Zahnmedizin up2date 2015; 9(1): 79-93
DOI: 10.1055/s-0033-1358076
Implantologie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Computergestützte Implantation

Marcus Stoetzer
,
Björn Rahlf
,
Nils-Claudius Gellrich
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Publication Date:
23 January 2015 (online)

Einleitung

In der zahnärztlichen Implantologie werden zunehmend komplexere Fälle versorgt. Durch die Anwendung von computerbasierten Positionierungshilfen und ggf. computerassistierter Navigation wird der operative Ablauf in der zahnärztlichen Praxis deutlich vereinfacht. Gleichzeitig stellen diese Verfahren ein Qualitätssicherungsinstrument für den Behandler und den Patienten dar. Infolge der Verwendung der 3-D- (dreidimensionalen) Röntgentechnik in Kombination mit Scan-Bohrschablonen wird die postoperative Komplikationsrate signifikant geringer [1] und die Implantatinsertion deutlich genauer [2]; allerdings ist bei diesen Verfahren der Planungsaufwand einschließlich der Kosten erhöht.

Merke: Die Verwendung der 3-D-Röntgentechnik (Abb. [1]) verringert die intra- und postoperative Komplikationsrate.

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Abb. 1 Bildschirmanzeige einer modernen Software zur DVT-Auswertung (Software: IVS Solutions).

Die Technik der Navigation war ursprünglich eine Domäne der Neurochirurgie: Mithilfe von 3-D-Datensätzen (CT [Computertomografie], DVT [digitale Volumentomografie], MRT [Magnetresonanztomografie] u. a.) und einer geeigneten Software gelingt dort eine räumliche Planung des Eingriffs. Somit ermöglicht die Navigation u. a. das Aufsuchen bestimmter anatomischer Strukturen innerhalb des 3-D-Datensatzes und die klinische Umsetzung während der Operation. Damit handelt es sich im Prinzip um ein Instrument, das in ausgewählten Fällen die Option bietet, 3-D- Datensätze deutlich aus der reinen Funktion der Diagnostik herauszuheben und zur Grundlage eines therapeutischen Konzepts, auch eines interdisziplinären, zu machen.

Seit mehr als 10 Jahren werden Navigationssysteme eingesetzt. In der Regel basieren sie auf Kamerasystemen, die über infrarotbasierte Technik oder auch mittels elektromagnetischer Verfahren die vorgenannten Funktionen ermöglichen. Jedoch haben sich diese Systeme bislang nicht flächendeckend in der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde und insbesondere im Bereich der dentalen Implantologie in der zahnärztlichen Praxis durchgesetzt. Aktuell ist die Auswertung von 3-D-Datensätzen als Grundlage eines digitalen Workflows so professionalisiert [3], dass die sog. schablonengeführte Implantologie eine immer stärkere Bedeutung erlangt und mittlerweile in Kombination mit einem digitalisierten, oralen Befund (Direkt-, Modell-Scan) eine akzeptable Präzision erreicht hat, die aber weiter zu entwickeln ist [4].

Innerhalb der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie stellt die intraoperative Navigation schon seit Längerem einen wesentlichen Bestandteil der Therapieplanung dar. Die intraoperative Navigation kann mit den Navigationssystemen bei Fahrzeugen verglichen werden, bei denen Satellitenempfänger im Fahrzeug die ausgestrahlten GPS-Signale (Signale des Global positioning System) lokalisieren und so die Position eines Fahrzeugs bestimmen. Im Fall der intraoperativen Navigation erfolgt die Positionsbestimmung durch ein optisches oder magnetisches System zur Erfassung des Patienten sowie der verwendeten Instrumente. Die Landkarten entsprechen den präoperativ angefertigten 3-D-Datensätzen vom Patienten und den Informationen der präoperativen Eingriffsplanung. Um dieses System zu eichen, wird eine Ausgangsposition festgelegt, damit der virtuelle Patient auf dem Monitor dem realen Patienten auf dem Operationstisch entspricht. Dem LRBC (Local rigid Body Concept) entsprechend, bei dem mindestens 3 unbewegliche Referenzelemente (oder feste anatomische Strukturen, sog. Landmarken) ein Koordinatensystem des Objekts aufspannen müssen [5], erfolgt dieser Prozess durch Referenzpunkte, die eindeutig am Patienten identifizierbar und auch im Datensatz auffindbar sein müssen. Unter „Referenzierung“ wird somit der Vorgang verstanden, bei dem eine Registrierung der zuvor erhobenen Bilddaten mit dem Koordinatensystem des Patienten im Operationssaal erfolgt.

Die intraoperative Genauigkeit hängt vor allem von der Qualität der Bildgebung und der Referenzierung ab [6], [7].

Merke: Eine qualitativ minderwertige CT-Bildgebung (z. B. großer Schichtabstand, Artefakte) geht zulasten der Genauigkeit der Referenzierung.

Die Referenzierung erfolgt bevorzugt anhand von Landmarken. Dazu werden eindeutig identifizierbare Strukturen, die über den geplanten chirurgischen Zugangsweg erreichbar sind, verwendet. Typischerweise werden Zahnstrukturen oder knöcherne Strukturen gewählt. Eine solche Referenzierung ist auch möglich, indem Titanschraubenmarker unter Lokalanästhesie entweder extraoral an der Schädelkalotte bzw. am Lateroorbitalrand oder intraoral in den Oberkiefer gesetzt werden [8].

Im Rahmen eines komplexen digitalen Workflows, von der Diagnostik über die Therapieplanung, über die Therapieentscheidung und deren Umsetzung bis hin zur postoperativen Qualitätskontrolle und Versorgung mit prothetischen Restaurationen, soll im Folgenden der Bereich der zahnärztlichen Implantologie exemplarisch für die Verwendung der Navigation dargestellt werden. Insbesondere der Unterschied zwischen der schablonengeführten Insertion von Implantaten und der trajektorienbasierten Insertion von Zygomaimplantaten soll erläutert werden. Des Weiteren wird auf die computerassistierte Therapieplanung und Chirurgie des Mundhöhlenkarzinoms eingegangen.

Grundvoraussetzung für den Einsatz des CAPP (Computer assisted preoperative Planning) ist immer ein 3-D-Datensatz. Die Indikation für einen solchen Volumendatensatz ist dann gegeben, wenn die Beurteilung des Knochenlagers durch ein konventionelles 2-D-Röntgenbild (OPT [Orthopantomografie]) nicht hinreichend möglich ist. Die Verwendung der digitalen Technologie in der Implantologie hat vor allem das Ziel der Qualitätssicherung, indem die prothetisch orientierte Rückwärtsplanung als Zielvorlage interpretiert und über eine Schablone praktisch generiert wird. Die Navigation führt somit zu einem Umdenken im Sektor der zahnärztlichen Implantologie, sodass Implantate, die „gut inseriert“, jedoch nicht prothetisch zu versorgen sind, zukünftig der Vergangenheit angehören sollten.

Merke: Die Rückwärtsplanung erlaubt die exakte Positionierung von Implantaten auf Basis der geplanten prothetischen Versorgung.

 
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