Liebe Leserinnen, liebe Leser,
die absolute, aber auch anteilmäßige Zunahme betagter und hochbetagter Bürger gehört
in Deutschland, neben der
niedrigen Geburtenrate, zu den markanten Zeichen des derzeitigen demografischen Wandels.
Nimmt man die
Auswirkungen des medizinischen Fortschritts noch hinzu, so lässt sich auch der „Panoramawandel“
der Erkrankungen
erklären: weg von häufig tödlich endenden Infektionskrankheiten und hin zu meist nicht
tödlichen chronischen
Erkrankungen. So entsteht die paradoxe Situation, dass wir einerseits mit einer immer
höheren Lebenserwartung
rechnen können, wir uns andererseits jedoch mit mehreren chronischen Krankheiten (durchschnittlich
mehr als 5 bei
den über 65-Jährigen) herumschlagen müssen. „Neben den Belastungen durch die Einzelerkrankungen
kommen Symptome
wie Inkontinenz, kognitive Defizite, Immobilität, Sturzgefährdung, Schmerzen und andere
komplizierende Faktoren
hinzu.“[
1
]
Auf mögliche Probleme, die solche Multimorbiditäten mit sich bringen, wurde dezidiert
bereits im eben genannten
Sondergutachten 2009 des „Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im
Gesundheitswesen“ eingegangen
und auch Vorschläge zur Verbesserung angeboten. Parallel hierzu hat das „Bundesministerium
für Bildung und
Forschung“ (BMBF) seit 2006 einen Forschungsschwerpunkt „Gesundheit im Alter“ initiiert
und dazu 6
Forschungsverbünde eingerichtet. Einige ausgewählte Stichpunkte sollen erkannte Probleme
verdeutlichen:
-
Multimorbidität hat einen negativen Einfluss auf die Lebensqualität.
-
Schnittstellenprobleme treten bei der Versorgung auf (etwa von ambulant/stationär/Nachsorge).
-
Eine Polypharmazie (z. T. bis zu 20 Wirkstoffe!) führt zu unberechenbaren Effekten.
-
Anstieg der Arztkontakte (bis zu 30/Jahr)
-
Anstieg der Gesundheitskosten
Was ist zu tun?
Auch hier lassen sich schnell einige Forderungen aufzählen, die aus Sicht der Rehabilitation
zwar nicht neu sind,
aber immer noch nicht durchgängig verfolgt werden:
-
bessere Koordination aller therapeutischen Maßnahmen (nach Plan!)
-
Zusammenwirken im partnerschaftlichen Team unter Einbeziehung der Betroffenen und
ihrer Angehörigen
-
Ressourcenorientierung (gemeint ist die Einbeziehung persönlicher und regionaler struktureller
Gegebenheiten), d. h. nach ICF, Berücksichtigung der sog. Kontextfaktoren
-
individuelle Behandlungspfade erarbeiten bis hin zu einem effektiven Entlassmanagement
Dass auch die Sport- und Bewegungstherapie hierbei einen wesentlichen Beitrag leisten
kann und dieses auch deutlich
vertreten sollte, wird schon dadurch deutlich, dass man als übergeordnetes Therapieziel
(eher generisch als
spezifisch) eine Steigerung der Mobilität, die Verbesserung des Selbstmanagements
und damit den Erhalt der
Selbstständigkeit – und weniger die Einzelerkrankung – in den Vordergrund rückt.
In diesem Sinne
Ihr Klaus Schüle