Falsch-negativ-Rate von 6 % akzeptabel?
Die Londoner Arbeitsgruppe legt eine sehr große Studie zum Management der regionären
Lymphknoten beim Peniskarzinom mit klinisch unauffälligen inguinalen Lymphknoten vor.
Dabei wurden im Zeitraum von 2004–2010 prospektiv alle Patienten (n = 264) mit einem
invasiven Peniskarzinom (mindestens pT1G2) und klinisch unauffälligen inguinalen Lymphknoten
mit Ultraschall und Feinnadelaspirationszytologie sowie dynamischer Sentinel-Lymphknotendiagnostik
untersucht. Die onkologischen Ergebnisse sowie der längerfristige Verlauf mit einem
Nachsorgezeitraum von mindestens 21 Monaten bilden das Resultat dieser Studie.
Die 264 Patienten teilen die Autoren in "inguinal basins" (im Deutschen wohl "Leisten")
auf. Es wurden 500 "Leisten" bei den 264 Patienten untersucht. 14,6 % der "Leisten"
waren positiv und wiesen Lymphknotenmikrometastasen auf. Bei einigen Patienten traten
regionäre Lymphknotenrezidive nach 5–18 Monaten auf. Die Autoren berechnen daraus
für ihre Serie eine Falsch-negativ-Rate von 5 % auf die Leisten bezogen und von 6
% auf die Patienten bezogen.
Wichtige Studie
Dies ist eine wichtige Arbeit für die seltene aber lebensbedrohliche Entität des Peniskarzinoms.
Invasive Peniskarzinome haben eine zwar langsame, aber insgesamt hohe Metastasierungsrate.
Das systemisch metastasierte Peniskarzinom ist unheilbar. Daher hat das Management
bei Patienten mit klinisch normal erscheinenden inguinalen Lymphknoten ganz besondere
Bedeutung. Diese Patienten haben ein 20–25 %iges Risiko, in den inguinalen Lymphknoten
Mikrometastasen zu haben, welche unbehandelt zum regionären Lymphknotenrezidiv führen.
Die Prognose des Peniskarzinoms nach Lokaltherapie ohne Metastasen ist gut und liegt
langfristig um die 95 % für tumorfreies Langzeitüberleben. Kommt es jedoch zum regionären
Lymphknotenrezidiv, verschlechtert sich die langfristige Überlebensprognose drastisch
auf knapp unter 50 %. Um dies zu vermeiden, ist es notwendig, diejenigen der Patienten
zu diagnostizieren, die regionäre lymphatische Mikrometastasen in sich tragen und
diese dann zu therapieren.
Die seit mehreren Jahren eingeführte, aber kaum flächendeckend durchgeführte Sentinel-Lymphknotenbiopsie
folgt dem bekannten Prinzip, welches auch beim Mammakarzinom und beim Melanom zur
Anwendung kommt. Sehr positive Daten wurden zu dieser Technik besonders aus Amsterdam
berichtet. Der wesentliche Punkt bei der Anwendung dieser gering invasiven Technik
ist die Frage, wie zuverlässig sie im Ausschluss von Mikrometastasierung ist. Die
Falsch-negativ-Rate muss möglichst niedrig sein, damit diese Technik als Routine empfohlen
werden kann, wie dies die gegenwärtigen EAULeitlinien tun.
Die Sentinel-Lymphknotenbiopsie ist nicht unumstritten. Neben dem technischen Aufwand
bestehen durchaus Zweifel daran, ob tatsächlich davon ausgegangen werden kann, dass
immer nur ein Sentinel-Lymphknoten als erste Metastasierungsstation befallen wird.
Dies ist ein theoretisches Konzept, dessen Validierung letztendlich durch Studien
wie diese bestätigt werden muss.
Falsch-negativ-Rate in Studien unterschiedlich
Aus den Zahlen aus Amsterdam wurde bis dato immer eine Falsch-negativ-Rate von ungefähr
4 % berichtet; allerdings hat die Amsterdamer Arbeitsgruppe auf dem diesjährigen EAU-Kongress
neue Zahlen bei längerer Nachbeobachtung vorgestellt, die eine Falsch-negativ-Rate
von knapp 12 % ergaben. Die hier vorliegende Studie aus London berichtet über eine
patientenbezogene Falsch-negativ-Rate von 6 %. Ob der Unterschied zwischen diesen
Zahlen und den aktuellen aus Amsterdam auf einem Unterschied in der Nachbeobachtungszeit
allein beruht, wird die Zeit zeigen.
Fazit
Letztendlich bleibt die Beurteilung der Wertigkeit der Sentinel-Lymphknotenbiopsie
beim Peniskarzinom mit klinisch unauffälligen Lymphknoten nach meiner Einschätzung
Ansichtssache. Die Technik vermeidet die Morbidität der inguinalen Lymphadenektomie,
die aber bei Durchführung der modifizierten Variante zum diagnostischen Lymphknotenstaging
deutlich reduziert ist. Ob man darüber hinaus eine Falsch-negativ-Rate von 6–12 %
als akzeptabel erachtet oder nicht, muss intensiv mit dem Patienten besprochen werden,
weil dies u. U. darüber entscheidet, ob ein Langzeitüberleben von 95 % oder eines
von 50 % (beim Lymphknotenrezidiv) zum Tragen kommt.
Prof. Dr. Oliver Hakenberg, Rostock