Diabetologie und Stoffwechsel 2013; 8(4): 289-291
DOI: 10.1055/s-0033-1350376
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Gutachterliche Stellungnahme im Auftrag der Deutschen Diabetesgesellschaft zur Arbeit von Butler AE et al. in Diabetes 2013; 62: 2595 – 2604

Authors

  • G. Klöppel

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Publication Date:
29 August 2013 (online)

1. Ist die Analyse des Pankreasgewebes hirntoter Organspender mit fehlenden klinischen Informationen zur Dauer der Intensivbehandlung geeignet, um Regenerationsphänomene am Pankreas zu untersuchen?

Seit der Arbeit der Brüsseler Diabetesforscher um Danny Pipeleers und Peter In‘t Veld ist bekannt [1], dass die Proliferationsaktivität der endokrinen Pankreaszellen in Abhängigkeit von der Dauer der terminalen Intensivbehandlung gesteigert ist. Dies bedeutet, dass die Analyse von Pankreasgewebe hirntoter Organspender zum Studium der Regeneration endokriner Zellen nur dann sinnvoll ist, d. h. nicht zu fehlerhaften Interpretationen führt, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind: 1) die Fallzahl sollte nicht unter 10 liegen; 2) klinische Informationen bezüglich Alter, Geschlecht, BM-index, Diabetesdauer, vermutlichem Diabetestyp, terminalem Krankheitsverlauf und Komorbidität sollten verfügbar sein; eine nicht diabetische Vergleichsgruppe, die vor allem in den klinischen Daten weitgehend mit der Untersuchungsgruppe übereinstimmt und über eine ausreichende Fallzahl verfügt, muss vorhanden sein und Angaben über Volumen und/oder Gewicht des gesamten Pankreasgewebes müssen vorliegen.

In der Arbeit von Butler [2] wird ein großer Teil dieser Forderungen und Voraussetzungen für eine saubere Analyse von Regenerationsphänomenen bzw. Mengenberechnungen bei den Beta- und Alphazellen im Pankreasgewebe von Diabetikern und Nichtdiabetikern nicht erfüllt oder vollkommen unzureichend dargestellt und nicht nachvollziehbar verwendet. So finden sich zwar – um ein morphologisch-morphometrisches Problem herauszugreifen, das für die Kalkulation der Beta- und Alphazellmasse von essenzieller Bedeutung ist – in der „Supplementary Table 1“ Angaben zum Pankreasgewicht der einzelnen Patienten/Donoren, es kann aber methodisch nicht nachvollzogen werden, wie die Betazellmasse, ausgedrückt in Gramm, errechnet wurde und ob dabei der Fettgewebs- und Fibroseanteil des jeweiligen Pankreas berücksichtigt, d. h. weggelassen wurde. Geschieht dies nicht, dann kann ein erhöhter Fett- und Fibroseanteil eines Pankreas die Berechnungen der Betazellmasse empfindlich stören und zu höheren Werten führen, als es der tatsächlich vorhandenen Betazellpopulation, die im azinären Gewebe des Pankreas liegt, entspricht [3].

Die morphometrische Berechnung der Inselzellmasse beruht auf der Stereomorphometrie, deren wichtigster Pfeiler die Umrechnung der zweidimensionalen Ausdehnung des Inselgewebes im Schnitt in das dreidimensionale Volumen/Gewicht der gesamten Inselzellmasse des bei der Entnahme des Pankreas festgestellte Pankreasvolumens ist. Bleibt bei der Präparation etwas zu viel Fettgewebe am Pankreas oder wird etwas Pankreasgewebe abgeschnitten, dann können solche artefiziellen Variablen das errechnete Alpha- oder Betazellvolumen deutlich nach oben oder unten drücken. Gleiches gilt, wie bereits weiter oben angesprochen, für die Berücksichtigung des im Pankreas liegenden Fett- und Bindegewebes. Die individuelle Variabilität der Morphologie des diabetischen genauso wie des „normalen“ Pankreas ist erheblich. Dies bedeutet, dass die Variationsbreite der errechneten individuellen Werte zur Inselzellmasse „zum Verzweifeln“ hoch ist und Vergleiche jeglicher Art prinzipiell schwierig macht [3].

Die Arbeit von Butler [3] und die darin zitierte Arbeit zur Prokuration der Donorpankreata (Ref. 13 in [2]) lassen nicht erkennen, wie mit diesen methodisch relevanten Fragen umgegangen wurde und welche Bedeutung der Variabilität der individuellen Werte beizumessen ist. Man hat sich auch nicht – ein wissenschaftlich vollkommen unakzeptables Vorgehen – bemüht, Arbeiten zu berücksichtigen, die sich mit diesen Problemen beschäftigen. Die mitgeteilten Werte zur Alpha- und Betazellmasse der einzelnen Donoren sind daher – allein aus morphologisch-morphometrischen Gesichtspunkten – mit einem großen Fragezeichen zu versehen. Ihre kommentarlose Präsentation in der Arbeit ist wissenschaftlich unseriös.