Bei einer chronischen Entzündung der Schleimhäute liegt ein sich stets selbst
weiterverstärkendes und aufrechterhaltendes Ödem vor. Um einen Rückgang der
Schleimhautentzündung und -schwellung zu erreichen, muss deshalb primär das
Ödem bekämpft werden.
Dabei nutzt die Akupunktur die eigenregulatorischen Mechanismen des Organismus, um
die Regelkreise, die das Ödem aufrechterhalten, umzukehren. Kann der arterielle
Blutzufluss ins Gewebe reduziert und der venöse Blutzufluss und Lymphabfluss
verstärkt werden, kommt es zur gewünschten Abschwellung der Schleimhäute.
Wirkung und Ziel der Akupunktur sind deshalb:
-
das Abnehmen der Ödematisierung des Gewebes und die bessere Entsorgung der
Region,
-
die Normalisierung der Durchblutungsverhältnisse in der Nase, den
Konjunktiven und den Nasennebenhöhlen und
-
die Unterbrechung des Circulus vitiosus.
Als Hauptpunkte für eine Akupunktur bei Rhinitis, Sinusitis und Konjunktivitis
sind folgende Punkte bekannt (▶ Abb.
[
1
] und ▶ Abb.
[
2
]):
-
B 1
-
B 2
-
Di 19
-
Di 20
-
Ma 1
-
Ma 2
-
Ma 3
Abb. 1
a) Akupunkturpunkte des Magenmeridians beim Hund. b) Nutzung
der beidseitigen Akupunkturpunkte Di 20, B 1, B 2 und PdM beim Hund bei
chronischer Sinusitis. Die Nadeln werden tangential 1–3 mm tief gestochen
und zeigen bereits nach 10–15 Minuten eine Wirkung, die mehrere Tage
anhält.
Abb. 2
a) Akupunkturpunkte des Blasenmeridians bei der Katze. b)
Nutzung der Akupunkturpunkte B 1, B 2 und Di 19 der Katze bei chronischer
Konjunktivitis.
Die Punkte werden tangential zum Knochen 1–3 mm tief gestochen. Die Nadelung dieser
Punkte für ca. 10–15 Minuten zeigt sofortige Erfolge. Die Tiere können freier atmen
und der Nasen- und/oder Tränenfluss lässt sehr schnell nach.
Anatomische Lage der Punkte [[4]]
(Lok. = Lokalisation; MS = morphologisches Substrat)
B 1
Jingming („Glanz des Augapfels“)
Lok.: 2 mm rostral des medialen Augenwinkels, oberhalb der Fossa sacci
lacrimalis
MS: A./V. palpebralis inferior medialis aus der A./V. malaris, A./V.
dorsalis nasi, A./V. ophthalmica, A./V. angularis oculi, N. infratrochlearis aus
dem N. nasociliaris des N. ophthalmicus (sensibel), tiefer: Anteile des N.
oculomotorius (motorisch), Ramus palpebralis des N. auriculopalpebralis
B 2
Zanzhu
Lok.: am proximalen Orbitalrand, in Höhe des Processus zygomaticus des
Os frontale am Übergang vom inneren zum mittleren Drittel des
Supraorbitalrandes
MS:
-
außerhalb der Orbita: A. supraorbitalis (Katze, fehlt dem Hund), A./V.
temporalis superficialis, A./V. dorsalis nasi rostralis, A./V. angularis
oculi aus der A./V. facialis
-
innerhalb der Orbita: A. ophthalmica externa, A./V. palpebralis superior
medialis aus der A./V. malaris, A./V. ophthalmica externa
-
oberflächlich: N. frontalis des N. opthalmicus (sensibel)
-
tiefer: Anteile des N. oculomotorius (motorisch), Ramus palpebralis des
N. auriculopalpebralis
Di 19
Heliao („Körnchengrube“)
Lok: lateral und unterhalb der Nasenflügel ca. 2–3 cm lateral von LG 26
(Philtrum)
MS: Endäste des N. infraorbitalis (sensibel) und N. facialis (motorisch),
M. caninus und M. orbicularis oris, A./V. labialis superior der A./V.
facialis
Di 20
Yingxiang („Empfang des Duftes“)
Lok.: Lateral der seitlichsten Vorwölbungen der Nasenflügel
MS: Anastomosierende Endäste des N. infraorbitalis (sensibel) und N.
facialis (motorisch), M. caninus und M. orbicularis oris, A./V. lateralis nasi
der A./V. facialis und A./V. infraorbitalis
Ma 1
Chengqi („Tränensammler“)
Lok.: in der Mitte des unteren Orbitalrandes, zwischen Infraorbitalrand
und Bulbus, direkt unter der Pupille
MS: feine Äste des N. infraorbitalis mit N. nasalis caudalis und dem
inneren Ast des N. oculomotorius mit Verbindung zum Ganglion pterygopalatinum,
feine Äste des N. ophthalmicus, Äste der A. ophthalmica und A./V. angularis
oculi, A./V. palpebralis inferior medialis aus der A. infraorbitalis, in der
Tiefe: Aa./Vv. palatina major et minor, A./V. sphenopalatina
Ma 2
Sibai
Lok.: direkt auf dem Foramen infraorbitale
MS: N./A./V. infraorbitalis, feine Äste der A./V. angularis oculi aus der
A. facialis, N. facialis – Ramus buccolabialis dorsalis
Ma 3
Juliao („Großgrube“)
Lok.: fingerbreit unterhalb des Foramen infraorbitale
MS: N./A./V. infraorbitalis, feine Äste der A./V. labialis superior aus
der A./V. facialis, N. facialis – Ramus buccolabialis dorsalis
Auch bei allergischer Rhinitis und Konjunktivitis …
… werden alle Gefäße, die die Nase und Augen ver- und entsorgen, genadelt (B 1,
B 2; Di 19, Di 20) [9]. Die dabei erzielten Extravasate sind es, die gewünscht
werden.
Wirkung des Nadelstiches bei der Behandlung der Rhinitis, Konjunktivitis und
Sinusitis
Reizung der für die ödematisierten Regionen zuständigen Nerven:
-
N. ophthalmicus
-
N. nasociliaris
-
N. ethmoidalis
-
Der N. ethmoidalis versorgt die Riechschleimhaut = sensible Fasern über den
Ramus nasalis lateralis (dorsaler Nasengang und dorsale
Nasenmuschel) und Ramus medialis (Schleimhaut der oberen Hälfte der
Nasenscheidewand + Nasenhöhlendach + Sinus frontalis) = Nerven der
Akupunkturpunkte B 1, B 2, Ma 1.
Über die Rami nasales externi besteht eine Verbindung zur Haut im Bereich des
Nasenknorpels und Nasenspiegels zum N. infraorbitalis = Nerven der
Akupunkturpunkte Ma 2, Di 19, Di 20.
Außerdem wird der N. infratrochlearis des N. nasociliaris gereizt (Bindehaut,
Tränenkarunkel, Nickhaut und andere Drüsen) = Nerven der Akupunkturpunkte B 1,
Ma 1.
Ziele
-
Verstärkung der Information an das ZNS, dass eine Entzündung vorliegt
(chronisches Geschehen in einen akuten Zustand versetzen)
-
Vasokonstriktion durch Stimulation der Nerven in diesem Gebiet mit
vermindertem arteriellem Zufluss durch die knöchernen Foramina
-
z. T. Erzielung von Extravasaten zur Immunmodulation
-
Nachlassen des Gewebedrucks auf die für den Abfluss verantwortlichen venösen
Kapillaren
Wie bei der Hyposensibilisierung, bei der kleinste Antigendosen in
ansteigender Menge vom Körper verabreicht werden, wendet man hier ähnliche Methoden
durch die Akupunktur an.
Man muss wissen, dass die Allergie auf die überschießenden Reaktionen des IgE,
welches membranständig an den Mastzellen angelagert ist, zurückzuführen ist. Kommt
es nun im Rahmen einer Nadelung zum Austritt von Blutplasma in das Interstitium,
erniedrigt sich der pH-Wert in dieser Region und es kommt zu einer Störung der
Gewebe-Isotonie.
Dies aktiviert die lokale Abwehr (Monozyten, Thrombozyten, Mastzellen, Makrophagen
und Histiozyten). Aber auch die spezifische Abwehr wird aktiviert in Form der B- und
T-Lymphozyten. Liegt ein allergisches Geschehen vor, kommen neben den Mastzellen
auch die Lymphozyten intensiver in Kontakt mit dem Allergen. Es bilden sich
blockierende Antikörper vom IgG-Typ aus, die sowohl die Allergene lokal und im
Kreislauf als auch die mastzellständigen IgE binden. Der Vorteil dieser Induktion
von blockierendem IgG ist die Tatsache, dass dieses Immunglobulin in größerer Menge
(75–80 %) – als IgE (0,003 %) – im Blut zirkuliert [[1]] und so schneller das Antigen binden kann. Somit kommen die
langsameren, mastzellständigen IgE nicht mehr in Kontakt mit dem Allergen. Da
gleichzeitig auch T8-Suppressorzellen aktiviert wurden, werden ebenfalls die
überschießenden Reaktionen der Plasma- und Mastzellen unterbunden.
Der Erfolg der Behandlung von allergischen Rhinitiden und Konjunktivitiden durch
Akupunktur wird mit ca. 61,9 % [[10]] bis 84 %
[[8]] angegeben und entspricht etwa dem der
medikamentösen Hyposensibilisierung.
Der Vorteil dieser Behandlung ist jedoch, dass sich die Hyposensibilisierung durch
Akupunktur auf den Entzündungsort beschränkt und keinerlei Nebenwirkungen
aufweist.