Allgemein- und Viszeralchirurgie up2date 2015; 9(1): 19-35
DOI: 10.1055/s-0033-1358088
Perioperative Medizin
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Management häufiger postoperativer Probleme und Komplikationen

Teil 1
C. J. Krones
2   Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie, Katholische Stiftung Marienhospital Aachen
,
C. D. Klink
1   Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie, Universitätsklinikum der RWTH Aachen
,
A. Lambertz
1   Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie, Universitätsklinikum der RWTH Aachen
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Korrespondenzadresse

Dr. med. Carsten J. Krones
Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie, Marienhospital Aachen
Zeise 4
52066 Aachen
Phone: +49-241/60 06-12 00   
Fax: +49-241/60 06-12 09   

Publication History

Publication Date:
12 February 2015 (online)

 

In der postoperativen Phase können bei viszeralchirurgischen Patienten verschiedene Komplikationen auftreten, die sich schwerwiegend oder sogar lebensbedrohlich entwickeln, wenn man sie zu spät erkennt. Eine schnelle Diagnose und die Durchführung der richtigen Erstmaßnahmen sind für die Prognose der betroffenen Patienten dann entscheidend.

Dieser Beitrag beschreibt 4 Kasuistiken, deren strukturierte Bearbeitung nicht nur den Fall löst, sondern auch Prinzipien aufzeigt, die sich generalisieren lassen. In einem zweiten Beitrag werden nach dem gleichen Prinzip einige weitere Kasuistiken dargestellt.


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Abkürzungen

ABC-Schema: Airways, Breathing, Circulation
BGA: Blutgasanalyse
BMI: Body-Mass-Index
DGEM: Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin
GI: gastrointestinal
HBV: Hepatitis-B-Virus
HCV: Hepatitis-C-Virus
HIV: humanes Immundefizienzvirus
HTR: hämolytische Transfusionsreaktion
PDK: Periduralkatheter
TACO: Transfusion associated circulatory Overload
TRALI: transfusionsassoziierte akute Lungeninsuffizienz
TVT: tiefe Venenthrombose
ZVD: zentraler Venendruck

Einleitung

In Anbetracht der oftmals komplexen postoperativen Physiologie viszeralchirurgischer Eingriffe und einer auch nicht zu unterschätzenden Breite an möglichen Differenzialdiagnosen entwickelt sich in der postoperativen Phase insbesondere für jüngere oder klinisch weniger erfahrene Kollegen manchmal eine sehr anspruchsvolle Herausforderung. Kann man im Tagdienst in solchen Fällen noch schnell kollegiale Hilfe anfordern, steigen Anspruch und Gefahr im Nachtdienst nicht nur gefühlt fast exponentiell an, denn es ist meist keine schnelle Unterstützung verfügbar. Hier Ruhe und Überblick zu bewahren, um die richtigen Dinge in der richtigen Reihenfolge tun zu können, ist die zentrale Herausforderung für die jungen Kollegen.

Um diese Aufgabe zu bewältigen, muss man die Medizin jedoch nicht in jedem Dienst neu erfinden. Stattdessen lassen sich zumeist einfache Raster anwenden.

An erster Stelle steht, das Problem wahr- und ernst zu nehmen. Kaum etwas ist gefährlicher als eine ernste klinische Bedrohung zu unterschätzen.

Aus der ersten Befunderhebung muss sich eine Arbeitshypothese entwickeln, die dann konsequent bestätigt oder abgelehnt wird. Hier gilt „first things first“ oder besser „Häufiges ist häufig und Seltenes selten“: banal imponierende Prinzipien, die den Alltag aber erheblich erleichtern. Die differenzialdiagnostischen Überlegungen entwickeln, erhärten oder lösen sich dann im Prozess der Überprüfung der Verdachtsdiagnose. Am Ende steht fast immer die Lösung – nächtliche Notfälle sollten nicht in den Tagdienst transportiert werden. Übrigens: Wenn man nach konzentrierter Bearbeitung trotzdem nicht weiter weiß, hilft das Telefon. Es gibt immer einen Oberarzt, der auch von zu Hause aus bereit ist, dem unerfahreneren Kollegen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.

Damit man jedoch nicht bei jeder unerwarteten Wendung auf noch nicht ganz sicherem Terrain zum Telefon greifen muss, kann man üben. Dazu werden hier exemplarisch einige der häufigsten postoperativen Probleme und Komplikationen dargestellt und analysiert. Dies geschieht natürlich ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit – in der Medizin ist nichts unmöglich und keine Konstellation unvorstellbar. Aber Notfallmanagement ist auch in der durchaus anspruchsvollen viszeralchirurgischen Variante kein Buch mit sieben Siegeln.

Ganz am praktischen Alltag orientiert präsentieren wir in diesem Teil 4 Beispiele, die dem Leser Handlungshilfen bieten sollen, um die nächste postoperative Komplikation, mit der er konfrontiert ist, vielleicht noch frühzeitiger erkennen und behandeln zu können.


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Luftnot und Thoraxschmerz: Lungenembolie

Kasuistik

Fallbeispiel 1

Ein 64-jähriger Patient klagt bei der Nachtschwester am 5. postoperativen Tag nach Kolonresektion bei Divertikulitis über eine neu aufgetretene Dyspnoe und beidseitige, leichte Thoraxschmerzen. Der Mann ist der diensthabenden Ärztin persönlich nicht bekannt. Er war auch nicht Thema der Übergabe im Rahmen der Nachmittagsbesprechung. Sie schätzt den Fall zunächst unkompliziert ein – der PDK ist heute entfernt worden, vielleicht mangelt es an Analgesie –, bleibt aber aufmerksam. Die Nachtschwester informiert auf Nachfrage kurz über die Nebenerkrankungen: anamnestisch besteht eine koronare Herzerkrankung, ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus sowie eine Adipositas mit einem BMI von 34. Bevor sie sich auf den Weg zur Station macht, bittet die Ärztin, die Kreislaufwerte zu erheben.

Beim Eintreffen hat sich die Informationslage verbessert, die Situation aber auch verschärft. Klinisch liegt inzwischen eine Schocksituation vor: Der Patient ist mit einer Herzfrequenz von 130/min tachykard und mit einem systolischen Blutdruck von 90 mmHg hypoton. Das Abdomen ist weich und mit Ausnahme der Austrittsstelle der Drainage ohne jeden Druckschmerz. Die Pflaster sind trocken und die Wunden darunter reizlos. Die Easy-Flow-Drainage fördert seröse Flüssigkeit. Der Mann klagt über inspiratorische Schmerzen im Brustkorb, obwohl er vor 30 Minuten eine Metamizol-Infusion erhielt. Die Lunge ist auskultatorisch frei.

Die Ärztin dehnt ihre Untersuchung konsequent aus. Das rechte Bein ist im Seitenvergleich etwas geschwollen und dazu distal überwärmt. Der Druck auf die Wade ist auf dieser Seite schmerzhaft, auch nachdem die etwas einschnürenden Unterschenkelkompressionsstrümpfe abgelegt worden sind. Man misst die Sauerstoffsättigung, die mit 79 % eine Hypoxämie aufweist. Der Mann erhält sofort 2 l Sauerstoff über eine Nasensonde.

Die Ärztin orientiert sich über die Zugänge, legt einen zweiten Venenverweilkatheter und begleitet den Patienten nach telefonischer Ankündigung unter dem Verdacht einer Lungenembolie zur weiteren Diagnostik und Therapie sofort auf die Intensivstation.

Hier werden ein arterieller und ein zentralvenöser Zugang gelegt und parallel der Kreislauf mittels Dobutamin-Perfusor stabilisiert sowie eine Laboruntersuchung in Auftrag gegeben. Ein Ultraschall des Abdomens fällt unauffällig aus. Danach wird eine CT des Thorax durchgeführt, die links zentral eine Lungenembolie nachweist. Die Radiologen stellen im direkten Anschluss sonografisch eine Thrombose in Leiste und Oberschenkel rechts dar.

Mittlerweile trifft das Ergebnis der Laboruntersuchung ein: Die D-Dimere sind erhöht, was am 5. postoperativen Tag allerdings nur begrenzt für die weiteren Entscheidungen verwertbar ist. Der Kreislauf bleibt wie die BGA (paO2 = 60 mmHg, paCO2 = 24 mmHg) grenzwertig.

Nach Rückkehr auf die Intensivstation zeigt eine Echokardiografie eine deutliche Rechtsherzbelastung mit rechtsventrikulärer Dilatation und inverser Septumbewegung. Unter diesen Bedingungen wird trotz des Nachblutungsrisikos eine Lysetherapie eingeleitet. Die Situation des Patienten bessert sich zusehends.

Nach Verlassen der Intensivstation wird er für die Dauer von 6 Monaten mit einem Blutverdünnungspräparat eingestellt.

Hintergrund und Klinik

Das klinische Erscheinungsbild der Lungenembolie reicht in Abhängigkeit von den betroffenen Lungenarterien von asymptomatischen Fällen bis hin zu fulminanten Verläufen, die unmittelbar zum Tode des Patienten führen. Dementsprechend ist die Diagnose der Lungenembolie im klinischen Alltag häufig schwierig. In ca. 90 % der Fälle liegen die Symptome Dyspnoe, Tachypnoe und Thoraxschmerzen entweder einzeln oder in Kombination vor. Außerdem kann es zu Husten und Hämoptysen kommen. In ausgeprägten Fällen findet man durch die Rechtsherzbelastung mit erhöhtem ZVD gestaute Halsvenen bis hin zum Schock mit ausgeprägter Hypotonie und Tachykardie (s. [Checkliste]).

Checkliste

Klinik der Lungenembolie

  • Dyspnoe

  • Tachypnoe

  • Thoraxschmerz

  • Tachykardie

  • Husten

  • Synkope

  • Zeichen der TVT

  • Hämoptyse

  • Zyanose

Da die in der Checkliste genannten Symptome nicht spezifisch sind, kommt eine Reihe von Differenzialdiagnosen wie Myokardinfarkt, Pneumonie, Pneumothorax, Pleuraerguss und andere in Betracht (Tab. [1]).

Tabelle 1Differenzialdiagnosen bei postoperativer Luftnot und Thoraxschmerz und weitere Leitsymptome, die in der Abgrenzung helfen können.

Differenzialdiagnose

Leitsymptome

Lungenembolie

  • Tachykardie

  • Tachypnoe

  • Blutdruckabfall

akuter Myokardinfarkt

  • stärkster Schmerz

  • Brustkorbenge

  • Angst

Pneumothorax

  • Tachypnoe

  • Hautemphysem

  • kein Geräusch

Pleuraerguss

  • Hustenreiz

  • Orthopnoe

Pneumonie

  • Fieber

  • Auswurf

  • Einsatz der Atemhilfsmuskulatur

In 90 % der Fälle kommt der Embolus aus dem Stromgebiet der V. cava inferior und hier meist aus den tiefen Beinvenen, sodass die klinische Untersuchung auch hier von entscheidender Bedeutung ist.

Auch und gerade beim Notfall auf Station: Immer der Blick unter die Bettdecke!

Obwohl die Lungenembolie in bis zu 20 % der Fälle primär oder idiopathisch, also ohne erkennbares Risikoprofil auftritt, gibt es in den meisten Fällen prädisponierende Faktoren, deren Vorliegen die Diagnosefindung erleichtern kann (s. [Infobox „Risikofaktoren“]). Das Risikoprofil des einzelnen Patienten kann mithilfe des Geneva-Scores abgeschätzt werden ([Le et al. 2006]; s. [Infobox „Risikofaktoren“]).

Risikofaktoren

Risikofaktoren für eine Lungenembolie

  • operatives Trauma

  • Immobilität

  • Malignom

  • frische Frakturen und Wirbelsäulenverletzungen

  • Thrombembolie in der Vorgeschichte

  • Übergewicht

  • orale Kontrazeptiva

Vor allem beim postoperativen Patienten muss man bei akuten Beschwerden der Atemwege eine Lungenembolie erwägen!


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Diagnostisches Vorgehen

Auch in der Notfallsituation darf die gezielte Anamnese und klinische Untersuchung des Patienten nicht vernachlässigt werden. Initial erfolgt die Einschätzung der vitalen Bedrohung anhand der Vitalparameter (Blutdruck, Puls, O2-Sättigung, BGA, Labor, EKG) und des klinischen Bildes (Tachypnoe? Kaltschweißigkeit? abdomineller Befund? Drainagen?). Erst danach ist bei stabiler Situation die weitere Diagnostik durchzuführen. Die möglicherweise indizierte Verlegung des vital bedrohten Patienten auf die Intensivstation darf keinesfalls durch die Durchführung weiterführender diagnostischer Maßnahmen verzögert werden.

Cave. Bei vital bedrohten Patienten keine weiterführende Diagnostik auf der Normalstation, sondern erst Stabilisierung und Verlegung auf eine Überwachungsstation!

Es folgt die Durchführung einer Thoraxröntgenaufnahme, um Differenzialdiagnosen wie Pneumothorax oder Pneumonie auszuschließen. Erhärtet sich dann der Verdacht einer Lungenembolie, stellt die Computertomografie des Thorax mit Kontrastmittel das wichtigste diagnostische Mittel dar. Die CT liefert eine schnelle Diagnose und ist bei zusätzlich hoher Spezifität und Sensitivität beispielsweise der Ventilations-Perfusions-Szintigrafie in der Notfallsituation klar überlegen.

Nach großen viszeralchirurgischen Resektionen kann erwogen werden, die CT-Untersuchung des Brustkorbs direkt mit einer Darstellung des Abdomens zu kombinieren. Dies trifft vor allem auf die Patienten zu, deren Verlauf schon vorher nicht ganz unkompliziert ist. Hier lautet die klinische Kette u. U.:

  • komplizierter Verlauf

  • längere Bettlägerigkeit

  • Thrombose

  • Lungenembolie

Eine laborchemische Erhöhung der D-Dimere ist bei geringer Spezifität gerade beim früh postoperativen Patienten dagegen kaum aussagekräftig.

Bei Verdacht auf Lungenembolie schnelle CT-Diagnose anstreben!


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Therapeutisches Vorgehen und Prävention

Nach hämodynamischer und respiratorischer Stabilisierung des Patienten steht bei zentraler Lungenembolie die Lyse im Vordergrund. Beim früh postoperativen Patienten muss unbedingt das Blutungsrisiko berücksichtigt werden. Hier ist eine klare Risiko-Nutzen-Abwägung erforderlich, die dem erfahrenen Arzt vorbehalten ist. In der akut lebensbedrohlichen Situation ist das Blutungsrisiko jedoch in der Regel nachrangig. Um einen optimalen Effekt der Lyse zu erreichen, muss diese innerhalb von 48 Stunden nach dem Ereignis gestartet werden, was erneut die Dringlichkeit der schnellen Diagnosefindung unterstreicht.

Problemlösungen

Akutmaßnahmen bei V. a. Lungenembolie

  • Sauerstoffgabe über Maske oder Nasensonde

  • Halbsitzende Lagerung und Immobilisation

  • Bei Schmerzen Analgesie, z. B. mit Pethidin

  • ggf. Sedierung, z. B. mit Diazepam

  • ggf. Beginn Heparingabe i. v.

  • je nach Blutdruck ggf. Schockbehandlung

Da es sich bei der Therapie der Lungenembolie um eine internistische und intensivmedizinische Domäne handelt, liegt die Aufgabe des Chirurgen zusammenfassend in

  • der Prävention,

  • der Durchführung der richtigen Akutmaßnahmen in der Notfallsituation und

  • der frühzeitigen Diagnosestellung.

Die postoperative Thromboseprophylaxe gliedert sich dabei je nach Risikogruppe (Tab. [2]) in Basismaßnahmen wie

Tabelle 2Risikogruppen für postoperative Thrombembolien und Thromboseprophylaxe

Risiko für postoperative Thrombembolien

Eingriff/Patientenspezifika

Thromboseprophylaxe nach Risikogruppen

niedriges Risiko

  • kleine operative Eingriffe

  • Verletzung ohne oder mit geringem Weichteilschaden

  • kein zusätzliches bzw. nur geringes dispositionelles Risiko

  • Basismaßnahmen

  • Kompressionsstrümpfe

  • keine medikamentösen Maßnahmen

mittleres Risiko

  • länger dauernde Operationen

  • gelenkübergreifende Immobilisation der unteren Extremität im Hartverband

  • arthroskopisch assistierte Gelenkchirurgie an der unteren Extremität

  • kein zusätzliches bzw. nur geringes dispositionelles Risiko

  • Basismaßnahmen

  • Kompressionsstrümpfe (wenn keine Kontraindikation)

  • medikamentöse Antikoagulation

hohes Risiko

  • größere Eingriffe in der Bauch- und Beckenregion bei malignen Tumoren oder entzündlichen Erkrankungen

  • Polytrauma, schwerere Verletzungen der Wirbelsäule, des Beckens und/oder der unteren Extremität

  • größere Eingriffe an Wirbelsäule, Becken, Hüft- oder Kniegelenk

  • größere operative Eingriffe in Körperhöhlen der Brust-, Bauch- und/oder Beckenregion

  • die frühzeitige Mobilisation,

  • physikalische Maßnahmen wie das Tragen von Kompressionsstrümpfen (Abb. [1]) und

  • in medikamentöse Thromboseprophylaxe durch Antikoagulation.

Zoom Image
Abb. 1  Basismaßnahmen der postoperativen Thromboseprophylaxe beinhalten unter anderem die Verwendung von Kompressionsstrümpfen (Bild: tibanna79/Fotolia).

Tab. [2] zeigt die Maßnahmen nach Risikogruppen gegliedert ([Torbicki et al. 2009]).

Es ist zu beachten, dass es Kontraindikationen für die Anwendung von Thromboseprophylaxestrümpfen gibt:

  • kritische periphere arterielle Durchblutungsstörungen,

  • schwere Neuropathien,

  • ausgeprägte periphere Ödeme,

  • lokale Infekte,

  • Nekrosen,

  • Verletzungen.


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Delir und Aggressivität: Alkoholentzug

Kasuistik

Fallbeispiel 2

Ein 54-jähriger Patient ist am 2. postoperativen Tag nach laparoskopischer Cholezystektomie bei akuter Cholezystitis am Nachmittag unruhig und agitiert. Das Pflegepersonal ist besorgt, doch die Situation beruhigt sich beim Eintreffen der Angehörigen zunächst wieder. Der Stationsarzt sieht daraufhin keinen Grund einzugreifen.

In der Nacht wirkt der Mann aber erneut verwirrt und schließlich sogar aggressiv. Die Nachtschwester informiert daraufhin telefonisch den jungen diensthabenden Arzt, der sich bei hoher Arbeitsbelastung in der Ambulanz nur verzögert auf den Weg zur Station machen kann und dort ca. 45 Minuten nach der Meldung eintrifft.

Er trifft auf einen motorisch unruhigen, schwitzenden Patienten mit hochrotem Kopf. Der Mann nestelt mit einem feinschlägigen Tremor an Bettdecke und Schlafkleidung. Die Kontaktaufnahme ist schwierig – der Patient ist empört. Die Nachtschwester, die die Wartezeit bis zum Eintreffen des Dienstarztes zwangsläufig überbrücken musste, hat ihn in seinem Bewegungsdrang behindert. Das geschah natürlich zum Schutz des Patienten, der die Notwendigkeit dieser Maßnahme jedoch nicht einsieht. Er wolle jetzt gehen, denn in diesem Haus laufen überall kleine Tiere an den Zimmerwänden. Als der Dienstarzt diese halluzinatorische Wahrnehmung lächelnd, aber konsequent verneint, eskaliert die Situation: Der Mann ruft laut und ausdauernd nach der Polizei. Da Schwester und Diensthabender in ihrer kontroversen Diskussionshaltung verharren, ist bald die halbe Station in Aufruhr.

Erst der durch den Lärm aufgeschreckte erfahrene Kollege aus der Inneren Medizin kann helfen. In einem behutsamen Gespräch schöpft der Patient wieder so viel Vertrauen, dass er sich untersuchen lässt. Die Vitalparameter zeigen eine Hypertonie von 170/90 mmHg und eine Tachykardie von 120/min. Unverändert ist der Kopf gerötet und die Stirn etwas schweißig. Die Sauerstoffsättigung liegt bei 94 %. Der Mann ist Raucher. Der Chirurg überprüft jetzt auch den Bauch. Die Wunden sind reizlos. Der Patient hatte sich die Pflaster wie auch den Zugang und die Drainage bereits selbst entfernt. Der Drainagebeutel liegt auf dem Boden, er ist gering blutig-serös gefüllt. Der Bauch ist weich und nur etwas meteoristisch gebläht. Die Auskultation der Lunge ist wegen der Unruhe anspruchsvoll, orientierend aber unauffällig.

Bei Durchsicht der Patientenakte fällt eine Fluktuation bei Puls, Atmung und Körpertemperatur in den letzten 12 Stunden auf. Die Temperatur ist auch jetzt leicht erhöht. Das am Morgen desselben Tages abgenommene postoperative Routinelabor zeigt keine Auffälligkeiten.

Es wird die Verdachtsdiagnose eines Entzugsdelirs gestellt. Der Internist bringt den diensthabenden Chirurgen auf die richtige Fährte.

Neue Pflaster werden von dem Patienten nicht akzeptiert. Der Dienstarzt setzt jetzt aber die richtige Priorität und verzichtet zunächst auf den Verband, um nicht sofort wieder in einen Konflikt mit dem uneinsichtigen Patienten zu geraten. Mit etwas Überredungskunst lässt sich der Patient in einen Überwachungsbereich bringen. Hier bessert sich die Aggressivität unter der Gabe von Haloperidol etwas. Der Patient ist nun ruhiger und die optischen Halluzinationen verschwinden.

Doch die vegetative Entgleisung besteht nach wie vor. Sie bessert sich erst unter Einsatz von Clonidin als perfusorgesteuerte Infusion. Ab 3:15 Uhr schläft der Patient normoton und nur noch grenzwertig tachykard. Die Situation ist wieder im Griff. Der Diensthabende verzichtet deshalb darauf, seinen Hintergrund telefonisch über die Verlegung auf die Intensivstation zu informieren. Auch das Angehörigentelefonat verschiebt er auf den kommenden Morgen.

Am nächsten Tag gibt die Ehefrau wertvolle Hinweise auf ein seit Jahren bestehendes Alkoholproblem, was der Patient bei der Aufnahme und in der Prämedikation verschwiegen hatte. Im Verlauf kann die beruhigende Medikation zunächst auf eine orale Gabe umgestellt und dann ausschleichend vermindert werden. Der Patient bekommt zusätzlich ein Nikotinpflaster. Die Ärzte empfehlen einvernehmlich die Anbindung an die Suchtambulanz der nahe gelegenen psychiatrischen Klinik.

Hintergrund und Klinik

Die Alkoholabhängigkeit ist eine häufig auftretende Suchterkrankung, die im Krankenhaus ohne Zugang zu Alkohol schnell zu Entzugserscheinungen führen kann. Nach aktuellen Schätzungen gibt es in Deutschland zwischen 1,3 und 2,5 Millionen Alkoholabhängige, wobei zu ca. 70 % Männer betroffen sind. Im Anamnesegespräch geben die Patienten oft nicht an, dass sie regelmäßig Alkohol trinken, oder sie verharmlosen ihren Konsum auf ein gesellschaftlich akzeptables Maß. 9,5 Millionen Menschen in Deutschland konsumieren Alkohol in riskanter Dosis, nehmen also mehr als 24 g (Männer) bzw. 12 g (Frauen) reinen Alkohol pro Tag zu sich.

Eine körperliche Gewöhnung kann sich aber auch schon bei geringerer Menge einstellen. Neben der Dosis/Menge ist auch die Regelmäßigkeit für eine Suchtentwicklung entscheidend. Es reichen manchmal schon das Feierabendbier, das tägliche Glas Rotwein zum Fernsehen oder das Tonikum zur Herz- und Kreislaufstärkung zur Suchtentwicklung aus. Die Aktivität des einzigen alkoholabbauenden Enzyms, der Alkoholdehydrogenase, ist individuell ausgeprägt und übrigens nicht trainierbar. Trainierbar ist nur der Umgang mit der Trunkenheit.

Die Gewöhnung an Alkohol entsteht durch regelmäßigen Konsum auch kleiner Mengen.

Die frühen Entzugssymptome sind vielfältig. Die Spannbreite reicht vom klassischen Tremor über Schweißausbrüche und die Agitation bis zu epileptischen Anfällen. Die Symptome können schon 12–24 Stunden nach der letzten Alkoholzufuhr einsetzen. Manchmal wird diese Entwicklung durch die zwischen letztem Konsum und Erstsymptom liegende Narkose maskiert.

Ohne Gegenmaßnahmen kommen in der nächsten Phase Sinnestäuschungen, optische Halluzinationen, Erregungszustände und eine vegetative Instabilität (Fluktuation der Vitalparameter) hinzu. Beim voll ausgeprägten Alkoholentzugsdelir (Delirium tremens) kann die massive vegetative Entgleisung über die Erhöhung von Puls, Blutdruck und Atemfrequenz unbehandelt letal verlaufen. Auch eine protrahierte Atemdepression bis zur notfallmäßigen Re-Intubation ist möglich.

Gerade bei älteren oder multimorbiden Patienten verschlechtert ein postoperatives Delir so die Prognose der Grunderkrankung deutlich. Die unbehandelte Letalitätsrate von bis zu 25 % kann aber durch eine rechtzeitige Diagnose und Therapie deutlich reduziert werden. Insbesondere muss man bei Patienten, die an einer Folgeerkrankung chronischen Alkoholkonsums wie der Pankreatitis, der Leberzirrhose oder einer Ösophagusvarizenerkrankung behandelt werden, an die Möglichkeit eines Alkoholentzugs denken.

Aber Vorsicht: Die häufigste Ursache für eine Pankreatitis sind immer noch Gallensteine, und auch nicht jede Leberzirrhose ist alkoholinduziert. Die Diagnose einer Alkoholentzugskrankheit stellt sich damit oft nach dem Ausschlussprinzip.

Nicht jede Pankreatitis und jede Leberzirrhose sind alkoholinduziert!


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Diagnostisches und therapeutisches Vorgehen

Da der Alkoholentzug mit dem beschriebenen hohen Risiko für den Patienten assoziiert ist, sind die schnelle Diagnose und die Therapie von großer Bedeutung. Ein postoperatives Delir hat jedoch eine breite Differenzialdiagnose. Der Alkoholentzug ist nur eine Möglichkeit und am Ende eine Ausschlussdiagnose (Tab. [3]). Die sichere Diagnose ergibt sich also erst nach kompletter körperlicher Untersuchung und gezielter Eigen- bzw. Fremdanamnese.

Tabelle 3Differenzialdiagnosen des postoperativen Delirs und mögliches Check-Instrument.

Differenzialdiagnosen des postoperativen Delirs

mögliches Check-Instrument

Narkotika oder andere Medikamente

Pupillen?

Hypoxie

Pulsoxymetrie?

gestörtes Elektrolytgleichgewicht

Labor?

Hyponatriämie?

Infektion

Fieber?

Labor?

Wunde?

Urin?

Lunge?

Flüssigkeitsmangel

Hautfalten?

Urinproduktion?

Zunge?

Schlafentzug

Anamnese der letzten Nächte?

Im konkreten Fall muss der Stationsarzt schon im Tagdienst die Angaben des Pflegepersonals ernst nehmen. Hier war die Situation noch kompensiert, eine gezielte Befragung hätte vielleicht Aufschluss gebracht. In der Notsituation der Nacht kann man die Checkliste (s. Tab. [3]) dann strukturiert abarbeiten.

Von ganz besonderer Bedeutung ist es, auf den Patienten beruhigend einzuwirken. Kontroverse Diskussionen sind völlig kontraproduktiv. Ein Blick in die Krankenunterlagen gibt Aufschluss über die Medikamentengabe und die Laborergebnisse. Die Pupillen, die Oxymetrie und die Temperatur sind leicht geprüft. Die nächtliche Anamnese kennt die anwesende Nachtschwester. Ein Blick auf Wunde und OP-Gebiet ist Pflicht. Danach muss man eventuell noch die Laborparameter kontrollieren. Ist jetzt das Vertrauen wiedergewonnen, kann man dazu direkt einen Zugang legen und freie Flüssigkeit einlaufen lassen.

Der Zugang ist danach bei Bedarf auch der Weg in eine angepasste Sedation. Da die Patienten häufig aggressiv und teilweise psychotisch sind, werden als Basistherapeutika Diazepam oder Clomethiazol eingesetzt. Symptomorientiert kann beispielsweise Haloperidol bei Halluzinationen oder Clonidin bei vegetativen Entgleisungen gegeben werden. Zur Verhinderung von Entzugskrämpfen kann zusätzlich bei Bedarf Carbamazepin eingesetzt werden. Unterstützend kann man versuchen, mit Thiamin (Vitamin B1) den Verwirrtheitszustand nicht durch ein zusätzlich vorliegendes Wernicke-Syndrom (Vitamin-B1-Mangel) zu aggravieren. Bei der Anwendung der genannten Medikamente ist auf eine engmaschige Überwachung der Vitalfunktionen zu achten, da sie häufig zusätzlich atemdepressive Wirkungen aufweisen.

Beim Vollbild des Delirium tremens ist eine Behandlung auf der Intensivstation indiziert. Längerfristig sollten die Patienten dann an professionelle Betreuung und Selbsthilfegruppen angebunden werden.

Beim frühen postoperativen Delir neben einem Alkoholentzug immer auch an Nikotin denken!


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Peranaler Blutabgang: Nachblutung

Kasuistik

Fallbeispiel 3

Ein 62-jähriger Mann fällt am 4. postoperativen Tag nach laparoskopischer Rektosigmoidresektion wegen Divertikulitis auf der Normalstation durch einen peranalen Blutabgang beim Toilettengang auf. Der bisherige postoperative Verlauf war ansonsten eigentlich komplikationslos. Als die diensthabende Ärztin die Meldung erhält, fragt sie als erstes nach Schmerzen. Danach bittet sie die Pflegekraft, den Mann ins Bett zu legen, Blutdruck, Puls und Temperatur zu messen, und begibt sich auf die Station. Als sie dort eintrifft, ist die Menge des Blutverlustes nach dem Toilettengang nicht mehr zu quantifizieren. Der Patient berichtet, dass er sich „explosionsartig“ entleert hätte. Die Toilettenschüssel sein dann ganz rot gewesen, er habe sofort geschellt. Die Nachtschwester hält die Menge für relevant, hat aber leider schon abgespült.

Der Patient ist besorgt, liegt aber schon wieder im Bett. Bei einer Herzfrequenz von 100/min liegt der Blutdruck bei 110/60 mmHg. Die Sauerstoffsättigung misst 98 %. Der Mann ist schmerzfrei, der PDK läuft noch. Das Abdomen ist weich und ohne Abwehrspannung. Die Drainage fördert serös. Die Wunden sind alle unauffällig. Beim Rücktransport von der Toilette ist der ZVK versehentlich disloziert: Der Patient war aufgeregt und die Räumlichkeiten sind eng. Der Mann ist zurzeit also ohne Zugang.

In Seitenlage ist das Gesäß noch etwas blutverschmiert. Die rektale Austastung ist nicht schmerzhaft, fördert aber Koagel. Die Dienstärztin erklärt dem Patienten mit kurzen, ruhigen Worten die Situation und signalisiert damit vor allem Sicherheit. Zeitgleich legt sie dem Patienten zwei großlumige venöse Zugänge, um allen Eventualitäten begegnen zu können. Eine Laborkontrolle wird dabei abgenommen. Die letzte Gerinnungskontrolle vor 2 Tagen war unauffällig.

Der Patient erhält Clexane 0,2 als Thromboseprophylaxe 1× täglich als subkutane Injektion. Die Nachtschwester will ins Labor eilen, aber die Dienstärztin hält sie zurück, um nicht mit dem Patienten allein zu bleiben. Eigentlich soll die Nachtwache der Nachbarstation das Blut ins Labor bringen. Da diese aber ebenfalls gerade unabkömmlich ist, disponiert die diensthabende Chirurgin um. Während die Pflegekraft zur Stützung des intravasalen Volumens eine Infusion anhängt, kündigt die Chirurgin den Patienten auf der Intensivstation an. Der Blutverlust ist nicht abschätzbar, es sind Koagel abgegangen, und weitere stehen in der Ampulle.

Die Arbeitshypothese ist eine Anastomosenblutung.

Der Transport verläuft unkompliziert. Auf der Intensivstation lässt sich sofort eine Blutgasanalyse durchführen. Der Hb liegt bei 8,7 mg% und weist damit einen Abfall von 1,5 mg% gegenüber der Kontrolle von vor 2 Tagen auf. Das abgenommene Blut geht zur Laboruntersuchung – die Dienstärztin lässt zusätzlich 4 Blutkonserven einkreuzen.

Die Chirurgin informiert den Endoskopierufdienst, der sofort ins Haus kommt, und danach ihren Hintergrund, der sich ebenfalls ankündigt. Die Situation ist auf der Intensivstation jetzt entschärft. Bis zum Eintreffen kann die Chirurgin deshalb ergänzend noch eine Sonografie des Abdomens durchführen, die einen unauffälligen Befund ergibt.

In der Endoskopie, die 15 Minuten später startet, bestätigt sich eine arterielle Blutung an der Anastomose, die sich unterspritzen und mit Clip versorgen lässt. Nach erfolgreicher Therapie informiert die Diensthabende noch telefonisch die Ehefrau des Patienten. Nach Volumengabe sinkt der Hämoglobingehalt auf minimal 7,5 mg%. Der Patient erhält 2 Blutkonserven transfundiert. Er erholt sich anschließend zügig.

Hintergrund und Klinik

Die postoperative Nachblutung ist vor allem deshalb eine gefürchtete Komplikation, weil sie oft erst spät entdeckt wird und in der Menge lange nicht ausreichend sicher einzuschätzen ist. Bei einer Anastomosenblutung kann zum Zeitpunkt der Entdeckung durch Entleerung schon der ganze Kolonrahmen gefüllt sein. Der Blutabgang repräsentiert in einem solchen Fall nur einen geringen Teil der tatsächlich verlorenen Blutmenge. Die Entleerung des Blutes über den Anus läuft wie bei einer Diarrhö ab, die in der Konsistenz ja ähnlich ist, d. h. der Patient entleert flüssiges Material mit Druck, sodass häufig die ganze Toilettenschüssel bespritzt ist. In der Vermischung mit dem Toilettenwasser bleibt jede Mengeneinschätzung dann sehr vage. Es kann trotzdem hilfreich sein, die abgeführte Menge zu inspizieren. Das Abspülen durch die Nachtwache war in dem oben geschilderten Fall damit falsch. Meistens bleibt der erste Eindruck trotzdem unklar oder besser unzureichend.

Bis man die Blutung ausreichend einschätzen kann, sollte aus Gründen der Sicherheit die gefährlichste Differenzialdiagnose angenommen werden – hier eine größere kreislaufrelevante Blutung.

Unter dieser Strategie entscheidet sich die Dienstärztin klugerweise mehrfach für die jeweils vorsichtigere Variante:

  • Sie lässt die Schwester nicht sofort zum Labor gehen, um den Patienten immer zu zweit betreuen zu können.

  • Sie organisiert verschiedene Maßnahmen parallel, um Zeitverluste zu minimieren.

  • Sie wartet nicht auf der Station das Eintreffen der Laborergebnisse ab, sondern transportiert den offensichtlich blutenden Patienten direkt auf die Intensivstation.

Prinzip

Potenziell instabile Kreislaufverhältnisse

Patienten, die potenziell instabile Kreislaufverhältnisse entwickeln, sollte man immer zu zweit betreuen, um bei einem Kollaps besser reagieren zu können. Allein das Lagern eines kollabierten Menschen kann eine Einzelperson an die Grenzen führen.

Diagnostische und therapeutische Maßnahmen parallel laufen zu lassen, ist ein Prinzip in der Behandlung von Notfällen. Das darf natürlich nicht unstrukturiert enden, und man muss manche Maßnahmen in ihrer Wirkung zunächst abwarten, um sie bewerten zu können. Dennoch ist auch ein konsequentes Tempo gefragt. Bei Laborbestimmungen muss man berücksichtigen, dass sie den Status der Abnahme repräsentieren. Bei dynamischen Prozessen wie einer Blutung kann dieser natürlich bei Eintreffen längst überholt sein.

Cave. Der Hämoglobinwert bleibt bei der akuten Blutung lange normal!

In der postoperativen Phase trennt man frühe von späten Nachblutungen. Frühen Nachblutungen liegt oft ein Problem der Blutstillung zugrunde. Bei einer Darmanastomose kann z. B. die Klammernaht ein murales Gefäß nicht ausreichend sicher gefasst haben. Die Nachblutung kann wie in diesem Fall auch dann auftreten, wenn die Anastomose intraoperativ mittels Endoskop kontrolliert wurde. Späte postoperative Blutungen sind häufig aber auch ein Ausdruck eines Defizits in der Blutgerinnung. Dann hat die Stabilisierung der Gerinnung Priorität.

Außerhalb der postoperativen Situation unterscheidet man Blutungen im gastrointestinalen Bereich: Man unterscheidet nach Lokalisation in obere und untere GI-Blutungen. Dabei dient das Treitz-Band als Orientierungspunkt.

Die akute obere gastrointestinale Blutung hat in westlichen Industrieländern eine Prävalenz von ca. 50–150 Fällen/100 000 Einwohner. Die häufigsten Ursachen bleiben trotz rückläufiger Tendenz peptische Magen- und Duodenalgeschwüre, die ca. ⅔ der nicht varikösen oberen gastrointestinalen Blutungen auslösen. Das Duodenalulkus überwiegt dabei gering die gastralen Ulzera, was mit der unterschiedlichen Wandarchitektur zusammenhängen könnte.

Die massive untere gastrointestinale Blutung ist im klinischen Alltag seltener. Die Divertikelblutung stellt mit 20–40 % sicher die häufigste Ursache. Seltener sind Angiodysplasien, Entzündungen und Tumoren.


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Diagnostisches und therapeutisches Vorgehen

Die akute obere GI-Blutung kann sich unterschiedlich zeigen. Klassisch ist sicher der sogenannte Teerstuhl (Meläna), dessen schwarze Färbung durch die Oxidation des hämoglobingebundenen Eisens im Kontakt mit Magensäure entsteht. Sehr volumenstarke Blutungen im Magen oder Duodenum können aber auch zu peranalem Abgang von Frischblut (Hämatochezie) führen. Die Kontaktzeit hat dann einfach nicht ausgereicht, oder die Menge war zu groß. Außerdem kann es auch zu Bluterbrechen kommen, denn Blut ist ein starkes Emetikum.

Das Leitsymptom der unteren gastrointestinalen Blutung ist dagegen immer die Entleerung von frischem Blut. Auch hier gibt es Farbunterschiede, denn bei längerem Verweilen im Darm finden auch hier eine Oxidation und vor allem eine Vermischung z. B. mit Gallesäften statt. Je dunkler, umso älter ist die Blutung. Die Menge lässt sich danach jedoch nicht abschätzen.

Alle gastrointestinalen Blutungen können sich als frischer peranaler Blutabgang manifestieren!

Je nach klinischem Schweregrad ist – wie in jeder Notfallsituation – auch bei der postoperativen Blutung die Kontrolle der vitalen Funktionen vorrangig. Vereinfacht kann man hier immer nach dem ABC-Schema vorgehen (s. [Checkliste]).

Checkliste

ABC-Schema

  • Airways

  • Breathing

  • Circulation

Die Atmungssituation ist bereits aus einem gewissen räumlichen Abstand – etwa von der Zimmertür aus – zu beurteilen. Die Kreislaufparameter erhebt die Pflegekraft bereits nach Alarmierung. Ergänzend werden die Sauerstoffsättigung z. B. über eine Pulsoxymetrie und eine Blutgasanalyse als schnellste Bestimmung des Hämoglobingehalts erhoben. Nun kann man sehr zügig reagieren.

Nach der Anlage von mindestens 2 großlumigen venösen Zugängen erfolgt die Blutabnahme zur Laborkontrolle sowie von Kreuzblut für Erythrozytenkonzentrate und dann eine erste intravenöse Volumengabe. Das Kreuzblut kann immer noch verworfen werden, wenn es nicht gebraucht wird. Eine Volumengabe schadet in der Kreislaufdepression nie.

Für alle weiteren Maßnahmen wählt man ein sicheres Umfeld – hier die Intensivstation. Bei unklarem Blutverlust kann eine Sonografie des Abdomens diagnostische Hinweise bieten. Allerdings ist die Abgrenzung zwischen koaguliertem Blut und gefüllten Darmanteilen im Ultraschall manchmal sehr anspruchsvoll. Auch einliegende Drainagen können als Indikatoren für die Qualität der intraabdominellen Flüssigkeit dienen. Sie drainieren aber gerade intraabdominell durch die postoperativen Substanzverschiebungen im Rahmen von Atmung und Bewegung oft gar nicht den kritischen Bereich und wiegen den Behandler dann in falscher Sicherheit.

Cave. Die Beurteilung von Drainagen aller Art bietet in allen Lokalisationen nur eine sehr begrenzte Sicherheit!

Bei Verdacht auf eine gastrointestinale Blutungsquelle ist natürlich die Endoskopie das diagnostische und gleichzeitig auch therapeutische Mittel der 1. Wahl. Da man vor der Intervention die Lokalisation der Blutung oft nicht sicher festlegen kann, kommen dann sowohl die Gastroskopie als auch die Koloskopie zum Einsatz. Die Gastroskopie geht dabei zumeist vor, da sie eines geringeren Aufwandes bedarf und schneller durchzuführen ist. Für eine Koloskopie kann es auch sinnvoll sein, den Darm zunächst zu spülen, da sonst die Blutungsquelle nicht zu identifizieren ist. In der postoperativen Situation rückt dagegen zunächst die Operationswunde – hier also die Anastomose – in den Vordergrund.

Endoskopien lassen sich am sichersten auf der Intensivstation durchführen.

Cave. Die Sedation einer Intervention verstärkt immer die Kreislaufdepression!

Die Substitution von Blut oder Blutprodukten muss differenziert erwogen und durchgeführt werden. Grundsätzlich ist man heutzutage mit der Gabe deutlich defensiver. Das liegt einerseits an der Transfusionsgesetzgebung, die auch aus infektiologischen Gründen eine sehr strenge Indikation verlangt (Abb. [2]). Die Gabe von Fremdblut gilt aber auch als Risikofaktor für Komplikationen. Dahinter stehen immunologische Implikationen. Außerdem gibt es selten schwerwiegende Komplikationen. Eine Übersicht über Zahlen aus der Schweiz bietet Tab. [4].

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Abb. 2  Ob ein hoher Blutverlust durch Transfusionen ausgeglichen werden sollte, muss abhängig vom Einzelfall entschieden werden (Bild: Dynamic Graphics).

Tabelle 4Risiko für Komplikationen durch Fremdbluttransfusion.

Risiko

Häufigkeit

1 CH-Haemovigilance Daten 2010.

2 CH-Haemovigilance Daten 2002 2007.

3 CH-Haemovigilance Daten 2008–2010.

4 Nationales Referenzzentrum für Infektionen durch Blut und Blutprodukte, 2010.

Volumenüberlastung (TACO)

1 : 14 000 Transfusionen1

Fehltransfusion

1 : 20 000 Transfusionen1

schwere allergische Transfusionsreaktion

1 : 20 000 Transfusionen1

hämolytische Transfusionsreaktion (HTR)

1 : 80 000 Transfusionen1

transfusionsassoziierte akute Lungeninsuffizienz (TRALI)

1 : 140 000 (2002–2007)2

1 : 400 000 (2008–2010)3

transfusionsassoziierte virale Infektionen

HBV

1 : 170 000 Spenden4

HCV

1 : 3 200 000 Spenden4

HIV

1 : 3 400 000 Spenden4

Es gibt eine Vielzahl an Handlungsempfehlungen, die untereinander alle etwas variieren. Sinnvoll ist es deshalb, interdisziplinär einen hausinternen Standard zu entwickeln, an dem man sich orientieren kann. Die Entscheidung bleibt dann aber immer noch vom Einzelfall abhängig. Der Hämoglobinspiegel kann übrigens mehrere Stunden lang scheinbar normal bleiben, da es sich um einen relativen Wert handelt und die Volumenauffüllung und damit die Verdünnung des Blutes erst verzögert einsetzen.

Der Hämoglobinwert kann bei der akuten Blutung zunächst normwertig bleiben!

Ein Beispiel für eine Empfehlung zur Bluttransfusion bietet das in Tab. [5] dargestellte Schema.

Tabelle 5Beispiel für eine Empfehlung zur Bluttransfusion.

Hämoglobin

Anämiezeichen*

Risikofaktoren**

Transfusion

* Anämiezeichen: unerklärte Tachykardie, Myokardischämie im EKG, tiefe gemischtvenöse Sättigung, Laktatazidose.

** Risikofaktoren: kardiale Erkrankung, zerebrale Durchblutungsstörung, respiratorische Insuffizienz.

≤ 60 g/l

ja

ja

ja

60–80 g/l

ja

nein

ja

nein

ja

ja

nein

nein

nein

80–100 g/l

ja

nein

ja

nein

ja

nein

nein

nein

nein

≥ 100 g/l

nein

nein

nein


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Postoperatives Fieber und Entzündungslabor: Katheterinfektion

Kasuistik

Fallbeispiel 4

Eine 74-jährige Patientin fällt dem Spätdienst am frühen Abend des 6. postoperativen Tages nach konventioneller Sigmaresektion mit einem Fiebersprung bis 39,2 °C auf. Der Dienstarzt diskutiert nach seiner Alarmierung am Telefon zunächst, warum die Stationsbesetzung sich nicht darum gekümmert hat. Doch die sind längst zu Hause, und der ruhigen Stationsschwester gelingt es trotzdem, dem Dienstarzt bereits fernmündlich eine Fiebersenkung abzuringen. Er rät zu Metamizol per Kurzinfusion. Die Schwester bleibt überlegt – Allergie! Sie rate zu Paracetamol. Der Diensthabende ist aufgebracht, hat sich jedoch bei Ankunft auf der Station 30 Minuten später beruhigt. Man besucht zusammen die Patientin, die bei jetzt 38,8 °C immer noch fiebert. Die Frau zittert etwas, fühlt sich aber sonst eigentlich wohl. Inspektorisch fallen zusätzlich rote Wangen auf.

Der Chirurg geht ab jetzt geordnet vor. „First things first!“ Der Bauch ist weich, die Wunde sieht reizlos aus. Die einliegende Drainage ist serös. Die Patientin war nach den Patientenunterlagen trotz PDK einige Tage etwas aton und hatte vorgestern noch erbrochen, gestern aber endlich abgeführt. Die Laboruntersuchung vom Morgen zeigt nur eine grenzwertige Leukozytose. Ein Kaliumdefizit wurde bereits ausgeglichen. Der Blasenkatheter ist seit 2 Tagen entfernt, der PDK auch. Die Einstichstelle des PDK ist ebenfalls unauffällig. Der ZVK läuft und lässt sich aspirieren, die Einstichstelle ist auch reizlos.

Der Dienstarzt nimmt Blut zur Laborkontrolle ab, die Schwester erhebt einen Urinbefund. Die Patienten entfiebert jedoch weiterhin nicht, bleibt aber gelassen. Keine Gefahr? Der Diensthabende verarztet in der Ambulanz in der Zwischenzeit umgeknickte Füße, eine Radiusfraktur und eine perianale Venenthrombose. Dann ist die Schwester wieder am Telefon – Leukozytose von 15300, sonst keine auffälligen Befunde. Der Urinbefund bleibt uneindeutig.

Die Patientin wird in die Ambulanz transportiert. Zum Glück hat der Schüttelfrost aufgehört. Jetzt wird sonografiert – der Chirurg hat eine dementsprechende Fortbildung besucht. Im Ultraschall zeigt sich ein regelrechter intraabdomineller Befund. Besser gesagt: Der Diensthabende findet keine Hinweise auf eine Anastomoseninsuffizienz, also weder freie Flüssigkeit in größeren Mengen noch eine Darmatonie. Die Nieren sind auch nicht gestaut. Die Gallenblase wirkt mäßig gefüllt, aber bei Druck tut sie nicht weh. Ein Röntgenbild des Thorax ist ebenfalls unauffällig.

Der Diensthabende ist ratlos und bittet um Hilfe. Der zufällig in der Ambulanz anwesende Kollege aus der Anästhesie deutet auf den zentralen Venenkatheter in der V. jugularis interna links, der schon relativ lange liegt. Nach Abnahme von Blutkulturen wird der ZVK entfernt und die Spitze eingeschickt. Der Chirurg legt einen neuen Zugang.

Die Patientin entfiebert nach der nächsten Paracetamol-Gabe endlich. Am nächsten Morgen liegt die Temperatur bei 36,7 °C, und die aktuell bestimmten Infektwerte sind rückläufig. Der Diensthabende bleibt im Rahmen seiner Morgenrunde jetzt ruhig und ordnet bis zur Frühbesprechung keine Antibiotikagabe an.

Hintergrund und Klinik

Unter postoperativem Fieber versteht man vereinfacht eine Erhöhung der Körpertemperatur auf über 38,0 °C. Postoperatives Fieber wird zwischen dem 1. und dem 10. postoperativen Tag erhoben. Entgegen herkömmlichem Verständnis ist Fieber nie die Ursache einer Krankheit, sondern eine Reaktion des Organismus auf eine Störung. Deshalb muss man Fieber nicht nur symptomorientiert senken, sondern parallel auch den Auslöser suchen und bekämpfen (Abb. [3]).

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Abb. 3  Bei postoperativem Fieber gilt es, die Ursache schnell zu identifizieren (Bild: PhotoDisc).

Fieber unterscheidet sich deshalb auch von der Hyperthermie, an der keine Pyrogene beteiligt sind und gegen die daher keine Antipyrese hilft. Bei der Hyperthermie ist die Regulation des Organismus erschöpft. So ein Kontrollverlust kann bei überstarker Erwärmung der Umgebung, bei körperlicher Aktivität, bei neurologischen Affektionen oder bei der malignen Hyperthermie auftreten.

Bedenklich wird es eigentlich erst ab einer Temperatur von 38,5 °C. Die Kontrolle der Körpertemperatur erfolgt im Hypothalamus. Hier finden sich wärmesensitive Neurone, die im feinen Zusammenspiel mit kältesensitiven Antagonisten die Körpertemperatur regulieren. Postoperativ kommen als Störfaktoren dieser Homöostase eigentlich nur Pyrogene in Betracht. In der Chirurgie stammen Pyrogene vor allem aus Infekten. Je nach Ursache ist Fieber deshalb mit unterschiedlichen und oft eher unspezifischen Symptomen behaftet. Zu diesen Symptomen gehören:

  • Schmerzen,

  • Atemnot,

  • Husten,

  • Brennen,

  • Schlappheit,

  • Müdigkeit.

Ab 38,5 °C muss eine Fiebersenkung erwogen werden!

Zu den häufigsten Ursachen gehören

  • Venenverweilkanüleninfektionen,

  • Harnwegsinfektionen,

  • Wundinfektionen und

  • Atemwegsinfektionen.

Seltenere Ursachen sind Pneumonie, Sepsis, Lungenembolie, Cholezystitis, Kolitis oder ein intraabdomineller Abszess (s. [Übersicht]). Bei einem chirurgischen Patienten lassen Fieber und eine Erhöhung der Infektwerte – klassischerweise um den 5.–7. postoperativen Tag – auch an eine Anastomoseninsuffizienz (die typischerweise am 4.–7. postoperativen Tag auftritt) denken.

Übersicht

Häufige Infektquellen für postoperatives Fieber

  • Katheter in Gefäßen oder Hohlorganen

  • Harnwege

  • Wunde, Einstichstellen

  • Atemwege

  • Nahtundichtigkeit am Intestinum


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Diagnostisches und therapeutisches Vorgehen

Die Ursachensuche beginnt auch hier – wie eigentlich immer – mit der Anamnese, gefolgt von der körperlichen Untersuchung. Ein kurzes Gespräch mit dem Patienten und dem Pflegepersonal in Kombination mit einer Durchsicht der Patientendaten und die anschließende körperliche Untersuchung erlauben schon eine sehr gute Orientierung (s. [Checkliste]).

Checkliste

Checkliste postoperatives Fieber

Infektrisiko

  • Was wurde wann operiert?

Komplikation

  • Wie war der bisherige Verlauf?

Gefahr

  • Wie hoch ist die Temperatur?

  • Ist der Kreislauf stabil?

  • → Atmung?

Hinweise

  • Wie sehen Wunde und Drainage aus?

  • Neue Schmerzen?

Umgebung

  • Wie alt sind die Katheter?

  • Sind die Einstichstellen gereizt?

Eindeutige Hinweise wie z. B. eine stuhlige Drainage, eine eitrige Einstichstelle eines Katheters oder ein pneumonisches Atembild verkürzen die zielführende Diagnostik im Anschluss natürlich erheblich. Zeitaufwendiger bleibt dagegen die unklare Situation. Hier muss in einer klugen Abwägung von Gefahr und Schnelligkeit kombiniert werden, d. h. gefährliche, wahrscheinliche und schnell zu klärende Ursachen haben Priorität. Erst danach kümmert man sich um seltene Ursachen.

Wundinfektionen und tiefer liegende Infekte

Wundinfektionen nach operativen Eingriffen sind mittlerweile nicht mehr häufig. Das Risiko korreliert direkt mit der Art des Eingriffs bzw. der Kontamination des Operationsgebiets. Während aseptische Knochen- oder Gelenkeingriffe Infektraten von 2–5 % aufweisen, liegen septische Eingriffe je nach Publikation bei bis zu 40 %. Auch patientenspezifische Faktoren wie Diabetes mellitus oder Adipositas und die Art und Dauer des Eingriffs geben wichtige Hinweise.

Die Wundinspektion umfasst die typischen Infektzeichen von Rötung, Überwärmung, Schmerz und bei Gelenken auch die Fehlfunktion. Subkutane Infekte lassen sich deutlich schlechter feststellen. Auch mithilfe der Sonografie ist die Unterscheidung von subkutanem Fett gegenüber einem infizierten Hämatom durchaus anspruchsvoll. Im Zweifel kann die Punktion oder Spreizung der Wunde pragmatisch helfen. Tiefer liegende Infekte lassen sich im günstigen Fall anhand der Drainagen erkennen. Doch viele Drainagen fördern gar nicht das, was sie fördern sollen, und führen dann eventuell sogar zu falscher Sicherheit.

Infizierte Wundverhalte werden entlastet. Der Verdacht auf tiefer liegende Wundinfekte verlangt in der Regel bildgebende Diagnostik.

Bei Verdacht auf Anastomoseninsuffizienz CT- Abdomen mit wasserlöslichem Kontrastmittel!


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Harnwegsinfektionen

Die überwiegende Anzahl der Harnwegsinfektionen entstehen im Krankenhaus im Rahmen von Manipulationen an den ableitenden Harnwegen. Nach chirurgischen Eingriffen sind es vor allem transurethrale Dauerkatheter, die zu Harnwegsinfektionen führen. Wegen des direkten Zusammenhangs von Manipulation und Infektion gelten viele Harnwegsinfektionen als vermeidbar.

Problemlösungen

Liegedauer von Harnwegskathetern

Da der transurethrale Harnwegskatheter der wichtigste Risikofaktor für die nosokomiale Harnwegsinfektion ist, stellt die Vermeidung unnötiger Katheterliegedauer das Grundprinzip aller Präventionskonzepte dar.

Sobald es vertretbar ist, sollten Katheter aus den Harnwegen entfernt werden.

Ein Infekt der Harnwege kann sich unterschiedlich äußern. Schmerzen über der Blase und Fieber bis zum Schüttelfrost sowie im aufsteigenden Fall auch Nierenschmerzen sind die Leitsymptome. Harnwegsinfekte können aber auch asymptomatisch verlaufen.

Erste Maßnahme ist der Wechsel oder besser die Entfernung des Katheters. Eine Urinprobe geht ins Labor, bei Verdacht auf kompliziertere Keimlage auch eine Urinkultur. Danach startet man zunächst eine Breitbandantibiotikatherapie, die ggf. in den nächsten Tagen an das Ergebnis der Urinkultur angepasst werden muss.

Cave. Nicht alle Bakterien produzieren Nitrit. Es gibt also nitritnegative Harnwegsinfekte!


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Venöse Verweilkatheter

Jeder Katheter besitzt ein Infektionsrisiko. Auch die zum Teil hochkomplexen Beschichtungen können die Infektrate nur senken, aber nicht gänzlich verhindern.

Bei einer Einstichrötung fällt die Diagnose leicht. Bei unauffälliger Eintrittsstelle wird der Katheterinfekt oft erst nach dem Ausschlussprinzip erkannt.

Problemlösungen

Liegedauer von Venenverweilkathetern

Die Infektionsraten steigen mit der Liegedauer. Damit gilt auch in diesem Fall die Regel, alle Zugänge möglichst zu entfernen, sobald sie nicht zwingend gebraucht werden. Im Nachtdienst gilt das auch für einen ZVK. Dieser kann überleitend zunächst durch einen peripheren Venenverweilkatheter ersetzt werden. Am nächsten Tag kann dann ein neuer zentraler Katheter gelegt werden.

Die Entfernung bzw. der Ersatz dieser Katheter sollte aber auch immer anregen, die Indikationen von Infusionen und intravenöser Medikation zu überprüfen. Oft lässt sich überraschend viel oralisieren oder absetzen.

Ein Handlungsschema bei Verdacht auf eine katheterinduzierte Blutstrominfektion bietet Abb. [4]. Das Schema richtet sich nach der Leitlinie Parenterale Ernährung der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM).

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Abb. 4  Flussschema bei Verdacht auf katheterinduzierte Blutstrominfektionen (aus: [Jauch et al. 2007]).

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Atemwegsinfektionen

Eine Pneumonie entwickelt sich postoperativ zumeist durch eingeschränkte Atemexkursionen oder mangelhaftes Abhusten, manchmal auch durch Mikroaspirationen. Eine größere Aspiration führt dagegen fast immer zur Notfallintubation. Klinisch führend ist die Minderbelüftung des entsprechenden Lappens und Lungenanteils. Zur Diagnose gehört ein Röntgenbild. Allerdings hängt die radiologische Manifestation der Pneumonie der Klinik manchmal 1–2 Tage nach.

Die Therapie erfolgt in der Regel als Antibiotikabehandlung nach hausinternem Standard. Dazu gehören eventuell noch manuelle Maßnahmen der Schleimlösung
und eine forcierte Mobilisation. Die Wirksamkeit von schleimlösenden Medikamenten ist umstritten. Auch hier sollte man sich am ehesten nach dem Hausstandard richten. Allerdings kann ein Schleimlöser zur Nacht auch zu schlaflosem Dauerhustenreiz führen. Schließlich sollte man immer auch nach der Ursache einer mangelnden Atemexkursion suchen. Hier steht eine suffiziente Schmerztherapie im Vordergrund.

Zur Therapie der Lungeninfektion gehört eine angemessene Analgesie!

Teil 2 des Beitrags wird in Heft 2/2015 erscheinen.


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Interessenkonflikt: Die Autoren bestätigen, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.


Korrespondenzadresse

Dr. med. Carsten J. Krones
Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie, Marienhospital Aachen
Zeise 4
52066 Aachen
Phone: +49-241/60 06-12 00   
Fax: +49-241/60 06-12 09   


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Abb. 1  Basismaßnahmen der postoperativen Thromboseprophylaxe beinhalten unter anderem die Verwendung von Kompressionsstrümpfen (Bild: tibanna79/Fotolia).
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Abb. 2  Ob ein hoher Blutverlust durch Transfusionen ausgeglichen werden sollte, muss abhängig vom Einzelfall entschieden werden (Bild: Dynamic Graphics).
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Abb. 3  Bei postoperativem Fieber gilt es, die Ursache schnell zu identifizieren (Bild: PhotoDisc).
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Abb. 4  Flussschema bei Verdacht auf katheterinduzierte Blutstrominfektionen (aus: [Jauch et al. 2007]).