Hasleton P, Flieder D ed.
Spencer’s Pathology of the Lung.
6. Edition
Cambridge: Cambrige University Press; 2013. 1640 S., 2CD, € 339,40 ISBN
ISBN: 9780521509954
Erstmals 1962 aufgelegt und mit einem Vorwort von A. Liebow versehen, liegt nun die
6. Auflage dieses Standardwerks vor. Um es vorweg zu sagen: es ist ein beeindruckendes
Referenzwerk, das nachhaltig die nicht selten gehörte Auffassung widerlegt, Handbücher
seien ein Anachronismus. Denn, wie im Vorwort erläutert, im Bewusstsein des hohen
Tempos des Wissenszuwachses wäre es dennoch intellektuelle Feigheit, nicht den Versuch
zu unternehmen, eine Art State-of-the-art eines Fachgebietes zu versuchen, als eine
Art Zwischenbilanz der Expertendiskussionen, aber auch als Referenzwerk für die Lehre.
Die Kapitel sind überwiegend im Hinblick auf den Kliniker verfasst: Neben der Darstellung
der pathologischen Anatomie finden Epidemiologie, Klinik, Differenzialdiagnose und
Prognose sowie eine umfangreiche Referenzliste ihren Platz. Entsprechend sind Kliniker
auch Mitautoren einzelner Kapitel.
Das Handbuch umfasst zwei Bände und 1640 Seiten. Zu viel, könnte man meinen, für einen
Kliniker; zu wenig, könnte man einwenden, wenn man sich ein bestimmtes Kapitel herausgreift.
Natürlich ist ein solches Werk immer ein Kompromiss. Der Schwerpunkt der Darstellung
liegt eindeutig in der Lungenonkologie, die fast den gesamten zweiten Band belegt.
Dieser ist sicherlich in Anbetracht der relativen Häufigkeiten von Tumoren in diagnostischen
Proben aus der Pneumologie gerechtfertigt. Eindeutig mehr Berücksichtigung hätte wohl
das Thema der interstitiellen Lungenerkrankungen verdient gehabt, das gerade einmal
auf 40 Seiten behandelt wird; aber gerade auf einem Gebiet, das sich so rasant entwickelt,
ist jede „Zwischenbilanz“ recht arbiträr. Mehr praktische Hinweise bezüglich Indikation
zur Biopsiegewinnung, Anzahl und Größe der Biopsien, Befundkriterien hätte man sich
allerdings schon gewünscht. Alle anderen Themen finden wohl hinreichend Raum.
Doch fällt diese Imbalance nicht zu sehr ins Gewicht. Das Handbuch liefert eine große
Anzahl von Farbabbildungen in sehr guter Qualität und Größe. So manche CT-Aufnahme
der Lunge hingegen, als Korrelation zum pathologisch-anatomischen Befund, gibt nicht
gerade einen typischen und eindrücklichen Befund wieder. Dennoch: sofern es erlaubt
ist, die Pathologie auch als „visuelles Fach“ zu verstehen und zu würdigen, kommt
man bezüglich des Bildmaterials wahrlich auf seine Kosten. Das ebenfalls umfangreiche
und sehr gut zusammengestellte Tabellenmaterial erleichtert die Erfassung wichtiger
Zusammenhänge. Entsprechend sind die Texte nicht zu lang, nicht ermüdend, sodass einzelne
Kapitel durchaus auch in vollem Umfang gut lesbar und informativ bleiben. Andererseits
kann man das Handbuch ohne weiteres als Nachschlagewerk benutzen.
Kliniker, diese Überzeugung gewinnt man nach der Lektüre einiger wichtiger Kapitel,
sollten häufiger einmal nachlesen, besser gesagt, nachschauen, wie die Erkrankungen
auf zellulärer (und subzellulärer) Ebene aussehen, die sie behandeln. Auch Kollegen,
die nicht in der Forschung tätig sind, können von der Darstellung der höchst komplexen
pathogenetischen Mechanismen profitieren. Man möchte nicht von einem Genuss der Bilder
sprechen, da es sich ganz überwiegend um schwere Erkrankungen handelt und die Patientengeschichten
dazu wahrhaft keinen Anlass geben, die Morphologie dieser Erkrankungen auch noch zu
genießen; aber einen Genuss des Lesens, des Verständnisses und des Wissenszuwachses
wird man erfahren und nicht ins Zwielicht stellen wollen.
Prof. Dr. med. Santiago Ewig, Bochum