Anlässlich des Weltnierentages wurde während des 37. Nephrologischen Seminars im März
2013 in Heidelberg eine Neuerung für chronisch nierenkranke Patienten vorgestellt.
Mit dem Wirkstoff Lanthankarbonat (Fosrenol®) in Pulverform steht seit Kurzem zusätzlich zu den bereits bewährten Kautabletten
ein potenter und gleichzeitig geschmacksneutraler Phosphatbinder zur Verfügung. Patienten
können diesen einfach direkt mit etwas Essen vermischen und einnehmen. Dadurch kann
einfacher eine Balance zwischen proteinreicher Ernährung – die für Dialysepatienten
einen Überlebensvorteil darstellt – und der damit meist verbundenen erhöhten Phosphataufnahme
gefunden werden. Wie wichtig eine energetisch ausreichende Ernährung für Dialysepatienten
ist, erläuterte auf einer Pressekonferenz der Firma Shire Deutschland GmbH neben 2
Experten auch der langjährige Dialysepatient Thomas Lehn, Ingelheim.
Phosphatwerte frühzeitig korrigieren
Schon relativ früh im Verlauf einer chronischen Nierenerkrankung (CKD) kann es zu
einer Erhöhung der Phosphatwerte im Serum kommen. Dies wird von den Patienten in der
Regel nicht bemerkt, führt aber langfristig zu einem Krankheitsbild, das früher als
renale Osteodystrophie, heute als CKD-MBD ("chronic kidney disease – mineral and bone
disorder") bezeichnet wird. Neben einer Vergrößerung der Nebenschilddrüse und gesteigerter
Ausschüttung von Parathormon (PTH) geht auch ein stärkerer Knochenumbau damit einher.
Kalzium und Phosphat werden vermehrt freigesetzt und die Knochenstabilität nimmt spürbar
ab.
Besonders gefährlich aber ist die infolge erhöhter Phosphatwerte auftretende Verkalkung
von Arterien und Weichteilen. Diese vaskulären Kalzifizierungen betreffen sämtliche
Gefäßabschnitte und insbesondere die Tunica media der großen Arterien. Die damit verbundene
Versteifung der Gefäße führt zur Entstehung einer linksventrikulären Hypertrophie
mit der Folge einer Beeinträchtigung der koronaren Perfusion. Hieraus resultieren
Herzinsuffizienz und plötzlicher Herztod aufgrund maligner Arrhythmien, die beiden
häufigsten kardiovaskulären Todesursachen bei Dialysepatienten.
Aber auch Patienten im Prädialysestadium haben bereits ein erhöhtes Risiko im Bezug
auf die kardiovaskuläre Mortalität. Daher sollte der Phosphatspiegel frühzeitig kontrolliert
und im angestrebten Zielbereich von weniger als 1,45 mmol/l (KDIGO-Empfehlung) bzw.
weniger als 1,78 mmol/l (KDOQI-Empfehlung) gehalten werden, um einen das Mortalitätsrisiko
erhöhenden Gefäßschaden zu vermeiden. Bei Dialysepatienten sollten Werte in Richtung
des Normbereichs angestrebt werden.
Gratwanderung zwischen Mangelernährung und Gefäßverkalkung
Die Hauptquelle für Phosphat im menschlichen Körper ist die Nahrung. Insbesondere
Proteine enthalten viel Phosphat. Der naheliegende Gedanke, eine proteinarme Ernährung
könnte helfen, das Problem der Phosphatbelastung zu lösen, führt jedoch in die falsche
Richtung. Zwar wird die diätetische Phosphatrestriktion sowohl 2009 in den KDIGO-
(Kidney Disease: Improving Global Outcomes) [
1
] als auch 2003 in den KDOQI-Leitlinien (KDOQI: Kidney Disease Outcomes Quality Initiative)
[
2
] empfohlen, sagte Prof. Markus Ketteler, Chefarzt der Medizinischen Klinik III, Nephrologie
und Leiter des KfH-Nierenzentrums Coburg am Klinikum Coburg GmbH in seinem Vortrag.
Prof. Markus Ketteler, Coburg
Quelle: Media Concept GmbH
Gleichzeitig aber scheint eine strikte Proteinrestriktion das Mortalitätsrisiko zu
erhöhen, wie in einer großen Studie [
3
] gezeigt werden konnte. Bei 30 152 Hämodialysepatienten, die in 4 Gruppen aufgeteilt
waren, wurde die Proteinzufuhr und das Serumphosphat gemessen und in Beziehung zum
Überleben gesetzt. Das 3-Jahres-Mortalitäts-Risiko war dabei nur für diejenigen erniedrigt,
die eine erhöhte Proteinzufuhr bei gleichzeitig reduziertem Serumphosphat aufweisen
konnten.
Phosphatbinder unentbehrlich bei terminaler Niereninsuffizienz
Phosphatbinder spielen derzeit die zentrale Rolle beim Phosphatmanagement niereninsuffizienter
Patienten, berichtete Ketteler. Ergebnisse mehrerer Beobachtungsstudien (ArMoRR[
1
], DOPPS[
2
], COSMOS[
3
]) demonstrieren einen signifikanten Überlebensvorteil für Dialysepatienten, die frühzeitig
mit einem Phosphatbinder behandelt worden waren. Dabei sollte ein idealer Phosphatbinder
-
hoch effektiv und pH-unabhängig Phosphat binden,
-
keine wesentliche systemische Absorption zeigen,
-
keine beeinträchtigenden Nebenwirkungen aufweisen,
-
angenehm und mit geringer Tablettenlast einzunehmen sein und
-
schließlich ein vertretbares Kosten-Nutzen-Verhältnis aufweisen.
Kalziumhaltige Phosphatbinder weisen einige dieser Charakteristika auf, höhere Dosen
sind aber potenziell mit einem Gefäßverkalkungsrisiko assoziiert. Sevelamer-HCl bzw.
-karbonat und Lanthankarbonat sind derzeit die beiden etablierten und verfügbaren
kalziumfreien Phosphatbinder. Letzterer macht sich die phosphatbindende Potenz der
"seltenen Erde" Lanthan zunutze. Kalziumfreie Phosphatbinder scheinen im Vergleich
zu den kalziumhaltigen Substanzen bei Dialysepatienten die Progression kardiovaskulärer
Verkalkungen zu verlangsamen bzw. aufzuhalten.
Bereits seit 6 Jahren bewährt sich Lanthankarbonat in Form von Kautabletten, die in
der Regel 3-mal täglich zu den Mahlzeiten eingenommen werden. Neu eingeführt wurde
jetzt Lanthankarbonat in Pulverform, das direkt mit etwas Nahrung vermischt eingenommen
wird. Dies hat den Vorteil, dass das Phosphatmanagement ohne hohe Tablettenlast, ohne
unangenehme Geschmackserlebnisse und ohne Flüssigkeitszufuhr erfolgen kann.
Der Patient muss mitarbeiten
Prof. Harm Peters, Berlin
Quelle: Media Concept GmbH
Unabdingbar für den Erfolg der Phosphat-Binder-Therapie ist die verlässliche Mitarbeit
des Patienten. Seine Therapietreue ist entscheidend für den Krankheitsverlauf. "Was
nützt die beste Tablette, wenn der Patient sie nicht nimmt", heißt es in Klinik und
Praxis und spricht eine der größten Herausforderungen in der medizinischen Versorgung
unserer Zeit an. Bei Patienten mit chronischer Dialyse ist diese laut Prof. Harm Peters
von der Arbeitsgruppe Nephrologie/Molekulare Fibrose-Forschung der Charité Berlin
"eine besonders große Herausforderung". Denn Dialysepatienten haben mit "durchschnittlich
etwa 20 Tabletten mit unterschiedlichen Wirkstoffen täglich eine hohe Tablettenlast",
so Peters (Abb. [
1
]). Deshalb ist die Tablettenlast des Patienten so gering wie möglich zu halten.
Abb. 1 Tablettenlast von Dialysepatienten: Im Median nehmen Dialysepatienten 19 Tabletten
pro Tag zu sich. Mit steigender Tablettenzahl nimmt die Adhärenz in der Regel ab.
nach [
4
]
Mit Phosphatbindern wie Lanthankarbonat lässt sich die Tablettenlast signifikant verringern,
wie Untersuchungen belegt haben. "Nun als Pulver eingeführt, wird sich die Adhärenz
der Patienten noch steigern." Wichtig ist es nach den Worten von Peters zudem, in
einem offenen (nicht etwa abwertenden) Gespräch herauszufinden, welche Bedenken den
Patienten daran hindern, alle Tabletten wie verordnet einzunehmen. Häufig spiele die
Sorge vor Nebenwirkungen eine Rolle, so Peters. Er empfiehlt, dem Patienten genau
zuzuhören und ihm einen genauen und strukturierten Therapieplan an die Hand zu geben.
"Ein mitarbeitender Patient wird von seinem Arzt als kompetenter Partner anerkannt",
bestätigte Thomas Lehn, der seit nunmehr 43 Jahren mit der Dialyse lebt. Eindrucksvoll
berichtete er aus seinem Leben mit der Blutwäsche, die er seit 1983 mit Hilfe seiner
Ehefrau zu Hause durchführt. "Der Dialyseshunt ist meine Lebensader", so Lehn. Als
aktiver Patient arbeitet er in mehreren Nieren-Selbsthilfe-Vereinen mit und macht
seine Erfahrungen auch auf einer eigenen Website öffentlich (www.thomas-lehn.de).
Thomas Lehn, Ingelheim
Quelle: Media Concept GmbH
Seine persönliche Diätempfehlung: "Essen und trinken, was einem schmeckt, aber in
Maßen und bewusst." Wichtig seien auch die Unterscheidung zwischen gutem und schlechtem
Phosphat und die gezielte und richtige Einnahme eines Phosphatbinders. Als Dialysepatient
macht er seine Erkrankung nicht zum Mittelpunkt in seinem Leben. Er beschäftigt sich
mit der Thematik und weiß, dass ein mitarbeitender Patient von den Ärzten als kompetenter
Partner anerkannt wird und hat durch seine Kenntnis sein Leben mit der Dialyse gut
im Griff. Lehns Motto ist u. a.: "Für meine Gesundheit bin ich selbst verantwortlich."
Seine persönliche Strategie, um die Gesundheit zu erhalten, ist folgende:
-
mit dem Arzt meines Vertrauens zusammenarbeiten
-
lange und schonende Dialysebehandlung
-
reduzierte Trinkmenge (max. 1200 ml/d)
-
verordnete Medikamente einnehmen
-
kalium- und phosphatarme Kost
-
normalen Blutdruck anstreben
-
nicht rauchen und wenig Alkohol
-
eiweißreiche Ernährung
-
in Bewegung bleiben
-
Shuntmanagement
-
das Leben lieben
-
Glaube
Dann, so Lehn, kann man mit der Heimdialyse und einigen Einschränkungen "fast wie
ein gesunder Mensch mit Handicap leben."
Quelle: Einführungspressekonferenz zu Fosrenol® Pulver, veranstaltet von der Shire Deutschland GmbH, Berlin, anlässlich des Weltnierentages
und des 37. Nephrologischen Seminars, Heidelberg