Orthopädie und Unfallchirurgie - Mitteilungen und Nachrichten 2013; 02(03): 257-258
DOI: 10.1055/s-0033-1349156
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AG SCHMERZTHERAPIE
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PRT sichern – orthopädische Schmerztherapie ausbauen

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Publication Date:
09 July 2013 (online)

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Es geht auch ohne Strahlung: So heißt eine Kampagne von BVOU und IGOST, die Rückenschmerz-patienten darüber aufklären will, dass eine Strahlenbelastung bei Wirbelsäulen-injektionen nicht nötig ist.

Im Umgang mit der periradikulären Therapie (PRT) bestehen bei Krankenkassen und Patienten aktuell große Unklarheiten. Gemeinsam bieten BVOU und IGOST jetzt konkrete Hilfestellung für das Fachgebiet und seine Patienten. Dazu hat eine Arbeitsgruppe ihre Arbeit aufgenommen, bei der die Fäden zusammenlaufen und an die sich Orthopäden und Unfallchirurgen ab sofort wenden können.

Die Arbeitsgruppe Schmerztherapie in OU hat ein Knäuel an Problemen zu entwirren – dies ist eine der ersten Aufgaben für Dr. Stefan Heidl, Dr. Christian Baumgart für den BVOU in Kooperation mit Dr. Cordelia Schott für die IGOST (Interdisziplinäre Gesellschaft für orthopädische/unfallchirurgische und allgemeine Schmerztherapie e.V.).

Aktuell liegt der Fokus der Arbeitsgruppe auf dem Ausbau der PRT im Fachgebiet OU. Genauer: der nicht computertomografisch (CT)-gestützten, nicht strahlenbelastenden Anwendungsform der PRT. Diese etablierte, den Orthopäden/Unfallchirurgen im Rahmen ihrer Facharztausbildung vermittelte Behandlungsmethode ist seit dem 1. April 2013 notwendiger denn je für den spezifischen Rückenschmerzpatienten (siehe Kasten „Faktencheck“). Die radiologisch durchgeführte CT-gestützte PRT wird – politisch gewollt – durch eine Mengensteuerung zu einem Flaschenhals. Lange Wartezeiten – und damit auch lange Arbeitsausfalltage – für den schmerzgeplagten Patienten sind die Konsequenz. Die Vorteile der klassischen, konservativen Injektionstechnik bei PRT liegen auf der Hand: schnelle Hilfe für den Patienten mit der Folge geringerer Arbeitsausfalltage und in der Regel keine Strahlenbelastung. Die Arbeitsgruppe prägte dafür die Beschreibung: „Injektionen mittels anatomisch-palpatorischer Landmarken statt GPS – denn wer sich in der Großstadt auskennt, braucht keine Navigation.“

Doch die Orthopädie und Unfallchirurgie steht vor zwei Problemen:

  • Die strahlenbelastende CT-gesteuerte Methode wird durch die Kostenträger zunehmend beworben und den Patienten ein Maß an Sicherheit vermittelt, das es nicht gibt. Vielmehr wird unnötig ionisierende Strahlung appliziert. Des Weiteren entstehen unnötig hohe Kosten.

  • Wie bei der CT-gestützten PRT schwebt auch über der nicht strahlenbelastenden PRT nach anatomischen Landmarken das Damoklesschwert des Off-Label-Use (Stichwort Kortison). Erschwert wird dies durch eine, vorsichtig formuliert, unklare Haltung der Krankenkassen im Umgang mit der Off-Label-Use-Thematik.

FAKTENCHECK

Problem „Flaschenhals“: Seit dem 1. April ist es Pflicht, den Patienten über einen Arzt mit Zusatzbezeichnung Schmerztherapie bzw. über eine Schmerzambulanz einer CT-gestützten PRT zuzuführen, die an der Schmerztherapievereinbarung teilnehmen. Es gibt ca. 1.500 Ärzte mit dieser Zusatzbezeichnung. Zudem dürfen diese im Rahmen der Vereinbarung GKV-seitig nicht mehr als 300 Patienten pro Quartal und Therapeut behandeln. Ein Orthopäde betreut im gleichen Zeitraum bis zu ca. 1.600 Patienten (Fachgruppendurchschnitt). Die PRT unter CT muss gemäß Richtlinie (keine Leitlinie) in einem multimodalen Konzept eingebunden sein. KV-seitig ist multimodal nicht eindeutig definiert und die Honorierung nicht geklärt.

Off-Label-Use – zweierlei Maß: Beide Methoden, die CT- wie die nicht-CT-gestützte PRT, setzen für Injektionen an der Nervenwurzel in der Regel eine Mischung aus Lokalanästhetikum und Kortison ein. Dies unterliegt dem Off-Label-Use. Doch bei der CT-Methode tragen die Kassen zu ihren Lasten die Kosten, bei der klassischen Variante nicht.

Qualität der Injektionstechniken: Im Sinne der Strahlenhygiene zugunsten der Patienten schult alleine die IGOST als größte deutsche orthopädisch-unfallchirurgische Schmerzgesellschaft seit mehr als 15 Jahren in differenzierten Injektionskursen Fach- und Assistenzärzte in verschiedensten und bewährten Techniken, die der gebotenen Strahlenvermeidung Rechnung tragen.


BVOU/IGOST-AG SCHMERZTHERAPIE

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Dr. Stefan Heidl, BVOU Bezirksvorsitzender Münster, IGOST
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Dr. Christian Baumgart, BVOU, Wissenschaftlicher Beirat IGOST
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Dr. Cordelia Schott, Präsidentin IGOST

Die Arbeitsgruppe Heidl/Baumgart/Schott hat deshalb folgende Maßnahmen ergriffen:

  • Off-Label-Use: Ein Leitfaden klärt auf, wie ohne Regressgefahr die PRT unter Einsatz von Kortison angewendet werden kann. Der Leitfaden wurde in Form eines Rundschreibens im Februar versandt und kann bei Bedarf nachbestellt werden: bvou@bvou.net

  • Die Haftpflicht deckt die Anwendung ab, wenn die aus dem Rundschreiben zu entnehmenden Empfehlungen eingehalten werden. Dies hat der BVOU in Bezug auf die von ihm über die Funk-Gruppe (Sparkassenversicherung) angebotene Versicherung abgeklärt.

  • Die Arbeitsgruppe klärt auf Wunsch in den Ländern vor Ort die Fragen rund um PRT.

  • Probleme der Patienten wie auch der Orthopäden/Unfallchirurgen im Kontakt mit den Krankenkassen sollen der Arbeitsgruppe gemeldet werden – bvou@bvou.net und post@igost.de. Die Arbeitsgruppe hat Lösungsvorschläge parat.

  • Die Aufklärungs-Kampagne für die breite Öffentlichkeit „Es geht auch ohne Strahlung“ soll Patienten informieren und wird in mehreren Medien publiziert.

Für die Arbeitsgruppe ist die PRT die Spitze des Eisberges. An diesem Beispiel wird exemplarisch deutlich, welchen Stellenwert unser Fach in der Behandlung spezifischer Rückenschmerzen traditionell hat. Die orthopädische Schmerztherapie ist ein Dauerthema und muss auch in der zukünftigen Weiterbildungsordnung der OU verankert, gestärkt und ausgebaut werden.

Joachim Stier

ES GEHT AUCH OHNE STRAHLUNG!

Aus einer Presserklärung des BVOU und der IGOST vom 29. April 2013:„Seit Jahrzehnten werden hochspezifische Injektionstechniken im Rahmen der fundierten orthopädischen schmerztherapeutischen Ausbildung im Facharzt für O und U ohne Strahlenbelastung für den Patienten gelehrt und angewendet. Zunehmend werden Patienten zu teuren und strahlenbelastenden, z. T. computertomographisch (CT) gestützten Injektionen (PRT) überwiesen. Es wird eine höhere Präzision suggeriert. Wiederholt haben der Berufsverband der Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU) und die Interdisziplinäre Gesellschaft für orthopädische und allgemeine Schmerztherapie (IGOST) vor unnötigen Injektionen unter Strahlenbelastung gewarnt, welche letztlich auch Krebs auslösen könnten. Seit dem 1. April 2013 stehen bandscheibengeplagte Patientinnen und Patienten nun vor einer neuen Situation. Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) hat in seiner 290. Sitzung beschlossen, einer unnötigen Mengenausweitung dieser kostenintensiven Leistung entgegenzuwirken. Patienten müssen vor Durchführung von CT-gestützten Injektionstherapien an die Nerven nun einem Arzt mit der Abrechnungsgenehmigung „Spezielle Schmerztherapie“ vorgestellt werden. In Deutschland führen gegenwärtig nur ca. 300 Ärzte diese Zusatzbezeichnung: Ein Engpass für „Schmerzpatienten“, die auf Hilfe warten. Diese gibt es: Der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, ist weiterhin die erste Adresse für Patienten mit Rückenschmerzen. Unter Einbeziehung anatomischer Landmarken hat er in seiner sechsjährigen Ausbildung Injektionstechniken ohne Strahlenbelastung erlernt und beherrscht diese. Man kommt also auch ohne GPS zum Ziel, wenn man ortskundig ist. Nur muss man die Karte lesen können! Es geht auch ohne Strahlung!