Dialyse aktuell 2012; 16(8): 431
DOI: 10.1055/s-0032-1329601
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Reicht das aus?

Christian Schäfer
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Publication Date:
10 October 2012 (online)

Im Gegensatz zur letzten Ausgabe, als ich zum sogenannten Organspendeskandal fragte „Musste das sein?“, stelle ich nun die Frage „Reicht das aus?“. Damit meine ich die Maßnahmen, die Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) mit Ärzte- und Kassenvertretern auf dem Organspendegipfel Ende August für die Zukunft verabredet hat. Diese sollen größtmögliche Transparenz in der Transplantationsmedizin schaff en und somit das verlorengegangene Vertrauen der Bevölkerung in die Organspende in Deutschland wiederherstellen. Konkret handelt es sich hierbei u. a. um Folgendes: unangekündigte Stichproben in Transplantationszentren, öff entliche Jahresberichte der Prüfungs- und Überwachungskommission, Vertretung des Bundes und der Länder im Stiftungsrat der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO), interdisziplinäre Transplantationskonferenzen zur Aufnahme des Patienten in die Warteliste und Streichung der Bonuszahlungen an Ärzte für eine bestimmte Zahl an Transplantationen.

Laut Medienberichten stellte der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK) Dr. Frank Ulrich Montgomery hierzu noch einmal klar, dass es sich bei den Unregelmäßigkeiten, wie sie auch in Göttingen und Regensburg bekannt wurden, um Einzelfälle handelt: So gab es in den letzten 10 Jahren nur circa 20 Verstöße gegen die Richtlinien der Organverteilung bei etwa 50 000 durchgeführten Transplantationen. Diese Einschätzung ist wohl richtig. Umso schlimmer ist es, dass das Vertrauen in eine gerechte Organallokation zu den Themen in der Gesellschaft gehört, auf die schon kleinste Unregelmäßigkeiten und Verdächtigungen große Auswirkungen haben (siehe u. a. Editorial in Dialyse aktuell 7/2012). Der Organspendegipfel sowie nachfolgende Diskussionen und Maßnahmen sind daher ein geeigneter Weg, um dem Vertrauensverlust zu begegnen. In diesem Trubel hat auch Gesundheitspolitiker Dr. Harald Terpe (Bündnis 90/Die Grünen) Anfang September noch einmal kräftig mitgemischt: Laut der Auswertung von Eurotransplant-Daten aus dem Jahr 2011 und Zahlen der Warteliste vom August 2012 durch sein Team sollen Privatpatienten bei der Organvergabe bevorzugt behandelt werden. Als Hintergrund nennt Terpe, dass die Behandlung von Privatpatienten bekanntermaßen lukrativer als die von gesetzlich Versicherten ist und so Anreize für kriminell Motivierte schaff t. Allerdings gibt Terpe zu, dass die verglichenen Zahlen nicht aus demselben Jahr stammen und eine Signifi kanz nicht klar sei. Dies merkten auch Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) und des Verbandes der Privaten Krankenversicherung (PKV) an. Auch verweisen BMG und PKV auf die erhöhte Sterblichkeit von Privatpatienten auf der Warteliste.

Mitarbeiter von Eurotransplant allokieren die Organe jedenfalls ohne Kenntnis des Versichertenstatus. Es ist natürlich möglich, die Patientendaten in den Kliniken zu manipulieren, wie es in Regensburg und Göttingen der Fall gewesen sein soll. Aber wird das wirklich in einem solch recht großen Stil deutschlandweit praktiziert? Ob nun wirklich etwas dran ist an dieser Angelegenheit, vermag man derzeit nicht abschließend zu sagen. Neben dem positiv zu wertenden Versuch der Aufklärung von möglichen Missständen ist allerdings in einer sowieso schon ungünstigen Situation noch einmal mehr Verunsicherung in der Bevölkerung entstanden. Hier wäre zunächst eine Beratung der Beteiligten im stillen Kämmerlein besser gewesen.

Ob es nun reicht, was die Akteure im Gesundheitswesen in der Transplantationsmedizin vorhaben, um das Vertrauen der Bürger (zurückzu)gewinnen? Das wird die Zukunft zeigen – mein Gefühl ist hierbei tendenziell positiv. Übrigens: Wenn Sie sich über andere Sachverhalte zur Transplantation informieren wollen, empfehle ich Ihnen den Beitrag zu Malignomen vor und nach Nierentransplantation ab Seite 452 in dieser Ausgabe der Dialyse aktuell. Auch im Kompendium Nephrologie 2012, das zur 4. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN) erscheint, fi nden Sie etwas zur Transplantation – lesen Sie hier den Artikel zum Thema Immunsuppression nach Nierentransplantation ab Seite 59. Beide Beiträge sind sehr zu empfehlen – wie auch alle anderen Artikel in den beiden Heften. Ich wünsche Ihnen viel Erkenntnisgewinn bei der Lektüre!