Dialyse aktuell 2012; 16(07): 388
DOI: 10.1055/s-0032-1328829
Journal-Club
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Vergleich zweier Studien zum Überleben mangelernährter Hämodialysepatienten – Einfluss von oraler und parenteraler Ernährung

Further Information

Publication History

Publication Date:
17 September 2012 (online)

 
 

    Quelle: Cano NJM, Fouque D, Roth H et al. Intradialytic parenteral nutrition does not improve survival in malnourished hemodialysis patients: a 2-year multicenter, prospective, randomized study. J Am Soc Nephrol 2007; 18: 2583–2591; Marsen T, Fiedler R, Hofmann C et al. Intradialytic parenteral nutrition (IDPN) increases serum prealbumin (PreAlb) levels in malnourished hemodialysis (HD) patients – prospective multicenter open phase IV study. Poster Am Soc Nephrol Annual Meeting 2011

    Thema: Es handelt sich um den Vergleich einer Studie der französischen Studiengruppe für Ernährung bei der Dialyse (FineS[ 1 ]) und einer von Fresenius Kabi gesponserten deutschen Studie (Kabi-Studie).

    Projekt: Die Studiendesigns sowohl bei FineS als auch bei der Kabi-Studie sind prospektiv, randomisiert und multizentrisch mit Interventions- und Kontrollgruppe. In der FineS dauerte die Intervention (orale Nahrungsergänzung, zusätzlich IDPN ("intention to treat")) bei den 93 Patienten 1 Jahr mit 1 Jahr Nachbeobachtung. Die Intervention in der Kabi-Studie (Ernährungsberatung, IDPN bei jeder Dialyse, während der gesamten Intervention keine orale Nahrungsergänzung) dauerte bei den 32 Patienten 4 Monate mit 3 Monaten Nachbeobachtung. Die 93 Patienten der Kontrollgruppe in der französischen Studie erhielten eine orale Nahrungsergänzung (500 kcal und 25 g Protein/d), während die 32 Patienten der Kontrollgruppe der Kabi-Studie nur eine Ernährungsberatung erhielten.

    Die Einschlusskriterien der FineS waren ein BMI von weniger als 20 kg/m2, mehr als 12 h Dialyse/Woche, ein Albuminwert von weniger als 35 g/l, ein Präalbuminwert von weniger als 300 mg/l, ein Alter von 18–80 Jahren und ein Gewichtsverlust von mehr als 10 % in 6 Monaten. Bei der Kabi-Studie waren die Einschlusskriterien ein SGA-Score Grad B oder weniger, 3 Dialysebehandlungen pro Woche, ein Albuminwert von weniger als 35 g/l, ein Präalbumin von weniger als 250 mg/l und ein Alter von 18 Jahren oder darüber.

    Bei FineS waren die Ausgangslaborwerte: nPCR 1,09–1,10 g/(kg*d), Albumin 31,5–31,6 g/l, Präalbumin 239–240 mg/l und BMI 22,4–23,1 kg/m2. Die Ausgangslaborwerte bei der Kabi-Studie waren: nPCR 0,7–0,8 g/(kg*d), Albumin 34,0–34,8 g/l, Präalbumin 209–225 mg/l, BMI 22,4–22,7 kg/m2, SGA-Score Grad B oder weniger und Phasenwinkel α kleiner als 4,5°. Der primäre Endpunkt von FineS war die Mortalität, bei der Kabi-Studie der Präalbuminwert. Die sekundären Endpunkte der FineS waren Hospitalisierung, Karnofsky-Index, BMI, Albumin- und Präalbuminwert. Bei der Kabi-Studie waren dies SGA-Score, Phasenwinkel, Transferrin- und Albuminwert sowie proteinkatabole Rate.

    Ergebnisse: Die Mortalität bei der FineS war in beiden Gruppen gleich und in beiden Gruppen stieg der BMI sowie der Albumin- und Präalbuminwert signifikant an. Zudem führte der Anstieg des Präalbuminwerts um über mehr als 30 mg/l zu einer 2-fach erhöhen Überlebensrate. In der Kabi-Studie zeigte sich ebenfalls ein signifikanter Anstieg des Präalbuminwerts, allerdings nur in der Interventionsgruppe. Die sekundären Endpunkte blieben unverändert.

    Fazit: Während in der FineS in beiden Gruppen eine orale Nahrungsergänzung verordnet wurde, wurde in der Kabi-Studie alle Patienten der Interventionsgruppe während der gesamten Beobachtungszeit ausschließlich mit IDPN behandelt. Die Kontrollgruppe der Kabi-Studie erhielt zu keinem Zeitpunkt eine orale oder parenterale Nahrungsergänzung. In der FineS wurde in der Interventionsgruppe mit Hilfe der IDPN lediglich die Differenz zwischen empfohlener und oral erfolgter Nahrungsaufnahme ausgeglichen. Nach 12 Monaten erhielten in dieser Studie nur noch 67 % der Interventionsgruppe eine IDPN, während 70 % der Kontrollgruppe und 61 % der Interventionsgruppe eine orale Nahrungsergänzung bekamen. Nach 18 Monaten erhielten sogar 6 % der Kontrollgruppe – aber nur 13 % der IDPN-Gruppe – eine intradialytische parenterale Ernährung.

    In der FineS ist die Mortalität in beiden Gruppen gleich. Hieraus schlossen die Autoren, dass eine zusätzliche IDPN zu einer oralen Nahrungsergänzung keine Vorteile bringt. Als Nebenbefund zeigte sich in dieser Untersuchung jedoch, dass ein Anstieg des Präalbumins um mehr als 30 mg/l eine 2-fache Verbesserung der Überlebensrate dieser Patienten bewirkt. In der Kabi-Studie konnte dieser Anstieg des Präalbumins bei alleiniger IDPN ebenfalls nachgewiesen werden. Die übrigen sekundären Endpunkte zeigten allerdings keine Verbesserung.

    Schlüsselwörter: Hämodialyse – Mangelernährung – orale Ernährung – parenterale Ernährung

    Prof. Dr. Helmut Mann, Aachen

    Kommentar

    Zu der FineS[ 1 ] muss kritisch angemerkt werden, dass eine klare Trennung von parenteraler und oraler Nahrungsergänzung nicht vorgenommen wurde. Beide Gruppen erhielten eine orale Zusatznahrung. Gegen Ende der Studie erhielten sogar Patienten der Kontrollgruppe eine IDPN. Aus diesem Grund kann auch nicht der Schluss gezogen werden, dass eine IDPN keinen Einfluss auf das Überleben mangelernährter Dialysepatienten hat.

    In beiden Studien (also auch bei ausschließlicher IDPN in der Kabi-Studie) zeigte sich ein signifikanter Anstieg des Präalbuminwerts als Messgröße einer Malnutrition. Hieraus kann man nur den Schluss ziehen, dass eine IDPN durchaus in der Lage ist, den Präalbuminwert im Blut und damit auch die Überlebensrate dieser Patienten anzuheben. Die FineS besagt lediglich, dass dieses Ziel auch mit einer oralen Nahrungsergänzung erreicht werden kann, sofern die Patienten diese auch tatsächlich durchführen. Es werden hierbei allerdings diejenigen Patienten vernachlässigt, die nicht in der Lage sind, eine orale Nahrungsergänzung in ausreichendem Maße vorzunehmen, und solche, die aufgrund der klinischen Situation dringend und kurzfristig einer Verbesserung ihres Ernährungszustands bedürfen.

    Prof. Dr. Helmut Mann, Aachen


    #

    1 French intradialytic nutrition evaluation Study