Maletis GB et al.
Incidence of Postoperative Anterior Cruciate Ligament Reconstruction Infections: Graft
Choice Makes a Difference.
Am J Sports Med 07.06.2013; [Epub ahead of print]
Das Infektionsrisiko bei der Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes gilt als gering.
Da der Eingriff häufig gerade bei jüngeren und sportlichen Patienten durchgeführt
wird, untersuchten GB. Maletis et al. die Inzidenz von Infektionen und die Risikofaktoren
anhand von 10 626 Operationen. Insbesondere Hamstring-Grafts scheinen dabei das Risiko
zu erhöhen.
Maletis GB et al. Incidence of Postoperative Anterior Cruciate Ligament Reconstruction
Infections: Graft Choice Makes a Difference. Am J Sports Med 2013 Jun 7. [Epub ahead
of print]
Einleitung
Die Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes (VKB) stellt gerade bei jüngeren oder
sportlich aktiven Patienten eine häufig durchgeführte Operation mit guten Ergebnissen
dar. Auch wenn das Risiko einer postoperativen Infektion als gering einzustufen ist,
können die Folgen im Einzelfall verheerend sein: Neben chirurgischen Revisionen und
einer antibiotischen Therapie ist häufig die Entfernung des Transplantates notwendig.
In der Studie wurde die Inzidenz von Infektionen nach VKBErsatz und ihre Risikofaktoren
anhand eines großen Kollektivs ermittelt.
Methodik
Die zugrunde liegenden Daten wurden im Rahmen eines etablierten kalifornischen Registers
zur Erfassung von VKB-Rekonstruktionen prospektiv erhoben. Die Daten, die zwischen
2005 und 2010 erfasst wurden, stammen aus 6 unterschiedlichen Regionen der USA. Sie
beziehen sich auf primäre VKB-Rekonstruktionen. Es waren 214 Operateure aus 41 Kliniken
beteiligt. Primärer Endpunkt der Auswertung war das Auftreten einer oberflächlichen
oder tiefen Infektion in Abhängigkeit der verwendeten Transplantatart, Geschlecht,
Alter und BMI.
Ergebnisse
Von 10.626 Operationen wurden in 41,4 % der Fälle Allografts, in 30,7 % Hamstring-
Sehnen-Autografts (Semitendinosus- / Gracilissehne) und in 27,9 % Patellarsehnen-
Autografts mit Knochenblöcken (Bone-Patellatendon-Bone: BPTB) verwendet. Die Patienten
waren im Schnitt 29,5 ± 11,4 Jahre alt und hatten einen BMI von 26,9 ± 5,0 kg / m²
(64,3 % Männer, 25,7 % Frauen). Infektionen traten in 0,48 % der Fälle nach einem
durchschnittlichen Zeitraum von 20 Tagen auf (0,32 % tiefe und 0,16 % oberflächliche
Infektionen). Die am häufigsten nachgewiesenen Keime waren Staphylokokken (v. a. Staph.
aureus). 41 % der Patienten mussten mehrfach revidiert werden. In 26 % der Fälle wurde
das Transplantat entfernt.
Mit einer Gesamtinfektionsrate von 0,74 % (p = 0,037) und einer Rate von 0,61 % bei
den tiefen Infektionen (p < 0,001) waren die Hamstring-Transplantate signifkant häufiger
betroffen als die BPTB-Grafts oder Allografts. Das Risiko der Hamstring- Patienten,
eine tiefe Infektion zu erleiden, war damit gegenüber den Patienten mit BPTB-Graft
mehr als 8-fach erhöht (OR 8,24, p = 0,005). Zwischen BPTB-Grafts und Allografts zeigte
sich kein Unterschied. Bei den oberflächlichen Infektionen spielte die Transplantatwahl
keine Rolle, jedoch zeigte sich ein um 8 % erhöhtes Risiko pro 1-Punkt-Anstieg im
BMI (OR 1,08, p = 0,017). Alter und Geschlecht hatten keinen Einfluss auf die Infektionsrate.
Kommentar
Die gewonnenen Daten weisen einen hohen Evidenzgrad auf – nicht zuletzt aufgrund des
hohen Stichprobenumfanges und der systematischen Datenerfassung.
Die Wahl eines Hamstring-Transplantates führt zu einem erhöhten Risiko einer tiefen
Infektion. Die Ursache dieses Phänomens bleibt jedoch unklar. Aus anderen Studien
ist bekannt, dass ein zweistelliger Prozentsatz der VKB-Transplantate bei der Implantation
bakteriell kontaminiert ist, obgleich daraus bei Weitem nicht immer eine Infektion
resultiert. Ob die Kontamination bei der Transplantatgewinnung, bei der Präparation
oder bei der Implantation entsteht, ist hingegen nicht bekannt. Die in der Regel vergleichsweise
längere Präparationszeit auf dem Beistelltisch bei den Hamstrings erhöht jedoch die
mögliche Kontaminationszeit und könnte eine mögliche Ursache darstellen. Auch die
vermehrte Verwendung von Nahtmaterial zur Armierung könnte eine Rolle spielen, ebenso
wie das bei der Transplantatgewinnung entstehende Hämatom, das bei Allografts nicht
vorkommt und bei den BTPB-Grafts zumindest nicht in unmittelbarer Nähe des tibialen
Bohrkanales liegt. Eine bakterielle Kontamination bei der Implantation selbst scheint
von geringerer Bedeutung zu sein, da sich die Implantation zwischen Hamstrings und
Allografts nicht relevant unterscheidet. Erwartungsgemäß beeinflusst die Transplantatwahl
eher die tiefen Infektionen, während sich der BMI – mutmaßlich aufgrund des größeren
Weichteiltraumas – eher auf die oberflächlichen Infektionsraten auswirkt.
Neben der Interpretation der Ergebnisse stellt sich aber vor allem die Frage nach
den abzuleitenden Konsequenzen. Von einer Versorgung mit Hamstring-Transplantaten
abzusehen, ist nicht ratsam, denn trotz des erhöhten relativen Risikos ist die absolute
Infektionsrate noch immer sehr gering. Ein einzelner Operateur, der seine Technik
von Hamstrings auf BPTB umstellt, müsste theoretisch 250 Patienten operieren, um eine
einzige Infektion "einzusparen" – um den hohen Preis, ein ihm geläufigeres Verfahren
zu verlassen, für das er sich sicher nicht zuletzt nach Abwägung anderer Vor- und
Nachteile entschieden hat. Die weitere Erforschung des zugrundeliegenden Mechanismus
der bakteriellen Kontamination wäre wünschenswert, um Ansätze für eine weitere Infektionsreduktion
entwickeln zu können.