Dialyse aktuell 2012; 16(10): 590-591
DOI: 10.1055/s-0032-1332765
Forum der Industrie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Hyperphosphatämie und Eisenmangel bei CKD – Welche Therapieoptionen beeinflussen die Prognose?

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Publication Date:
11 December 2012 (online)

 
 

Eine Hyperphosphatämie ist bei Patienten mit dialysepflichtiger Niereninsuffizienz (CKD) mit schweren vaskulären Kalzifizierungen sowie einer erhöhten Gesamt- und kardiovaskulären Mortalität verbunden [ 1 ]. Wie neuere Studien zeigen, beeinflusst auch der Fibroblast Growth Factor 23 (FGF-23) die Mortalität bei Dialysepatienten. Die Kontrolle dieser metabolischen Parameter durch eine Phosphatbindertherapie hat daher hohe Priorität. Des Weiteren ist die Eisenmangelanämie ein Risikofaktor für Morbidität und Mortalität und sollte korrigiert werden.

Wie Dr. Christoph C. Haufe, Erfurt, ausführte, bestimmen die in der Prädialyse sich entwickelnde Gefäßkalzifikation und mögliche nachfolgende kardiovaskuläre Ereignisse die Prognose. So zeigte eine Studie [ 2 ], dass bei neu dialysepflichtigen Patienten die Höhe des initialen Koronarkalkscores ein signifikanter Vorhersageparameter für die Gesamtsterblichkeit war. Wie eine andere Studie [ 3 ] ergab, war bei Patienten mit Niereninsuffizienz im Endstadium der initiale Shuntkalknachweis ein unabhängiger Vorhersageparameter für die Mortalität.

Laut Haufe haben in Deutschland knapp 70 % der Dialysepatienten [ 4 ] Phosphatwerte von mehr als 1,8 mmol/l (> 5,5 mg/dl) und liegen damit über den Werten mit der geringsten Mortalität und einem Zielbereich zwischen etwa 3 und 5 mg/dl [ 5 ]. Offenbar haben auch Ernährungsgewohnheiten einen Einfluss auf die Phosphatwerte, da beispielsweise in Italien über 60 % der Dialysepatienten Werte unterhalb des kritischen Grenzwertes aufweisen.

Phosphat ist nicht gleich Phosphat

Denn wie eine selektive Literaturrecherche [ 6 ] ergab, wird freies Phosphat als Nahrungsmittelzusatzstoff effektiv resorbiert und führt zu einer deutlich messbaren Erhöhung der Phosphat-Serum-Spiegel bei Patienten mit fortgeschrittener Niereninsuffizienz. Natürliches Phosphat dagegen wird nur teilweise resorbiert und demzufolge muss die Zufuhr in Form von organischen Estern nicht wesentlich eingeschränkt werden.

Dass eine reduzierte Zufuhr von anorganischen Phosphaten die Werte senken kann, belegte eine randomisierte kontrollierte Studie [ 7 ] an Patienten mit CKD im Endstadium und erhöhten initialen Phosphatwerten von mehr als 5,5 mg/dl. Darin erhielt die Interventionsgruppe eine Anleitung, um Nahrungsmittel mit Phosphatzusätzen zu vermeiden. Nach 3 Monaten war der Abfall der Phosphatwerte im Serum um 0,6 mg/dl größer als bei der Kontrollgruppe ohne diätetische Schulung.

Wie Haufe weiter ausführte, sind bereits Phosphatwerte im oberen Drittel des Normbereichs ein erhöhtes Risiko für Koronarverkalkungen [ 8 ]. Daher liegt es nahe, dass die Auswirkungen erhöhter Phosphatwerte bei Patienten mit eingeschränkter renaler Phosphatclearance umso gravierender sind.


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Wen wie behandeln?

Als Konsequenz daraus empfehlen die aktuellen Leitlinien [ 9 ] der KDIGO (Kidney Disease: Improving Global Outcomes) neben einer verminderten Phosphatzufuhr für CKD-Patienten im Stadium 3–5, die Serum-Phosphat-Spiegel im Normbereich zu halten. Die Zielwerte betragen 0,81–1,45 mmol/l bzw. 2,5–4,5 mg/dl. Im Stadium 5D wird vorgeschlagen, die Werte in Richtung auf den physiologischen Bereich hin zu kontrollieren. Bei den CKD-Stadien 3–5 sollte man auch das Serumkalzium auf den normalen Bereich einstellen.

Dabei ist die Therapie mit Phosphatbindern eine Säule, mit der das trotz aller Diätempfehlungen erhöhte Phosphat wieder entfernt werden kann. Des Weiteren muss man beachten, dass der Patient vor einer übergroßen Zufuhr von Kalzium geschützt ist. Dies kann durch den Einsatz kalziumfreier Präparate, aber auch durch kalziumreduzierte Phosphatbinder wie Kalziumazetat/Magnesiumkarbonat (OsvaRen®) erreicht werden.

Dass diese Kombination ebenso wirksam die Phosphatspiegel senken kann wie der kalziumfreie Phosphatbinder Sevelamer, belegte die kontrollierte und randomisierte Multicenterstudie [ 10 ] CALMAG[ 1 ]. Sowohl unter der Therapie mit Kalziumazetat/Magnesiumkarbonat (CaMg) als auch mit Sevelamer verringerten sich bei den eingeschlossenen 204 Patienten die Phosphatspiegel in Woche 25 der Studie signifikant. Dies bestätigte die Hypothese der Nichtunterlegenheit von CaMg.

Weiter zeigte die Studie, dass sich im CaMg-Arm unter der Behandlung das Serumkalzium erhöht hatte. Dies war jedoch nicht mit einem höheren Risiko für eine Hyperkalzämie verbunden. Beim ionisierten Kalzium bestand zwischen den Gruppen kein Unterschied. Im CaMg-Arm kam es gegenüber der Vergleichsgruppe zu einem leichten asymptomatischen Anstieg des Serummagnesiums.

Bedenken wegen des Einsatzes magnesiumhaltiger Phosphatbinder konnten in Studien ausgeräumt werden. So erhöhte das in Phosphatbindern enthaltenes Magnesium die Serum-Magnesium-Spiegel nicht in einen kritischen Bereich [ 11 ]. Eine Beobachtungsstudie [ 12 ] an 283 CKD-Patienten zeigte weiter, dass ein höherer Magnesiumspiegel mit einer geringeren endothelialen Dysfunktion assoziiert war. Der Analyse zufolge wiesen Magnesium und die geschätzte glomeruläre Filtrationsrate (eGFR) eine starke positive Korrelation mit der endotheliumabhängigen Vasodilatation auf. Dies unterstützt die Hypothese, dass höhere Magnesiumspiegel vor einem Endothelschaden schützen können.


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FGF-23 als neues Angriffsziel für Phosphatbinder

Ein weiterer aktueller Aspekt für eine Phosphatbindertherapie ist FGF-23. Einer Hypothese zufolge besteht bei CKD-Patienten bereits in frühen Stadien eine eingeschränkte Phosphatclearance, die zur exzessiven Produktion des phosphaturisch wirkenden FGF-23 durch Osteozyten führt und somit die normalen Phosphatspiegel aufrechterhält (Abb. [ 1 ]) [ 13 ]. FGF-23 hemmt die 1-alpha-Hydroxylase in der Niere und führt damit zu einem Mangel an aktivem Vitamin D und zum sekundären Hyperparathyreoidismus.

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Abb. 1 Entwicklung der Serumspiegel von FGF-23 und Phosphat bei abnehmender Nierenfunktion.
FGF-23 = Fibroblast Growth Factor 23, GFR = glomeruläre Filtrationsrate

Da bei der CKD im Spätstadium FGF-23 die Phosphatspiegel wegen der Abnahme der intakten Nephrone nicht mehr senken kann, kommt es zu abnorm hohen FGF-23-Werten im Plasma und damit verbundenen Auswirkungen wie Herzmuskelhypertrophie, endothelialer Dysfunktion und gesteigerter Mortalität.

Wie erste Studien zeigen, können einige Phosphatbinder die FGF-23-Spiegel senken. So ergab die CALMAG-Studie [ 10 ], dass die Phosphatbinder CaMg und auch Sevelamer die FGF-23-Spiegel effektiv reduzieren.


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Vorschläge für die Praxis

Für den Einsatz der Phosphatbindertherapie (Übersicht zur Wirkung siehe Tab. [ 1 ]) machte Haufe folgende Vorschläge für die Praxis:

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Tab. 1 Wirkung der Phosphatbinder auf die Serumspiegel von Kalzium, Phosphat und FGF-23.
  • Bei niedrigem Serum-Kalzium-Spiegel sollte man kalziumbasierte Phosphatbinder einsetzen.

  • Bei einem Kalziumwert im Zielbereich wird der kalziumreduzierte Phosphatbinder (Kalziumazetat/Magnesiumkarbonat) empfohlen.

  • Bei einem hohen Serum-Kalzium-Spiegel sind Phosphatbinder zur kalziumfreien Monotherapie empfehlenswert.


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Risikofaktor Eisenmangel

Wie die Hyperphosphatämie ist auch die Eisenmangelanämie ein Risikofaktor für eine erhöhte Morbidität und Mortalität bei nicht dialysepflichtigen CKD-Patienten und nach Nierentransplantation [ 14 ], sagte Prof. Walter H. Hörl, Wien (Österreich). Wie häufig ein Eisenmangel ist, wurde in einer Auswertung [ 15 ] gezeigt, in der niedrige Eisenspiegel (Serumferritin < 100 ng/ml oder Transferrinsättigung (TSAT) < 20 %) bei den meisten Patienten mit einer reduzierten Creatininclearance verbunden waren. Dies traf auf circa 58 % der Männer und auf über 70 % der Frauen zu.

Nach der Guideline der KDIGO [ 9 ] sollte bei erwachsenen CKD-Patienten zur Anämiebehandlung ohne entsprechende Therapie ein Versuch mit intravenösem Eisen gestartet werden. Eine Zunahme der Hämoglobinkonzentration ohne eine Behandlung mit ESA (Erytropoese stimulierende Agenzien) ist dann wünschenswert, wenn die TSAT bei 30 % oder weniger und das Ferritin bei 500 ng/ml oder weniger liegt.

Laut Hörl liegen die Zielspiegel von Ferritin bei 100–500 ng/ml und die TSAT bei 20–30 %. Der Ziel-Hämoglobin-Wert sollte 9,5–11,5 g/dl unter einer ESA-Therapie betragen. Vor einer Behandlung mit ESA sollte der Eisenmangel korrigiert werden.

Wie verschiedene Studien gezeigt haben, ist bei CKD-Patienten (und hier vor allem bei Dialysepatienten) die intravenöse Eisentherapie effektiver als die orale Eisengabe. Hörl warf die Frage auf, ob die intravenöse Eisentherapie als kleineres Risiko gegenüber der ESA-Behandlung gelten kann. Denn während Studien (an nierentransplantierten Patienten) zufolge durch die Eisentherapie erreichten Hämoglobinwerte über den Zielbereich hinaus keinen Risikofaktor darstellten, waren Werte von über 12,5 g/dl unter einer ESA-Therapie mit einer deutlich zunehmenden Mortalität assoziiert [ 16 ].

Dr. Ralph Hausmann, Frankfurt am Main

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Fresenius Medical Care GmbH, Bad Homburg.

Die Beitragsinhalte stammen vom Symposium "Verbessertes Outcome durch gezielte Therapie bei CKD-3/4-Patienten", veranstaltet von der Fresenius Medical Care GmbH, Bad Homburg, auf der 4. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN), Hamburg.

Der Autor ist freier Journalist.


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1 CALciumazetat-MAGnesiumkarbonat-Evaluationsstudie


  • Literatur

  • 1 Block GA et al. Am Soc Nephrol 2004; 15: 2208-2218
  • 2 Block GA et al. Kidney Int 2007; 71: 438-441
  • 3 Schlieper G et al. Kidney Int 2008; 74: 1582-1587
  • 4 DOPPS – Dialysis Outcomes and Practice Patterns Study Im Internet: http://www.dopps.org Stand: 06.11.2012
  • 5 Block GA et al. Kidney Int 2005; 88: 1815-1824
  • 6 Ritz E et al. Dtsch Ärztebl Int 2012; 109: 49-55
  • 7 Sullivan C et al. JAMA 2009; 301: 629-635
  • 8 Foley RN et al. J Am Soc Nephrol 2009; 20: 397-404
  • 9 Kidney Disease: Improving Global Outcomes (KDIGO) CKD-MBD Work Group. Kidney Int Suppl 2009; 113: S1-S130
  • 10 de Francisco AL et al. Nephrol Dial Transplant 2010; 25: 3707-3717
  • 11 Deuber HG et al. Nieren- und Hochdruckkrankh 2004; 33: 403-408
  • 12 Kanbay M et al. Am J Nephrol 2012; 36: 228-237
  • 13 Wolf M. J Am Soc Nephrol 2010; 21: 1427-1435
  • 14 Nissenson AR et al. Arch Intern Med 2003; 163: 1400-1404
  • 15 Fishbane S et al. Clin J Am Soc Nephrol 2009; 4: 57-61
  • 16 Heinze G et al. BMJ 2009; 339: b4018

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Abb. 1 Entwicklung der Serumspiegel von FGF-23 und Phosphat bei abnehmender Nierenfunktion.
FGF-23 = Fibroblast Growth Factor 23, GFR = glomeruläre Filtrationsrate
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Tab. 1 Wirkung der Phosphatbinder auf die Serumspiegel von Kalzium, Phosphat und FGF-23.