Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-0033-1336097
Bericht zum 3. Emder Workshop – Offshore Windenergieanlagen – Arbeitsmedizin
Publication History
Publication Date:
25 February 2013 (online)
Am 23. und 24. November 2012 fand in Emden der 3. Workshop statt, der die Belange des Arbeits- und Gesundheitsschutzes von Mitarbeitern auf Offshore-Windenergieanlagen (WEA) zum Thema hatte. Die Fortbildung für Arbeitsmediziner und andere Interessierte beinhaltete nicht nur anregende Vorträge und Diskussionen, sondern, wie auch in den Vorjahren, Einblicke in die Dimensionen und Probleme der Offshore-Industrie. Bezüglich Letzterem standen diesmal die Besichtigungen der Emder Werft SIAG und der Helikopter-Luftrettungsstation der Fa. NHC auf dem Programm. Die Veranstaltung wurde, wie bewährt, von VGB PowerTech e. V. (technischer Fachverband der Unternehmen für Strom- und Wärmeerzeugung) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Maritime Medizin e. V. ausgerichtet. Die historischen Veranstaltungsräume im ostfriesischen Landesmuseum "Rathaus Rummel" waren mit 50 Teilnehmern gut besucht.


Dimensionen und technische Herausforderungen
Am ersten Tag wurden in den Vorträgen eindrücklich die Dimensionen der Windenergieanlagen im Offshore-Bereich und die hiermit verbundenen technischen und die Arbeitssicherheit betreffenden Herausforderungen dargestellt. Frank Mesters berichtete einleitend über die technischen Herausforderungen und Notwendigkeiten in den verschiedenen Phasen von Planung bis zur Fertigstellung einer Windenergieanlage.
#
Anforderungen zur Stromabführung
Dr. Birte Gerdes, Mitarbeiterin der Fa. TenneT, präsentierte, wie weit die Anbindungen von Gleich- und Wechselstrom an Umspannplattformen auf hoher See und über Seekabel bereits realisiert werden konnten – jedoch auch, welche enormen Anforderungen zur Sicherstellung der Stromabführung noch zu leisten sind.
Sie stellte die verschiedenen Phasen in der Planung der Offshore-Umspannplattformen, der Installation und Bauphase sowie in der Betriebsphase mit Wartung und Instandhaltung der Plattformen mit den jeweils unterschiedlich notwendigen Sicherheitskonzepten und -einrichtungen vor.
Besonderen Schwerpunkt legte sie auf die Möglichkeiten des Gesundheitsschutzes und der Anlage von Rettungswegen auf den Umspannplattformen mit der nur dort gegebenen Möglichkeit von Erste-Hilfe- und Krankenräumen. Hier ist die Stationierung von Sanitätern angezeigt, die eine suffiziente Erstversorgung von erkrankten und verunfallten Mitarbeitern ermöglichen müssen.
#
Sicherheitskonzepte
Dirk Schreiber, leitender Sicherheitsingenieur der Fa. Hochtief, informierte in der folgenden Präsentation über das Sicherheitskonzept in der Errichtung der einzelnen Windenergiemühlen. Für die Einrichtung des Windparks Global Tech I – 80 WEA à 5 MW, 180 km nordwestlich von Bremerhaven auf 40 Meter Wassertiefe – wurde ein differenziertes Schutzsicherheitskonzept erstellt. Dieses beinhaltet, nach der Eignungsuntersuchung entsprechend der Empfehlungen der DGMM, ein 10-tägiges Erste-Hilfe- und Sicherheitstraining aller Offshore-Mitarbeiter.
Ergänzt wurde seine Präsentation durch die Darstellung der teilweise komplexen rechtlichen Vorgaben national und international mit Zuständigkeiten verschiedenster Behörden. Er forderte weitere Klärung der momentan unklaren Rechtslage in der medizinischen Unterstützung der Offshore-Arbeiter und einen standardisierten Notfallübungskatalog.


#
Arbeitsschutz
Sybille Schnegelsberg ist zuständig für den Arbeitsschutz auf den Offshore-WEA der südwestlichen Hälfte der Nordsee beim Gewerbeaufsichtsamt Oldenburg. Sie stellte in ihrer Präsentation klar, dass das Arbeitsschutzgesetz auch in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) im Rahmen des Seerechtsübereinkommens Anwendung findet.
Die deutschen Offshore-WEA werden vornehmlich in der AWZ errichtet. Der Auftrag der Arbeitsschutzbehörde beinhaltet nicht nur die Gesunderhaltung der Beschäftigten und Verbraucher, sondern auch, durch Verbesserungen im Arbeits- und Gesundheitsschutz, eine Senkung der Kosten im Sozialsystem zu erzielen.
Erreicht wird dies über die Beratung der Arbeitgeber und Beschäftigten sowie durch Kontrolle der Arbeitsschutzsituation vor Ort, die Auswertung und Unterstützung bei betrieblichen Maßnahmen zum Arbeitsschutz sowie die Durchsetzung der Erfüllung der Arbeitgeberpflichten.
Aktuelle Themen seien zurzeit:
-
Rettung und Erste Hilfe
-
Taucherarbeiten,
-
Seilzugangstechniken,
-
Arbeitszeitregelungen offshore und
-
Klärung der rechtlichen Situation bezüglich der anzuwendenden Regelwerke.
Diesbezüglich stellte sie die unterschiedlichen Bereiche der "hoheitlichen Verantwortung" im Rahmen der "staatlichen Daseinsfürsorge" und der "Unternehmerverantwortung" mit notwendigem Schutz- und Sicherheitskonzept entsprechend dem Arbeitsschutzgesetz heraus.
#
Begehung der Emder Traditionswerft
Am Nachmittag bestand die Möglichkeit, an der Begehung der Werft SIAG Nordseewerke teilzunehmen. Diese Emder Traditionswerft wurde 1903 als "Nordseewerke" gegründet. Nach wechselhaften Jahren wurde sie 2010 mit der Fa. SIAG vereinigt und es erfolgte die Neuausrichtung mit jetziger Produktion von Gründungsstrukturen für die WEA, den sogenannten "Tripods", von Stahlrohrtürmen der WEA sowie Umspannplattformen.
Für die Besucher wurde die notwendige hohe Qualität dieser Bauteile ersichtlich, um den Anforderungen einer 30-jährigen Belastung in der Nordsee gerecht werden zu können. Insbesondere war aber die enorme Dimension in den Größen und verbauten Stahlmengen dieser Anlagen hoch beeindruckend, die man anhand von Fotografien alleine doch kaum ermessen kann.
#
Medizinische Themen auf Offshore-Anlagen
Der zweite Tag war den medizinischen Themen vorbehalten. Dr. Alexandra Preisser berichtete über rechtliche Situation und medizinische Inhalte zur Thematik der Eignungsuntersuchung von Offshore-Arbeitern. Die Gefährdungsbeurteilung der Arbeitsplätze offshore zeigt die Erfordernis von medizinischen Eignungsuntersuchungen zur Gewährleistung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes.
Auch die Nachbarländer der Nordsee sehen dies so: die Niederlande, Großbritannien und Norwegen haben bereits entsprechende Richtlinien für Offshore-Arbeiter in der Ölindustrie aufgestellt und modifizieren diese nun entsprechend den Belangen von WEA. Für den internationalen Austausch der Arbeitskräfte, der auch gelebt wird, ist die gegenseitige Anerkennung dieser Eignungsuntersuchungen wünschenswert.
Aber auch die nationale Rechtslage muss mit Berücksichtigung der berufsgenossenschaftlichen Vorgaben erfüllt sein. Die Empfehlungen der DGMM zu den "Ärztlichen Eignungsuntersuchungen bei Arbeitsnehmern auf Offshore-WEA und Plattformen" sollen diese Anforderungen erfüllen. Sie wurden 2012 gründlich überarbeitet und ergänzt. Sie sind nachzulesen unter www.maritimemedizin.de/Publikationen/leitlinien/Offshore_Empfehlung_2012.pdf .
#
Feststellung der Eignung
Dr. Ulrich Rogall und Dr. Ubbo Decker stellten anschließend die international bereits existierenden Standards für die Eignungsfeststellung bei Offshore-Arbeitnehmern vor. Rogall erläuterte die Inhalte der englischen Richtlinie, die von 2 Non-Profit-Organisationen, der "Oil and Gas United Kingdom" (OGUK) und der "United Kingdom Offshore Operators Association" (UKOOA), konzipiert sind.
Die durchgehende Qualität in der Erbringung der ärztlichen Untersuchungen stellt die Organisation durch verpflichtende jährliche Fortbildungen und die Führung von Untersuchungsstatistiken sicher. Unterschiede zu der deutschen DGMM-Empfehlung bestehen in der Untersuchungstechnik und Beurteilung, insbesondere des Sehtestes mit anderen, aber vergleichbaren Messgrößen des Visus sowie in der Belastungsuntersuchung.
In Großbritannien wird, wie in anderen Ländern auch, der "Chester Step Test" zugrunde gelegt, wobei ein Vergleich der hier kalkulierten Sauerstoffaufnahme (VO2 max) mit der in Deutschland verwendeten geleisteten Wattzahl am Ergometer möglich ist, wenn auch mit Einschränkungen.
Decker berichtete aus dem Bereich der NOGEPA (Netherlands Oil and Gas Exploration and Production Association), eine übergeordnete nicht staatliche Organisation der Industrie. Der letztjährige Kongress der NOGEPA im Juni 2012 beschäftigte sich schwerpunktmäßig mit den Themen von Arbeitnehmern im höheren Lebensalter auf Offshore-Anlagen, den Ernährungsbedingungen offshore und der Gesundheitsversorgung unter extremen Umgebungsbedingungen. Decker ergänzte seinen Vortrag mit dem spannenden und bilderreichen Bericht über eigene Erfahrungen beim Besuch einer Offshore-WEA.
#
Medizinische Probleme und praktische Erfahrungen
Der norwegische Arzt Arne Johan Ulven aus dem maritimmedizinischen Forschungszentrum der Universität Bergen berichtete anschaulich über die besonderen Gefährdungen und medizinischen Probleme an Bord von schwimmenden Offshore-Windkraftanlagen, die in Norwegen erprobt werden.
Eva-Sabine Neuhöfer-Goldenstein führte mit ihrer Präsentation nun die praktischen Erfahrungen zu den in den vorangegangenen Vorträgen dargestellten Empfehlungen zu Eignungsuntersuchungen aus. Als häufigste gesundheitliche Probleme stellten sich heraus:
-
schlechte Fitness,
-
nicht eingestellter Bluthochdruck,
-
erhöhter Body-Mass-Index,
-
Zahnprobleme sowie
-
Stoffwechselauffälligkeiten von Blutzucker und -fetten.
Abgerundet wurde ihr Vortrag durch einen inhaltlichen Vergleich der deutschen und der norwegischen Empfehlungen.
Dr. Karl-Peter Faesecke stellte anschließend die Gefährdungen durch den erheblichen Rammschall und die hierdurch entstehenden Druckwellen dar: zum einen die Gefährdung des Tauchers, zum anderen auch der Schweinswale. Letztere, meinte Faesecke, könnten vielleicht flüchten, der Taucher aber nicht?
Dr. Nils Weinrich berichtete im letzten Vortrag an diesem spannenden Vormittag über das Forschungsprojekt zur Erarbeitung eines Rettungskonzepts für Unfallverletzte in Offshore-WEA. Dieses durch die Berufsgenossenschaft Handel und Warendistribution ermöglichte und am BG-Unfallkrankenhaus Hamburg angebundene Projekt ist für 5 Jahre mit dem Ziel ausgelegt, eine wissenschaftliche Grundlage für die zukünftige Gestaltung der Rettungskette für medizinische Notfälle zu erarbeiten.
Insbesondere sind, nach Bestands- und Bedarfsanalysen der medizinischen Möglichkeiten, die Entwicklungen bedarfsgerechter Instrumente für die Rettungskette vorgesehen. Diese können bestehen in: Register der Unfälle und Versorgung, Leitlinien und Algorithmen.
#
Aktuelle Rettungsmittel auf Emder Flughafen
Am Nachmittag bestand schließlich noch die Möglichkeit, die aktuellen Rettungsmittel vor Ort anzusehen. Auf dem Emder Flughafen konnte Fluggerät und medizinische Ausrüstung der Northern HeliCopter GmbH besichtigt werden. In einem Kurzvortrag rundete der Bericht über die Praxis der Offshore-Rettung mit Darstellung der im letzten Jahr durchgeführten Rettungsmaßnahmen auf den vor Emden gelegenen Windenergieanlagen BARD 1 die gelungene Veranstaltung ab.
Dr. Alexandra M. Preisser, Hamburg
#
#



