Dialyse aktuell 2012; 16(08): 476-477
DOI: 10.1055/s-0032-1329358
Forum der Industrie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

10. Erfurter Experten-Meeting Dialyse – Phosphat-Binder-Therapie:
Kalziumfrei bietet zahlreiche Vorteile

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Publication Date:
02 October 2012 (online)

 
 

Die Phosphatkontrolle ist eine wichtige Säule in der Therapie von chronisch nierenkranken Patienten. Die verschiedenen Phosphat-Binder-Klassen haben jedoch unterschiedliche Nebenwirkungs- und Risikoprofile. Im Rahmen einer Pro-Contra-Diskussion auf dem 10. Erfurter Experten-Meeting Dialyse am 23.06.2012 wurde deutlich, dass das nicht resorbierbare, kalzium- und metallfreie Sevelamer mit geringen Risiken einhergeht und außerdem aktiv die Gefäße schützt.

Herausforderung medikamentöse Differenzialtherapie

In der täglichen Praxis ist die Auswahl wichtiger therapeutischer Optionen und die medikamentöse Differenzialtherapie eine Herausforderung für den behandelnden Nephrologen. Nicht immer ist die Studienlage eindeutig. Darüber hinaus gibt es das Problem, dass die chronische Nierenerkrankung (CKD) häufig als Ausschlusskriterium für die Teilnahme an Studien gilt und somit nur wenige Daten für diese spezielle Patientengruppe generiert werden.

Viele Fragestellungen sind also nach wie vor offen, weshalb einige Behandlungsansätze innerhalb der Fachgruppe kontrovers diskutiert werden. Das 10. Erfurter Experten-Meeting Dialyse bot diesen Kontroversen im Rahmen von moderierten Pro-Contra-Debatten ein Podium. Zum Thema "Aluminium- und kalziumbasierte Phosphatbinder vs. Sevelamer?" diskutierten Prof. Jürgen Bommer, Heidelberg, und Prof. Jan T. Kielstein, Hannover.


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Hohes Serumphosphat: höhere Mortalität und schnelleres Voranschreiten der chronischen Nierenerkrankung

Einig waren sich beide Diskutanten darüber, dass eine Phosphat-Binder-Therapie bei CKD-Patienten obligat ist. Eine phosphatarme Diät wird von den wenigsten Patienten durchgehalten und geht außerdem mit einem großen Mulnutritionsrisiko einher. Eine medikamentöse Intervention ist somit erforderlich, da hohe Serum-Phosphat-Spiegel mit einer erhöhten Mortalität assoziiert sind [ 1 ]. Darüber hinaus können hohe Phosphatwerte bei Prädialysepatienten das Fortschreiten der chronischen Nierenerkrankung vorantreiben, da sie den nephroprotektiven Effekt der ACE-Hemmung (ACE: Angiotensin Converting Enzyme) abschwächen, wie eine Auswertung der REIN[ 1 ]-Studie [ 2 ] zeigte. Dies illustriert, wie wichtig die Phosphatkontrolle bereits in frühen CKD-Stadien ist.


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Welche Phosphat-Binder-Therapie sollte zum Einsatz kommen?

Während sich Prof. Kielstein wegen der Gefahr der Aluminiumintoxikation deutlich gegen den Einsatz aluminiumhaltiger Phosphatbinder aussprach – und scherzend hinzufügte, "Aluminium sei in Dialysezentren nur noch sinnvoll, um den Patienten mal eine Stulle einzuwickeln" –, sah Prof. Bommer durchaus noch eine "Indikationsnische" für diese sehr effektiven und kostengünstigen Präparate. Allerdings sollte man diese nur unter strenger Überwachung der Serum-Aluminium-Spiegel und auch nur bedingt im Rahmen einer Langzeittherapie einsetzen.

Sehr kritisch bewertet Prof. Bommer die Risiken von kalziumhaltigen Phosphatbindern, die bis vor Kurzem in Deutschland noch immer die Standardtherapie waren. Zahlreiche Studien hätten belegt, dass diese Präparate die Gefäßverkalkung forcierten [ 3 ], [ 4 ], [ 5 ]. Auch mehrten sich die Hinweise, dass kalziumhaltige Phosphatbinder die Mortalität negativ beeinflussten. So zeigte eine jüngst publizierte, industrieunabhängige, randomisierte Studie [ 6 ] mit einer Beobachtungszeit von 3 Jahren, dass Prädialysepatienten signifikant von der kalziumfreien Therapie mit Sevelamer hinsichtlich des Überlebens profitierten.

Bei Studien mit Dialysepatienten, wie etwa der RIND[ 2 ]-Studie [ 7 ] über 5 Jahre und der großen DCOR[ 3 ]-Studie [ 8 ] mit Patienten mit Behandlungszeiten von über 2 Jahren, fand sich eine signifikant geringere Mortalität unter Sevelamer im Vergleich zu kalziumhaltigen Phosphatbindern. Die geringere Mortalität war dabei besonders bei älteren Patienten (> 65 Jahre) in der DCOR-Studie nachweisbar. Da eine vermehrte Verkalkung der Gefäßwand nicht mit einer sofort erhöhten Mortalität einhergeht, ist es verständlich, dass der positive Effekt der kalziumfreien Therapie auf die Mortalität erst nach 2 Jahren offensichtlich wird [ 9 ].


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Sevelamer schützt aktiv die Gefäße

Der gefäßschützende Effekt von Sevelamer (Renvela®) geht weit über die "Kalziumfreiheit" und die Nichtresorbierbarkeit des Moleküls hinaus. Wie Prof. Kielstein betonte, beeinflusst das Präparat aktiv das Verkalkungsgeschehen. So konnte gezeigt werden, dass unter Therapie mit dem kalzium- und metallfreien Phosphatbinder die Spiegel des Kalzifikationsinhibitors Fetuin-A stiegen, die CRP-Konzentrationen (CRP: C-reaktives Protein) abnahmen und sich die endotheliale Dysfunktion gemessen an der flussvermittelten Vasodilatation (FMD) bei Patienten im CKD-Stadium 4 verbesserte [ 10 ]. Darüber hinaus senkte Sevelamer die Konzentration von FGF-23 (Fibroblast Growth Factor 23), das mit einem schlechten Outcome bei Hämodialysepatienten assoziiert ist [ 11 ], deutlich stärker als Phosphat-Binder-Präparate auf Basis von Kalziumkarbonat, wie eine jüngst publizierte Studie [ 12 ] zeigte. Mit Abnahme der FGF-23-Spiegel wurde auch hier eine verbesserte flussvermittelte Vasodilatation beobachtet.

Beide Diskutanten waren sich über die medizinischen Vorteile der Phosphat-Binder-Therapie mit Sevelamer im Vergleich zu kalzium- oder metallhaltigen Präparaten einig. Als weiteres Argument wurde angeführt, dass Sevelamer als einziger Phosphatbinder auch in Pulverform zur Verfügung steht, was sich positiv auf die Compliance auswirken könnte. Denn das Pulver ist ein Hydrogel, das sich mit der zugeführten Flüssigkeit verbindet und den Flüssigkeitshaushalt nicht wesentlich belastet. Somit können Dialysepatienten, deren erlaubte Trinkmenge stark begrenzt ist, bei jeder Mahlzeit diese Suspension zusätzlich trinken – was bei den Patienten die Therapietreue erhöhen kann.

Prof. Bommer führte abschließend an, dass die Diskussion "Sevelamer vs. kalziumhaltige Phosphatbinder" obsolet wäre, wenn kein ökonomischer Zwang bestünde. Angesichts der Folgen der Gefäßverkalkung auf Mortalität und Morbidität der Patienten – Letztere schlägt sich mit höheren Kosten auf das Gesundheitssystem nieder – stelle sich jedoch die Frage, ob derzeit nicht am falschen Ende gespart werde.

Elisabeth Fauth, Frankfurt am Main

Quelle: Kongressbericht zum 10. Erfurter Experten-Meeting Dialyse "Pro-Contra-Debatte: Aluminium- und kalziumbasierte Phosphatbinder vs. Sevelamer?", unterstützt von Genzyme – a Sanofi Company


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1 Ramipril Efficacy in Nephropathy


2 Renagel in New Dialysis Patients


3 Dialysis Clinical Outcomes Revisited


  • Literatur

  • 1 Block GA, Klassen PS, Lazarus JM et al. Mineral metabolism, mortality, and morbidity in maintenance hemodialysis. J Am Soc Nephrol 2004; 15: 2008-2018
  • 2 Zoccali C, Ruggenenti P, Perna A et al. Phosphate may promote CKD progression and attenuate renoprotective effect of ACE inhibition. J Am Soc Nephrol 2011; 22: 1923-1930
  • 3 Chertow GM, Burke SK, Raggi P. Treat to Goal Working Group. Sevelamer attenuates the progression of coronary and aortic calcification in hemodialysis patients. Kidney Int 2002; 62: 245-252
  • 4 Asmus HG, Braun J, Krause R et al. Two year comparison of sevelamer and calcium carbonate effects on cardiovascular calcification and bone density. Nephrol Dial Transplant 2005; 20: 1653-1661
  • 5 Block GA, Spiegel DM, Ehrlich J et al. Effects of sevelamer and calcium on coronary artery calcification in patients new to hemodialysis. Kidney Int 2005; 68: 1815-1824
  • 6 Di Iorio B, Bellasi A, Russo D. INDEPENDENT Study Investigators. Mortality in kidney disease patients treated with phosphate binders: a randomized study. Clin J Am Soc Nephrol 2012; 7: 487-493
  • 7 Block GA, Raggi P, Bellasi A et al. Mortality effect of coronary calcification and phosphate binder choice in incident hemodialysis patients. Kidney Int 2007; 71: 438-441
  • 8 Suki WN, Zabaneh R, Cangiano JL et al. Effects of sevelamer and calcium-based phosphate binders on mortality in hemodialysis patients. Kidney Int 2007 2007; 72: 1130-1137
  • 9 Bommer J, Ketteler M, Ritz E. Impact of oral calcium on mortality of dialysis patients--an underestimated risk?. Nephrol Dial Transplant 2012; 27: 2628-2633
  • 10 Caglar K, Yilmaz MI, Saglam M et al. Short-term treatment with sevelamer increases serum fetuin-a concentration and improves endothelial dysfunction in chronic kidney disease stage 4 patients. Clin J Am Soc Nephrol 2008; 3: 61-68
  • 11 Gutierrez OM, Mannstadt M, Isakova T et al. Fibroblast growth factor 23 and mortality among patients undergoing hemodialysis. N Engl J Med 2008; 359: 584-592
  • 12 Yilmaz MI, Sommez A, Saglam M et al. Comparison of calcium acetate and sevelamer on vascular function and fibroblast growth factor 23 in CKD patients: a randomized clinical trial. Am J Kidney Dis 2012; 59: 177-185

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