Z Geburtshilfe Neonatol 2015; 9(2): 88-94
DOI: 10.1055/s-0033-1358115
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Schwangerenbetreuung bei Drogenkonsum[*]

Authors

  • Georgine Huber

  • Birgit Seelbach-Göbel

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Korrespondenzadresse

Dr. Georgine Huber
Klinik für Geburtshilfe und Frauenheilkunde der Universität Regensburg, Krankenhaus St. Hedwig
Steinmetzstraße 1–3
93049 Regensburg

Publication History

Publication Date:
21 April 2015 (online)

 

Einleitung

In Deutschland gibt es keine genaue statistische Erfassung über die Anzahl schwangerer Frauen, die illegale Substanzen konsumieren. Es wird vermutet, dass pro Jahr ca. 3 von 1000 geborenen Kindern eine Mutter mit polyvalentem Drogenkonsum haben [1]. Der ausdrückliche Hinweis im Suchtbericht der Bundesregierung 2012 über die ärztliche Beratungspflicht zum Thema „Genussmittel in der Schwangerschaft“ lässt die Sorge über eine höhere Dunkelziffer in Deutschland vermuten und zeigt die Wichtigkeit der Frage nach dem Konsumverhalten der Schwangeren [2], [3].

Hohe Dunkelziffer. Bereits im Jahr 2011 wurde vom Gemeinsamen Bundesausschuss eine Änderung der Mutterschaftsrichtlinien vorgenommen und im Mutterpass die ärztliche Frage nach konsumierten Genussmitteln mit der Ergänzung „Alkohol, Tabak und andere Drogen“ konkretisiert. In den USA ergab der National Survey on Drug Use and Health 2010, dass 4,4 % der Schwangeren im Monat vor der Befragung Drogen konsumiert hatten [4]. Sowohl amerikanische als auch in Europa durchgeführte Studien bestätigen die Problematik der deutlich höheren Dunkelziffern: Lester et al. konnten im Mekonium Neugeborener in 10,5 % der Fälle illegale Drogen nachweisen, 38 % der positiv getesteten Mütter hatten den Drogenkonsum jedoch verneint [5]. In einer englischen Untersuchung wurden bei 10,7 % Schwangerer Drogen nachgewiesen, alle Frauen hatten den Konsum abgestritten [6]. Ursächlich für dieses Verhalten ist nicht nur die Furcht vor Stigmatisierung, sondern auch die Angst vor den möglichen rechtlichen Folgen, wie z. B. der Inobhutnahme des Kindes durch das Jugendamt.

Intensive Betreuung notwendig. Gerade wegen der multiplen Substanzwirkung des meist vorliegenden Mischkonsums aus legalen und illegalen Drogen ist eine intensive suchttherapeutische Betreuung der Mutter sowie eine engmaschige Schwangerenvorsorge für diese Risikoschwangerschaften notwendig [7], [8]. Eine enge Zusammenarbeit zwischen betreuendem Gynäkologen und dem Hilfesystem aus substituierendem Arzt, ambulanten/stationären Therapieeinrichtungen, Geburtsklinik mit Hebamme und Pädiatrie, koordinierenden Kinderschutzstellen und Jugendamt trägt zur Risikoreduktion für Mutter und Kind bei und wird deshalb von Expertenkomitees einstimmig gefordert [9]–[11]. Die vorliegende Arbeit möchte Gynäkologen, Geburtshelfern und Neonatologen eine Hilfestellung für die komplexe peripartale Betreuung suchtkranker Frauen geben.


Material und Methode

Beruhend auf einer selektiven Literaturrecherche der Autoren in PubMed wurden Übersichtsartikel und Originalarbeiten aus den Jahren 2001–2013, sowie Stellungnahmen deutscher und internationaler Fachverbände und Kommissionen zum Thema verwendet. Suchbegriffe waren „pregnancy“, „pregnancy outcome“, „drug addiction“, „drug dependence“, „substance abuse“, „obstetric care“, „methadone“, „buprenorphine“, „neonatal abstinence syndrome“. Die Übersicht konzentriert sich auf die Ergebnisse und Empfehlungen dieser Arbeiten.


Ergebnisse

Psychologische Aspekte der drogenkonsumierenden Schwangeren

Ein Großteil der betroffenen Frauen weist eine gestörte eigene Eltern-Kind-Beziehung auf: Circa 75 % der Schwangeren kommen selbst aus Suchtfamilien mit kindlicher Vernachlässigung. Zusätzlich geht man davon aus, dass ca. 50 % der Schwangeren in ihrer Kindheit und Jugend Gewalterfahrungen ausgesetzt waren [12], [13]. Häufig weisen auch die Kindsväter und der Freundeskreis ähnlich desintegrierte Lebensläufe auf. Dies erhöht wiederum die Gefahr für die drogenkonsumierende Frau, auch während der Schwangerschaft psychischer oder physischer Gewalt ausgesetzt zu sein [14]. Zusätzlich muss davon ausgegangen werden, dass die Hälfte der betroffenen Schwangeren eine psychiatrische Komorbidität aufweist, hierbei stehen depressive Erkrankungen sowie Angst- und Persönlichkeitsstörungen im Vordergrund [15], [16].


Formen der Drogenhilfe für die Schwangere: abstinenzorientiert oder akzeptierend

Stationäre Entgiftung. Entscheidet sich eine suchtkranke Schwangere für eine abstinenzorientierte Drogenhilfe, so bedeutet dies die Entgiftung und Entwöhnung von den konsumierten Suchtmitteln mit dem Ziel der anhaltenden Abstinenz und Drogenfreiheit. Dabei ist eine engmaschige ärztliche Überwachung von Mutter und Ungeborenem wichtig, üblicherweise in Form eines stationären Aufenthaltes in einer suchttherapeutischen Einrichtung.

Besonders gewarnt werden müssen Drogenkonsumentinnen vor der Durchführung eines kalten Entzuges in der Schwangerschaft: Ein abrupter Entzug von Heroin kann vorzeitige Wehentätigkeit und schwere fetale Herztonalterationen auslösen, bei Benzodiazepinen werden maternale Krampfanfälle bis hin zu delirartigen Zuständen beobachtet. Eine intrauterine Hypoxämie mit konsekutivem intrauterinem Fruchttod kann die Folge sein [17]. Verschnittenes Heroin ist durch die Beimischung weiterer toxischer Substanzen in seiner Auswirkung auf Mutter und Kind ebenfalls nicht abschätzbar.

Nach stationär durchgeführter Entgiftung und Entwöhnung ist auch in der Schwangerschaft die sich anschließende Phase als problematisch zu werten, in der die Patientin in ihr gewohntes Lebensumfeld zurückkehrt. Eine gute Kommunikation zwischen den Drogenhilfesystemen und dem Frauenarzt ist wichtig, um eine psychische Dekompensation der Patientin mit Steigerung des Suchtdrucks und Rückfälle in alte Verhaltensmuster rechtzeitig zu erkennen. Agitiertheit, Schwitzen, Zittern, Miosis oder Klagen über Erbrechen, Bauchschmerzen und Diarrhö müssen auch für den Gynäkologen Warnsymptome einer eventuell entzügigen Patientin sein.

Substitution. In Abhängigkeit von der individuellen Lebenssituation der Schwangeren entscheidet sich ein Großteil der Betroffenen für eine akzeptierende Form der Drogenhilfe. Laut Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV § 5, Abs. 1, Satz 3) führt die Substitution zur Verringerung der Risiken einer Opiatabhängigkeit während einer Schwangerschaft und nach der Geburt. Ein frühestmöglicher Beginn der Substitution, auch im 1. Trimenon, ist daher sinnvoll. Ziel ist die Reduktion des unkontrollierten Substanzabusus und die ärztlich überwachte, medikamentöse Substitution. Auf diesem Weg soll die körperliche, seelische und soziale Stabilisierung der Patientin durch Wegfall von Beschaffungskriminalität, Abusus verschnittener Drogen und Verringerung der Infektionsgefahr erreicht werden [18]. Durch gleichmäßigere mütterliche Substitut-Plasmaspiegel werden die durch kurze Heroinhalbwertszeiten verursachten intrauterinen Opiatentzüge mit konsekutiver Gefährdung des Feten vermieden.

In der Schwangerschaft stehen folgende Substitutionsmittel derzeit zur Verfügung:

  • Methadon-Razemat

  • Levomethadon

  • Buprenorphin

Die vorliegenden Untersuchungen zu den Präparaten scheinen für Buprenorphin ein günstigeres Profil hinsichtlich des neonatalen Entzugssyndroms und eine geringere Interaktion mit einer antiretroviralen Therapie bei HIV-Positivität auszustellen [19]–[22]. Für die gynäkologische Beratung ist wesentlich, dass für die genannten Substitute bislang keine Teratogenität nachgewiesen werden konnte, eine Beeinflussung der neurologisch-kognitiven Entwicklung der Kinder wird jedoch diskutiert [23].

In Deutschland wird der Einsatz von kombiniertem Buprenorphin/Naloxon zur Substitution von Schwangeren bisher nicht empfohlen, in der amerikanischen Literatur kontrovers diskutiert [24], [25]. In der Schwangerschaft sind das Plasmavolumen und die hepatische/glomeruläre Exkretion erhöht, sodass ein größerer Opiatbedarf entstehen kann. Ein von den Schwangeren oftmals gewünschtes Abdosieren des Substitutes sollte von gynäkologischer Seite nur nach enger Absprache mit dem substituierenden Arzt befürwortet werden. Mindestvoraussetzung ist ein unauffälliger Schwangerschaftsverlauf mit regelrechtem fetalen Wachstum und Beikonsumfreiheit [26].


Besondere Aspekte der gynäkologischen Vorsorge nach Feststellen der Schwangerschaft

Vernetzung mit Drogenhilfesystem. Die gynäkologische Betreuung suchtkranker Schwangerer bedeutet für den einzelnen Frauenarzt, sowohl Teil des Hilfesystems als auch Teil der kontrollierenden Instanzen zu sein. Somit ist die frühzeitige Vernetzung des Gynäkologen mit den Drogenhilfesystemen von entscheidender Bedeutung: Auf diesem Weg werden Ressourcen sinnvoll genutzt und widersprüchliche Aussagen vermieden [10]. Der Großteil der drogenkonsumierenden Schwangeren wird über die Vermittlung der ambulanten oder stationären Drogenhilfeeinrichtungen den Erstkontakt zum Frauenarzt aufnehmen. Themen wie Schweigepflichtsentbindung zur Weitergabe relevanter Daten an Dritte, das eventuelle Vorhandensein einer gesetzlichen Betreuung sowie der Informationsaustausch mit den Mitarbeitern der Geburtsklinik und des Jugendamtes müssen dabei frühzeitig angesprochen werden.

Spät bemerkte Schwangerschaft. Die Feststellung der Schwangerschaft bedeutet für die betroffene Frau oft einen zusätzlichen Belastungsaspekt in einer ohnehin instabilen Lebenssituation. Nicht unterschätzt werden dürfen dabei die Schuld- und Schamgefühle der Schwangeren sowie die Angst vor fetaler Fehlbildung durch den Drogenkonsum [27]. Für die geburtshilfliche Betreuung kommt erschwerend hinzu, dass es sich meist um ungeplante und erst nach dem 1. Trimenon bemerkte Schwangerschaften handelt. Neben einer durch Fehl- und Unterernährung bedingten Amenorrhö fokussiert sich in Phasen ausgeprägten Drogenkonsums die Körperwahrnehmung der Frauen auf einen vorhandenen oder befriedigten Suchtdruck, eine Schwangerschaft liegt nicht im Bereich des gedanklich Möglichen. Dieses Ausklammern der Verhütungsfrage trifft aber auch immer wieder auf Patientinnen zu, die sich unter einer Substitutionsbehandlung körperlich soweit stabilisieren, dass wieder ovulatorische Zyklen auftreten [28].

Kombinationskonsum. Das späte Realisieren der Schwangerschaft bedeutet auch, dass gerade in der vulnerablen Phase der Organogenese polytoxikoman Substanzen konsumiert wurden, oftmals in Verbindung mit Alkohol und der konsekutiven Gefährdung der kindlichen Entwicklung – insbesondere im neurologischen Bereich [29]–[32]. Während von einzelnen Stoffen die mögliche embryonale/fetale Auswirkung bekannt ist, stellt der Kombinationskonsum weiterhin ein pharmakologisch nicht abschätzbares Risiko dar. Dies gilt insbesondere für die ständig wachsende Anzahl neuartiger psychoaktiver Substanzen, die schwere maternale Intoxikationen verursachen können und im Standarddrogenscreening nicht detektiert werden [33], [34].

Erweiterte Vorsorge

Sonografisches Organscreening. Alle legalen und illegalen Drogen passieren die Plazentaschranke und sind im fetalen Organismus nachweisbar [35]. Diese Problematik muss der betreuende Gynäkologe im Rahmen des Aufklärungsgespräches offen kommunizieren. Mögliche Wirkungen auf das Ungeborene und dessen spätere Entwicklung müssen der Schwangeren erklärt und ein gezieltes sonografisches Organscreening angeboten werden (Tab. [1]) [36], [37]. Eine Indikation zur invasiven Diagnostik alleine aufgrund des mütterlichen Drogenkonsums besteht nicht, da diese kein erhöhtes Risiko für eine chromosomale Störung des Feten beinhaltet. Bei zusätzlich bekannter Hepatitis- und/oder HIV-Infektion sollte wegen der unklaren Transmissionsgefahr ebenfalls möglichst auf einen solchen Eingriff verzichtet werden [38].

Tabelle 1 Illegaler Substanzkonsum und mögliche Auswirkung auf den Feten/das Neugeborene (mod. nach [36]).

Substanz

Schwangerschaft

Geburt

weitere Gefahren

IUGR: intrauterine Wachstumsrestriktion, NAS: neonatales Abstinenz(Entzugs-)syndrom, IUFT: intrauteriner Fruchttod, LKG-Spalte: Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte

Heroin

IUGR, Frühgeburt, Fehlbildungen?

Anpassungsstörungen, NAS

Streckungsmittel. Abrupter Entzug: vorzeitige Wehen, Alteration fetaler Herzfrequenz

Kokain

Fehlgeburt, IUGR, Frühgeburt

Anpassungsstörungen

akute plazentare Vasokonstriktion, vorzeitige Plazentalösung, IUFT

Crack

Herzfehler, Neuralrohrdefekte, LKG-Spalte

neurologisch-kognitive Auffälligkeiten

Cannabis

IUGR


neurologisch-kognitive Spätfolgen?

Amphetamine

Herzfehler, Fußfehlstellung

Hyperexzitabilität

Crystal Meth

s. o., Neurotoxizität

Zittrigkeit, Gedeihstörung

maternaler Hypertonus mit vorzeitiger Plazentalösung

Benzodiazepine (nicht illegal, aber i. S. eines Abusus)

IUGR, Fehlbildungen?

Anpassungsstörungen, NAS

abrupter Entzug: maternale Krampfanfälle, IUFT

neue psychoaktive Substanzen

Situation unklar: Kombination mit anderen Substanzen in der Auswirkung für Schwangerschaft/kindliche Entwicklung nicht abschätzbar!

Kurze Vorsorgeintervalle. Es empfiehlt sich, die gynäkologischen Vorsorgeintervalle intensiviert alle 2 Wochen durchzuführen. Dies hat den Vorteil, dass der psychische und physische Zustand der Schwangeren besser eingeschätzt werden kann und ihre Fürsorgekompetenz für sich selbst und für das Ungeborene durch zuverlässiges Wahrnehmen der Termine gefordert ist.

Serologie. Neben den in den Mutterschaftsrichtlinien aufgeführten Basisuntersuchungen sind bei substanzkonsumierenden Patientinnen zusätzliche Aspekte zu beachten: Da Zervixdysplasien gehäuft auftreten und Krebsvorsorgeuntersuchungen meist nicht wahrgenommen werden, ist eine Abstrichkontrolle mit HPV-Test (humane Papillomaviren), sowie eine Untersuchung auf sexuell übertragbare Erkrankungen zu empfehlen [39].

Bei bis zu 10 % Hepatitis-B-, bis zu 80 % Hepatitis-C- und 5–10 % HIV-Positivität von i. v. Opiatkonsumenten ist die serologische Untersuchung der Patientinnen sowohl bei Erstkontakt als auch im 3. Trimenon unabdingbar [40]. Arbeiten, die die Infektionsprävalenzen speziell bei schwangeren Drogenkonsumentinnen untersuchten, zeigten eine große Streubreite in den Resultaten, jedoch mit ebenfalls hohen Erkrankungszahlen [27].

Ernährung. Auf eine ausreichende Gewichtszunahme mit Optimierung der Ernährung sowie regelmäßige Kontrollen des Hämoglobin- und Eisenwertes ist zu achten.

Zervixlänge und Fetometrie. Frühgeburtsbestrebungen können durch regelmäßige Messungen der sonografischen Zervixlänge rechtzeitig erkannt werden. Dies erscheint wegen der unter Opioideinnahme eingeschränkt interpretierbaren Schmerzempfindung der Patientinnen auch im Hinblick auf vorzeitige Wehentätigkeit von Bedeutung. Um eine in bis zu 30 % auftretende intrauterine Wachstumsrestriktion (IUGR) mit konsekutiv erniedrigtem Geburtsgewicht rechtzeitig zu diagnostizieren, sollten fetometrische Verlaufskontrollen alle 2–3 Wochen erfolgen, bei nachgewiesener IUGR in Kombination mit der Doppler-Sonografie [41], [42].

Tabak und Alkohol. In den Vorsorgen regelmäßig thematisiert werden sollte der häufige Konsum von Alkohol und Tabak bei Drogenkonsumentinnen: Zwar ist den meisten rauchenden Schwangeren die gesundheitsschädliche Wirkung von Nikotin für den eigenen Körper und für die fetale Entwicklung bekannt, jedoch nicht, dass das neonatale Opioid-Entzugssyndrom durch Nikotin weiter verstärkt wird [43], [44]. Ein Alkoholabusus erhöht nicht nur die Gefahr der fetalen Wachstumsrestriktion und Mikrozephalie, sondern kann im Rahmen der fetalen Alkohol-Spektrum-Störung neben körperlichen Fehlbildungen schwere neurologische Entwicklungsdefizite beim Ungeborenen verursachen [29], [45].



Geburt und Wochenbett

Eine frühzeitige Kontaktaufnahme des betreuenden Gynäkologen mit der Geburtsklinik sollte folgende Informationen beinhalten:

  • aktuelle Hepatitis- und HIV-Serologie (bei bekannter Hepatitis-C-Infektion inklusive Viruslast)

  • Ansprechpartner für die peri- und postpartale Substitution

  • Klärung der Venensituation

  • Analgesiewünsche der Patientin mit Vorstellung in der anästhesiologischen Abteilung

Für die Pädiatrie sind neben der aktuellen Substitution der Schwangeren Informationen über bestehenden Beikonsum und das Prozedere für den Verbleib des Neugeborenen wichtig.

Das gynäkologische Aufklärungsgespräch mit der Patientin über Geburt, Stillen und das neonatale Entzugssyndrom trägt entscheidend dazu bei, spätere Konfliktsituationen zu vermeiden:

Geburtsmodus und Analgesie. So führen kontroverse Empfehlungen hinsichtlich des Entbindungsmodus bei Hepatitis-C-Positivität immer wieder zu Verunsicherung. Der betreuende Frauenarzt sollte der Schwangeren aufzeigen, dass die Datenlage auch bei hoher mütterlicher Viruslast keinen eindeutigen Vorteil für die primäre Sectio zur Vermeidung der maternofetalen Transmission ergibt [46]. Ein weiteres Problem stellt die Untertherapie von Schmerzen bei opiatabhängigen Patienten dar, dies betrifft auch die sub- und postpartal benötigte Analgesie: Da der Schmerzmittelbedarf durch eine Hyperalgesie der betroffenen Patientin höher sein kann, ist eine Regionalanästhesie das Mittel der Wahl für die vaginale Geburt.

Postpartalphase. Postpartal eignen sich nichtsteroidale Antiphlogistika zur weiteren Therapie. Nach Sectio haben sich Kombinationen aus kurzwirksamen opioidhaltigen Analgetika zusammen mit Antiphlogistika oder auch PCA-Pumpen bewährt [47]–[52]. Eine detaillierte Rückmeldung an den Substitutionsarzt über die applizierten Medikamente vermeidet Unklarheiten bei den nach Klinikentlassung anstehenden Drogenscreenings.

Stillen. Ein vorhandener Stillwunsch sollte prinzipiell unterstützt werden, das kindliche Entzugssyndrom kann jedoch weder durch das mütterliche Substitut therapiert, noch ein erneuter Entzug beim Kind durch Abstillen ausgelöst werden [53]–[55]. Frauen mit HIV-Infektion, mit anhaltendem Drogenabusus/Beikonsum und psychischer Instabilität ist allerdings vom Stillen abzuraten [56]. Ebenfalls problematisch ist der Übertritt von Nikotin in die Muttermilch. Konsumiert die Stillende mehr als 5–8 Zigaretten pro Tag, sind bewusste Rauchpausen vor dem nächsten Anlegen nicht durchführbar und es muss mit vermehrter Unruhe, Koliken und Gedeihstörungen des Neugeborenen gerechnet werden [57].

Weiter kontrovers diskutiert wird das Thema Hepatitis-C-Infektion der Mutter und Stillen: eine Arbeit von Laufs et al. und die zweite ergänzende Empfehlung der Nationalen Stillkommission von 2008 geben an, dass bislang kein Fall einer Hepatitis-C-Infektion durch Stillen nachgewiesen wurde [58], [59]. Die Schwangere muss aber darüber aufgeklärt werden, dass z. B. bei blutenden Brustwarzen und hoher mütterlicher Viruslast über 600 000 IU/ml ein theoretisches Restrisiko für eine Infektion des Säuglings besteht. Eine ausführliche Stillberatung und Anleitung im Wochenbett durch die betreuende Hebamme ist hier von besonderer Wichtigkeit.

NAS. Das in 75–90 % Häufigkeit auftretende neonatale Entzugssyndrom (NAS) ist für das betroffene Kind, die Mutter und das Klinikpersonal äußerst belastend. Da substituierte Frauen oftmals unrealistische Vorstellungen bezüglich der Vorhersagbarkeit des kindlichen Entzuges haben, muss der Gynäkologe im Vorfeld ausführliche Aufklärungsarbeit, möglichst in Zusammenarbeit mit den pädiatrischen Kollegen, leisten.

Die Ausprägung des neonatalen Entzugssyndroms korreliert nicht immer mit der Einnahmedauer und -dosis des verwendeten Präparates. Durch die unterschiedlich langen Halbwertszeiten der Substitute treten die kindlichen Symptome zu unterschiedlichen Zeiten auf und halten unterschiedlich lange an [60]. Für das Ausmaß der kindlichen Symptome können der zusätzliche Nikotinentzug und individuelle interferierende Parameter wie Kindsgewicht, Reife des Neugeborenen oder auch die aktuell diskutierten Gen-Polymorphismen eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen [61], [62]. Für das betreuende Klinikpersonal ist zu berücksichtigen, dass die Mutter die Zeit des kindlichen Entzuges oftmals als krisenhafte Zuspitzung ihres Versagens erlebt, sodass eine enge Kommunikation mit ihr und dem Hilfesystem wichtig ist und der Bindungsaufbau zum Kind intensiv unterstützt werden muss. Hier kann das Stillen durch den engen Mutter-Kind-Kontakt ein wertvoller psychologischer Faktor für die Wöchnerin sein.

Kontrazeptionsberatung. Unabhängig davon, ob das Neugeborene bei der Mutter verbleiben kann oder nicht, sollte die gynäkologisch-geburtshilfliche Betreuung der Patientin nicht ohne verlässliche Absprachen hinsichtlich der zukünftig durchzuführenden Kontrazeption enden.



Diskussion

Ein Großteil der drogenabhängigen Frauen befindet sich im reproduktiven Alter. Fehlendes kontrazeptives Bewusstsein und riskantes sexuelles Verhalten sind die Hauptursachen für ungeplante Schwangerschaften und maternale Infektionen bei diesen Patientinnen [63], [64], [65]. Die gynäkologisch-geburtshilfliche Betreuung der substanzkonsumierenden Schwangeren stellt durch das erhöhte fetomaternale Risiko eine besondere Herausforderung an Professionalität und Interdisziplinarität, aber auch an die ärztliche Empathie dar.

Engmaschige Vorsorge

Reduktion des Beigebrauchs. Eine von Welle-Strand und Mitarbeitern ausgewertete norwegische Kohortenstudie zeigte die positive Bedeutung der engmaschigen Schwangerenvorsorge auch im Hinblick auf die Reduktion des Beigebrauchs von Alkohol, anderer illegaler Drogen und Tabak [66]. Da ca. 95–98 % aller Drogenabhängigen rauchen, ist die Motivation der Schwangeren zur Konsumreduktion eine wichtige ärztliche Aufgabe. Holbrook und Kaltenbach konnten durch ein Tabakentwöhnungsprogramm bei methadonsubstituierten Schwangeren eine Reduktion der täglich gerauchten Zigaretten auf knapp die Hälfte des bisherigen Konsums erreichen [67]. Die Vermutung, dass drogenkonsumierende Schwangere für eine Tabakreduktion nicht motiviert oder überfordert seien, muss somit auch von gynäkologischer Seite hinterfragt werden.

Neben der physischen Abhängigkeit von suchterzeugenden Substanzen gibt es gerade bei betroffenen Schwangeren Hinweise, dass psychische Parameter wie Selbstwertgefühl, Depressionen und Ängste eine wichtige Rolle in der Abusussituation spielen [68]. Ein besseres Verständnis für diese Interaktionen wird dringend benötigt, da gerade die Hochrisikogruppe von schwerabhängigen Schwangeren trotz Substitution häufig einen Beigebrauch von anderen illegalen Drogen aufweist: Delano et al. konnte im Mekonium Neugeborener nachweisen, dass ca. 1 Drittel der mit Methadon substituierten Mütter noch mindestens ein weiteres Opioid beikonsumiert hatten. Dies bedeutet für die Schwangerenvorsorge eine Risikoerhöhung für den Feten durch die potenzierte Drogenexposition und schwankende Opiatspiegel [69]. Ein Abdosieren von Substitutionsmedikamenten oder die Neueinstellung mit Buprenorphin bei Schwangeren wird deshalb von einzelnen Autoren mit der Begründung eines erhöhten maternalen Beikonsumrisikos und der Begünstigung eines intrauterinen Abstinenzsyndroms abgelehnt [70].

Eine individuelle, sorgfältige Einschätzung der Stabilität der Schwangeren durch den Substitutionsarzt sowie ein enger Informationsaustausch mit dem betreuenden Gynäkologen sind wichtige Grundvoraussetzungen zur Beratung der Schwangeren.


Non-Compliance-Problematik

Weiterhin hochproblematisch sind diejenigen Schwangeren, die sich dem Hilfesystem entziehen und die Vorsorgetermine beim Gynäkologen nur sporadisch wahrnehmen [7]. Die ärztliche Begleitung dieser Schwangeren beinhaltet auch, die von den Patientinnen oft erlebte Stigmatisierung und ablehnendes Verhalten zu vermeiden. Eine eingeschränkte Compliance darf nicht zum „Aufgeben“ der Patientin durch den Gynäkologen führen [71], [72].

Die gynäkologisch-geburtshilfliche Betreuung drogenkonsumierender Schwangerer bleibt eine komplexe Aufgabe. Neben der medizinischen Vorsorge sind wir angehalten, die Mutter in ihrer Verantwortung zu fördern, aber auch zu fordern: Drogenabusus in der Schwangerschaft ist nicht mehr individuelles, sondern nun maternales Verhalten.



Fazit für die Praxis

Eine enge Zusammenarbeit zwischen Suchthilfesystem, betreuendem Gynäkologen, geburtshilflicher Klinik, Neonatologie und Kinderschutzstellen ist eine wichtige Grundvoraussetzung für die Betreuung der Schwangeren und Kinder. Die pharmakologische Komplexität des Mischkonsums, Schwangerschaftskomplikationen wie vorzeitige Wehentätigkeit und intrauterine Wachstumsrestriktion und mütterliche Risiken wie Infektionserkrankungen und Beikonsum unter Substitution erfordern eine engmaschige Schwangerenvorsorge dieser Risikoschwangerschaften.



Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

* Mod. nach Erstpublikation in: Z Geburtshilfe Neonatol 2014; 218: 142–148



Korrespondenzadresse

Dr. Georgine Huber
Klinik für Geburtshilfe und Frauenheilkunde der Universität Regensburg, Krankenhaus St. Hedwig
Steinmetzstraße 1–3
93049 Regensburg