Dialyse aktuell 2013; 17(01): 50-51
DOI: 10.1055/s-0033-1334829
Forum der Industrie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Wissenschaftliches Update in allen nephrologischen Kernbereichen – 6. Stuttgarter Nephrologisches Seminar

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Publication Date:
30 January 2013 (online)

 
 

Das Stuttgarter Nephrologische Seminar zählt mittlerweile zu den etablierten Fortbildungsveranstaltungen im Bereich der Nephrologie. Das Seminar wird 2-jährlich durchgeführt – auch am 20.10.2012 folgten mehr als 100 Nephrologen und nephrologische Fachpflegekräfte der Einladung von Prof. Mark Dominik Alscher, Robert-Bosch-Krankenhaus, Dr. Georg Hasche, Nephrologisches Zentrum Wolframstraße, und Prof. Christoph Olbricht, Klinikum Stuttgart, zur sechsten Auflage dieses erfolgreichen Seminars. Den 3 wissenschaftlichen Leitern war es erneut gelungen, mit Unterstützung der Firma Fresenius Medical Care ein praxisrelevantes Programm zusammenzustellen, das aktuelle Fragestellungen aus den Kernbereichen der Nephrologie – Transplantation, klinische Nephrologie, Peritonealdialyse und Hämodialyse – gleichermaßen reflektierte und den Teilnehmer die Möglichkeit eines umfassenden wissenschaftlichen Updates bot.

Themenkomplex Nierentransplantation

Hauterkrankungen sind ein gängiges Problem nach Transplantation. Wie PD Ulrike Leiter-Stöppke, Tübingen, hervorhob, treten vor allem infektiöse Dermatosen bei Transplantationspatienten auf, häufig bereits kurz nach Transplantation. Sie sind in der Regel aggressiver als bei nicht transplantierten Patienten. Zudem können sie erste Marker einer lebensbedrohlichen systemischen Erkrankung sein, auch seltene Erreger müssen dabei in Betracht gezogen werden. Eine umfassende Diagnostik und eine frühzeitige Einleitung der Therapie sind erforderlich. Im Hinblick auf die Komplikationsrate sollte aber auch die Prophylaxe (bzw. die dermatologische Nachsorge) fester Bestandteil in der Versorgung nierentransplantierter Patienten sein.

Über neue Optionen in der Abstoßungstherapie berichtete Prof. Klemens Budde, Berlin. Der Bedarf an neuen Immunsuppressiva mit geringen Nebenwirkungen ist vorhanden, der Weg zur Zulassung neuer Substanzen gestalte sich aber häufig schwierig. Daher kommen Medikamente, die für andere Indikationen zugelassen sind, oft als Off-Label-Therapie in der Nierentransplantation zur Anwendung. Vertreter einer ganz neuen Medikamentenklasse stellt Belatacept dar, das seit etwa einem Jahr zugelassen ist und die T-Zell-Aktivierung unterbindet. Das Präparat bietet einige Vorteile (bessere Nierenfunktion, keine CNI-Toxizität), muss aber 4-wöchentlich i. v. gegeben werden, was in der Transplantationsnachsorge nicht immer praktikabel ist. Außerdem kam es unter Belatacept häufiger zu Abstoßungen und zur PTLD [ 1 ].

Das Problem der Osteopathie nach Nierentransplantation beleuchtete Prof. Ulrich Kunzendorf, Kiel. Das Hüftfrakturrisiko ist bei Nierentransplantierten noch höher als bei Dialysepatienten [ 2 ]. Faktoren, die das beeinflussen, sind neben Transplantatfunktion und Immunsuppressiva vor allem die Parameter des gestörten Mineralstoffmetabolismus bei Urämie. Die Gabe von Calcitriol und Kalzium vermindert den Knochendichteverlust nach Tx und gilt als Standardtherapie, wenn keine Kontraindikationen (z. B. Hyperkalzämie) vorliegen. Bisphosphonate steigern die Knochendichte, sollten in dieser Patientengruppe aber nur vorsichtig zum Einsatz kommen. Auch die Parathyreoidektomie ist problematisch, da sie die Transplantatfunktion beeinträchtigen kann [ 3 ]. Cinacalcet stellt zwar eine interessante Therapieoption dar, ist für transplantierte Patienten aber nicht zugelassen.


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Themenkomplex Klinische Nephrologie

Es gibt einen Bedarf an Antikoagulanzien, die ebenso effektiv wie Vitamin-K-Antagonisten sind, aber einfach handhabbar und sicher. Mit Rivaroxaban, Apixaban und Dabigatran stehen 3 neue orale Antikoagulanzien zur Verfügung: Ein wesentlicher Vorteil dieser neuen Substanzen ist, dass keine Dosisüberwachung/Therapiemonitoring erforderlich ist, da sie bei normaler Nierenfunktion in fixer Dosierung ohne regelmäßige Gerinnungskontrollen eingesetzt werden können. Weitere Vorteile sind ein rascher Wirkungseintritt und eine kurze Halbwertszeit. Die Probleme bei eingeschränkter Nierenfunktion hat Prof. Helmut Schinzel, Mainz, herausgearbeitet.

Das Thema "Hemmung des RAAS-Systems" ist derzeit von besonderer Aktualität. Die ALTITUDE-Studie [ 4 ] wurde wegen einer erhöhten Apoplexrate im Aliskirenarm abgebrochen. Der Einsatz dieses direkten Reninantagonisten in Kombination mit ACE-Hemmern oder Angiotensin-Rezeptor-Blockern (ARB) ist nun bei Diabetikern und Patienten mit einer eingeschränkten Nierenfunktion (GFR unter 60 ml/min/1,73m2) kontraindiziert. Zuvor hatte auch die doppelte medikamentöse Blockade des Renin-Angiotensin-Systems mit ACE-Hemmer und ARB enttäuscht: Zwar reduzierte sie die Albuminurie, brachte aber keine Vorteile im Hinblick auf die Progression der Nierenschädigung oder auf kardiovaskuläre Ereignisse [ 5 ]. Diese Kombinationstherapie sollte, so Alscher, nur unter sorgfältiger Kontrolle der Patienten erfolgen. "Wir haben sehr gute Substanzen, die wir nun aber mit der gebotenen Vorsicht einsetzen sollten."

Der Body Composition Monitor (BCM) gilt als wichtiges Instrument des Flüssigkeitsmanagements bei CKD-Patienten. "Ich bin überzeugt davon, dass diese Messung in der Nephrologie in Zukunft den gleichen Stellenwert haben wird wie das EKG in der Kardiologie", so Dr. Helga Petrov, Berlin. Bei der BCM-Messung handelt es sich um eine phasensensitive Bioimpedanzanalyse, die eine einfache und reproduzierbare Bestimmung des Hydratationsgrades ermöglicht. Der BCM führt – anders als bisherige Einfrequenz-Bioimpedanz-Messgeräte – eine Multifrequenzanalyse durch und liefert in circa 2 Minuten Werte für den Fettanteil, die fettfreie Masse (in erster Linie Muskeln) und gibt zusätzlich Aufschluss über den Flüssigkeitsstatus (Über-/Unterwässerung). Das Gerät ermöglicht eine gute individuelle Verlaufsbeobachtung und erleichtert damit das Flüssigkeitsmanagement bei PD-und HD-Patienten. Dies kann langfristig zur Reduktion der kardiovaskulären Morbidität und Mortalität beitragen.


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Themenkomplex Peritonealdialyse

Natriumarme Lösungen sind ein interessanter und vielversprechenden Ansatz, um den Blutdruck von PD-Patienten in den Zielbereich zu bringen und die Natriumentfernung zu optimieren. Wie Dr. Thomas Schneider, Stuttgart, hervorhob, kann es durch eine zu hohe Natriumzufuhr zur Hyperhydratation kommen – und der Blutdruck steigt. Eine strikte Kochsalzrestriktion auf 10 g NaCl pro Tag halten jedoch nur die wenigsten Patienten durch. Innovative Konzepte für eine verbesserte Natriumelimination sind also gefragt – zumal Ates et al. [ 6 ] zeigten, dass PD-Patienten mit höherer Kochsalzentfernungsrate eine geringere Mortalität aufweisen als jene, bei denen wenig Natrium entfernt wird.

Dass mit natriumarmen PD-Lösungen eine effektivere Natriumentfernung zu erreichen ist, haben bereits mehrere Studien gezeigt [ 7 ], [ 8 ]. Daraus resultiert auch eine verbesserte Blutdruckeinstellung: In der Studie von Davies et al. [ 8 ] war der mittlere nächtliche Blutdruck in der Interventionsgruppe bereits nach 2 Monaten signifikant geringer (p < 0,05). Um den Effekt von natriumarmen Lösungen auf den Blutdruck im längeren Verlauf (6 Monate) zu überprüfen, wurde nun eine prospektive randomisierte Multicenterstudie, die PD-ONE-Studie, initiiert. Verglichen wird eine Niedrig-Natrium-Lösung mit einer Standardlösung, primärer Endpunkt ist die Senkung des mittleren systolischen 24-h-Blutdrucks um mindestens 6 mmHg. Die Studie befindet sich in der Rekrutierungsphase, Zentren können noch Patienten einschließen.

Eine weitere Möglichkeit, die Natriumentfernung zu steigern, ist die adaptierte APD. Durch Umstellung des Regimes auf 2 Zyklen mit kleinen Füllvolumina/kurzer Verweildauer und anschließenden Zyklen mit größeren Volumina/längeren Verweildauern wird eine höhere Flüssigkeitsentfernung und auch eine signifikante Blutdrucksenkung erreicht [ 9 ], wie Schneider ausführte.

Dr. Martin Kimmel, Stuttgart, diskutierte im Anschluss den Stellenwert der PD bei ungeplantem Dialysebeginn. Derzeit beginnen noch immer 60 % aller ESRD-Patienten in den USA die Dialyse ungeplant [ 10 ], in Europa liegt der Anteil Schätzungen zufolge bei etwa 30 %. Die Mehrzahl der "urgent starters" erhält einen getunnelten Vorhofkatheter, obwohl dieser mit einer erhöhten Mortalität assoziiert ist, während die PD im Szenario des ungeplanten Dialysebeginns einen völlig untergeordneten Stellenwert einnimmt. Ist ein solcher Katheter erst einmal vorhanden, werden die Patienten in der Regel auch nicht mehr über die Möglichkeit der PD aufgeklärt [ 11 ]. Es ist aber bekannt, dass sich signifikant mehr Patienten für die PD entscheiden, wenn sie im Vorfeld im Rahmen einer Patientenschulung umfassend und objektiv über alle Verfahren aufgeklärt werden. "Die Wahl des Nierenersatzverfahrens sollte nach Möglichkeit aber immer unter Einbeziehung der individuellen Bedürfnisse erfolgen, in vielen Situationen wird aber über die Köpfe der Patienten hinweg entschieden", so Kimmel, der dafür plädierte, auch bei "urgent starters" strukturierte Schulungsprogramm durchzuführen.

Ein gutes Therapiemanagement kann die Anwendungsdauer des PD-Verfahrens maßgeblich verlängern. Wie Dr. Niko Braun, Stuttgart, ausführte, gibt es keinen fest vordefinierten Zeitpunkt für die Beendigung des Verfahrens. Kolsenyk et al. [ 12 ] zeigten, dass die PD in den meisten Fällen wegen Transplantation oder Tod des Patienten beendet wird, häufig auch aus psychosozialen Gründen. Verfahrenskomplikationen wie Infektionen, Unterdialyse oder Veränderungen des Peritoneums spielen hingegen eine eher untergeordnete Rolle. Selbst Katheterprobleme nehmen im Laufe der Jahre ab und führen immer seltener zu einem Verfahrenswechsel.


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Themenkomplex Hämodialyse

Im Mittelpunkt des Themenkomplexes Hämodialyse standen in diesem Jahr Fistelprobleme. Ein Drittel der Dialysepatienten entwickelt bereits früh Shuntprobleme mit daraus folgender durchschnittlicher Funktionsdauer von nur 1,1 Jahren, während diese bei unkomplizierten Shunts 7 Jahre beträgt. Das frühzeitige Erkennen möglicher Shuntprobleme ist damit als essenziell zu betrachten. Die zugrunde liegende Pathologie ist in den meisten Fällen eine venöse Stenose. Eine Intervention ist gemäß den europäischen Leitlinien immer erforderlich, wenn eine mehr als 50-prozentige Stenose mit reduziertem Fluss und/oder eine Verringerung der effektiven Dialyse vorliegt. Weitere Indikationen sind die Handischämie (durch ein Stealsyndrom) oder die fehlende Shuntreifung.

PD Christian Hohl, Siegburg, zeigte aus radiologisch-interventioneller und Dr. Eckehardt Mündlein, Offenburg, aus shuntchirurgischer Sicht auf, dass eine PTA oder Operation je nach Lokalisation, Beschaffenheit oder Rezidivfrequenz jeweils spezifisch indiziert bzw. bevorzugt anzuwenden ist. Sie betonten aber, dass die unterschiedlichen Verfahren komplementär zueinander sind und sich ergänzen, wodurch eine fallspezifische, individualisierte Therapie vorgenommen werden kann. Dies bedarf einer engen Kooperation von Nephrologen, Radiologen und Chirurgen.

Zum Schluss der Veranstaltung referierte Dr. Christian Machleidt, Stuttgart, über Auswirkungen der Variation des Dialysatnatriums bei der Hämodialyse. Die Natriumelimination während der HD erfolgt weitestgehend durch Konvektion und steigt damit parallel zur Ultrafiltrationsmenge. Ein Absenken des Dialysatnatriums hat einen signifikanten, aber geringen Einfluss auf die interdialytische Gewichtszunahme. Ein höheres Dialysatnatrium kann zur Besserung intradialytischer Symptome wie Krämpfen führen. Niedrige prädialytische Serum-Natrium-Konzentrationen sind mit einer erhöhten Mortalität assoziiert, Patienten mit niedrigem Serumnatrium scheinen diesbezüglich von einem hochpositiven Natriumgradienten zu profitieren [ 13 ]. Eine individuelle Modifikation des Natriumgradienten sollte auf Problempatienten, beispielsweise um hypotensive Episoden zu vermeiden, beschränkt bleiben.

Dr. Bettina Albers, Weimar

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Fresenius Medical Care GmbH, Bad Homburg.
Die Beitragsinhalte stammen vom "6. Stuttgarter Nephrologischen Seminar", unterstützt von der Fresenius Medical Care GmbH, Bad Homburg.
Die Autorin ist Mitarbeiterin bei albersconcept, Weimar.


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  • Literatur

  • 1 Larsen CP et al. Am J Transplant 2009; 9: 220 abstract 100
  • 2 Ball AM et al. JAMA 2001; 18: 3014-3018
  • 3 Evenepoel P et al. Nephrol Dial Transplant 2007; 22: 1730-1737
  • 4 Parving HH et al. ALTITUDE Investigators. N Engl J Med 2012; 367: 2204-2213
  • 5 Mann JF et al. ONTARGET investigators. Lancet 2008; 372: 547-553
  • 6 Ates K et al. Kidney Int 2001; 60: 767-776
  • 7 Nakayama M et al. TRM-280 Study Group. Perit Dial Int 2009; 29: 528-535
  • 8 Davies S et al. Nephrol Dial Transplant 2009; 24: 1609-1617
  • 9 Fischbach M et al. Perit Dial Int 2011; 31: 450-458
  • 10 Rocco MV et al. FHN Trial Group. Am J Kidney Dis 2011; 57: 90-100
  • 11 Lorenzo V et al. Am J Kidney Dis 2004; 43: 999-1007
  • 12 Kolesnyk I et al. Perit Dial Int 2010; 30: 170-177
  • 13 Hecking M et al. Am J Kidney Dis 2012; 59: 238-248

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