Dialyse aktuell 2012; 16(10): 560
DOI: 10.1055/s-0032-1332762
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Blutdruck im ersten Jahr nach Beginn mit der Hämodialyse – Je stabiler, desto besser

Rezensent(en):
Markus van der Giet
Raimann JG, Usvyat LA, Thijssen S et al.
Blood pressure stability in hemodialysis patients confers a survival advantage: results from a large retrospective cohort study.

Kidney Int 2012;
81: 548-558
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
11. Dezember 2012 (online)

 
 

    Quelle: Raimann JG, Usvyat LA, Thijssen S et al. Blood pressure stability in hemodialysis patients confers a survival advantage: results from a large retrospective cohort study. Kidney Int 2012; 81: 548–558

    Thema: Patienten mit beginnender Dialysetherapie haben vor allem in den ersten 2 Jahren der Nierenersatztherapie eine sehr hohe Morbidität und Mortalität. Der Einfluss der Blutdruckstabilität hierauf ist bisher noch nicht gut genug untersucht worden.

    Projekt: Die Kollegen aus den USA haben in einer retrospektiven Studie die Veränderung des systolischen und diastolischen Blutdrucks bzw. den Gebrauch von kardioprotektiven Medikamenten (ACE-Hemmer, AT-Blocker, β-Blocker) bei Patienten mit neu begonnener Dialysetherapie erfasst (innerhalb der ersten 30 Tage nach Beginn). Die Blutdruckwerte wurde im ersten Jahr systematisch erfasst und die Steigerung bzw. der Abfall der Blutdruckwerte als Steigung pro Monat dargestellt. Patienten wurden 4 Blutdruckkategorien zugeordnet (< 120 mmHg, 120–150 mmHg, 150–180 mmHg und > 180 mmHg). Danach teilte man die Gruppen auf in die Patienten, die eine stabilen Blutdruck über die Zeit hatten (Änderung des Blutdrucks von weniger als 1 mmHg/Monat), und diejenigen, die einen abfallenden bzw. ansteigenden Blutdruck von mehr als 1 mmHg hatten. Die Daten wurden ein Jahr lang erfasst. Insgesamt konnten die Forscher so 10 245 Patienten überprüfen. Im zweiten Jahr der Dialyse wiederholten die Autoren die Analyse, wobei man überprüft hat, welchen Einfluss die Gabe von kardioprotektiven Medikamenten auf das kardiovaskuläre Mortalitätsrisiko hat.

    Ergebnisse: Es zeigte sich überraschend, dass in jeder Blutdruckgruppe die Patienten mit steigendem bzw. abfallendem Blutdruck über ein Jahr eine höhere Mortalität haben als Patienten, bei denen der Blutdruck über die Zeit stabil ist – selbst, wenn der Blutdruck deutlich erhöht ist. Die Blutdruckschwanken im ersten Jahr sind ein erheblicher Mortalitätsfaktor. Die Einnahme von kardioprotektiv wirkenden Medikamenten hingegen hat einen erheblichen Einfluss auf das kardiovaskuläre Überleben von Patienten, bei denen der Blutdruck ansteigt. Vor allem Patienten mit sehr hohen Blutdruckwerten profitieren.

    Fazit: Unabhängig vom Ausgangsblutdruck der Patienten ist die Stabilität des Blutdrucks im ersten Jahr nach Beginn der Dialyse besonders wichtig. Allerdings tragen Dialysepatienten mit extrem erhöhten Blutdruckwerten ein besonders hohes Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko. Kardioprotektive Medikamente verbessern das Überleben von Patienten mit steigendem und fallendem Blutdruck in großem Ausmaß.

    Schlüsselwörter: Hypertonie – dialysepflichtige Niereninsuffizienz – Blutdrucktherapie – Mortalität

    Kommentar

    Es ist schon lange bekannt, dass Patienten mit terminaler dialysepflichtiger Niereninsuffizienz nach Beginn der Dialyse eine sehr hohe Morbidität und Mortalität haben. Die Studie ergänzt die derzeit vorhandene Datenlage sehr gut. Es ist das erste Mal, dass es zu zeigen gelingt, dass Blutdruckveränderungen innerhalb des ersten Jahres nach Beginn der Dialyse die Mortalität von Patienten beeinflusst. Hierbei ist es interessant, dass dies unabhängig von dem Ausgangsblutdruck der Patienten ist – auch, wenn Patienten mit extrem erhöhten Blutdruckwerten ein besonders hohes Risiko aufweisen. Es scheint so zu sein, dass eine Stabilität des Blutdrucks im ersten Jahr für die Patienten besonders wichtig ist. Eine systematische Gabe von kardioprotektiv wirksamen Medikamenten ist für Patienten mit steigenden bzw. sinkenden Blutdruckwerten von deutlichem Vorteil, was überraschend ist. Eine Erklärung für diese beobachteten Phänomene gibt es eigentlich nicht. Sinkende Blutdruckwerte können als sich entwickelnde Herzinsuffizienz dargestellt werden, wobei steigende Blutdruckwerte als vaskuläre Überlastung interpretiert werden könnten. Aber warum die Blutdruckdynamik die Mortalität so stark beeinflusst und nicht die absolute Höhe des Blutdrucks, ist unklar. Kritisch anzumerken ist aber, dass es sich um eine retrospektive Studie handelt, die zwar sehr gut recherchiert ist, aber doch nicht von der Durchführung einer prospektiven Untersuchung befreien kann.


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