Der Klinikarzt 2013; 42(4): 198
DOI: 10.1055/s-0033-1347046
Blickpunkt
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Invasive Mykosen – Gefährlich und unterschätzt

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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
13. Mai 2013 (online)

 

Die zehn häufigsten invasiven Mykosen [Tab. 1] fordern mehr Tote als Tuberkulose oder Malaria. „Invasive Pilzinfektionen sind weltweit die Ursache für rund 500 Millionen Todesfälle pro Jahr“, sagte Prof. Ulf Göbel, Charité Berlin, auf dem diesjährigen Seminar „Systemische Pilzinfektionen 2013“ am 22./23. März in Berlin. Bereits zum 19. Mal trafen sich unter der Leitung von Prof. Herbert Hof und Prof. Ulf Göbel Mykologie-Interessierte zu diesem ebenso gefragten wie umfassenden und aktuellen Seminar, das neben dem theoretischen Teil mit den Themen: Biologie, Erkrankung, Diagnostik und Therapie auch 2 hochqualifizierte Mykologie-diagnostische Praktika zu Spross- und Schimmelpilzen anbietet.

Rund 90 % aller durch Pilze bedingten Todesfälle werden durch 4 Gattungen hervorgerufen: Cryptococcus, Candida, Aspergillus und Pneumocystis. Warum Pilzinfektionen im 20. Jahrhundert offenbar zugenommen haben, erklärte Göbel mit der Veränderung des Wirtes. So verändert der Einsatz von Penicillin bzw. Antibiotika die normale Keimflora, Katheter stellen häufig Eintrittspforten dar, die Möglichkeiten der Intensivmedizin sowie Zytostatika führen zu Immunsuppression, ebenso wie Transplantationen und die HIV-Pandemie. Trotz antimykotischer Therapie liegt die Letalität oftmals bei mehr als 50 % und dennoch beträgt der Forschungsaufwand nur 1,4–2,5 % der Gesamtausgaben für Immunologie und Infektionskrankheiten.

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Abb. 1 Aspergillus fumigatus.
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Tab. 1 Die 10 häufigsten invasiven Pilzinfektionen weltweit [1].

Aspergillosen – Risiko in der Hämato-Onkologie

Bei immunsupprimierten Patienten bestehen umweltbezogene und patientenbezogene Risikofaktoren. Aspergillussporen können über Inhalation bei Bautätigkeit, durch Pflanzenerde oder Nahrungsmittel wie Nüsse, Brot, Salat, Obst und Gewürze übertragen werden und die gefürchtete Aspergillose auslösen. PD Dr. Stefan Schwartz, Charité Berlin, sieht Gefährdungspotentiale sowohl in wie auch außerhalb der Klinik: „Es reicht schon, wenn ein Bauarbeiter vorbeigeht und beispielsweise eine Zwischendecke öffnet.“ Er rät deshalb zu höchster Aufmerksamkeit und Vermeidung derartiger Situationen.


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Bessere Chancen durch frühzeitige Diagnose und Therapie

Systemische Aspergillosen gelten nach wie vor als die bedrohlichsten Mykosen bei hämatoonkologischen Patienten mit einer sehr hohen Letalitätsrate. Eine Untersuchung der Universitätsklinik Bonn zwischen 1995 und 2006 ergab jedoch eine deutliche Verbesserung der Überlebenswahrscheinlichkeit seit der Verwendung moderner Antimykotika wie Voriconazol und den Echinocandinen. Entsprechende Therapieleitlinien haben die Arbeitsgemeinschaft Infektionen in der Hämatologie und Onkologie in der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie (AGIHO/DGHO) sowie internationale Fachgesellschaften herausgegeben. Dabei gilt nach Aussage von Prof. Herbert Hof, Mannheim, für die gesamte antimikrobielle Chemotherapie – je früher, desto besser (Hit hard and early!). Mikrobiologisch-kulturell ist eine frühzeitige Diagnostik allerdings nur selten möglich. Zur Frühdiagnostik stehen aber das CT zur Erkennung u. a. des „Halo-Zeichens“ bzw. serologische Methoden (v.a. der Galactomannan-Test aus Serum oder BAL) zur Verfügung. Wichtig ist die dadurch unterstützte klinische Diagnose und eine frühzeitige Therapie. Es sollte keinesfalls auf ein klares mikrobiobiologisches Ergebnis gewartet werden und auch nicht auf ein Antimykogramm. Im Verdachtsfall muss immer an eine Pilzinfektion gedacht werden und dann ist sofortiges Handeln nötig. PD Dr. Stefan Schwartz sieht Pleuraschmerz als frühes Symptom einer pulmonalen Aspergillose, dem unbedingt nachzugehen ist. Wenn keine klare Diagnose vorliegt und der schwer kranke Patient ein hohes Risiko trägt, ist das Antimykotikum mit dem breitesten Wirkspektrum die richtige Wahl. Therapieansätze mit kombinierten Antimykotika zeigten, so Schwartz, zwar tendenziell positive Ergebnisse, konnten aber die Überlebensrate letztlich nicht signifikant verbessern, weil teilweise bedingt durch die Grunderkrankung weitere schwere Infektionen teilweise viralen Ursprungs entwickelt wurden.

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Zur 47. Wissenschaftlichen Jahrestagung lädt die Deutschsprachige Mykologische Gesellschaft in diesem Jahr nach Tübingen ein. Unter der Leitung von Prof. Martin Schaller findet dort die MYK vom 5.–7. September 2013 im Theologicum statt. Das Vorprogramm und viele Informationen stehen unter http://www.dmykg.de zur Vefügung.

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„Systemische Pilzinfektionen” gewinnen im klinischen Alltag zunehmend an Bedeutung. Die Inzidenz steigt stetig. Das gleichnamige Seminar richtet sich an Klinikärzte aus allen medizinischen Fachbereichen sowie an Mikrobiologen und MTAs, die mykologisch-diagnostisches und therapeutisches Know-how erwerben oder vertiefen möchten. Es bietet fundierte Kenntnisse über die Grundlagen der Mykologie, zeigt bewährte und innovative diagnostische und therapeutische Möglichkeiten. Die Klinik systemischer Mykosen sowie aktuellste Entwicklungen aus Forschung und Praxis sind ebenso Inhalte der Vorträge erfahrener Referenten. Das 20. Seminar „Systemische Pilzinfektionen“ findet voraussichtlich im März 2014 in Berlin statt. Der genaue Termin wird rechtzeitig über http://www.scientia-akademie.de bekanntgegeben. Das Seminar wird von der Ärztekammer Berlin zertifiziert.


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  • Literatur

  • 1 Brown GD et al. Sci Transi Med 2012; 4

  • Literatur

  • 1 Brown GD et al. Sci Transi Med 2012; 4

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Abb. 1 Aspergillus fumigatus.
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Tab. 1 Die 10 häufigsten invasiven Pilzinfektionen weltweit [1].
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