Dialyse aktuell 2013; 17(05): 272-273
DOI: 10.1055/s-0033-1348118
Forum der Industrie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

8. Interaktives Nephrologisches Experten-Forum – Sevelamer: multimodaler Therapieansatz schützt Gefäße und senkt Mortalitätsrisiko

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Publication Date:
07 June 2013 (online)

 
 

Bereits zum achten Mal fand in Frankfurt das Nephrologische Experten-Forum der Firma Sanofi statt, das in diesem Jahr unter dem Titel "Neues aus der Nephrologie – kurz und bündig" stand. Dieser Devise folgend gab die Veranstaltung ein praxisrelevantes Update zu den neuesten Forschungsergebnissen, -entwicklungen und derzeit spannendsten Fragestellungen aus den verschiedensten Bereichen der Nephrologie.

Die Spannbreite der Themen war groß: Prof. Walter H. Hörl, Wien (Österreich), referierte über die optimale Eisentherapie bei CKD-Patienten, Prof. Markus Hollenbeck, Bottrop, sprach über Katheterprobleme und Prof. Christiane Erley, Berlin, beleuchtete das kontrastmittelinduzierte akute Nierenversagen. Darüber hinaus gab Prof. Manfred Weber, Köln, ein Update zur Therapie immunologischer Systemerkrankungen, Prof. Helmut Geiger, Frankfurt am Main, erläuterte die Sympathikusdenervation bei therapierefraktärer Hypertonie, Dr. Georg Schlieper, Aachen, gab Auskunft über den aktuellen Stand der kardialen Diagnostik bei Niereninsuffizienz und Prof. Ingeborg A. Hauser, Frankfurt am Main, ging der Frage nach, ob man ein nicht funktionierendes Transplantat entfernen oder belassen solle. Mit dem Thema der Nierenersatztherapie im hohen Alter brachte Dr. Werner Kleophas, Düsseldorf, auch ein medizinethisches Thema zur Diskussion, während Dr. Christoph C. Haufe, Erfurt, abschließend die neue Qualitätssicherungsrichtlinie Dialyse 2013 vorstellte.

Ein besonderes Augenmerk der Veranstaltung lag jedoch auf den Themen Fibrose und Kalzifizierung – beides sind häufige und schwerwiegende Begleiterscheinungen der Urämie. Wie Prof. Frank Strutz, Wiesbaden, ausführte, ist die tubulointerstitielle Fibrose das gemeinsame Merkmal zahlreicher chronisch progredienter Nierenerkrankungen im terminalen Stadium. Eine erfolgreiche Fibrosetherapie könnte somit die Progression des renalen Funktionsverlustes aufhalten und viele Patienten vor der Dialysepflichtigkeit bewahren. Derzeitig verfügbare Therapiestrategien führen jedoch bestenfalls zu einer Verlangsamung der Progressionsrate, nicht aber zur renalen Funktionserhaltung.

Zwar gibt es vielversprechende, innovative Therapieansätze (z. B. Pirfenidon), doch nach den enttäuschenden Erfahrungen mit Methylbardoxolon in der Phase 3 [ 1 ] ist man generell zurückhaltender mit dem Einsatz von Substanzen ohne ausreichend gesicherte klinische Datenlage geworden. Da die renale Fibrogenese, der Umbau von Zellen im Niereninterstitium zu Bindegewebe, ein relativ komplexer Prozess ist, an dem verschiedene zelluläre Elemente wie inflammatorische Zytokine und molekulare Signalkaskaden beteiligt sind, werden monomodale Therapieansätze möglicherweise auch immer zu kurz greifen, so Strutz.

Weniger Gefäßverkalkung durch frühzeitige kalziumfreie Phosphatkontrolle

Diese Erfahrung hat man bereits bei der Therapie und Prävention von Kalzifikationen bei chronisch nierenkranken Patienten gemacht. Auch hier weiß man heute, dass der aktive Umbauprozess von glatten Gefäßmuskelzellen in eine knochenähnliche Substanz durch verschiedene Faktoren begünstigt wird. Wie bei der Fibrose spielen dabei u. a. inflammatorische Prozesse eine Rolle, aber auch Störungen der Mineralstoffhomöostase kommen zum Tragen. Phosphat gilt als gewichtiger Risikofaktor, die Hyperphosphatämie akzeleriert die Gefäßverkalkung und ist mit einer deutlich erhöhten Mortalität assoziiert [ 2 ].

Die Phosphatkontrolle gilt daher als wichtige Säule in der Therapie von CKD-Patienten. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die diätetische Beratung der Patienten. Denn wie Prof. Jürgen Floege, Aachen, beim Experten-Forum ausführte, ist Phosphat nicht gleich Phosphat. Neben der Höhe der Phosphatzufuhr spielt auch die Phosphatquelle [ 3 ] eine entscheidende Rolle: Die Phosphatresorption ist bei natürlichen Nahrungsquellen geringer als bei industriell prozessierten, die Phosphatsalze als Hilfsstoffe (zur Konservierung, zur Säuerung, als Kuttermittel etc.) enthalten und bei tierischen Nahrungsmitteln höher als bei pflanzlichen Quellen.

Wenn diätetische Maßnahmen alleine nicht ausreichen, um das Serumphosphat im Normbereich zu halten, ist eine Phosphatbindertherapie indiziert. Wie seit Längerem bekannt ist, kann eine frühzeitige kalziumfreie Phosphatbindertherapie die Gefäße schützen [ 4 ], [ 5 ]. Das bestätigte letztlich auch die neue CKD-Studie von Block et al. [ 6 ] mit einem auf den ersten Blick gegensätzlichen und daher irritierenden Ergebnis, wie Floege ausführte. Demzufolge könne die Phosphatbindertherapie bei Prädialysepatienten die Gefäßverkalkung vorantreiben, doch es wurde in dieser Erhebung nicht zwischen kalziumfreien und kalziumhaltigen Phosphatbindern differenziert.

Wie die im Supplement publizierten Daten der Studie aber zeigen, wies nur die mit kalziumhaltigen Phosphatbindern behandelte Gruppe eine Verkalkungsprogression auf und zog das Gesamtergebnis ins Negative. Unter Sevelamerkarbonat (Renvela®), einem kalzium- und metallfreien Phosphatbinder, wurde hingegen kein signifikanter Verkalkungsprogress beobachtet. "Was die Studie meines Erachtens zeigt, ist nicht, dass die Phosphatbindertherapie per se die Gefäßverkalkung vorantreibt, sondern lediglich die Therapie mit kalziumhaltigen Phosphatbindern", so Floege.


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Die Evidenz gegen Kalzium bei CKD-Patienten ist so hart wie die verkalkten Gefäße der Patienten

In der Tat scheint die Gabe von Kalzium problematisch zu sein, wie Prof. Klaus Witte, Leeds (UK), anhand von Studien an der Allgemeinbevölkerung illustrierte: Bei lediglich marginalem Nutzen im Hinblick auf die Frakturraten [ 7 ], [ 8 ] gaben Daten Anlass zur Besorgnis, die eine höhere kardiovaskuläre Ereignisrate (insbesondere im Hinblick auf Myokardinfarkt und Apoplex) unter Kalziumsupplementation bei menopausalen Frauen aufdeckten [ 9 ]. Wie Witte schlussfolgerte, sei die Einnahme von Kalzium daher bestenfalls wirkungslos, könne schlimmstenfalls aber schaden.

Doch gilt dies auch für chronisch nierenkranke Patienten, die im Rahmen der Phosphatbindertherapie oft zusätzlich mit Kalzium beladen werden? Wie Prof. Jan Kielstein, Hannover, ausführte, ist die Datenlage hier weitestgehend kohärent und spricht auch bei diesen Patienten gegen eine zusätzliche Kalziumzufuhr: Wie die RIND[ 1 ]-Studie [ 10 ] zeigte, haben inzidente Dialysepatienten unter der Therapie mit dem kalziumfreien Phosphatbinder ein signifikant besseres Überleben. Der Unterschied im Hinblick auf die Mortalität kam aber erst nach 36 Monaten zum Tragen. Dies sei hervorzuheben, da die DCOR[ 2 ]-Studie [ 11 ], die keinen signifikanten Nutzen der kalziumfreien Intervention belegt hatte, zu diesem Zeitpunkt bereits beendet war.

Auch neue Daten belegen den Nutzen der kalziumfreien Phosphatbindertherapie: Wie Di Iorio et al. [ 12 ] in ihrer randomisierten, prospektiven Multicenterstudie mit 239 nicht dialysepflichtigen CKD-Patienten zeigten, profitierten die Patienten hinsichtlich des Überlebens von der Therapie mit Sevelamer. Die Gesamtmortalität über 36 Monate (primärer Endpunkt) war in der Sevelamergruppe gegenüber der Kalziumgruppe signifikant niedriger (12 von 107 vs. 22 von 105, p < 0,05) (Abb. [ 1 ]). Ebenfalls zeigte diese Studie einen Vorteil für Sevelamer in Hinblick auf das ereignisfreie Überleben und ergab einen Trend in Richtung eines späteren Eintritts in die Dialysepflicht.

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Abb. 1 Sevelamer senkt die Mortalität bei Patienten in den CKD-Stadien 3–4.
CKD = Chronic Kidney Disease

Auch in einer 2012 veröffentlichten japanischen Observationsstudie [ 13 ] waren sowohl die kardiovaskuläre als auch die Gesamtmortalität in der Sevelamergruppe signifikant niedriger als in der Kontrollgruppe. Kielsteins Fazit lautete daher: "Die Evidenz gegen Kalzium bei chronisch nierenkranken Patienten ist zwar nicht so hart wie ein Diamant, aber mindestens so hart wie die verkalkten Gefäße der Patienten."


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Sevelamer wirkt multimodal gegen die Gefäßverkalkung

Wie Kielstein weiter ausführte, könnten neben der Kalziumfreiheit auch pleiotrope Effekte von Sevelamer zur verminderten Verkalkungsprogression und damit zu einer Outcomeverbesserung beitragen. Verschiedene experimentelle Arbeiten verwiesen bereits auf gefäßprotektive Effekte von Sevelamer jenseits der "Kalziumfreiheit": So erhöht der kalzium- und metallfreie Phosphatbinder das Fetuin A, einen endogenen "Kalzifizierungsinhibitor" [ 14 ], verbessert die Endothelfunktion [ 15 ] und das Inflammationsprofil [ 16 ]. Auch ist seit Langem eine günstige Wirkung von Sevelamer auf das Lipidprofil bekannt [ 17 ] – und war auch in der oben bereits erwähnten japanischen, nach Propensityscore gematchten Observationsstudie zu beobachten: Die Patienten der Verumgruppe wiesen eine Verbesserung der Dyslipidämie und der arteriellen Gefäßsteifigkeit auf – auch wenn Kielstein einschränkend anführte, dass die Patienten zwar nach Alter, Geschlecht, Diabetesprävalenz und Dialysejahre gematcht wurden, die Medikationen mit Vitamin D und ACE-Hemmer dabei aber außer Acht gelassen worden war.

Zusammenfassend ist die Therapie mit Sevelamer somit ein multimodaler Therapieansatz zur Verminderung der Gefäßverkalkung, da sie gleichzeitig mehrere bekannte Risikofaktoren der Kalzifizierung – von Phosphat und Kalzium über die Hyperlipidämie bis hin zu endogenen Kalzifizierungsmediatoren – angreift. Ein praktischer Vorteil ist darüber hinaus, dass Sevelamer auch in Pulverform zur Verfügung steht, was vielen Patienten die Einnahme erleichtert und damit zur Verbesserung der Compliance, die generell durch eine hohe Tablettenlast beeinträchtigt wird, beitragen kann.

Dr. Bettina Albers, Weimar

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, Frankfurt am Main.

Die Beitragsinhalte stammen vom "8. Interaktiven Nephrologisches Experten-Forum und Meet the Expert: Neues aus der Nephrologie – kurz und bündig", Frankfurt am Main, unterstützt von der Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, Frankfurt am Main.

Die Autorin ist Mitarbeiterin bei albersconcept, Weimar.


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1 Renagel In New Dialysis Patients


2 Dialysis Clinical Outcomes Revisited


  • Literatur

  • 1 Rossing P. Nat Rev Nephrol 2013; 9: 128-130
  • 2 Block GA et al. Am J Kidney Dis 1998; 31: 607-617
  • 3 Moe SM et al. Clin J Am Soc Nephrol 2011; 6: 257-264
  • 4 Chertow GM et al. Kidney Int 2002; 62: 245-252
  • 5 Block GA et al. Kidney Int 2005; 68: 1815-1823
  • 6 Block GA et al. J Am Soc Nephrol 2012; 23: 1407-1415
  • 7 Tang BM et al. Lancet 2007; 370: 657-666
  • 8 Reid IR et al. Arch Intern Med 2008; 166: 2276-2282
  • 9 Bolland MJ et al. BMJ 2011; 342: d2040
  • 10 Block GA et al. Kidney Int 2007; 71: 438-441
  • 11 Suki WN et al. Kidney Int 2007; 72: 1130-1137
  • 12 Di Iorio B et al. Clin JASN 2012; 7: 487-493
  • 13 Iimori S et al. Clin Exp Nephrol 2012; 16: 930-937
  • 14 Caglar K et al. Clin J Am Soc Nephrol 2008; 3: 61-68
  • 15 Yilmaz MI et al. Am J Kidney Dis 2012; 59: 177-185
  • 16 Navarro-González JF et al. Clin J Am Soc Nephrol 2011; 6: 2272-2279
  • 17 Chertow GM et al. Nephrol Dial Transplant 2004; 19: 1489-1496

  • Literatur

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  • 17 Chertow GM et al. Nephrol Dial Transplant 2004; 19: 1489-1496

 
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Abb. 1 Sevelamer senkt die Mortalität bei Patienten in den CKD-Stadien 3–4.
CKD = Chronic Kidney Disease