Dialyse aktuell 2012; 16(10): 594-595
DOI: 10.1055/s-0032-1332767
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

CNI-freie Immunsuppression nach Nierentransplantation – HERAKLES bestätigt ZEUS: Erhaltungstherapie mit Everolimus steigert Nierenfunktion und verhindert Abstoßung

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Publication Date:
11 December 2012 (online)

 
 

Für die immunsuppressive Therapie nach Nierentransplantation sind mTOR-Inhibitor (mTOR: mammalian Target Of Rapamycin) basierte Strategien eine effektive und sichere Alternative zu Calcineurininhibitor (CNI) basierten Regimen: Im Gegensatz zu CNI wirkt die mTOR-Inhibition mit Everolimus nicht nephrotoxisch, verbessert die Nierenfunktion signifikant und verhindert Abstoßungsreaktionen vergleichbar.

Calcineurininhibitoren sind in der immunsuppressiven Erhaltungstherapie nach Nierentransplantation hochwirksam: Ciclosporin A (CsA) oder Tacrolimus verhindern akute Abstoßungsreaktionen effektiv, wirken im Verlauf aber dosisabhängig nephrotoxisch. Aus diesem Grund sind in der Vergangenheit weniger nephrotoxische, CNI-freie Therapieregime zunehmend in den Fokus geraten. Als Alternative hat sich die mTOR-Inhibitor basierte Strategie bewiesen, in der Everolimus (Certican®) CsA ersetzt: Der mTOR-Inhibitor verbessert die Funktion des Transplantats signifikant und langfristig, Abstoßungsreaktionen werden in gleichem Maße wie unter CNI reduziert und die Anwendung ist insgesamt gut verträglich. Das zeigen aktuelle Daten der Studien ZEUS [ 1 ] und HERAKLES [ 2 ], die Prof. Oliver Witzke, Essen, bei einem Symposium von Novartis Pharma im Rahmen der 4. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN) in Hamburg präsentierte.

Erheblicher Gewinn an Nierenfunktion

In der ZEUS-Studie wurden zunächst alle Patienten mit der Standardkombination aus dem Interleukin-2-Rezeptor-Antikörper Basiliximab sowie Ciclosporin, Mycophenolsäure (EC-MPS: Enteric-Coated Mycophenolate Sodium) und einem Kortikosteroid behandelt. Nach 4,5 Monaten setzte ein Arm die initiale Standardtherapie fort (n = 145), im experimentellen CNI-freien Arm ersetzte Everolimus CsA (n = 155).

Die Nierenfunktion der Patienten verbesserte sich im ersten Jahr absolut um fast 10 ml/min/1,73 m2. Biopsiebestätigte, akute Abstoßungen (BPAR: Biopsy-Proven Acute Rejection) traten während des ersten Jahres nach der Transplantation in beiden Therapiearmen etwa gleich häufig auf [ 1 ]. "Mittlerweile liegen 3-Jahres-Daten der Studie vor. Auch nach dieser Zeit konnte ein anhaltender Gewinn der exkretorischen Nierenfunktion nachgewiesen werden", so Witzke (+ 7,5 ml min/1,73 m2; 95-%-Konfidenzintervall 3,6–11,4 ml/min/ 1,73 m2; p < 0,001; Abb. [ 1 ])

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Abb. 1 Der Gewinn der exkretorischen Nierenfunktion ist bei der Behandlung mit Everolimus gegenüber Ciclosporin A anhaltend.
CsA = Ciclosporin A, EVL = Everolimus

In der HERAKLES-Studie, deren Daten auf dem DGfN-Kongress als Poster vorgestellt wurden, erhielten alle 490 Patienten initial die gleiche Therapie wie in der ZEUS-Studie. Bereits nach 3 Monaten erfolgte dann die Randomisierung in 3 Arme: Einen Standard-CNI-Arm mit normaler CsA-Dosis, einen Arm mit reduzierter CNI-Dosis und Everolimus statt Mycophenolat sowie einen CNI-freien Arm mit Everolimus statt CsA. Hinsichtlich der demografischen Eigenschaften der Patienten mit immunologisch niedrigem Risiko gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen den Armen: Spender und Empfänger waren um die 50 Jahre alt, 60 % männlich und 25 % erhielten eine Lebendspende. Primärer Endpunkt war die GFR nach 12 Monaten. Die HERAKLES-Studie zeigte ebenfalls eine signifikant verbesserte Nierenfunktion im ersten Jahr der Studie.


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Abstoßungsraten vergleichbar und meist mild ausgeprägt

Ein wesentliches Ergebnis der ZEUS-Studie war laut Witzke die leicht erhöhte Abstoßungsrate unter der CNI-freien Therapie. Die HERAKLES-Daten zeigen diesbezüglich keine Differenzen. Während der einjährigen Studiendauer ergaben sich in den Therapiearmen beim Patienten- und Transplantatüberleben sowie bei der Rate der biopsiegeprüften akuten Abstoßungen keine signifikanten Unterschiede.

Akute Abstoßungsreaktionen (BPAR) nach Randomisierung waren in allen Armen vergleichbar häufig und die meisten akuten Abstoßungen wurden als Banff-Klasse I oder Borderline qualifiziert. Nur wenige Patienten hatten höhergradige Abstoßungen. Witzke: "Es zeigten sich keine signifikanten Unterschiede und auch keine Trends."

Eine wesentliche Bedeutung für die Nierenfunktion haben die Wirkstoffspiegel, wie Witzke weiter erklärte. Im Standardarm wurden waren die angestrebten CsA-Talspiegel (150–220 ng/ml bis Monat 3, gefolgt von 120–180 ng/ml bis Monat 6 und 100–150 ng/ml bis Monat 12). Das HERAKLES-Studiendesign ist in [ Abbildung 2 ] dargestellt.

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Abb. 2 Design der HERAKLES-Studie: Vergleich einer Standardimmunsuppression mit einem CNI-freien Regime und einem Regime mit niedriger CNI-Dosierung.
Standardtherapie: Ciclosporin A (Ciclosporin-A-Talblutspiegel 100–180 ng/ml), EC-MPS und Kortikosteroide (n = 166);
CNI-freies Regime: Everolimus (Everolimus-Talblutspiegel 5–10 ng/ml), EC-MPS und Kortikosteroide (n = 171);
Regime mit niedriger CNI-Dosierung: Ciclosporin A (Ciclosporin-A-Talblutspiegel 50–75 ng/ml),
Everolimus (Everolimus-Talblutspiegel 3–8 ng/ml) und Kortikosteroide (n = 162)

C0 = Talblutspiegel, CNI = Calcineurininhibitor, EC-MPS =Enteric-Coated Mycophenolate Sodium

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Nebenwirkungsprofil wie erwartet

Hinsichtlich klinisch relevanter Nebenwirkungen ergaben sich keine Überraschungen, wie Witzke berichtete. Bei den Infektionen zeigte sich ein protektiver Effekt der mTOR-Inhibitoren: Eine Infektion mit dem humanen Polyomavirus (BKV) und dem Zytomegalievirus (CMV) erlitten Patienten im CNI-freien und dem CNI-reduzierten Arm seltener als unter der Standardtherapie. Wie erwartet, trat die aphthöse Stomatitis unter mTOR-Inhibition häufiger auf.

Als klassische Nebenwirkung des Therapiebeginns sei sie zwar unangenehm für den Patienten, so Witzke: "Aber die Stomatitis ist beherrschbar und reversibel – darauf sollten wir die Patienten vorbereiten." In der Regel sollte sie nicht zum Abbruch der Behandlung führen. Hinsichtlich des Auftretens von Proteinurien zeigte sich kein signifikanter Unterschied zwischen CNI-freier und Standardtherapie. Im reduzierten Arm jedoch war die Rate deutlich höher. "Dieses Ergebnis bedarf einer genaueren Abklärung", kommentierte Witzke.


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Fazit

Die ZEUS-Studie hat gezeigt, dass de novo nierentransplantierte Patienten von einer Konversion zu einer CNI-freien, auf Everolimus basierten Therapie profitieren und sich die Nierenfunktion bei vergleichbarer Sicherheit nachhaltig gegenüber der Standardtherapie verbessert. Die HERAKLES-Studie bestätigt die Ergebnisse zur CNI-freien Therapie der ZEUS-Studie und führt eine weitere Therapiemöglichkeit auf: Ein CNI-reduziertes, ebenfalls auf Everolimus basierendes Therapieregime, welches in puncto Wirksamkeit und Sicherheit keine Einschränkungen im Vergleich zum Standardarm zeigt. Beide auf Everolimus basierenden Therapien (CNI-frei und CNI-reduziert) bieten die Möglichkeit einer wirksamen und sicheren individualisierten Therapie, die auch in Kombination denkbar ist.

Michael Koczorek, Bremen

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Novartis Pharma GmbH, Nürnberg.

Die Beitragsinhalte stammen vom Mittagssymposium "Transplantation und tuberöse Sklerose – vielfältiges Anwendungsspektrum der mTOR-Inhibition", veranstaltet von der Novartis Pharma GmbH, Nürnberg, auf der 4. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN), Hamburg.

Der Autor ist freier Journalist.

Breites Indikationsspektrum

Der mTOR-Inhibitor Everolimus ist außer in der Transplantationsmedizin (als Certican®) auch bei onkologischen Erkrankungen unter dem Handelsnamen Afinitor® zugelassen: in Kombination mit Exemestan zur Therapie des hormonrezeptorpositiven, HER2/neu-negativen, fortgeschrittenen Mammakarzinoms, des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms (Second Line) und zur Behandlung von inoperablen oder metastasierten neuroendokrinen Tumoren pankreatischen Ursprungs bei Erwachsenen. 2011 erfolgte die Zulassung als Votubia® für die Behandlung von Patienten ab 3 Jahren mit tuberöser Sklerose assoziiert mit subependymalen Riesenzellastrozytomen (SEGA). Im September 2012 empfahl der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der europäischen Zulassungsbehörde (EMA) die Erweiterung auf die Behandlung von erwachsenen Patienten mit renalem Angiomyolipom assoziiert mit einer tuberösen Sklerose (TSC), bei denen ein Risiko für Komplikationen vorliegt, die jedoch nicht unmittelbar operiert werden müssen. Diese Zulassung erfolgte am 31. Oktober 2012.


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  • Literatur

  • 1 Budde K et al. Am J Transplant 2012; 12: 1228-1240
  • 2 The HERAKLES Study Team. DGfN Hamburg 2012; Poster P201.
  • 3 Budde K et al. Präsentation ATC 2012.

  • Literatur

  • 1 Budde K et al. Am J Transplant 2012; 12: 1228-1240
  • 2 The HERAKLES Study Team. DGfN Hamburg 2012; Poster P201.
  • 3 Budde K et al. Präsentation ATC 2012.

 
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Abb. 1 Der Gewinn der exkretorischen Nierenfunktion ist bei der Behandlung mit Everolimus gegenüber Ciclosporin A anhaltend.
CsA = Ciclosporin A, EVL = Everolimus
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Abb. 2 Design der HERAKLES-Studie: Vergleich einer Standardimmunsuppression mit einem CNI-freien Regime und einem Regime mit niedriger CNI-Dosierung.
Standardtherapie: Ciclosporin A (Ciclosporin-A-Talblutspiegel 100–180 ng/ml), EC-MPS und Kortikosteroide (n = 166);
CNI-freies Regime: Everolimus (Everolimus-Talblutspiegel 5–10 ng/ml), EC-MPS und Kortikosteroide (n = 171);
Regime mit niedriger CNI-Dosierung: Ciclosporin A (Ciclosporin-A-Talblutspiegel 50–75 ng/ml),
Everolimus (Everolimus-Talblutspiegel 3–8 ng/ml) und Kortikosteroide (n = 162)

C0 = Talblutspiegel, CNI = Calcineurininhibitor, EC-MPS =Enteric-Coated Mycophenolate Sodium