intensiv 2013; 21(03): 114
DOI: 10.1055/s-0033-1344007
Kolumne
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die Sparsamkeit mit Worten

Heidi Günther
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Publication Date:
13 May 2013 (online)

„In der Kürze liegt die Würze.“ (Volksmund)

Sparsamkeit ist eine Tugend. Sie ist der maßvolle Umgang mit Ressourcen aller Art. Wir sparen Geld, um größere Anschaffungen machen zu können. Der Umwelt zuliebe sparen wir Energie. Die Regierungen in Italien, Griechenland und anderen Ländern schnüren ganze Sparpakete, um ihre Länder vor dem Bankrott zu bewahren.

Aber eine Form der Sparsamkeit hat sich in unser alltägliches Leben mehr und mehr eingeschlichen. Das Sparen von Worten. In vielen Bereichen des Alltags, ob privat oder beruflich, formulieren wir einzelne Worte bis hin zu ganzen Sätzen nicht mehr aus und begnügen uns mit Abkürzungen. Sicherlich sparen wir mit dem Gebrauch von Abkürzungen viel Zeit. Gerade bei der ständig zunehmenden Dokumentation immer wiederkehrender Tätigkeiten, Anordnungen und Berichte. Wir berichten mehrmals täglich über den AZ, VZ, DMS, VAS, VW der Patienten. Bei IDDM werden regelmäßige BZ-Kontrollen nötig. Hat der Patient MRSA, ESBL oder gar TBC, wird er isoliert. Hat der Patient COPD oder KHK? Reicht eine Viggo aus oder benötigt er einen ZVK? ATS – ja oder nein? Das Ganze wird dann in der PPR gut dokumentiert. Welche ATLs kann der Patient schon bewältigen? Und alles schön mit dem Namenkürzel abzeichnen! Wir fahren unsere Pat in den OP, nicht ohne die WHO-Checkliste auszufüllen, und holen sie aus dem AWR wieder ab. Wenn ich als STL monatlich den DP schreibe, bin ich schon ganz froh, dass ich auf Abkürzungen zurückgreifen kann. Nicht auszudenken, wie groß der Plan wäre, wenn ich FD, S, N oder FBA und EZ ausschreiben müsste. Ein übergroßes Plakat würde entstehen und der Stützpunkt umgeräumt werden müssen. So geht es Tag für Tag.

Aber nicht nur bei uns, sondern in allen Bereichen unseres Lebens. 1999 haben „Die Fantastischen Vier“ mit ihrem Lied „MfG“ den Nagel auf den Kopf getroffen, indem sie eine Abkürzung an die andere gereiht haben. Wenn wir die täglichen Nachrichten hören, sind Abkürzungen an der Tagesordnung. SPD, FDP, EWF, IWF, EZB, UNICEF, THW und DAX – und schon sind wir informiert. Gut, für das Wetter müsste noch eine Abkürzung her. Über die Abkürzungen in den Inhaltsangaben auf Lebensmitteln möchte ich nicht so viel schreiben. Denn wohl niemand möchte wirklich wissen, was E290, 335 oder 158 genau ist. Schön sind auch die Kleinanzeigen für den Wohnungsmarkt: 2 ZKBD, AB, AAP, DT, EB, EBK, EG, FBH, GK, GS, GWC. Wie gut, dass ich im Moment keine Wohnung suche.

Nicht einmal in der Bibel geht es ohne Abkürzungen: Ps, V., Kap. usw. Dafür kommen sie höchst selten in Todesanzeigen vor. Das ist doch mal was.

Aber Vorsicht ist geboten! Abkürzungen können auch zu Missverständnissen führen. Ich habe für DMS insgesamt 18 Möglichkeiten der Bedeutung gefunden. Für VAS immerhin acht, und PPR kann auch als niederländische Partei oder französische Holdinggesellschaft durchgehen. Nur gut, dass wir die nötigen Abkürzungen und ihre Bedeutung in unserem Bereich aufgelistet haben. Leider haben „Fanta4“ keine Liste mitgeschickt und nun werde ich wohl nie erfahren, ob sie mit BSE den Rinderwahn meinen oder den Verlag, der auf Comics spezialisiert ist. Und bedeutet THX in ihrem Song nun danke oder ist das die Zertifizierungsstelle für Kinos?

Die größten Blüten treiben ja die Abkürzungen und Kurzwörter, seit es die Möglichkeit gibt, Nachrichten per SMS zu verschicken. Wichtige Nachrichten wie: HDL, LAMITO, 4EVER, FYI, CU, SZ oder NZD – was immer das auch heißen mag. Wenn dann dort aber BSE steht, hat der Schreibende auch nicht unbedingt Rinderwahn, sondern ist gerade sehr einsam.

Ich bin ja für alles Neue grundsätzlich offen und was diese Kolumne betrifft geradezu dankbar. Ohne diese Flut von Abkürzungen wäre sie wohl ein Mehrteiler geworden.

Also mache ich es kurz:

THX und MFG, Ihre H. G.

Heidi Günther