Der Klinikarzt 2013; 42(05/06): 211
DOI: 10.1055/s-0033-1347099
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Ansteckgefahr lächerlich

Winfried Hardinghaus
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Publication Date:
16 July 2013 (online)

Ungefähr 25 % aller deutschen Männer und Frauen tun es mehrfach am Tag: Sie stecken sich an, genauer sie stecken sich „eine“ an. Trotz Rauchverbot in Kneipen und diskriminierenden Blicken von scheinbar besorgten Nichtrauchern können sie es einfach nicht lassen. Statistisch gesehen werden hierzulande pro Jahr immer noch rund 230 Millionen Zigaretten geraucht. Wir Ärzte, Gesundheitsexperten und die Schachteln warnen: Rauchen kann tödlich sein. Panik bricht deswegen nicht aus in der Bevölkerung, denn selbst jeder Hypochonder weiß, trotz der Massenansteckung gelten die Glimmstängel nicht als ansteckend. Das Problem an den Zigaretten ist, dass man sie riecht und vor allem sieht.

Unsichtbar und meistens geruchlos hingegen sind Viren, Bakterien und Parasiten. Schaut man sich die jährlichen Statistiken der Massenansteckung durch jene omnipräsenten, intelligenten Kleinstlebewesen an, die sich nicht in gelbe Vierecke auf den Bahnsteigen verbannen lassen, kann Panik angebracht sein. Während wir uns die Kippen beschämt anstecken, stecken uns die Grippeviren schamlos an. 20 % der Weltbevölkerung sind jährlich durch diese rauchfreie Infektion betroffen. Die meisten Angesteckten können nicht einmal was dafür. Von Lebensmittelinfektionen indes ist in diesem Heft die Rede.

Anders ist es bei Geschlechtskrankheiten. Kondome schützen zwar vor Ansteckung, jedoch vor Torheit nicht. 100 000 Ansteckungen durch Chlamydien im Jahr, 16 000 durch Tripper und 4600 durch Syphilis. 1,8 Millionen ansteckende Viren sind allein bekannt. Die Frage zu beantworten, wer ansteckender ist, Viren, Bakterien, Parasiten oder Pilze, ist müßig zu beantworten. Lohnt sich aber auch gar nicht weiter zu erörtern, denn die ansteckendste Krankheit der Welt wird durch etwas ganz anderes hervorgerufen: nämlich von den sogenannten Lachern.

Das seit Beginn des 20. Jahrhunderts durch die Massenpsychologie erforschte Phänomen „Humor“ ist die ansteckendste der Welt. Überträger der quälenden Lacher kann jeder Mensch sein. Das Schlimme ist, selbst Tiere, Pflanzen und Gegenstände können zum Lachen bringen. Impfungen und Kondome helfen hier trotz aller Versuche überhaupt nicht. Schätzungen der Comedy-Industrie zur Folge lachen sich täglich etwa 10 Millionen Menschen tot, 30 Millionen krank und 60 Millionen schlapp. Tendenz steigend. Länder wie das Land des Lächelns sind bereits von der Landkarte verschwunden. Und da soll tatsächlich noch einer sagen, Lachen sei gesund?

Wer kennt es nicht, das trockene Reißen an den Mundwinkeln, die tränenden Augen, die unerträglichen Schmerzen im Unterbauch? Ein Ende der aberwitzigen Pandemie ist einfach nicht in Sicht. Zum Glück beschäftigen sich jetzt aber junge Wissenschaften intensiv mit der Lustigkeit. Gelotologie ist die Wissenschaft der physischen und psychischen Auswirkungen des Lachens. Von Nordkorea ausgehend haben sich auch in Deutschland erste gelotologische Stationen in Krankenhäusern etabliert. Schulmediziner scheinen sich darüber aber nur zu amüsieren, die Politik hat einfach keinen Sinn für „Humor“ und selbst der Hypochonder nimmt das Ganze nicht so wirklich ernst. Vor 15 Jahren bereits erkannte der indische Kollege Madan Kataria die Auswirkungen des Lachens, begründete die weltweite Lach-Yoga-Bewegung und wurde dafür nur müde belächelt.

Es liegt jetzt an Ihnen, ob Sie sich der Lächerlichkeit preisgeben wollen oder nicht. An dieser Stelle sei einfach nur nochmal gewarnt: Nehmen wir „Humor“ ernst und hören wir damit auf zu lachen!