Moderne Impfstrategien fokussieren nicht mehr ausschließlich auf die Prävention von
Kinderkrankheiten. Die Impfung von Älteren rückt zunehmend in den Fokus der Forschung.
Die meisten der bislang für Erwachsene verfügbaren und auch empfohlenen Impfungen
richten sich gegen die häufigsten Erreger der ambulant erworbenen Pneumonie: Pneumokokken
und Influenza. Dabei wird zunehmend klar, dass das gealterte Immunsystem (Immunseneszenz)
nicht nur mit einer erhöhten Vulnerabilität gegenüber Infektionen einhergeht, sondern
auch eine im Vergleich zu Kindern verminderte Impfantwort generiert.
Aus epidemiologischer Sicht kann die Entwicklung der Pneumokokkenkonjugatvakzine als
Durchbruch bezeichnet werden. Mit der Konjugatvakzine steht erstmals eine Impfung
gegen den wichtigsten bakteriellen Erreger von Atemwegsinfektionen zur Verfügung,
die so wirksam ist, dass sie in verschiedenen Regionen der Welt zu einer Eradikation
der enthaltenen Pneumokokkenserotypen geführt hat.
Allerdings resultierte die Eradikation in einer „ökologischen Nische“ im Nasopharynx
der Kleinkinder, die das Hauptreservoir von Pneumokokken darstellen. Diese Nische
wurde von nicht-Vakzin-Serotypen okkupiert. Der Anstieg von Besiedelungen und auch
Infektionen durch nicht-Vakzin-Serotypen wird als „Replacement“ bezeichnet. Die derzeitige
Strategie gegen „Replacement“ besteht in einer Erweiterung der in der Konjugatvakzine
enthaltenen Serotypen. Die erste zugelassene Konjugatvakzine war 7-valent und wurde
in 2010 durch eine 10- und eine 13-valente Vakzine ersetzt. Derzeit ist eine 15-valente
Vakzine in Entwicklung.
Seit 2011 ist die primär für Kleinkinder entwickelte 13-valente Konjugatvakzine auch
für den Einsatz bei Erwachsenen zugelassen. Damit stehen für die Impfung beim Erwachsenen
zwei Impfstoffe zu Verfügung: die ältere, wenig immunogene Polysaccharidvakzine mit
einem breiten Serotypenspektrum (23 Serotypen) und die besser wirksame Konjugatvakzine
mit einem schmaleren Spektrum.
Meta-Analysen zeigen, dass die Polysaccharidvakzine das Risiko einer Pneumokokkenbakteriämie
reduziert, aber nicht vor nicht-bakteriämischer Pneumonie schützt und dass die Schutzwirkung
bei Personen mit hohem Risiko für Pneumokokkeninfektionen (Ältere und Immunsupprimierten)
eingeschränkt ist. Die bislang nur auf Kongressen vorgestellten Ergebnisse einer randomisierten,
kontrollierten Studie mit 85 000 Erwachsenen über 65 Jahre (CAPITA) belegen für die
Konjugatvakzine hingegen eine Schutzwirkung vor nicht-bakteriämischer Pneumokokkenpneumonie.
Derzeit divergieren die Empfehlungen, welcher Impfstoff bei Erwachsenen angewendet
werden sollte. Sinnvoll scheint die sequenzielle Impfung (Konjugat- gefolgt von Polysaccharidvakzine),
die zunehmend von verschiedenen Kommissionen für Patienten mit einem besonders hohen
Risiko für schwere Pneumokokkeninfektionen (z. B. bei Asplenie) empfohlen wird. Wichtig
ist hierbei die Einhaltung der Reihenfolge, da eine vorhergehende Impfung mit der
Polysacchardivakzine die Impfantwort einer nachfolgenden Vakzinierung vermindert (Hyporesponsiveness).
Gegen den bedeutendsten viralen Erreger respiratorischer Infektionen, Influenzaviren,
wurden in den letzten Jahren mehrere innovative Impfstoffe entwickelt. Das Spektrum
reicht von hühnereiweißfreien Impfstoffen für Allergiker über adjuvantierte oder intradermal
injizierte Impfstoffe, die bei Älteren eine bessere Impfantwort induzieren sollen,
bis hin zur injektionsfreien, intranasal applizierten Lebendvakzine für Kinder. Die
neueste Entwicklung ist ein tetravalenter Impfstoff mit einer breiteren Wirksamkeit,
der in den nächsten Jahren wahrscheinlich die trivalenten Vakzine ablösen wird. Dieser
Impfstoff enthält im Gegensatz zu trivalenten Vakzinen (2× A plus 1× B) zwei Influenza
B Stämme. Je nach Zusammensetzung der saisonal zirkulierenden Influenzastämme kann
damit eine durchschnittlich um 16 % breitere Schutzwirkung erreicht werden. Die Verträglichkeit
der verschiedenen Vakzine ist gut und ernsthafte Nebenwirkungen sind ausgesprochen
selten. Zum Teil ergeben sich für einzelne Indikationsgruppen Hinweise darauf, dass
ein bestimmter Impfstofftyp besonders geeignet ist bzw. Vorteile gegenüber der klassischen
trivalenten Spaltvakzine hat. Die Schutzwirkung gegenüber
einer Labor-bestätigten Influenza-Infektion ist für eine große Zahl von Indikationsgruppen
ausreichend gut belegt. Weitere Studien zu der Frage, ob auch klinische Ereignisse
(Pneumonie, Hospitalisierung, Tod) durch die Impfung verhindert werden können, sind
jedoch nach wie vor wünschenswert.
Daten des Kompetenznetzes zur ambulant erworbenen Pneumonie, CAPNETZ, belegen, dass
die sekundär bakterielle Pneumonie (meist durch Pneumokokken) nach einer primären
Influenzainfektion besonders schwer verläuft und daraus folgend, dass die kombinierte
Impfung gegen Pneumokokken und Influenza, die simultan erfolgen kann, eine besonders
effektive Schutzwirkung vermittelt.