Howell SM et al.
Does A Kinematically Aligned Total Knee Arthroplasty Restore Function Without Failure
Regardless of Alignment Category?.
Clin Orthop Relat Res 2013;
471: 1000-1007
In der Literatur ist eine neue Diskussion über die korrekte Implantatausrichtung in
der Knieendoprothetik entfacht, nachdem eine höhere Präzision in der Ausrichtung durch
die Navigation nicht zu einer Verbesserung des Patientenoutcomes geführt hat. S. M.
Howell et al. haben Versagensrisiko und Outcome bei kinematischem Alignment in Abhängigkeit
vom implantierten tibialen Varus untersucht.
Howell SM et al. Does A Kinematically Aligned Total Knee Arthroplasty Restore Function
Without Failure Regardless of Alignment Category? Clin Orthop Relat Res 2013; 471:
1000–1007
Einleitung
Das Konzept des kinematischen Alignments in der primären Knieendoprothetik folgt einer
Implantatausrichtung anhand der physiologischen präarthrotischen Gelenklinie. Dies
bedeutet insbesondere tibial eine meist varische Implantatausrichtung. Fragestellung
war, ob eine solche kinematische Implantatausrichtung ein erhöhtes Versagensrisiko
oder ein schlechteres Outcome bedeutet in Abhängigkeit vom implantierten tibialen
Varus.
Studiendesign
Retrospektiv wurden 214 kinematisch ausgerichtete Implantationen von Knietotalendoprothesen
(K-TEP) mit einer Nachbeobachtungszeit von im Mittel 38 Monaten per Oxford Knee Score
(OKS), WOMAC Score und Computertomografie untersucht. Unterschieden wurden die Alignment-Gruppen
-
neutrale Tibiaausrichtung (≤ 0 °) gegen tibialer Varus (> 0 °),
-
anatomischer tibiofemoraler Winkel 2,5 °-7,4 ° gegen varus (< 2,5 °) bzw. valgus (>
7,4 °) Konfigurationen und
-
die mechanische Beinachse innerhalb ± 3 ° gegen varus (> 3 °) und valgus (> -3 °)
Outlier.
Ergebnisse
75 % der untersuchten K-TEP zeigten eine varische tibiale Implantatausrichtung. Dennoch
lagen 73 % der Patienten postoperativ mit der Ganzbeinachse innerhalb des ± 3 °-Intervalls,
mit 6 % varus und 21 % valgus Outlier. Das funktionelle Ergebnis mit einem mittleren
OKS von 43 Punkten und einem WOMAC von 92 Punkten zeigte keine Unterschiede für die
genannten Vergleichsgruppen bzw. bei den Outlier. In keiner der Alignment-Gruppen
trat eine Frühlockerung oder eine Instabilität auf. Die Gesamt-Revisionsrate (kein
Wechsel der Prothese) lag bei 1,4 % (n = 3).
Kommentar
Das Dogma der mechanischen Implantatausrichtung ± 3 ° wird bei rund 20 % unzufriedenen
Patienten zunehmend hinterfragt und nach Konzepten einer physiologischen Implantatausrichtung
wie dem kinematischen Alignment gesucht. Obwohl sich die erzielte Ganzbeinachse in
dem kinematischen Alignment meist nicht wesentlich von der bisher angestrebten Neutralen
unterscheidet, bestehen Bedenken insbesondere gegenüber einer varischen tibialen Implantatausrichtung.
Es wird befürchtet, dass die physiologisch schräge Gelenklinie zu einer verkürzten
Standzeit oder sogar zu einem frühzeitigen Implantatversagen und einem schlechten
Outcome führen könnte. Dieser Kritikpunkt wird in der vorliegenden Arbeit adressiert
und scheint mit den hier präsentierten Daten zunächst gekontert. Im Vergleich zur
bestehenden Literatur weist das dargestellte Kollektiv mit kinematisch ausgerichteter
K-TEP ein hohes funktionelles Outcome und niedrige Versagens- bzw. Revisionsraten,
unabhängig von der Gelenklinienorientierung auf.
Kinematisch ausgerichtete Knieendoprothese mit Wiederherstellung der präarthrotischen
Gelenklinienorientierung (links: vor der Operation, rechts: danach).
Als Limitationen dieser Studie ist allerdings der Nachuntersuchungszeitraum von 3
Jahren zu nennen, sodass der Einfluss auf das Langzeitüberleben nicht bewertet werden
kann. Auch muss darauf hingewiesen werden, dass diese Publikation von den Entwicklern
der kinematischen Implantatausrichtung über die verwendete patientenindividuelle Schnittblocktechnik
verfasst wurde. Auch wenn die Datenlage zur kinematischen Implantatausrichtung insgesamt
noch recht überschaubar ist, unterstreicht diese Arbeit einen weiteren Überprüfungsbedarf
des aktuellen Denkens in der Knieendoprothetik. Weitere, insbesondere prospektive
Studien sind für die genaue Bewertung dieser Technik notwendig.