dafür [3]
[4]. Todesfälle können zuverlässig populationsbezogen erfasst werden, jedenfalls besser
als andere Gesundheitsstörungen. Dabei bleibt die Wahl zwischen Totgeborenen, neonatal
bis zum 28. Lebenstag und postneonatal zwischen dem 29. und 365. Lebenstag verstorbenen
Lebendgeborenen. Für die Beurteilung der durch Perinatalzentren zu beeinflussenden
Ergebnisqualität ist die neonatale Mortalität, d. h. die Zahl der in den ersten Lebenstagen
(frühneonatal) und vom 29.–365. Lebenstag (spätneonatal) verstorbenen Lebendgeborenen
dividiert durch die Gesamtzahl der Lebendgeborenen, am besten geeignet, weil vor und
nach dieser Zeitspanne wichtige Faktoren, die der Beeinflussbarkeit durch die perinatale
Medizin entzogen sind, die Rate der Totgeborenen und der postneonatal verstorben Säuglinge
maßgeblich bestimmen.
Neonatale Mortalität – international
Neonatale Mortalität – international
Derzeit ist die neonatale Mortalität in Japan, Island und einigen Klein- und Stadtstaaten
wie Singapur und Monaco mit 1 Todesfall auf 1 000 Lebendgeborene am niedrigsten [7]. Unter den nachfolgenden Ländern mit 2 auf 1 000 liegen u. a. Schweden, Finnland,
Österreich und Deutschland [2]
[7]. Es besteht eine Korrelation zwischen der neonatalen Mortalität und dem soziökonomischen
Entwicklungsstand eines Landes. Es gibt aber Ausnahmen: So ist die neonatale Mortalität
in den medizinisch hochgerüsteten USA mit 4 auf 1 000 höher als in Kuba mit 3 auf
1 000 [7]. Es entscheiden wohl nicht nur der technologische Standard, sondern auch unbekannte
„weiche Faktoren“.
… und in Deutschland
Innerhalb Deutschlands fallen bei vergleichbarem soziökonomischem Standard und ärztlichem
Ausbildungsniveau erhebliche Unterschiede zwischen den Bundesländern mit 1,4 auf 1 000
in Sachsen und 3,6 auf 1 000 in Bremen im Zeitraum 2010–2012 auf [8]. Erfreulich daran ist, dass angesichts der auch im weltweiten Vergleich sehr niedrigen
Mortalität in Mitteldeutschland, es durchaus realistisch und machbar erscheint, die
gesamtdeutsche Mortalität schon in absehbarer Zeit auf japanische Werte zu senken.
Wenn dies, wie aufgrund der einführenden Überlegungen zu erwarten, mit einer Senkung
der Gesamtmorbidität einhergeht, sind also „mehr gesunde Babys“ als Gesundheitsziel
in Reichweite.
Warum sterben im Nordwesten Deutschlands mehr Neugeborene als im Osten und Süden?
Warum sterben im Nordwesten Deutschlands mehr Neugeborene als im Osten und Süden?
Die Neugeborenensterblichkeit zeigt in den letzten Jahren einen Gradienten von Nordwest
nach Südost. In den Jahren 2010–2012 war die neonatale Mortalität am höchsten in den
Bundesländern, Bremen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen und am niedrigsten in
den Bundesländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen [8]. Dieser Gradient besteht erst seit wenigen Jahren. Er beruht nicht darauf, dass
die Mortalität im Nordwesten angestiegen ist: Eine Senkung der neonatalen Mortalität
ist in den letzten 10 Jahren in allen Bundesländern erzielt worden! Das Ausmaß der
Senkung war aber in den mitteldeutschen Ländern am stärksten [2]
[8].
Über die Gründe kann man spekulieren. Jedenfalls scheint ein dichtes Netz an Perinatalzentren
nicht förderlich zu sein. In den 3 derzeit führenden Bundesländern werden sehr unreife
Frühgeborene, die überall den Hauptanteil der verstorbenen Neugeborenen ausmachen,
im Wesentlichen nur an 6 Standorten behandelt, was zu Wegstrecken für Schwangeren
mit Frühgeburtsbestrebungen von über 100 km führt.
Die Gesamtfläche der Bundesländer Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt beträgt 55 000 m2, liegt also über der von z. B. Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg mit jeweils
etwa 35 000 m2, die deutlich mehr Perinatalzentren mit kürzeren Abstand untereinander haben.
Neonatalerhebung – die Weiterentwicklung eines Qualitätssicherungsinstruments
Neonatalerhebung – die Weiterentwicklung eines Qualitätssicherungsinstruments
Die Qualitätssicherung in der Geburtshilfe und Neonatologie entwickelte sich historisch
aus den bei den Ärztekammern angesiedelten Perinatal- und Neonatalerhebung. Hier wurde
seit den 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts krankenhausbezogen Ergebnisqualität
(Mortalität, bestimmte Frühkomplikationen), Prozessqualität (bestimmte Untersuchungen,
Körpertemperatur bei Aufnahme) und Strukturqualität (Patientenzahl) abgefragt. Methodisch
waren anfangs mangelhaft die fehlende Überprüfung der Datenqualität, die unvollständige
Erfassung, die dürftige Begründung der gewählten Qualitätsmerkmale und der abgeleitete
Handlungsbedarf.
Durch zunehmend strukturierte Rückmeldung an die Leistungserbringer seitens der Fachkommissionen
in den Projektgeschäftsstellen der Ärztekammern, die Überprüfung der erfassten Merkmale
mit fachlicher Konsensbildung seitens der Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung
gGmbH und schließlich Beauftragung des Aqua-Instituts GmbH mit der bundesweiten Strukturierung
und Ergebnisbewertung ab 2010 durch den gemeinsamen Bundesausschuss wurden diese Mängel
weitgehend behoben bzw. sind auf dem Weg, behoben zu werden [1]. Als neueste Entwicklung wurde ein Internetportal freigeschaltet, wo – allerdings
noch auf freiwilliger Basis – die Ergebnisse einzelner Perinatalzentren der Öffentlichkeit
zugänglich gemacht werden.
Verbesserungsvorschlag: Regionale Ergebnisqualität in den Focus rücken
Verbesserungsvorschlag: Regionale Ergebnisqualität in den Focus rücken
Der verbleibende Nachteil dieser demnächst optimierten Qualitätssicherungsstruktur
wird sein, dass die Qualitätsmerkmale krankenhausbezogen dargestellt werden. Aus Public-Health-Sicht
wäre aber mindestens ergänzend eine populationsbezogene regionale Darstellung der
Ergebnisqualität wünschenswert, und zwar aus folgenden Gründen:
-
Eine gute krankenhausbezogene Ergebnisqualität kann auch durch Selektion erreicht
werden („Rosinen picken“).
-
Maßnahmen zur Verminderung der Frühgeburtenraten durch primäre und sekundäre Prävention
führen zu einer niedrigeren neonatalen Mortalität und werden bei Fokussierung auf
regionale Ergebnisqualität „belohnt“.
-
Allein krankenhausbezogene Qualitätssicherung birgt das Risiko einer Vernichtung von
Ressourcen durch Konkurrenzkampf.
-
Die Fokussierung auf regionale Ergebnisqualität fördert Vernetzung und Kooperation
zugunsten der Patienten.
-
Sie ist ein guter Maßstab für die regionale Krankenhausplanung.
-
Sie führt zu einer Berücksichtigung regionaler Besonderheiten bei der Planung.
Deshalb schlagen die Autoren vor, eine niedrige neonatale Mortalität auf Bundeslandebene
bzw. bei größeren Bundesländern auf Regierungsbezirksebene als wichtiges Gesundheitsziel
zu verfolgen. Regionen mit einer Lebendgeborenenrate von mindestens 10 000, besser
25 000 sind allerdings erforderlich, um angesichts der geringen absoluten Zahl an
Todesfällen statistisch hinreichend zuverlässige Zahlen zu erhalten. Für Bundesländer
wie Bremen oder das Saarland mit weniger als 10 000 Lebendgeborenen pro Jahr bspw.
können keine zuverlässigen Angaben auf jährlicher Basis gemacht werden, sondern es
müssen mehrere Jahre zusammengefasst dargestellt werden.
Weitergehende Aussagen lassen sich durch wissenschaftliche Netzwerke gewinnen, wo
unter anderem auf dem Boden des German Neonatal Network (GNN) zahlreiche Studien für
die Hochrisikogruppe sehr kleiner Frühgeborener publiziert wurden. So sind die dort
gegebenen Daten zur Mortalität von sehr kleinen Frühgeborenen mit Lungenversagen als
wichtigste Ursache für deren Mortalität während der stationären Behandlung nachgewiesen
[6]. Diese Daten helfen neben Registern, Hochrisikogruppen weiter zu identifizieren
und auf dem Boden der genannten Daten Konzepte zur Verbesserung der Prognose zu erarbeiten
[5].
Was bringt Zertifizierung?
Was bringt Zertifizierung?
Ausgehend vom Beispiel der Brustzentren-Zertifizierung gibt es Bemühungen, ähnliche
Zertifizierungen für Perinatalzentren einzuführen. Man muss bei der Beurteilung dieses
Weges aber wissen, dass im Wesentlichen mehr oder weniger evidenzbasierte Merkmale
der Strukturqualität abgefragt werden, teilweise auch der Prozessqualität. Die aus
Sicht der Patienten letztlich entscheidende Ergebnisqualität bleibt weitestgehend
außen vor.
Wie wichtig sind Mindestmengen?
Wie wichtig sind Mindestmengen?
Das gilt im Übrigen auch für das Mindestmengenkonzept. Natürlich spricht der Augenschein
dafür, dass die Voraussetzungen für eine gute Ergebnisqualität bei hinreichend großen
Strukturen besser sind. Bestimmte Strukturen kann sich eine Einheit mit geringen Einnahmen
wegen unzureichender Patientenzahlen nicht leisten. Auch die Behandlungskontinuität
ist stärker gefährdet, wenn sie auf nur wenigen Schultern ruht. Dennoch gibt es Beispiele
von unterdurchschnittlicher Ergebnisqualität trotz hoher Patientenzahlen und guter
Ergebnisqualität trotz kleiner Patientenzahlen. Die Orientierung auf die Überschreitung
von Mindestmengen konterkariert die Hauptaufgabe der perinatalen Medizin, sehr unreife
Frühgeburten zu vermeiden.
Die erstrebenswerte Reduzierung der Zahl der Perinatalzentren muss auf anderem Weg,
am besten durch Fokussierung auf Ergebnisqualität erreicht werden.
Fazit
Wenn durch die Betonung der regionalen Ergebnisqualität die in den Regionen tätigen
Leistungserbringer einen Vorteil in der gestuften Vernetzung sehen, werden sie diese
suchen, das potenziell Ressourcen vernichtende Konkurrenzverhalten aufgeben und nachhaltig
das Ziel „Mehr gesunde Babys“ verfolgen.