Zeitschrift für Ganzheitliche Tiermedizin 2013; 27(4): 126-129
DOI: 10.1055/s-0033-1350914
Ganzheitlicher Exkurs
Sonntag Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG Stuttgart · New York

Gesunde Katzenernährung (Teil I)

Grundlagen der ErnährungsphysiologieHealthy nutrition for cats: Fundamentals of nutritional physiology
Gisela Bolbecher
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Dr. Gisela Bolbecher
Zentrum für Ganzheitliche Tiermedizin
Atzelsberger Str. 10
91094 Bräuningshof

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
13. November 2013 (online)

 

Zusammenfassung

Eine an die Bedürfnisse angepasste Ernährung von Katzen ist die Basis für Gesundheit und das Gesundwerden. In den letzten 10 Jahren hat sich das Selbstzubereiten von Hundefutter stärker verbreitet, während die Katzenbesitzer bis jetzt meist auf kommerzielle Futtermittel zurückgegriffen haben. Aber die Zahl derer, die auch für ihre Katze das Futter selbst zusammenstellen, steigt an. Der Beitrag gesunde Katzenernährung beleuchtet im 1. Teil die Grundlagen der Ernährung, im 2. Teil steht die praktische Katzenfütterung im Vordergrund. Dabei werden die Futtermittel auch nach TCM-Kriterien beleuchtet, und es werden ausgewogene Beispielrationen vorgestellt.


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Summary

Nutrition that is adapted to the needs of cats is a prerequisite for the catʼs healthy life. In the last 10 years, the self-preparation of dog food has become more widespread while cat owners have, until now, mostly resorted to commercial feed. However, the number of cat owners participating in self-preparation of cat food is rising steadily. This article, which will appear in two parts, examines the basics of nutrition in the first part and subsequently the practice of cat feeding in the second part. Cat food is highlighted according to TCM criteria, and presented with balanced examples of rations.


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Katzen haben in den letzten Jahren nicht nur in Deutschland den Hunden den Rang als beliebtestes Haustier abgelaufen. Im Jahr 2011 stehen 8,2 Millionen Katzen 5,4 Millionen Hunden gegenüber (Zentralverband Heimtierbedarf). Die zunehmende Anzahl von Single-Haushalten und der Wunsch, ein Haustier problemlos in der Wohnung zu halten, haben sicherlich diese Entwicklung gefördert. Für die Katze bedeutet dies meist eine bewegungsarme Haltung sowie eine Fütterung mit handelsüblichen Fertigfuttermitteln. Die hohe Schmackhaftigkeit der Produkte, die häufig zu hohen Fütterungsempfehlungen der Hersteller sowie die emotionale Komponente des Fütterns tragen zu einer Überversorgung und somit zu Adipositas und deren assoziierten Erkrankungen bei.

Der Stoffwechsel der Katze

Katzen haben einige Besonderheiten im Stoffwechsel, durch die besonders der Bedarf an tierischem Eiweiß begründet ist. Die Katze unterscheidet sich in ihren Ernährungsansprüchen deutlich von denen eines Hundes. Für die adulte Katze werden Nährstoffwerte ([Tab. 1]) vom National Research Council [3] empfohlen, die auch die Basis für die Berechnung der Rationen darstellen.

Tab. 1 Bedarfszahlen der Katze (pro kg KM 0,75) [3].

Nährstoffe/Energie

Bedarfszahlen

metabolische Energie

0,42 MJ

Rohprotein

4,96 g

Kalzium

0,071 g

Phosphor

0,063 g

Kalzium : Phosphor

1 : 1 ca.

Taurin

50 mg/KG

Energiestoffwechsel

Der Energiestoffwechsel basiert auf der Glukoneogenese aus Aminosäuren. Die Katze benötigt viel und hochwertiges Eiweiß wegen des intensiven Aminosäurekatabolismus, wobei ein Proteinmangel nicht kompensiert werden kann. Katzenwelpen nehmen etwa 20 % der Energie mit der Laktose auf, mäusefressende Katzen nur noch 1–2 % Kohlenhydrate über die Beutetiere. Kommerzielle Trockenfutter enthalten dagegen 40–50 % Kohlenhydrate. Katzen benötigen keine Kohlenhydrate als Glukosequelle, da bei ausreichender Proteinzufuhr über die Glukoneogenese der Energiebedarf vollständig gedeckt wird.


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Proteinstoffwechsel

Arginin und Taurin sind für die Katze essenzielle Aminosäuren. Die Katze kann die β-Aminosulfonsäure Taurin nicht – wie andere Tierarten – aus den schwefelhaltigen Aminosäuren Cystein und Methionin bilden, weil das dafür notwendige Enzym Cystein-Sulfinsäure-Decarboxylase nur eine niedrige Aktivität hat. Methionin und Cystein/Cystin werden für die Synthese des Felinins, einer Schwefelaminosäure des Harns, gebraucht. Felinin gibt dem Katzenharn den typischen, penetranten Geruch. Die Katze hat daher einen relativ hohen Bedarf an Methionin und Cystin.

Taurinmangel führt zu Störungen der Funktion der Netzhaut, zur dilatativen Kardiomyopathie, zu Reproduktionsstörungen bei Kätzinnen, Wachstumsdepressionen, zentralnervösen Störungen und Deformation der Wirbelsäule bei Katzenwelpen sowie zu Störungen des Immunsystems.

Der Bedarf an Taurin liegt bei 50 mg/kg KG täglich, die empfohlene Taurinmenge im Katzenfutter bei 100–200 mg/100 g Trockensubstanz (TS). In [Tab. 2] sind die unterschiedlichen Tauringehalte von Futtermitteln dargestellt. Es wird deutlich, dass nur frische Muscheln an den Tauringehalt einer Maus heranreichen.

Tab. 2 Tauringehalt einiger Futtermittel [2], [6].

Futtermittel

Tauringehalt in mg/100 g Frischsubstanz

roh

gekocht

Rindfleisch, mager

36 (15–47)

6,0

Rind, Leber

19 (14–27)

7,3

Rind, Niere

23 (18–25)

7,6

Lammfleisch, mager

47 (45–51)

12,6

Huhn

34 (30–38)

8,2

Muscheln, frisch

240

Tunfisch

70

Kuhmilch

15 (10–20)

Katzenmilch

28 (21–36)

Maus

240


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Fettstoffwechsel

Die Katze kann hohe Fettmengen gut verwerten. Die Akzeptanz des Futters hängt entscheidend vom Fettgehalt und von der Art des Fettes ab. Bevorzugt werden tierische Fette. Arachidonsäure und γ-Linolensäure (C18:3 n–6) sind für Katzen essenziell. Arachidonsäure kommt in größeren Mengen nur in tierischem Fett vor, γ-Linolensäure vor allem in Lein-, Hanf-, Lachs- und Rapsöl. Da Katzen viel Fett verwerten, haben sie auch einen hohen Bedarf an Vitamin E und Selen (Antioxidanzien). Kommerziell erhältliche Katzenfutter haben meistens einen Fettgehalt von 25–30 % in der Trockensubstanz.


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Vitamine

Da Katzen das Enzym β-Carotin-Dioxygenase fehlt, können sie kein Vitamin A aus Carotin bilden und sind auf tierische Futtermittel angewiesen, um ihren Bedarf an Vitamin A zu decken. In Pflanzen kommt bekanntlich kein Vitamin A vor, wohl aber das Provitamin β-Carotin. Eine Überversorgung mit Vitamin A, wie sie bei zu häufiger Verfütterung von Leber entstehen kann, führt zu Exostosen, insbesondere an der Hals- und Brustwirbelsäule.

Die meisten Tierarten decken ihren Bedarf an Niacin über den Gehalt im Futter oder synthetisieren es aus Tryptophan. Die Katze bildet aus Tryptophan hauptsächlich Glutarat und kein Niacin. Tierische Gewebe enthalten einen hohen Niacingehalt, sodass normalerweise eine ausreichende Menge über die Nahrung aufgenommen wird.


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Trinkwasser

Die Katze nimmt von Natur aus den größten Teil des Wassers zusammen mit der Nahrung auf. Wird Trockenfutter verabreicht, kompensiert die Katze die geringere „Nahrungswasseraufnahme“ nicht dadurch, dass sie mehr trinkt. Deshalb sollte Trockenfutter unbedingt mit Flüssigkeit versetzt werden.

Eine ungenügende Wasseraufnahme führt zu einer Harnkonzentration und begünstigt das Auftreten der Feline Lower Urinary Tract Disease (FLUTD). Prof. Wanner [8] beschreibt die Katze als „einen fettliebenden Karnivoren, der den größten Teil des Wasserbedarfs über die Nahrung deckt“.


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Kohlenhydrate

Spannend ist dabei die Frage, wie hoch der Anteil an Kohlenhydraten in der Ration sein soll. Kommerzielles Feuchtfutter für Katzen enthält rund 50 % Protein, 25 % Fett in der Trockenmasse (TM) und einen geringen Anteil an Kohlenhydraten, während sich im Trockenfutter für Katzen 35–45 % Protein, etwa 15 % Fett und normalerweise 35–40 % Kohlenhydrate befinden (zur Berechnung des Kohlenhydratanteils in Futtermittel [Kasten]).

Bei einem Forschungsprojekt über Diabetes mellitus bei der Katze an der Universität Zürich hat man festgestellt, dass eine Umstellung der Ernährung auf eine Diät mit einem geringen Anteil an Kohlenhydraten die Remissionsrate deutlich gesteigert hat. Während unter einer rohfaserreichen Diät – dies galt bisher als Futtermittel der Wahl – die Remissionsrate bei etwa 25 % lag, stieg diese auf 60–70 % an, wenn der Anteil an Kohlenhydraten in der Ration unter 8 % in der TS gesenkt wurde [5]. Muss hier nicht die Schlussfolgerung lauten, dass die Ernährung mit Feuchtfutter zur Gesunderhaltung der Katzen beitragen kann?

Berechnung des Kohlenhydratanteils im Futtermittel

Viele Hersteller geben den Kohlenhydratanteil auf der Verpackung nicht an. Dieser kann aus den durch die Weender-Analyse bestimmten Nährstoffgruppen berechnet werden.

Die Kohlenhydrate entsprechen dem Anteil an stickstofffreien Extraktstoffen (NfE):

NfE = TS – (Rohprotein + Rohfett + Rohasche + Rohfaser)

Berechnung des NfE-Gehaltes bezogen auf Trockensubstanz (TS) in %:

NfE × 100/TS = % NfE in TS

Beispielrechnung

Hermanns Katzenfutter Bio-Huhn mit Kamut

  • Rohprotein:11,5 %

  • Rohfett: 7,7 %

  • Rohasche 1,5 %

  • Rohfaser 0,5 %

  • Feuchtigkeit: 76,2 %

NfE = (100–76,2) – (11,5 + 7,7 + 1,5 + 0,5) = 2,6 %

NfE-Gehalt bezogen auf die Trockensubstanz = 2,6 % × 100/23,8 % = 10,92 %

Der Kohlenhydratgehalt im Feuchtfutter unterliegt einer großen Bandbreite: Es gibt Katzenfeuchtfutter mit weniger als 2 % NfE-Anteil und auf der anderen Seite Feuchtfutter, in denen mehr als 15 % NfE enthalten sind.


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Beutetiere

Die Natur macht es uns vor: Die Beutetiere der Katze weisen einen niedrigen Anteil an Kohlenhydraten auf und zeigen, wie gut die Katze an das Beutetier als Nahrungsquelle angepasst ist. Der Proteingehalt dieser Beutetiere ist mit 55–65 % sehr konstant, der Fettgehalt liegt zwischen 15 und 30 %, der Anteil an Kohlenhydraten unter 9 % ([Tab. 3]).

Tab. 3 Nährstoffgehalte von Beutetieren (einschl. Eintagsküken) der Katze [1].

Beutetier

Trockenmasse

Protein

Fett

Kohlenhydrate

in %

g/100 g TM

g/100 g TM

g/100 g TM

Maus

32,7

55,8

23,6

8,8

Ratte

33,9

61,8

32,6

0

Wühlmaus

32,0

62,5

15,5

8,5

Eintagsküken

22,0

68,2

18,2

5,9

Natürlich haben Katzen in der Vergangenheit nicht von Fertigfutter gelebt. Bereits in früheren Jahrhunderten waren die Katzen als Mäusefänger sehr geschätzt und wurden fast überall auf der Welt als Nutztier gehalten. Sie lebten meist auf dem Bauernhof und sorgten dafür, dass die Getreidevorräte sich nicht dezimierten, indem sie täglich mindestens 5–10 Mäuse vertilgten.

Die Beutetiere liefern Muskelfleisch und Innereien, Knochen und damit Mineralstoffe und Ballaststoffe in Form von Fell. In den Därmen befinden sich bereits vorverdaute Körner und Gemüse mit entsprechenden Vitaminen. Darüber hinaus sind sie für die Katzen schmackhaft und erfüllen die Vorliebe für 37–38 °C warmes Futter.


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Kommerzielle Ernährung

Geschichte

1860 wurden in England die ersten Hundekuchen aus Gemüse, Rinderblut, Weizen und Rüben produziert. In den 1900er-Jahren gewann die kommerzielle Tiernahrung an Popularität. Es wurden Konserven mit Pferdefleisch für Hunde hergestellt, und in den 30er-Jahren kamen trockene Fleischmahlzeiten hinzu. Während des 2. Weltkrieges, als Metall rationiert war, wurde die Dosenfutterherstellung reduziert, und das Trockenfutter erlangte einen Marktanteil von 85 %.

Die Idee, auch für Katzen kommerzielle Tiernahrung zu produzieren, entstand erst später. Katzen waren Selbstversorger, allerdings gab es bereits um 1840 Stimmen, die das Zufüttern von Katzen postulierten. Denn nur eine gut ernährte Katze ist eine gute und erfolgreiche Jägerin. Seit 1876 wurde die Verfütterung von kommerziellem Katzenfutter beworben, wie bei den Hunden war das Spratt-Unternehmen hier führend.


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Fütterungshinweise

Katzen benötigen eine hochwertige, proteinreiche Feuchtnahrung auf der Basis von Fleisch [8]. Katzen fressen bei einer Ad-Libitum-Fütterung bis zu 10–12 Portionen innerhalb von 24 Stunden, wobei kein Unterschied zwischen Tag und Nacht auszumachen ist.

Die Fütterungsfrequenz hat Einfluss auf den Harn-pH ([Abb. 1]). Katzen haben als Fleischfresser einen sauren Harn-pH und die Steuerung des pH-Wertes ist ohne große Schwankungen am besten über eine Ad-Libitum-Fütterung erreichbar. Dazu eignet sich meist Trockenfutter. Kommerzielle Trockenfutter enthalten oft viele pflanzliche Produkte, sodass ein alkalischer Urin entsteht. Deshalb wird NH4Cl oder Methionin zugesetzt.

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Abb. 1 Einfluss der Fütterungsfrequenz auf den Harn-pH [8].

Trockenfutter

Trockenfutter sollte unbedingt lauwarmes Wasser, Bouillon o. Ä. beigefügt werden. Eine ungenügende Flüssigkeitsaufnahme führt zur Harnretention und kann die bekannten Erkrankungen von Niere und Blase begünstigen. Trockenfutter erfüllt somit nicht die geforderten Kriterien, was den Feuchtigkeitsgehalt und die Zusammensetzung betrifft.


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Feuchtfutter

Dosenfutter werden durch Erhitzen haltbar gemacht. Zum Teil enthalten sie auch Konservierungsmittel. Benzoesäure (die in Deutschland deklariert werden muss), ein in der Humanernährung oft gebrauchtes Konservierungsmittel, ist für die Katze toxisch, da sie es nur schlecht entgiften kann. Größere Mengen Propylenglykol (1,2-Propandiol) können ebenfalls toxisch wirken (vermehrt Heinz-Innenkörperchen in den Erythrozyten, hämolytische Anämie). Es wird in feuchtem bzw. halbfeuchtem Hundefutter als Feuchthaltemittel angewandt. Dies ist auch ein Grund, warum Hundefutter nicht als Katzenfutter geeignet ist.

Wie eine Katze dann optimal ernährt werden kann, hängt von den jeweiligen Rahmenbedingungen ab: Bei Wohnungskatzen ist eine Ad-Libitum-Fütterung ohne Trockenfutter in vielen Fällen nicht umsetzbar – der Anteil an Trocken- und Nassfutter ist so zu gestalten, dass der NfE-Gehalt der Tagesration nicht über 8 % in der TS steigt. Futterautomaten, in denen Trockenfutter und Nassfutter proportioniert und gekühlt werden, können hier Abhilfe leisten. Zur Auswahl des geeigneten Futters ist in jedem Fall die Berechnung des Kohlenhydratanteils sinnvoll.


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Dr. Gisela Bolbecher

Studium der Tiermedizin in München und Wien; 1986 Approbation in München; 1989 Promotion; Zusatzbezeichnungen Homöopathie und Akupunktur mit Weiterbildungsermächtigung, Practitioner in Wings®-Tierkinesiologie, Schriftleitung Zeitschrift für Ganzheitliche Tiermedizin, Teilhaberin am Zentrum für Ganzheitliche Tiermedizin Bräuningshof


Dr. Gisela Bolbecher
Zentrum für Ganzheitliche Tiermedizin
Atzelsberger Str. 10
91094 Bräuningshof


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Abb. 1 Einfluss der Fütterungsfrequenz auf den Harn-pH [8].