Große Streuung der Testosteronwerte unter 50 ng / ml
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Messung des Testosteronspiegels im Kastrationsbereich.
Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass die Messungen des Testosteronspiegels unterhalb
des Wertes von 50 ng / dl mit der herkömmlichen Bestimmung mittels vollautomatisierter
Radioimmunoassays sehr ungenau ist.
Um eine genauere Beurteilung des Testosteronspiegels zu erreichen, setzten die Autoren
eine ultrasensitive Methode, die sogenannte ID-LC-MS / MS (isotope dilution chromatography-tandem
mass spectrometry), ein. Es erfolgten Testosteronmessungen bei insgesamt 66 Patienten,
die retrospektiv ausgewertet wurden. Davon hatten 34 Patienten eine chirurgische Kastration.
Diese teilten sich wiederum in 24 Patienten mit fortgeschrittenem bzw. metastasiertem
Prostatakarzinom und 10 Patienten mit Orchiektomie im Rahmen einer Geschlechtsumwandlung
auf. Die übrigen 32 Patienten erhielten ein LHRH-Analogon.
Bei allen Patienten wurde Testosteron mittels ID-LC-MS / MS gemessen. Weiterhin bestimmten
die Autoren Dehydroepiandrosteron (DHEAS) und Androstendion als Marker der Nebennierenandrogenproduktion
und Inhibin-B als Marker für vorhandenes Hodengewebe und das sexhormonbindende Globulin
(SHBG). Die Werte wurden zwischen den Gruppen Orchiektomie und LHRH-Analogon verglichen.
Testosteronwerte aller Patienten langen unter 50 ng / ml
Im Hinblick auf Alter, Tumorstadium (hormonnaiv, kastrationsresistent, metastasiert)
und PSA-Ausgangswert ergab sich kein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen.
Im Standard-Immunoassay hatten alle Patienten einen Testosteronwert unterhalb 50 ng
/ ml. Bei der Bestimmung mittels ID-LC-MS / MS hatten die Patienten mit LHRH-Analogon
einen signifikant niedrigeren Testosteronwert als die orchiektomierten Probanden (im
Median 4 ng / dl vs. 9,2 ng / dl, p < 0,001 im Mann-Whitney-Test). Auffallend dabei
war jedoch eine recht hohe Streuung der Werte (LH-RH-Analogon 2,9 bis 20,2 ng / ml
und Orchiektomie 2,9 bis 28,8 ng / ml). Hinsichtlich SHBG, DHEAS und Androstendion
gab es keine Unterschiede in beiden Gruppen. Inhibin-B war bei allen orchiektomierten
Patienten unterhalb der Nachweisgrenze, während bei den Probanden mit LHRH-Therapie
normale Werte von Inhibin-B nachweisbar waren.
Die Arbeit zeigt, dass es auch bei chirurgisch oder medikamentös kastrierten Patienten
eine deutliche Bandbreite von Testotesteronspiegeln gibt. Unklar bleibt, warum bei
orchiektomierten Patienten die Spiegel im Median signifikant höher waren. Alle orchiektomierten
Patienten hatten einen Inhibin-B-Spiegel unterhalb der Nachweisgrenze, was restierendes
funktionelles Hodengewebe nach subkapsulärer Orchiektomie ausschließt. Eine vermehrte
Produktion adrenaler Androgene bei orchiektomierten Patienten ist durch die nahezu
identischen Werte von DHEAS und Androstendion auch ausgeschlossen. Als mögliche Erklärung
für die erhöhten Testosteronspiegel in der orchiektomierten Gruppe diskutieren die
Autoren eine vermehrte intrazelluläre Synthese in Prostatakarzinomzellen. Diese würden
durch eine vermehrte LH-Sekretion bei orchiektomierten Patienten stimuliert. In diesem
Fall wäre ein Vergleich der Testosteronwerte bei ausgedehnt metastasierten Patienten
(hohe Tumorlast) mit lokal fortgeschrittenen Patienten (geringe Tumorlast) interessant.
Theoretisch müssten bei intratumoraler Testosteronproduktion die ausgedehnt metastasierten
Patienten höhere Testosteronwerte haben. Die Autoren nahmen diesen Vergleich jedoch
nicht vor.
Chirurgische Kastration der medikamentösen überlegen?
Es stellt sich die Frage, ob die beobachteten geringen Unterschiede in den Testosteronwerten
klinische Relevanz haben. Eine Unterlegenheit der Orchiektomie hinsichtlich des Überlebens
konnte bisher in keiner Studie nachgewiesen werden. Allerdings zeigt der Überlebensvorteil
durch Abiraterone beim kastrationsresistenten Prostatakarzinom, dass auch bei suffizient
kastrierten Patienten mit einem Testosteronwert unter 50 ng / ml noch Therapiereserven
mit einer weiteren additiven Androgensuppression bestehen. Dies weist auf eine vorhandene
Aktivität der Restandrogene hin. Eine maximale Suppression mit einem effektiven LHRH-Analogon
oder auch einem Antagonisten sollte deshalb angestrebt werden. Häufigere Testosteronmessungen
auch mit ultrasensitiven Assays wären hier eine gute Möglichkeit für die Selektion
der optimalen medikamentösen Kastration. Neben den häufig durchgeführten PSA-Bestimmungen
sollte bei Patienten unter medikamentöser Kastration auch der Testosteronspiegel bestimmt
werden.
Fazit
Sowohl bei medikamentös mittels LHRH-Analogon als auch bei chirurgisch kastrierten
Patienten ist eine große Streubreite von Testosteronwerten unterhalb 50 ng / ml zu
finden. Ob die chirurgische der medikamentösen Kastration wirklich unterlegen ist,
müsste jedoch an größeren Fallzahlen gezeigt werden. Die präsentierten Werte sind
trotz statistischer Signifikanz aufgrund der großen Streuung nicht wirklich überzeugend.
Dr. Stefan Zastrow & Prof. Dr. Manfred Wirth, Dresden