Ergebnisse
Adhärenz – eine Begriffsbestimmung
Definition – Unterschied zur Compliance
Die Weltgesundheitsorganisation WHO [1] definiert Adhärenz als das Ausmaß, in dem
das Verhalten einer Person – zum Beispiel die Medikamenteneinnahme – mit den Empfehlungen
übereinstimmt, die gemeinsam mit dem Therapeuten vereinbart wurden. Anders ausgedrückt
kann Adhärenz als die Einhaltung der gemeinsam von Patient und Arzt gesetzten Therapieziele
beschrieben werden.
Damit unterscheidet sich die Adhärenz von der Compliance, die als das Ausmaß definiert
wird, in welchem der Patient die Anweisungen des Arztes einhält. Die Compliance geht
also im Unterschied zur Adhärenz von einer passiven Patientenrolle aus [2].
Dimensionen der Adhärenz
Die Adhärenz wird von fünf verschiedenen Faktoren oder besser Dimensionen beeinflusst,
die untereinander interagieren können [1]:
-
Soziale und ökonomische Faktoren (sozialer Status, Bildungsniveau, Arbeitslosigkeit,
Analphabetismus, Zuzahlung, Alter, Krieg etc.)
-
Gesundheitsbezogene Faktoren (schlecht entwickeltes Gesundheitssystem, schlechte Arzt-Patienten-Kommunikation,
inadäquate Sprechzeiten etc.)
-
Krankheitsbezogene Faktoren (Schwere der Erkrankung, Ausmaß der Behinderung (psychisch,
physisch, sozial, beruflich), eingeschränkte Partizipation, Komorbidität etc.)
-
Therapiebezogene Faktoren (komplexes Behandlungsregime, Dauer der Behandlung (zu kurz,
zu lang), kein schneller Behandlungserfolg etc.)
-
Patientenbezogene Faktoren (Ressourcen, Wissen, Glaube, Vorstellungen, Bedenken, Nebenwirkungen,
Vorteile, Nachteile, Psyche etc.).
Adhärenz messen – verschiedene Methoden
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Adhärenz zu messen [3, 4]. Dazu gehören direkte
Methoden, wie zum Beispiel die Beobachtung der Medikamenteneinnahme oder die Messung
des Medikamentenspiegels oder biologischer Marker im Blut. [Tab. 1] fasst verschiedene Verfahren mit ihren Vor und Nachteilen zusammen, wobei es keine
allgemein akzeptierte „Best practice“ gibt. So ist die Patientenselbsteinschätzung
kostengünstig und praktikabel, führt aber tendenziell zu einer Überschätzung der Adhärenz.
Daher sollte man unbedingt auf die Validität der verwendeten Methode achten [4].
Tab. 1
Vor- und Nachteile verschiedener Adhärenz-Messinstrumente.
Verfahren
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Vorteile
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Nachteile
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Tablettenzählung
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kostengünstig
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Überschätzung
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Einlösung von Rezepten
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objektiv
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keine Gewähr von Einnahme
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Wiegen von Dosieraerosolen
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leicht durchführbar
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keine Gewähr von Einnahme
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Apothekenrezepte zählen
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leicht zugängig
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Überschätzung
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elektron. Methoden (z. B. Chip)
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objektiv
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kostenintensiv
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allg. Patientenangaben
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praktikabel und kostengünstig
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subjektiv und Überschätzung
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Patienteninterview
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kostengünstig
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Überschätzung
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Patiententagebuch
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Kostengünstig
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Überschätzung
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Medikamentenspiegel
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Bestätigung der Einnahme
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Abhängig von versch.Faktoren wie z. B. Ernährung, Rauchen, Zeitpunkt der Einnahme
etc.
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klinische Einschätzung
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schnell und kostengünstig
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Über- oder Unterschätzung
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Quelle: nach Gillissen 2007 [4]
Im Bereich Asthma wird als Patienten-Selbsteinschätzungs-Instrument häufig der Morisky-Fragebogen
eingesetzt [54]. Der erweiterte Morisky-Score ([Tab. 2]) besteht aus acht Fragen, die entweder mit Ja oder Nein beantwortet werden. Für
jedes Nein gibt es einen Punkt. Es können maximal 8 Punkte erreicht werden, die als
hohe Adhärenz bewertet werden. Bei einem Cutpoint von unter 6 Punkten ist die Reliabilität
gut (Cronbachs alpha: 0,83). Die Sensitivität (tatsächlich Adhärente werden als adhärent
eingestuft) beträgt 93 %, die Spezifität (tatsächlich Nicht-Adhärente werden als nicht-adhärent
eingestuft) liegt bei 53 % [54].
Tab. 2
Morisky-Fragebogen.
Frage
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Ja
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Nein
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Jedes Nein = 1 Punkt
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Vergessen Sie manchmal die Einnahme Ihrer Medikamente?
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In den letzten zwei Wochen: Gab es irgendwelche Tage, an denen Sie Ihre Medikamente
nicht genommen haben?
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Haben Sie jemals Ihre Medikamente nicht bzw. weniger genommen ohne es Ihrem Arzt zu
erzählen, weil es Ihnen schlecht ging, wenn Sie die Medikamente nahmen?
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Vergessen Sie manchmal Ihre Medikamente mitzunehmen, wenn Sie reisen oder das Haus
verlassen?
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Haben Sie gestern Ihre Medikamente genommen?
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Wenn Sie sich besser fühlen, stoppen Sie manchmal Ihre Medikamenteneinnahme?
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Täglich Medikamente zu nehmen ist für einige Menschen ein echter Nachteil. Hat es
Sie jemals gestört bzw. genervt, sich an Ihren Behandlungsplan zu halten?
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Wie oft haben Sie Schwierigkeiten, daran zu denken, Ihre Medikamente zu nehmen?
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nie = 1 sehr selten = 0,75 manchmal = 0,5 meistens = 0,25 immer = 0 Punkte
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Punkte insgesamt
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Auswertungsschlüssel
hohe Adhärenz mittlere Adhärenz geringe Adhärenz
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8 Punkte 6 bis < 8 Punkte < 6 Punkte
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Quelle: Morisky et al. 2008 [54]
Andere Fragebögen zur Messung von Adhärenz sind zum Beispiel der Adherence Estimator,
der von McHorney entwickelt und validiert wurde [5]. Es handelt sich um eine Selbsteinschätzung,
die anders als der Morisky-Fragebogen den Grad der Zustimmung (komplett, in der Regel,
manchmal) beziehungsweise Ablehnung (manchmal, fast immer, immer) zu drei Fragen bewertet.
Diese Fragen decken diejenigen Überzeugungen der Patienten ab, die in psychometrischen
Tests am sichersten mit Nicht-Adhärenz korrelierten. Die Sensitivität für Non-Adhärenz
liegt bei 88 %.
Zu den ausführlicheren Fragebögen gehört der MARS (Medication Adherence Report Scale
for Asthma), der 10 Fragen enthält. Der Vergleich mit einem elektronischen Adhärenz-Messsystem
ergab eine gute Korrelation, wobei in englischer und spanischer Sprache getestet wurde
[6].
Ein Problem von Adhärenz-Messinstrumenten ist die geringe Übereinstimmung der Ergebnisse,
wenn man verschiedene Instrumente einsetzt [7]. Dies hat eine Querschnittsstudie mit
139 Patienten mit verschiedenen chronischen Erkrankungen zeigen können. Dabei wurden
die validierten Instrumente Brief Medication Questionnaire (BMQ), Medication Adherence
Survey (MAS) und Medical Outcomes Study (MOS) mit Rezepteinlösungs-Daten aus Apotheken
verglichen. Es fand sich bestenfalls eine moderate Korrelation zwischen den drei Selbsteinschätzungsinstrumenten
und der Rezepteinlösung. Die exakte Messung der Adhärenz mit Fragebögen ist schwierig,
Daten aus der Adhärenzforschung sind nicht ohne Weiteres miteinander vergleichbar.
Eine mögliche Erklärung ist der unterschiedliche Aufbau der verschiedenen Fragebögen,
sowohl in der Länge als auch in der Ansprache der Patienten.
Empirische Untersuchungen zur Adhärenz
Über alle Krankheiten hinweg hält sich nur jeder zweite chronisch kranke Patient an
die mit seinem Arzt vereinbarten Therapiemaßnahmen – mit einer großen Schwankungsbreite,
die unter anderem von der Definition und dem Messinstrument abhängt; auch regionale
und kulturelle Unterschiede spielen hier eine Rolle. Das gilt auch für Asthma ([Tab. 3]).
Tab. 3
Adhärenz chronischer Krankheiten und bei Asthma.
Weltweit (Allgemein)
|
Weltweit (Asthma)
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Deutschland (Asthma)
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̴ 50 % [1]
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30 – 70 % USA
[56]
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14 – 87 % (Mühlig 2001, 15)
|
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30 – 70 % USA
[9]
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̴ 50 % [55]
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40 – 78 % Europa
[10]
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90 DDD im Zeitraum von 12 Monaten: 53,5 % (ICS/LABA) 55,6 % (LABA) 65,1 % (ICS) 72,3 % (SABA)
[16]
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̴ 50 % [8]
|
43 % und 28 % (Controller Med.), Australien
[11]
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33 – 88 % ICS Nord-Irland
45 % orales Prednisolon [12]
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43,9 % Dänemark
[13]
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52 % ICS Großbrittanien
[6]
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75 % elektr. Gemessen Australien 85 % Selbstbericht 82 % Männner 66 % Frauen (ICS/LABA, Salmeterol/Fluticason)
[14]
|
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DDD: defined daily doses, definierte Tagesdosis; ICS: inhaled corticosteroid, inhalatives
Kortikosteroid; LABA: long acting Betaagonist, langwirkender Betaagonist; SABA: short
acting Betaagonist, kurzwirkender Betaagonist.
Zwei Studien konnten identifiziert werden, die Asthmaadhärenz in Deutschland schätzen.
Mühlig [15] spricht in seiner Arbeit noch von Compliance, die zwischen 14 % und 87 % liegt.
Für die hohe Variabilität seiner Schätzungen ist die unterschiedliche Operationalisierung
der Compliance-Definition verantwortlich.
Hier stellt sich die Frage, wie die Compliance definiert wird, z. B. über die Anzahl
der Behandlungstage, die Einhaltung einer minimalen Wirkstoffdosis oder eine unterbrechungsfreie
Einnahme an einer definierten Anzahl von Tagen. Definiert werden sollte auch, ab wie
viel Prozent Abweichung man von Non-Compliance spricht und wie die Patienten klassifiziert
werden.
So erhält man bei einer Patientenstichprobe mit demselben elektronischen Medikamenten-Compliance-Messgerät
ganz unterschiedliche Compliance-Raten. Hier exemplarisch einige Ergebnisse: An 84,5 %
aller Behandlungstage wurde mindestens eine Applikation registriert. Folglich lag
der Anteil der Nicht-Behandlungstage bei nur 15,5 %. Allerdings war bei 15,0 % der
Behandlungstage eine Überdosierung zu sehen, bei 36,9 % jedoch eine Unterdosierung.
Nur ein Drittel der Patienten (32,5 %) schaffte es, mindestens einmal sieben Tage
ohne Unterbrechung ihre Verschreibung korrekt einzuhalten.
Eine andere Möglichkeit, Rückschlüsse auf die Patientenadhärenz zu ziehen, ist die
Abbildung der Versorgungsrealität von Asthmapatienten mithilfe von Krankenkassendaten.
Hasford und Kollegen [16] konnten an 483.051 bayerischen Asthmapatienten – sie hatten mindestens zweimal in
2,5 Jahren die Diagnose Asthma bronchiale erhalten – zeigen, dass die Adhärenz vor
allem unter inhalativen Kortikosteroiden (ICS) sehr gering ist. „Nur“ 61,4 % der Patienten
wurden überhaupt medikamentös behandelt. Von ihnen bekam wiederum die Mehrzahl (65,1 %)
nicht mehr als 90 definierte Tagesdosen (DDD) an Controller-Medikamenten in dem Untersuchungszeitraum
von 365 Tagen. Nur etwa 1 % erhielten Medikamente für den gesamten Untersuchungszeitraum.
Auch in anderen europäischen Ländern ist die Adhärenz schlecht. Dies zeigt zum Beispiel
eine retrospektive Querschnittsstudie aus Irland [12]. Nach einem Aufenthalt in einer Spezialklinik für schweres Asthma wurden die 182
Patienten sechs Monate lang weiter betreut. Ihre Therapie bestand aus inhalativer
Kombinationstherapie (ICS plus langwirksame β2-Agonisten [LABA]) und kurzwirksamen Beta-Agonisten, 51 Patienten erhielten orales
Prednisolon. Die Adhärenz der Patienten wurde u. a. anhand der Rezepteinlösungen und
der Plasmablutspiegel (Prednisolon, Cortisol) ermittelt und mit der ursprünglich verschriebenen
Medikation verglichen. Etwa ein Drittel der Patienten lösten weniger als 50 % der
ICS-Rezepte ein. Diese erreichten auch signifikant schlechtere Werte auf dem Asthma-spezifischen
Quality of Life Score (AQLQ). Nachdem anfänglich alle Patienten behauptet hatten,
ihre zu inhalierenden Medikamente wie besprochen einzunehmen, gaben später 88 % eine
schlechte Therapieadhärenz zu.
Von den Patienten, die mit oralem Prednisolon behandelt wurden, war fast die Hälfte
(45 %) nicht adhärent. Insgesamt lag die Nicht-Adhärenz bei Frauen mit 42 % deutlich
höher als bei Männern mit 23 %.
Eine dänische Studie [13] befragte 244 Patienten mittels Fragebogen im Internet. 43,9 % berichteten über Nicht-Adhärenz
zu dem Medikamentenregime. Nur eine Frage vorher hatten sie angegeben, dass ihnen
das Medikamentenregime bekannt sei. Dies zeigt indirekt, dass gute Kenntnisse nicht
mit adhärentem Verhalten einhergehen müssen.
Die elektronische Messung der Adhärenz bei 53 Asthmapatienten, die inhalative Kortikosteroide
einnahmen, ergab, dass die Patienten an 52 von 100 Tagen ihre Medikamente inhalierten
[6].
Ursachen für schlechte Adhärenz
Es gibt eine Vielzahl verschiedener Faktoren, die mit der Güte der Adhärenz korrelieren
beziehungsweise sie beeinflussen oder vorhersagen können. Die quantitative Bewertung
dieser Faktoren ist – wenn überhaupt erfolgt – mit großer Schwankungsbreite behaftet.
Dies ist unter anderem unterschiedlichen Studiendesigns und verschiedensten Messinstrumenten
der Adhärenz geschuldet.
Die beschriebenen Gründe für Nicht-Adhärenz können nach verschiedenen Schemata kategorisiert
werden. So existieren zum Beispiel die fünf Dimensionen der Adhärenz nach der WHO-Definition
[1], oder es werden Behandlungs-, Arzt- und Patienten-bezogene Barrieren beschrieben
[17] oder andere Ordnungssysteme angewendet. Wir haben die in der Literatur gefundenen
Faktoren unter folgenden praxisnahen Punkten dargestellt:
Überzeugungen
Patienten haben in vielen Fällen ihre eigenen Ansichten und Überzeugungen, wie ein
Medikament wirkt und ob oder wann es ihnen hilft. Diese stimmen häufig nicht mit dem
medizinischen Wissensstand überein – und Ärzten fällt es schwer, solche Überzeugungen
zu akzeptieren. Diese Überzeugungen beeinflussen die Adhärenz erheblich [14]
, daher sollten sie zunächst akzeptiert und nicht gleich als „falsch“ abgewertet werden.
Denn dies erzeugt Widerstand, gewünscht wäre eher Veränderung der Überzeugung.
Wenn Patienten glauben, dass die inhalative Therapie mit Steroiden eine notwendige
Asthmatherapie ist, sind sie häufiger adhärent [14]
[18]
[19]. Das ergab die Selbsteinschätzung mittels MARS-Fragebogen. Diese korreliert mit
der elektronischen Messung der Adhärenz [6].
Ein aktuelle Studie [14] findet in einer Faktorenanalyse sieben signifikant mit adhärentem beziehungsweise
nicht-adhärentem Verhalten verknüpfte Themen:
-
erkannte Notwendigkeit
-
Sicherheitsbedenken
-
Asthma-Chronizität/Medikamenteneffektivität
-
Rat der Familie/Freunde
-
Motivation und Routine
-
Leichtigkeit der Handhabung
-
Zufriedenheit mit Asthmamanagement
Von den 100 von Foster [14] beobachteten Patienten versuchten die meisten, ihre Medikation wie verordnet zu
nehmen. Sie hatten, wie in [Tab. 4] dargestellt, aber unterschiedliche Schwierigkeiten, adhärent zu sein.
Tab. 4
Überzeugungen und Verhalten.
Einnahme und Adhärenz von 100 Patienten, die mit ICS und LABA behandelt wurden
|
77 % versuchten Medikamente wie verordnet zu nehmen
|
33 % nahmen ICS nur bei Symptomen
|
72 % wussten, dass ICS auch dann genommen werden sollte, wenn keine Beschwerden vorhanden
sind
|
48 % gefiel es nicht, ein ICS zu benötigen
|
24 % fanden es schwierig, sich selbst zu motivieren
|
33 % bejahten Nebenwirkung vom ICS
|
46 % befürchteten, abhängig von ICS zu werden
|
14 % sagten, Freunde oder Familie haben geraten, Medikamente häufiger zu nehmen
|
Teilnehmer: TN, ICS: Inhalatives Kortikosteroid, LABA: langwirkender Betaagonist.
nach Foster 2012
[14]
Ponieman (2009) hat bei 261 Patienten mit geringem Einkommen, häufigen Klinikeinweisungen,
Notfalleinweisungen, Intubation und Gebrauch oraler Kortikoide eine ICS-Adhärenz von
etwa 70 % – gemessen mit der MARS – ermittelt [19].
Die meisten Patienten (82 %) waren überzeugt davon, dass es wichtig sei, ICS bei Beschwerdefreiheit
zu nehmen, obwohl viele Patienten Angst vor Nebenwirkungen (49 %) und Abhängigkeit
(37 %) hatten. Die Adhärenz-Wahrscheinlichkeit war um den Faktor 4,15 erhöht, wenn
die Patienten glaubten, ICS auch bei Beschwerdefreiheit nehmen zu müssen und um den
Faktor 2,23, wenn sie angaben, sie seien vertraut mit ICS. Hingegen reduzierte sich
die Adhärenz-Wahrscheinlichkeit auf etwa die Hälfte, wenn die Patienten Angst vor
Nebenwirkungen hatten (OR 0,52) oder das Therapieregime als schwer einzuhalten beurteilten
(OR 0,48).
Komorbiditäten
Eine schlechte Asthmakontrolle ist sowohl mit den Komorbiditäten Rhinitis und Rauchen
als auch einer schlechten Adhärenz gegenüber der Therapie mit ICS assoziiert. Dies
hat eine Umfrage in 85 englischen Allgemeinarztpraxen ergeben. Von insgesamt 4429
Fragebögen kamen 3916 komplett ausgefüllt zurück. Alle befragten Asthmapatienten wurden
mit inhalativen Steroiden behandelt [20].
Psychische Komorbiditäten
Depressionen und Angststörungen sind häufige psychische Begleiterkrankungen bei chronisch
kranken Menschen. Sie sind mit einem schlechteren Gesundheitszustand verknüpft ebenso
wie mit höherer Nutzung des Gesundheitssystems. Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2000
[21] fand einen signifikanten Zusammenhang zwischen dem Vorliegen einer Depression und
der ermittelten Adhärenz mit einer Odds Ratio (OR) von 3,03. Das bedeutet, depressive
Patienten haben eine dreifach höhere Wahrscheinlichkeit, nicht adhärent zu sein, als
nicht depressive Patienten. Es war jedoch kein signifikanter Zusammenhang zwischen
einer Angststörung und der Adhärenz zu sehen. In die Metaanalyse gingen 12 Depressions-Studien
und 13 Studien zu Angststörungen bei verschiedensten chronischen Erkrankungen ein.
Auch eine prospektive Studie mit 102 Asthmapatienten [22], die mit ICS und LABA behandelt wurden, ergab für nicht-adhärente Patienten einen
signifikant höheren Mittelwert im Depressions-Score (Hospital Anxiety and Depression
Scale, HADS) als für adhärente Patienten (4,7 ± 3,3 vs. 3,2 ± 2,5).
Dass depressive Symptome mit einem deutlich höheren Risiko für Nicht-Adhärenz einhergehen,
trifft auch für Patienten mit schwerem Asthma zu [23]. Die Patienten (N = 59) wurden wegen akuter Exazerbation ihres Asthma bronchiale
stationär mit oralem Kortison und dem inhalativen Kortison Fluticason behandelt, die
Medikamenteneinnahme wurde elektronisch und anhand des Cortisol-Blutspiegels überwacht.
Bei der erneuten Vorstellung nach zwei Wochen waren „nur“ 60 % der depressiven Patienten
adhärent, während 74 % der Patienten ohne depressive Symptome ihre Medikation regelmäßig
einnahmen. Nach Adjustierung möglicher beeinflussender Faktoren (Alter, Geschlecht,
Schulbildung) ergibt sich für Patienten mit ausgeprägter Depression ein 11,4-fach
höheres Risiko für schlechte Adhärenz, verglichen mit nicht-depressiven Asthmatikern
[23].
Auch wenn man eher „extreme“ Patientensubpopulationen betrachtet – einmal Patienten
mit einem sehr niedrigen Einkommen und hohen monatlichen Medikamentenkosten und umgekehrt
Patienten mit sehr hohem Jahreseinkommen und niedrigen Medikamentenkosten – steigt
in beiden Gruppen die Wahrscheinlichkeit für nicht-adhärentes Verhalten, wenn eine
Depression vorliegt [24].
Arzt-Patienten-Beziehung
In einem älteren Übersichtsreferat differenzieren Niggemann und Wahn [25] zwischen Non-Compliance des Patienten und Non-Compliance des Arztes. Zwei wichtige
Punkte betreffen das Arzt-Patienten-Verhältnis:
-
missverständliche oder fehlende Instruktion des Arztes, im weitesten Sinne Defizite
in der Kommunikation und
-
kein vertrauensvolles Arzt-Patienten-Verhältnis.
Eine gute Kommunikation zwischen Arzt und Patient ist eine wichtige Komponente des
therapeutischen Prozesses. Sie stellt sicher, dass der Patient seine Erkrankung und
die Behandlung versteht und die Medikamente so einnimmt, wie vom Arzt verschrieben.
Wenn Patienten das Kommunikationsverhalten von Ärzten beurteilen [26], fehlen vor allem Fragen danach, wie sie ihr Asthma im Alltag (31 %) managen und
ob es Probleme beim Asthmamanagement zu Hause (24 %) gibt. Die Ärzte hingegen schätzen
sich als nonverbal aufmerksam ein (93 %) und als die interaktive Kommunikation in
Gang haltend (93 %). Nur 30 % bzw. 33 % berichteten, dass sie den Patienten helfen,
Entscheidungskriterien für das Selbstmanagement ihres Asthmas zu entwickeln und den
Behandlungsplan an ihre individuellen Bedürfnisse anzupassen [26].
Das Arzt-Patienten-Verhältnis hat sich in den letzten Jahren gewandelt vom eher paternalistischen
hin zu einem partnerschaftlichen, auch wenn in der Regel wegen großer Informations-
und Kompetenzunterschiede die Beziehung als asymmetrisch einzustufen ist. Zu der neuen
Partnerschaftlichkeit gehört auch, eine gemeinsame Therapieentscheidung zu treffen (shared decision making).
Der Arzt soll dabei die Therapieziele und Präferenzen der Patienten erkennen und benennen,
um im nächsten Schritt darauf abgestimmte Behandlungsmöglichkeiten vorzuschlagen und
die jeweiligen Vor- und Nachteile – v. a. im Hinblick auf die individuellen Therapieziele
und Vorlieben – zu diskutieren. Erst dann wird gemeinsam mit dem Patienten eine Entscheidung
für ein Therapieregime getroffen. Ein solches Vorgehen führt zu einer deutlich besseren
Adhärenz ebenso wie zu einer besseren Asthmakontrolle [27].
Medikamente
Auch die Medikation selbst, zum Beispiel die Häufigkeit der Einnahme und Wirkung der
Medikamente beeinflusst die Adhärenz. Verzögerte und komplexe Therapieregime, Nebenwirkungen,
Kosten und verzögerter Beginn der Behandlung wirken sich negativ auf die Adhärenz
aus [17].
Andere medikamentenspezifische Einflussfaktoren sind [4]:
-
bessere Adhärenz mit Kombinationspräparaten (ICS und LABA in einem Inhaler) (2 Studien)
-
bessere Adhärenz mit Relievern als mit Controllern (2 Studien)
-
bessere Adhärenz mit Tabletten verglichen mit ICS (5 Studien)
-
kein Unterschied zwischen Tabletten und ICS (2 Studien).
Daraus ergibt sich folgende Patientenakzeptanz:
Tablette > inhalative Kombinationstherapie > Einzelinhalatoren.
Je mehr Medikamente und je mehr Einzeldosen verordnet werden, desto geringer wird
die Adhärenz. Eine schlechte Adhärenz (oder Compliance) ist mit einer Über-, meist
aber mit einer Unterdosierung der Asthmamedikation assoziiert. In diese Analyse gingen
11 Studien zur Therapieadhärenz bei Asthma bronchiale ein, die im Zeitraum von 1995
bis 2005 publiziert wurden.
Andere Faktoren
Alkoholexzesse, wie zum Beispiel Komasaufen, sind signifikant mit medikamentöser Nichtadhärenz
(OR = 0,63) verknüpft, während – anders als in anderen Studien – eine eingeschränkte
mentale Gesundheit zum Beispiel aufgrund von Depressionen oder anderen psychiatrischen
Erkrankungen nicht mit Adhärenzproblemen assoziiert ist. Das ergab eine Sekundäranalyse
des California Health Interview Survey [28]. Die Daten umfassen 3,2 Millionen Kalifornier mit diagnostiziertem Asthma bronchiale,
von denen 1,7 Millionen Symptome aufwiesen. Weitere Prädiktoren für eine schlechte
Adhärenz waren Übergewicht, jüngeres Alter (18 – 44 Jahre), „etwas“ College-Bildung,
Rauchen und nicht in regelmäßiger medizinischer Betreuung.
Weitere Faktoren für schlechte Adhärenz – manchmal auch als schlechte Patientenmitarbeit
bezeichnet [4] – sind Probleme, die Erkrankung und ihre Behandlung zu verstehen, sprachliche Probleme,
Missverständnisse sowie falsche Anwendung des Inhalationssystems, Vergesslichkeit
oder fehlendes Krankheitsgefühl [4]. Aber auch Schwierigkeiten bei der Terminvergabe, Behandlung durch verschiedene
Ärzte, Desinteresse des Arztes, insuffizientes Vertrauen in den Arzt und geringe Motivation
des Patienten, sein Verhalten zu ändern [17].
Einfluss von Adhärenz auf Asthmakontrolle
Der Zusammenhang zwischen Adhärenz (Compliance) und Asthmakontrolle ist gut belegt
[29]. Eine Verbesserung der Adhärenz verbessert auch die Asthmakontrolle. Das zeigt eine
prospektive, randomisierte Studie [27]. Wichtige Faktoren, die dazu beitrugen, waren Patientenschulung und regelmäßige
persönliche oder telefonische Kontakte. Diese Aussage wird auch von Holgate und Kollegen
[30] unterstützt. Sie haben zehn Schlüsselpunkte zur Verbesserung der Asthmakontrolle
benannt. Einer davon lautet: „Menschen mit Asthma sollen dazu befähigt werden, teilzuhaben
und auszuwählen, welche Versorgung sie wünschen.“ Dazu sollte man auch psychologische
Faktoren und den Lebensstil betrachten, um diejenigen Faktoren zu identifizieren,
die zur schlechten Kontrolle beitragen können. Weiter sind Patientenschulung sowie
eine gute Aufklärung über Nutzen und Risiken der Asthmatherapie erforderlich. Auch
sollten die Ärzte darauf hingewiesen werden, wie wichtig es ist, die Patienten in
das Asthmamanagement gut einzubinden [30].
Clatworthy [20] konnte zeigen, dass eine schlechte Asthmakontrolle (ACQ ≥ 1,5) mit einer geringeren
Adhärenz gegenüber der Therapie mit inhalativen Steroiden (OR = 1,35) verbunden war.
Die Evaluation eines Asthma-Disease-Management Programms für Medicaid-Kunden im Staat
Washington der USA belegte einen deutlichen Rückgang des Asthmaschweregrads bei Patienten,
die ein Jahr im Programm geblieben waren. Initial waren 25 % der Patienten als „schwer“
eingestuft wurden, nach einen Jahr waren es „nur“ noch 16 % mit dem Schweregrad „schwer“
[57].
Instrumente zur Asthmakontrolle
ACSS: Asthma Control Scoring System
ACT: Asthma Control Test
ATAQ: Asthma Therapy Asessment Questionnaire
LASS: Lara Asthma Symptom Scale (Kinder)
Das ACQ war der erste evaluierte und publizierte Asthmakontrolltest, er ist weit verbreitet
und wird sowohl in der Forschung als auch in der Praxis eingesetzt. Er besteht aus
sieben Items. Das ACQ stimmt u. a. mit den klinischen Charakteristika Tagessymptome,
eingeschränkte Aktivität, nächtliche Symptome, Bedarf an Reliever-Medikation und Lungenfunktion
(FEV1) überein [31].
Kosten durch schlechte Adhärenz
Die ökonomischen Kosten für Asthma in Deutschland sind hoch und werden bereits für
1999 auf 2,7 Milliarden € geschätzt, wobei knapp 1,2 Milliarden Kosten durch asthmabedingten
Arbeitsausfall entstanden sind [58]. Diese Summe liegt nah an den von Nowak et al. [59] ermittelten 5,3 Milliarden DM (damals 3,1 Milliarden $) für 1992. Die Autoren schlussfolgern,
dass ein Großteil dieser Kosten durch eine bessere Asthma-Kontrolle eingespart werden
könnte. Dies wird von anderen Autoren ebenso gesehen [60].
Die Kosten für einen Asthmapatienten liegen in den USA zwischen 2.646 $ pro Jahr bei
mildem Asthma über 4.530 $ pro Jahr bei mittelschwerem Asthma bis zu 12.813 $ pro
Jahr bei schweren Asthmaformen. 35 % dieser Kosten sind durch Abwesenheit vom Arbeitsplatz
und geringere Effektivität bedingt [32].
In Deutschland hatten im Jahr 2010 jedoch etwa 60 % der Patienten ihr Asthma nicht
unter Kontrolle [61]. Deutschland scheint hier auch schlechtere Werte als andere europäische Länder aufzuweisen,
Spanien z. B. weist für 2008 einen Wert von 47 % auf [62].
Maßnahmen zur Verbesserung von Adhärenz
Um die Adhärenz wirkungsvoll und nachhaltig zu verbessern, ist es wichtig, die Patienten
mit schlechter Adhärenz zu erkennen. Zeichen für schlechte Adhärenz sind oben ausführlich
dargestellt und bewertet.
Verbesserung der Adhärenz allgemein
Eine systematische Übersicht [33] hat 38 Reviews analysiert, die untersucht haben, wie effektiv verschiedene Interventionen
die Adhärenz zu einer medikamentösen Therapie bei verschiedenen Erkrankungen verbesserten.
23 Reviews ergaben signifikante Unterschiede. In jedem der vier theoretisch anwendbaren
Interventionsgebiete gab es deutliche Effekte:
-
technische Interventionen: vereinfachte Medikation
-
Verhaltensinterventionen: Patientenführung durch „reminder“ per Telefon, SMS etc.
-
erzieherische Interventionen: Schulungen
-
strukturelle Interventionen: DMPs
Dabei führten technische Lösungen wie die Vereinfachung des Therapieregimes zwar oft
zu einer besseren Compliance, aber nicht immer. Interessant war auch, dass theoretische
Modelle plausibel die Adhärenz zu verbessern scheinen, dies aber in der Realität nicht
bewirken. Auf der anderen Seite lagen komplexen, aber wirksamen Interventionen keine
besonderen Theorien zugrunde.
Ein Cochrane Review [55] konnte zeigen, dass 4 von 10 Interventionen in 9 randomisierten kontrollierten Studien
sowohl die Adhärenz als auch mindestens einen klinischen Parameter verbesserte. Eine
Intervention erhöhte zwar signifikant die Compliance, aber nicht die klinischen Outcome-Parameter.
Eine langanhaltende Verbesserung der Adhärenz wurde in 36 von 81 Interventionen in
69 randomisierten kontrollierten Studien beobachtet, aber nur 25 Interventionen besserten
mindestens einen Behandlungsparameter.
Insgesamt waren alle Interventionen mit Langzeiteffekt komplex angelegt: aufwändige
Betreuung, Information, Erinnerungen, Selbstbeobachtung, Beratung, Bekräftigung, Familientherapie,
psychologische Therapie, Krisen-Intervention, Telefonanrufe und unterstützende Betreuung.
Allerdings führte auch die effektivste Intervention von allen nicht zu einer großen
Verbesserung der Adhärenz und Behandlungsergebnisse.
Arzt-Patienten-Verträge scheinen kein geeignetes Mittel zu sein, die Adhärenz bei
Asthma langfristig zu verbessern, wie ein Cochrane Review zeigen konnte [34]. In die Auswertung gingen 30 Studien ein mit insgesamt 4.691 Patienten. Die Verträge
wurden in den Bereichen Sucht (10 Studien), Hypertonie (4 Studien), Gewichtskontrolle
(3 Studien) und anderen (13 Studien) geschlossen.
Verbesserung der Adhärenz bei Asthma
Die Patientenmotivation ist ein wichtiger Punkt, um die Adhärenz zu verbessern [17]. Dazu braucht es häufigere Patientenkontakte, Schulungen sowohl des Patienten als
auch des Arztes und die Entwicklung eines partnerschaftlichen Verhältnisses zwischen
Arzt und Patient.
Die gemeinsame Therapieentscheidung plus weitere Interventionen (Gruppe 1, N = 182)
führte zu einer deutlich besseren Adhärenz, verglichen mit einer „normalen“ Verordnung
durch den Arzt plus weitere Interventionen (Gruppe 2, N = 180) oder einer sonst üblichen
Behandlung (Gruppe 3, N = 189). Dies zeigte eine prospektive, randomisierte Studie
[27]. Bis auf die Modalität der Therapieentscheidung war das Vorgehen in Gruppe 1 und
2 identisch: Patientenschulung, 2 persönliche und 3 kurze telefonische Kontakte. Gruppe-3-Patienten
erhielten die übliche Behandlung ohne zusätzliche Schulungen oder Gespräche. Nach
12-monatiger Behandlung hatten die Patienten, die gemeinsam mit dem Arzt ihre Therapie
diskutiert und ausgehandelt hatten, folgende Vorteile gegenüber der Gruppe 2, deren
Therapie durch den Arzt verordnet wurde:
-
bessere Controller Adhärenz (p < 0,03)
-
bessere LABA Adhärenz (p < 0,014)
-
höhere kumulative Controller Dosis (p < 0,005)
-
quantitativ bessere klinische Asthmakontrolle (statistisch nicht signifikant)
Im Vergleich zu den Patienten, die eine übliche Behandlung ohne weitere Interventionen
bekommen hatten, schnitten die an der Therapieentscheidung beteiligten Patienten noch
besser ab:
-
bessere Controller Adhärenz (p < 0,0001)
-
bessere LABA Adhärenz (p < 0,0225)
-
höhere kumulative Controller Dosis (p < 0,0001)
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geringere Inanspruchnahme des Gesundheitssystems und der Notfallmedizin
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bessere Asthmakontrolle (p = 0,002) und Lungenfunktion (FEV1, p = 0,0068)
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bessere asthmabezogene Lebensqualität (p = 0,003).
Ein gutes Selbstmanagement kann die ICS-Adhärenz verbessern, wie eine 24-wöchige Studie
mit 84 Patienten mit mittelschwerem bis schwerem Asthma zeigte [35]. Die Patienten bekamen entweder regelmäßige individualisierte Selbstmanagement-Unterweisungen
zusätzlich zum Selbstmonitoring (Peak-Flow-Messung, Symptome notieren) oder nur eine
Anleitung zum Selbstmonitoring.
Die Selbstmanagement-Unterweisung erfolgte alle vier Wochen und dauerte 30 Minuten.
Inhalte waren: Asthma-Informationen, Überprüfung und Korrektur der Inhalationstechnik
sowie ein individueller Plan für das Selbstmanagement und die Kontrolle von relevanten
Umweltallergenen und irritativen Reizen. Die Patienten der Interventionsgruppe hatten
eine 9-fach erhöhte Adhärenz, definiert als Inhalation von mehr als 60 % der verschriebenen
Dosis am Ende der Intervention. Am Ende der Studie war die Adhärenz für ICS immer
noch 3-fach höher.
Auch bei schwer zu kontrollierenden Asthmapatienten wirkt eine auf mehreren Ebenen
einsetzende Intervention. Zunächst wurden die nicht-adhärenten Patienten (83 von 239)
anhand von Rezept-Einlösedaten identifiziert. Durch ein Konkordanzgespräch (Patient
weiß, dass Arzt weiß ...) wurden 31 weitere Patienten adhärent. Gleichzeitig sank
die benötigte Dosis an ICS, Rescue-Prednisolonbehandlungen und Krankenhauseinweisungen
signifikant. In der zweiten Studienphase konnte die Adhärenz durch weitere protokollgemäße
Interventionen noch verbessert werden [36].
Strukturelle Intervention, am Beispiel der Disease Management Programme (DMPs)
Eine Strategie, die Adhärenz in der Asthmatherapie zu verbessern, sind Disease Management
Progamme (DMPs). Innerhalb eines DMPs werden in der Regel folgende Instrumente angeboten
[63]:
Allerdings verwenden nur zwischen 3 % und 33 % der Patienten persönliche Behandlungspläne
[64]
[65], und es liegt eine geringe Bereitschaft zum Selbstmanagement vor [66]. 2008 waren in Deutschland 4,7 Millionen Patienten in DMPs eingeschrieben, 313.914
davon in ein Asthma DMP [67].
Tipps für die Praxis: Verbessern der Adhärenz
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Achte auf Marker für schlechte Adhärenz
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Frage nach Barrieren, ohne zu konfrontieren
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Betone Wichtigkeit der Behandlung und Adhärenz
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Ergründe die Gefühle des Patienten zur Therapie und seine Fähigkeit, dem Therapieregime
zu folgen, unterstütze wenn nötig die Adhärenz
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Gib einfache, klare Anweisungen und vereinfache die Therapie soweit wie möglich
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Ermutige den Gebrauch eines Medikamenten-Einnahmesystems
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Versuche zusätzliche Unterstützung von Familienmitgliedern, Freunden und Gemeinde-Einrichtungen
zu bekommen
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Höre auf den Patienten und erfülle seine Wünsche, so gut es geht
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Verstärke wünschenswertes Verhalten und Ergebnisse, so gut es geht
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Erwäge eher „vergebende“ Medikamente zu verordnen, wie Medikamente mit langer Halbwertszeit,
Depot- oder transdermale Medikamente
nach Osterberg 2005
[3]
Kosteneffizienz von Adhärenzmaßnahmen
Zu der Frage, ob eine Verbesserung der Adhärenz in der Asthmatherapie auch ökonomisch
wünschenswert ist, gibt es bislang nur wenige Aussagen.
Eine deutsche Studie zeigt, dass Teilnehmer eines Disease Management Programms (DMPs)
zwar 300 € weniger stationäre Kosten verursachen, dafür aber 500 € höhere indirekte
Kosten, die durch Arbeitsausfall verursacht werden. Aufgrund der geringen Fallzahl
von 16 Patienten in dieser Gruppe sind die Ergebnisse allerdings mit Vorsicht zu interpretieren
[68]. Aber durch die Teilnahme am DMP verbesserte sich die gesundheitsbezogene Lebensqualität
signifikant.
Es gibt jedoch keine gesicherte Evidenz, dass DMPs bezüglich der Kosteneffektivität
besser abschneiden als die Standardbehandlung [69]
[70]
[71]. Allerdings ist auch hier keine eindeutige Schlussfolgerung möglich, da etwa bei
Diabetes-DMPs auch Kosteneinsparungen beobachtet wurden [72]
[73].
Eine britische Studie aus den 90er-Jahren kommt zu dem Ergebnis, dass eine bessere
Adhärenz bei Asthma nicht zu Kosteneinsparungen in anderen Bereichen des Gesundheitssystems
führt, sondern nur zu einer Ausweitung der Arzneimittelkosten [74].
Neuere Daten [27] zeigen, dass eine signifikant bessere ICS- und LABA-Adhärenz die Asthmakontrolle
verbessert und zu einer geringeren Inanspruchnahme des Gesundheitssystems und der
Notfallmedizin führt. Die eingesparten Kosten für letztere Punkte sind nicht aufgeführt,
die Kosten der Intervention werden jedoch abgeschätzt. Die Intervention in der Patientengruppe,
die gemeinsam mit ihrem Arzt eine Therapieentscheidung traf und die besten Ergebnissen
erzielte, beanspruchte etwa 3,2 Stunden Zeit und kostete etwa 179 $. Die Kosten für
die Standardbehandlung lagen bei 32 $.
Der gut belegte Zusammenhang zwischen Adhärenz und Asthmakontrolle unterstreicht,
dass die Wirkung der inhalativen Asthmatherapie (vor allem) über die Adhärenz verbessert
werden kann. Nur so kann letztendlich das Ziel der Asthmakontrolle erreicht werden.
Allerdings scheint es nicht ein Asthma Adhärenzprogramm für alle Patienten zu geben.
Vielmehr zeigen die Daten, dass ein multimodales Vorgehen mit individuellen Angeboten
für den Patienten die meisten Erfolge verspricht. In diesem Bereich sind weitere Untersuchungen
nötig.