Dialyse aktuell 2013; 17(04): 214-215
DOI: 10.1055/s-0033-1345748
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Potente Phosphatbindung – Voraussetzung für eine balancierte Ernährung bei chronischer Niereninsuffizienz

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Publication Date:
14 May 2013 (online)

 
 

Anlässlich des Weltnierentages wurde während des 37. Nephrologischen Seminars im März 2013 in Heidelberg eine Neuerung für chronisch nierenkranke Patienten vorgestellt. Mit dem Wirkstoff Lanthankarbonat (Fosrenol®) in Pulverform steht seit Kurzem zusätzlich zu den bereits bewährten Kautabletten ein potenter und gleichzeitig geschmacksneutraler Phosphatbinder zur Verfügung. Patienten können diesen einfach direkt mit etwas Essen vermischen und einnehmen. Dadurch kann einfacher eine Balance zwischen proteinreicher Ernährung – die für Dialysepatienten einen Überlebensvorteil darstellt – und der damit meist verbundenen erhöhten Phosphataufnahme gefunden werden. Wie wichtig eine energetisch ausreichende Ernährung für Dialysepatienten ist, erläuterte auf einer Pressekonferenz der Firma Shire Deutschland GmbH neben 2 Experten auch der langjährige Dialysepatient Thomas Lehn, Ingelheim.

Phosphatwerte frühzeitig korrigieren

Schon relativ früh im Verlauf einer chronischen Nierenerkrankung (CKD) kann es zu einer Erhöhung der Phosphatwerte im Serum kommen. Dies wird von den Patienten in der Regel nicht bemerkt, führt aber langfristig zu einem Krankheitsbild, das früher als renale Osteodystrophie, heute als CKD-MBD ("chronic kidney disease – mineral and bone disorder") bezeichnet wird. Neben einer Vergrößerung der Nebenschilddrüse und gesteigerter Ausschüttung von Parathormon (PTH) geht auch ein stärkerer Knochenumbau damit einher. Kalzium und Phosphat werden vermehrt freigesetzt und die Knochenstabilität nimmt spürbar ab.

Besonders gefährlich aber ist die infolge erhöhter Phosphatwerte auftretende Verkalkung von Arterien und Weichteilen. Diese vaskulären Kalzifizierungen betreffen sämtliche Gefäßabschnitte und insbesondere die Tunica media der großen Arterien. Die damit verbundene Versteifung der Gefäße führt zur Entstehung einer linksventrikulären Hypertrophie mit der Folge einer Beeinträchtigung der koronaren Perfusion. Hieraus resultieren Herzinsuffizienz und plötzlicher Herztod aufgrund maligner Arrhythmien, die beiden häufigsten kardiovaskulären Todesursachen bei Dialysepatienten.

Aber auch Patienten im Prädialysestadium haben bereits ein erhöhtes Risiko im Bezug auf die kardiovaskuläre Mortalität. Daher sollte der Phosphatspiegel frühzeitig kontrolliert und im angestrebten Zielbereich von weniger als 1,45 mmol/l (KDIGO-Empfehlung) bzw. weniger als 1,78 mmol/l (KDOQI-Empfehlung) gehalten werden, um einen das Mortalitätsrisiko erhöhenden Gefäßschaden zu vermeiden. Bei Dialysepatienten sollten Werte in Richtung des Normbereichs angestrebt werden.


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Gratwanderung zwischen Mangelernährung und Gefäßverkalkung

Die Hauptquelle für Phosphat im menschlichen Körper ist die Nahrung. Insbesondere Proteine enthalten viel Phosphat. Der naheliegende Gedanke, eine proteinarme Ernährung könnte helfen, das Problem der Phosphatbelastung zu lösen, führt jedoch in die falsche Richtung. Zwar wird die diätetische Phosphatrestriktion sowohl 2009 in den KDIGO- (Kidney Disease: Improving Global Outcomes) [ 1 ] als auch 2003 in den KDOQI-Leitlinien (KDOQI: Kidney Disease Outcomes Quality Initiative) [ 2 ] empfohlen, sagte Prof. Markus Ketteler, Chefarzt der Medizinischen Klinik III, Nephrologie und Leiter des KfH-Nierenzentrums Coburg am Klinikum Coburg GmbH in seinem Vortrag.

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Prof. Markus Ketteler, Coburg
Quelle: Media Concept GmbH

Gleichzeitig aber scheint eine strikte Proteinrestriktion das Mortalitätsrisiko zu erhöhen, wie in einer großen Studie [ 3 ] gezeigt werden konnte. Bei 30 152 Hämodialysepatienten, die in 4 Gruppen aufgeteilt waren, wurde die Proteinzufuhr und das Serumphosphat gemessen und in Beziehung zum Überleben gesetzt. Das 3-Jahres-Mortalitäts-Risiko war dabei nur für diejenigen erniedrigt, die eine erhöhte Proteinzufuhr bei gleichzeitig reduziertem Serumphosphat aufweisen konnten.


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Phosphatbinder unentbehrlich bei terminaler Niereninsuffizienz

Phosphatbinder spielen derzeit die zentrale Rolle beim Phosphatmanagement niereninsuffizienter Patienten, berichtete Ketteler. Ergebnisse mehrerer Beobachtungsstudien (ArMoRR[ 1 ], DOPPS[ 2 ], COSMOS[ 3 ]) demonstrieren einen signifikanten Überlebensvorteil für Dialysepatienten, die frühzeitig mit einem Phosphatbinder behandelt worden waren. Dabei sollte ein idealer Phosphatbinder

  • hoch effektiv und pH-unabhängig Phosphat binden,

  • keine wesentliche systemische Absorption zeigen,

  • keine beeinträchtigenden Nebenwirkungen aufweisen,

  • angenehm und mit geringer Tablettenlast einzunehmen sein und

  • schließlich ein vertretbares Kosten-Nutzen-Verhältnis aufweisen.

Kalziumhaltige Phosphatbinder weisen einige dieser Charakteristika auf, höhere Dosen sind aber potenziell mit einem Gefäßverkalkungsrisiko assoziiert. Sevelamer-HCl bzw. -karbonat und Lanthankarbonat sind derzeit die beiden etablierten und verfügbaren kalziumfreien Phosphatbinder. Letzterer macht sich die phosphatbindende Potenz der "seltenen Erde" Lanthan zunutze. Kalziumfreie Phosphatbinder scheinen im Vergleich zu den kalziumhaltigen Substanzen bei Dialysepatienten die Progression kardiovaskulärer Verkalkungen zu verlangsamen bzw. aufzuhalten.

Bereits seit 6 Jahren bewährt sich Lanthankarbonat in Form von Kautabletten, die in der Regel 3-mal täglich zu den Mahlzeiten eingenommen werden. Neu eingeführt wurde jetzt Lanthankarbonat in Pulverform, das direkt mit etwas Nahrung vermischt eingenommen wird. Dies hat den Vorteil, dass das Phosphatmanagement ohne hohe Tablettenlast, ohne unangenehme Geschmackserlebnisse und ohne Flüssigkeitszufuhr erfolgen kann.


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Der Patient muss mitarbeiten

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Prof. Harm Peters, Berlin
Quelle: Media Concept GmbH

Unabdingbar für den Erfolg der Phosphat-Binder-Therapie ist die verlässliche Mitarbeit des Patienten. Seine Therapietreue ist entscheidend für den Krankheitsverlauf. "Was nützt die beste Tablette, wenn der Patient sie nicht nimmt", heißt es in Klinik und Praxis und spricht eine der größten Herausforderungen in der medizinischen Versorgung unserer Zeit an. Bei Patienten mit chronischer Dialyse ist diese laut Prof. Harm Peters von der Arbeitsgruppe Nephrologie/Molekulare Fibrose-Forschung der Charité Berlin "eine besonders große Herausforderung". Denn Dialysepatienten haben mit "durchschnittlich etwa 20 Tabletten mit unterschiedlichen Wirkstoffen täglich eine hohe Tablettenlast", so Peters (Abb. [ 1 ]). Deshalb ist die Tablettenlast des Patienten so gering wie möglich zu halten.

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Abb. 1 Tablettenlast von Dialysepatienten: Im Median nehmen Dialysepatienten 19 Tabletten pro Tag zu sich. Mit steigender Tablettenzahl nimmt die Adhärenz in der Regel ab.
nach [ 4 ]

Mit Phosphatbindern wie Lanthankarbonat lässt sich die Tablettenlast signifikant verringern, wie Untersuchungen belegt haben. "Nun als Pulver eingeführt, wird sich die Adhärenz der Patienten noch steigern." Wichtig ist es nach den Worten von Peters zudem, in einem offenen (nicht etwa abwertenden) Gespräch herauszufinden, welche Bedenken den Patienten daran hindern, alle Tabletten wie verordnet einzunehmen. Häufig spiele die Sorge vor Nebenwirkungen eine Rolle, so Peters. Er empfiehlt, dem Patienten genau zuzuhören und ihm einen genauen und strukturierten Therapieplan an die Hand zu geben.

"Ein mitarbeitender Patient wird von seinem Arzt als kompetenter Partner anerkannt", bestätigte Thomas Lehn, der seit nunmehr 43 Jahren mit der Dialyse lebt. Eindrucksvoll berichtete er aus seinem Leben mit der Blutwäsche, die er seit 1983 mit Hilfe seiner Ehefrau zu Hause durchführt. "Der Dialyseshunt ist meine Lebensader", so Lehn. Als aktiver Patient arbeitet er in mehreren Nieren-Selbsthilfe-Vereinen mit und macht seine Erfahrungen auch auf einer eigenen Website öffentlich (www.thomas-lehn.de).

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Thomas Lehn, Ingelheim
Quelle: Media Concept GmbH

Seine persönliche Diätempfehlung: "Essen und trinken, was einem schmeckt, aber in Maßen und bewusst." Wichtig seien auch die Unterscheidung zwischen gutem und schlechtem Phosphat und die gezielte und richtige Einnahme eines Phosphatbinders. Als Dialysepatient macht er seine Erkrankung nicht zum Mittelpunkt in seinem Leben. Er beschäftigt sich mit der Thematik und weiß, dass ein mitarbeitender Patient von den Ärzten als kompetenter Partner anerkannt wird und hat durch seine Kenntnis sein Leben mit der Dialyse gut im Griff. Lehns Motto ist u. a.: "Für meine Gesundheit bin ich selbst verantwortlich." Seine persönliche Strategie, um die Gesundheit zu erhalten, ist folgende:

  • mit dem Arzt meines Vertrauens zusammenarbeiten

  • lange und schonende Dialysebehandlung

  • reduzierte Trinkmenge (max. 1200 ml/d)

  • verordnete Medikamente einnehmen

  • kalium- und phosphatarme Kost

  • normalen Blutdruck anstreben

  • nicht rauchen und wenig Alkohol

  • eiweißreiche Ernährung

  • in Bewegung bleiben

  • Shuntmanagement

  • das Leben lieben

  • Glaube

Dann, so Lehn, kann man mit der Heimdialyse und einigen Einschränkungen "fast wie ein gesunder Mensch mit Handicap leben."

Quelle: Einführungspressekonferenz zu Fosrenol® Pulver, veranstaltet von der Shire Deutschland GmbH, Berlin, anlässlich des Weltnierentages und des 37. Nephrologischen Seminars, Heidelberg


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1 Accelerated Mortality on Renal Replacement


2 Dialysis Outcome and Practice Patterns Study


3 Current management of secondary hyperparathyroidism: a multicenter observational study


  • Literatur

  • 1 Kidney Disease: Improving Global Outcomes (KDIGO) CKD-MBD Work Group. KDIGO clinical practice guideline for the diagnosis, evaluation, prevention, and treatment of Chronic Kidney Disease-Mineral and Bone Disorder (CKD-MBD). Kidney Int Suppl 2009; 113: S1-S130
  • 2 KDOQI Clinical Practice Guidelines for Bone Metabolism and Disease in Chronic Kidney Disease. 2003; Im Internet: http://www.kidney.org/professionals/KDOQI/guidelines_bone/index.htm Stand: 04.04.2013
  • 3 Shinaberger CS, Greenland S, Kopple JD et al. Is controlling phosphorus by decreasing dietary protein intake beneficial or harmful in persons with chronic kidney disease?. Am J Clin Nutr 2008; 88: 1511-1518
  • 4 Chiu YW, Teitelbaum I, Misra M et al. Pill burden, adherence, hyperphosphatemia, and quality of life in maintenance dialysis patients. Clin J Am Soc Nephrol 2009; 4: 1089-1096

  • Literatur

  • 1 Kidney Disease: Improving Global Outcomes (KDIGO) CKD-MBD Work Group. KDIGO clinical practice guideline for the diagnosis, evaluation, prevention, and treatment of Chronic Kidney Disease-Mineral and Bone Disorder (CKD-MBD). Kidney Int Suppl 2009; 113: S1-S130
  • 2 KDOQI Clinical Practice Guidelines for Bone Metabolism and Disease in Chronic Kidney Disease. 2003; Im Internet: http://www.kidney.org/professionals/KDOQI/guidelines_bone/index.htm Stand: 04.04.2013
  • 3 Shinaberger CS, Greenland S, Kopple JD et al. Is controlling phosphorus by decreasing dietary protein intake beneficial or harmful in persons with chronic kidney disease?. Am J Clin Nutr 2008; 88: 1511-1518
  • 4 Chiu YW, Teitelbaum I, Misra M et al. Pill burden, adherence, hyperphosphatemia, and quality of life in maintenance dialysis patients. Clin J Am Soc Nephrol 2009; 4: 1089-1096

 
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Prof. Markus Ketteler, Coburg
Quelle: Media Concept GmbH
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Prof. Harm Peters, Berlin
Quelle: Media Concept GmbH
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Abb. 1 Tablettenlast von Dialysepatienten: Im Median nehmen Dialysepatienten 19 Tabletten pro Tag zu sich. Mit steigender Tablettenzahl nimmt die Adhärenz in der Regel ab.
nach [ 4 ]
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Thomas Lehn, Ingelheim
Quelle: Media Concept GmbH