Adipositas (Tab.
[
1
]) betrifft eine wachsende Anzahl
von Menschen. Nationale Studien [[1], [2]]
alarmieren, dass über die Hälfte der Frauen übergewichtig sind. Eine Adipositas (BMI > 97. Perzentile)
ist bereits bei 6,3 % der heranwachsenden Kinder und Jugendlichen zu verzeichnen.
Berechnung des Body Mass Index (BMI):
BMI = Körpergewicht (kg) / (Körperlänge (m))2
Tab. 1 Gewichtsklassifikation bei Erwachsenen anhand des BMI (nach WHO 2000), Quelle: Deutsche
Adipositas Gesellschaft.
Kategorie
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BMI
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Risiko für Begleiterkrankungen des Übergewichts
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Untergewicht
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< 18,5
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niedrig
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Normalgewicht
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18,5–24,9
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durchschnittlich
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Übergewicht
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≥ 25,0
|
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Präadipositas
Adipositas Grad 1
Adipositas Grad 2
Adipositas Grad 3
|
25–29,9
30–34,9
35–39,9
≥ 40
|
Gering erhöht
erhöht
hoch
Sehr hoch
|
Mehr als 1 % der Schwangeren (ca. 7000 – 8000 Schwangere in Deutschland pro Jahr) erscheinen in der Beratung
bzw. im Kreißsaal mit einem BMI > 40 kg/m2; das bedeutet Adipositas 3. Grades.
Ein BMI > 45 kg/m2 (morbide Adipositas permagna) kommt zu Beginn der Schwangerschaft in
0,2 % vor. Diese Frauen stellen ein Hochrisikokollektiv dar.
Die Adipositas permagna ist mit Gestationsdiabetes, Präeklampsie, Thromboembolie und kardialen
Komplikationen, u. a. Herzinfarkt, assoziiert.
Welche Frauen sind besonders gefährdet?
Gewicht und Body Mass Index (BMI) allein zeigen das Risiko nicht an. Wichtig ist die Art der
Fettverteilung.
Risikopersonen haben hauptsächlich eine zentrale Adipositas. Die Fettansammlungen befinden sich
vorwiegend an der Bauchhaut, dem Rücken und den Seiten, sowie intraabdominal. Um die zentrale Form der
Adipositas von der peripheren abgrenzen zu können, hat man die Waist-to-Hip Ratio (WHR) eingeführt.
Dabei wird der Taillenumfang (in cm) durch den Hüftumfang (in cm) geteilt. Bei Frauen spricht man von
abdominaler Adipositas, wenn der Quotient > 0,85 beträgt.
Das Krankheitsrisiko wird anhand von Laborwerten ermittelt:
Es besteht ein erhöhtes Risiko für Folgeerkrankungen des Herzkreislaufsystems oder für Gestations-
und Typ-2-Diabetes, wenn mindestens 3 der folgenden 5 Komponenten des metabolischen Syndroms erfüllt
sind:
-
Blutdruck über 130/85 mmHg
-
Nüchternblutzucker über 110 mg/dl (6,1 mmol/l)
-
Triglyzerid-Werte über 150 mg/dl (1,7 mmol/l)
-
HDL-C-Werte unter 40 mg/dl (1,0 mmol/l)
-
Taillenumfang von mehr als 88 cm
Übergewicht und Adipositas sind häufig mit einer Linksherzvergrößerung assoziiert. Dieser erworbene
Herzfehler kann, unabhängig vom metabolischen Syndrom, im Zusammenhang mit einer Adipositas
auftreten.
Gewichtsreduktion vor einer Schwangerschaft
Die präkonzeptionelle Gewichtsreduktion ist unabdingbar für die Reduktion schwangerschaftsassoziierter
Risiken bei übergewichtigen Frauen. Hierbei sind Ernährungsberatung, Anleitung zur körperlichen
Aktivität und psychologische Begleitung die wichtigsten Elemente.
Bewegung
Sport unter Berücksichtigung aller Körperregionen gilt als anerkanntes „Medikament“ zur Reduktion des
Bauch- bzw. Taillenumfangs. Täglich 30 Minuten Sport wären optimal.
Aber wie kann das gelingen? Zum Beispiel
-
mit einer Taktik der kleinen Schritte
-
einem Training in überschaubaren Einheiten
-
mit einer Motivation für Wiederholungen durch Erfolgserlebnisse; Motivation ist der
stärkste Faktor zum Antrieb.
Das Ausmaß der Gewichtsreduktion ist jedoch kein Maßstab für den therapeutischen Erfolg. Anzustreben ist
eine „qualifizierte“ Gewichtsabnahme:
Diäten: die Qual der Wahl
Die Ergebnisse der Nationalen Verzehrsstudie II [[2]] verweisen auf eine
durchschnittliche tägliche Fettzufuhr von 35 % bei Frauen und von 36 % bei Männern bezogen auf die
Gesamtenergiezufuhr. Eine Fettzufuhr von 20–30 % ist jedoch ausreichend. Der Verzicht auf überflüssige
Kohlenhydrate und Fette, z. B. zuckerhaltige Getränke, konzentrierte Fruchtsäfte, Schokolade und
Gebratenes, ist deshalb ein wichtiger Baustein jeder Diät zur Gewichtsreduktion.
-
Mit einer energiearmen kalorienreduzierten Diät (< 800 kcal/Tag) ist die größte
Gewichtsabnahme, minus 15–25 % des Ausgangsgewichts, innerhalb eines kurzen Zeitraumes zu
erreichen. Ein langfristiger Erfolg ist jedoch selten.
-
Bessere Erfolge bieten die Weight-Watchers-Methode mit wöchentlichen Konsultationen sowie
Diätprogramme mit einer Fettreduktion.
-
Einige Ernährungsforscher befürworten eine eiweißreiche Kost. Ein zusätzliches Durstgefühl
veranlasst den Organismus, mehr Flüssigkeit aufzunehmen. Damit besteht eine zusätzliche sättigende
Wirkung.
-
Das Optifast-Programm ist ein einjähriges, medizinisch und psychologisch begleitetes
Programm zur Gewichtsreduktion. In der Fastenphase besteht die Nahrung aus einer Formula-Diät. Das
ambulante Therapieprogramm wird in rund 35 Zentren in Deutschland und Österreich angeboten.
Die Praxis zeigt jedoch: Eine Diättherapie ist hinsichtlich der längerfristigen Gewichtsreduktion nur
für einen BMI < 30 geeignet.
Präkonzeptionell können mit einer hypokalorischen Diät aber relativ schnelle Gewichtsreduktionen erreicht
werden. Gardner et al. [[4]] haben vier populäre Diäten bei 311
übergewichtigen prämenpausalen Frauen verglichen (Tab.
[
2
]): Die Atkins-Diät (wenig Kohlenhydrate), die Zone-Diät (ungesättigte Fettsäuren,
komplexe Kohlenhydrate), die Ornish-Diät (wenig Fett) und die LEARN-Diät (fettarm und kohlenhydratreich).
Sie folgten über ein Jahr einem bestimmten Diätplan, der per Telefon-Interview überprüft wurde.
Tab. 2
Vier Diäten im Vergleich.
Diät
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Besonderheiten
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Atkins-Diät
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|
Ornish-Diät
|
-
Eingeschränkter Fettkonsum. Nur 10 % der aufgenommenen Kalorien sollten aus Fett
stammen.
-
Gemüse, Obst und Getreide dürfen in beliebigen Mengen konsumiert werden,
-
fettarme Milchprodukte nur in Maßen
|
Zone-Diät
|
|
LEARN-Diät
|
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Frauen mit der Atkins-Diät hatten nach zwölf Monaten durchschnittlich 4,7 kg abgenommen; LEARN-Diät
2,6 kg, Ornish-Diät 2,2 kg und Zone-Diät 1,6 kg. Bei der Atkins-Diät war ein Anstieg des HDL-C-Wertes
(plus 5 mg/dl), eine Senkung des Triglyzeridwertes (minus 29 mg/dl) sowie eine Senkung des diastolischen
(minus 4,4 mmHg) und des systolischen Drucks (minus 7,6 mmHg) zu verzeichnen. Bei den anderen Diäten
fielen die Veränderungen geringer aus. Schon innerhalb eines Jahres war eine Abnahme der Compliance zu
verzeichnen.
Fazit: Die Frage nach der richtigen Diät ist nicht entscheidend. Liegt die tägliche
Kalorienaufnahme unter dem täglichen Verbrauch, kommt es zwangsläufig zur Gewichtsabnahme, d. h.,
entscheidender als der Fett- oder Kohlenhydrat-Anteil der Nahrung ist die Menge, die verzehrt
wird.
Weniger essen in Kombination mit einem täglichen Sportprogramm ist erfolgreicher als den Fettgehalt
auszurechnen.
Die „Zone-Diät“ entspricht am ehesten auch den Ernährungsempfehlungen in der Schwangerschaft.
Hierbei ist ein bevorzugter Verzehr von komplexen Kohlenhydraten wichtig, die den Insulinspiegel
langsamer steigen lassen (niedriger Glykämie-Index), z. B. Getreideprodukte.
Der Glykämische Index ist ein Maß für die Wirkung des Nahrungsmittels auf den Blutzuckerspiegel.
Je höher der Wert, desto höher steigt der Blutzucker.
Zu einer präkonzeptionellen Beratung bei Übergewicht und Adipositas gehört immer ein 75 g oraler
Glukosetoleranztest (OGTT).
„Jo-Jo-Effekt“
Gelingt das Abnehmen, folgt die Stabilisierung der Gewichtsreduktion als eigentliche
Herausforderung: Der Jo-Jo-Effekt steht dem Erfolg zu oft und wiederholt im Wege. Die Balance zwischen
der Hunger- und Sättigungsregulation einerseits und noch unbekannten Mechanismen im Gehirn im Sinne eines
Belohnungssystems spielt nun die entscheidende Rolle.
Die Nahrungsaufnahme löst über die Freisetzung von Botenstoffen positive Empfindungen aus. Über Genuss
und Lebensfreude wird dann die Gewichtsspirale nach „oben“ beschleunigt. Dabei bewegt sich das „Jo-Jo“
nach oben viel schneller als nach unten.
Eine psychosomatische Unterstützung ist hilfreich, denn die Angst vor einer möglichen
Gewichtszunahme kann auch zur Bulimie führen.
Chirurgische Therapie
„Trotz vieler wissenschaftlich fundierter Behandlungsstrategien, ist der mittel- bis langfristige
Erfolg konservativer Adipositastherapien unzureichend. Nur 15 % aller Menschen mit Adipositas Grad 1
und Grad 2 ( BMI 30 bis 40 kg/m2) sind in der Lage, substanziell abzunehmen und das erreichte
Gewicht über mehr als fünf Jahre zu halten. Eine Adipositas Grad 3 (BMI = 40 kg/m2) kann mit
konservativen Verfahren nur selten befriedigend therapiert werden“ [[4]].
Die Indikation zu einer chirurgischen Therapie besteht bei einer Adipositas permagna (BMI >
40). Bei vergeblichen konservativen Therapieversuchen und Begleiterkrankungen des metabolischen Syndroms
wie Diabetes mellitus sind chirurgische Interventionen bereits bei einem BMI > 35 angezeigt [[3]]. Mit dem sogenannten „Gastric Bypass“ können stark übergewichtige Menschen
bis zu 50 % ihres Gewichtes verlieren. Ein kleiner Restmagen umgeht dabei den Zwölffingerdarm und wird
direkt an den Dünndarm angeschlossen.
Adipositas und Risikobewertung
Tab.
[
3
] zeigt einen Vorschlag zur Risikoabschätzung
bezüglich möglicher Schwangerschaftskomplikationen bei Adipositas (BMI > 30 kg/m2) aus Sicht
der Präventivmedizin.
Tab. 3
Internistische Erkrankungen und für die Schwangerschaft relevante Komplikationen bei adipösen
Frauen.
Internistische Erkrankungen
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Assoziierte Komplikationen in der Schwangerschaft
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Störungen des Kohlenhydratstoffwechsels
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Gestationsdiabetes
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Störungen des Fettstoffwechsels
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Präeklampsie, Schlaganfall
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Störungen des Eiweißstoffwechsels (Hyperurikämie/Gicht)
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Präeklampsie
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Störungen des Leberstoffwechsels
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Fettleberhepatitis
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Dyspnoe, Hyperventilationssyndrom
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Pulmonale Komplikationen
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Tiefe Venenthrombosen
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Thromboembolie
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Im Vordergrund der präkonzeptionellen Beratung bei Adipositas stehen
-
die Erkennung eines für die Schwangerschaft relevanten Gefährdungspotenzials,
-
die Einleitung einer Folsäureprophylaxe,
-
der Aufbau von Kondition und Fitness im Zusammenhang mit einer Ernährungsberatung
-
und ein internistisches Basisprogramm, welches das kardiovaskuläre Risikoprofil in der Schwangerschaft
deutlich vermindert.