Lernziele
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Grundlagen der Sauerstoffversorgung, der Anämie und deren physiologische
Kompensationsmechanismen
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Qualitätsparameter von Erythrozytenkonzentraten
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Indikatoren einer anämischen Hypoxie – „Transfusionstrigger“
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Therapeutische Ziele einer Erythrozytentransfusion
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Transfusionsindikationen in Abhängigkeit von der Grunderkrankung/der
Patientenklientel
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Transfusionsassoziierte Nebenwirkungen
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Meldewege bei Auftreten von transfusionsassoziierten Nebenwirkungen
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Korrekte Dokumentation einer Transfusion
Erythrozytenkonzentrat (EK)
Erythrozytenkonzentrat (EK)
Erythrozytenkonzentrate werden zumeist aus frisch abgenommenem Vollblut oder ggf.
maschinell mittels Zellseparatoren gewonnen. Die durch das PEI
(Paul-Ehrlich-Institut) zugelassenen Präparate unterscheiden sich geringfügig im
Gehalt an noch verbleibenden Thrombozyten, Plasma und Additivlösung.
Erythrozytenkonzentrate sind in Deutschland generell leukozytendepletiert ([Tab. 1]), wodurch das Risiko einer Immunisierung gegen
humane Leukozytenantigene (HLA) stark reduziert und die Übertragung zellständiger
Viren (z. B. CMV [Zytomegalievirus]) weitgehend verhindert wurde. Die Transfusion
von allogenem Vollblut ist in Deutschland obsolet.
Erythrozytenkonzentrate werden aus frisch abgenommenem Vollblut oder ggf.
maschinell mittels Zellseparatoren gewonnen.
Tab. 1 Qualitätsparameter für ein
„Standarderythrozytenkonzentrat“ hergestellt aus Vollblut oder ggf.
maschinell mittels Zellseparatoren [1].
Parameter
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PEI: Paul-Ehrlich-Institut
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Volumen
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gemäß der dem PEI angezeigten Spezifikation (ca. 240–330 ml)
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Hämatokrit
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50–70 %
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Hämoglobin
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≥ 40 g Hämoglobin/Produkt
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Leukozyten
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< 1 × 106/Produkt
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Hämolyserate am Ende der Lagerungszeit
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< 0,8 % der Erythrozytenmasse
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Max. Lagerungszeit
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35–42 Tage (je nach Zulassung) bei 4 °C ± 2 °C unter Einhaltung
der Kühlkette
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Verfügbarkeit von Erythrozytenkonzentraten
In Deutschland wurden im Jahr 2010 insgesamt 6,123 × 106 Blutprodukte
transfundiert. Dabei belief sich die Anzahl der Plasmen auf
1,152 × 106, die der Thrombozytenkonzentrate auf
0,471 × 106 und die der Erythrozytenkonzentrate auf
4,5 × 106
[2]. Regelmäßige Blutspenden leisten aber nur ca.
3–4 % der Bevölkerung. Aufgrund der demografischen Entwicklung muss mit einem
Rückgang der Blutspenderzahlen in den nächsten Jahren gerechnet werden. Im
Vergleich dazu nimmt jedoch wegen der Alterung der Bevölkerung gerade die
Altersgruppe, die am häufigsten medizinische Leistungen erhält, nämlich Menschen
jenseits des 60. Lebensjahrs, zu.
Die humane Ressource Blut wird knapper. Deshalb müssen Blutprodukte,
insbesondere Erythrozytenkonzentrate, rational und nach Indikationskriterien
eingesetzt werden.
Auswahl und Dosierung von Erythrozytenkonzentraten
Ein gesunder Erwachsener muss ca. 12 ml Erythrozyten pro Tag produzieren, um die
Hämoglobinkonzentration konstant bei 10 g/dl (6,2 mmol/l) zu halten. Der
Erythrozytenverbrauch ist bei vermehrtem Abbau, z. B. bei fieberhaften
Erkrankungen, beim Vorliegen von Autoantikörpern und bei Splenomegalie,
gesteigert ([Tab. 2]). Beim kompletten Ausfall der
Erythrozytenproduktion, z. B. bei aplastischer Anämie, würde dies ca. 1 EK
(200–250 ml) pro Woche erfordern.
Die Transfusion von einem Erythrozytenkonzentrat führt bei einem Erwachsenen
ohne Verbrauch zu einem Hämoglobinanstieg von ca. 1–1,5 g/dl bzw.
Hämatokritanstieg von ca. 3–4 %.
Tab. 2 In-vivo-Ergebnisse nach der Transfusion von
Erythrozyten.
Klinische Ergebnisse
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* ohne aktive Blutung; Hb: Hämoglobin; Hkt: Hämatokrit
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Recovery 24 h nach Transfusion
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> 75 %
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Mittlere Überlebensrate
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ca. 60 Tage (110–120 Tage; Eliminationsrate < 1 %/Tag)
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Hb-Anstieg nach Transfusion*
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ca. 1–1,5 g/dl (0,62 mmol/l)
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Hkt-Anstieg nach Transfusion*
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ca. 3–4 %
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Die Transfusion von Erythrozytenkonzentraten erfolgt gemäß den Richtlinien [1] immer blutgruppengleich. Im Notfall wird eine
Versorgung mit Erythrozytenkonzentraten der Blutgruppe 0 durchgeführt, bis die
Patientenblutgruppe vorliegt [3] ([Tab. 3]).
Tab. 3 Blutgruppenkompatibilitäten [1].
Blutgruppe des Patienten
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Kompatible Erythrozytenkonzentrate
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A (Anti-B)
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A und 0
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B (Anti-A)
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B und 0
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AB (keine Isoagglutinine)
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AB, A, B und 0
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0 (Anti-A und Anti-B)
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0
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Für die Transfusion stehen neben dem Erythrozytenkonzentrat hergestellt aus
Vollblut oder ggf. maschinell mittels Apherese, noch weitere
Spezialpräparationen zur Verfügung ([Tab. 4]).
Im Fall einer Notfalltransfusion sollte immer eine Blutprobe vor der
Transfusion für die Blutgruppenbestimmung abgenommen werden, damit
schnellstmöglich eine blutgruppengleiche Transfusion erfolgen kann.
Tab. 4 Auswahl unterschiedlicher
Erythrozytenkonzentratpräparationen [1].
CMV: Zytomegalievirus
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Bestrahlte Erythrozytenkonzentrate
Die Übertragung vermehrungsfähiger, immunkompetenter Lymphozyten mit
Blutprodukten kann bei immunkompromittierten Patienten zu einer
Graft-versus-Host-Reaktion (GvHR) führen. Zellhaltige Blutprodukte, die an
solche Patienten verabreicht werden, müssen deshalb mit 30 Gy bestrahlt
werden ([Tab. 5]).
Tab. 5 Indikation für die Gabe bestrahlter
Erythrozytenkonzentrate [1].
Indikation für die Gabe bestrahlter
Erythrozytenkonzentrate
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GvHR: Transplantat-gegen-Wirt-Reaktion; HLA: humanes
Leukozytenantigen
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Gewaschene Erythrozytenkonzentrate
Gewaschene Erythrozytenkonzentrate sind nur bei Patienten indiziert, bei
denen Antikörper gegen IgA (Immunglobulin A) oder andere Plasmaproteine
nachgewiesen werden oder bei denen wiederholt schwere, unklare, nicht
hämolytische Transfusionsreaktionen beobachtet wurden. Erfahrungsgemäß liegt
die Indikation zur Transfusion dieser Präparate extrem selten vor.
Kryokonservierte Erythrozytenkonzentrate
Kryokonservierte Erythrozytenkonzentrate werden in wenigen nationalen Zentren
eingelagert. Die Indikation zur Transfusion dieser Erythrozytenkonzentrate
ist gegeben bei Patienten mit komplexen Antikörpergemischen oder mit
Antikörpern gegen hochfrequente Blutgruppenmerkmale.
Die Indikation zur Transfusion von kryokonservierten
Erythrozytenkonzentraten ist bei Patienten mit komplexen
Antikörpergemischen oder mit Antikörpern gegen hochfrequente
Blutgruppenmerkmale gegeben.
Zytomegalievirus-negativ getestete Erythrozytenkonzentrate
Die in Deutschland bei allen Erythrozyten- und Thrombozytenkonzentraten
durchgeführte Leukozytendepletion bewirkt eine Abreicherung von
zellständigen, latenten CMV und damit eine Verringerung des Risikos einer
transfusionsassoziierten CMV-Infektion bei Risikopatienten um ca. 90 %. Ob
die Verwendung CMV-seronegativ getesteter Blutspender das Risiko einer
ta-CMV-Infektion (ta: transfusionsassoziiert) weiter reduzieren kann, kann
derzeit nicht beantwortet werden. Aufgrund der relativ hohen
Serokonversionsrate besteht bei CMV-negativ getesteten Blutspendern das
Risiko, dass die Blutspende im diagnostischen Fenster stattgefunden hat.
Nebenwirkungen von Bluttransfusionen
Wie bei allen Arzneimitteln sind auch im Zusammenhang mit der Transfusion von
Blutprodukten Nebenwirkungen beschrieben, allerdings hat sich deren Spektrum in
den letzten Jahren gewandelt. Mit der Einführung zunächst der Antikörper-,
später der Antigentestung und der NAT (Nukleinsäureamplifikationstechnik) in das
Spenderscreening wurde das transfusionsassoziierte Infektionsübertragungsrisiko
durch HIV (humanes Immundefizienzvirus), HBV (Hepatitis-B-Virus) und HCV
(Hepatitis-C-Virus) deutlich minimiert. Die Erhebung einer umfänglichen
Spenderanamnese, die Einführung der Leukozytendepletion, die Testung auf
leukozytäre Antikörper nach Schwangerschaft und die aktuell immer umfangreicher
durchgeführte Testung der Blutprodukte auf Bakterien tragen ebenfalls dazu bei,
die Nebenwirkungsraten zu minimieren. Eine Übersicht geben die Meldungen der
schwerwiegenden Transfusionszwischenfallreaktionen an die Bundesoberbehörde
(PEI) ([Abb. 1]).
Abb. 1 Anzahl der dem Paul-Ehrlich-Institut gemeldeten
schwerwiegenden Transfusionsreaktionen zwischen den Jahren
1997–2010 [2] bezogen auf 81,668 × 106
transfundierte Blutprodukte: EK: 58,629 × 106, TK:
5,190 × 106, FFP: 17,849 × 106. EK:
Erythrozytenkonzentrat; FFP: Fresh Frozen Plasma; TK:
Thrombozytenkonzentrat
Somit stellen heute „vermeidbare Nebenwirkungen“ im direkten Zusammenhang mit der
Anwendung von Blutprodukten, wie die Fehltransfusion und die
transfusionsassoziierte Volumenüberlastung (TACO), die häufigsten Komplikationen
dar. Die Schulung der Anwender, Patienten nach Blutgruppen und Vorbefunden zu
befragen, die Patientenidentitätssicherung, die rechtzeitige Bestimmung von
Blutgruppe und irregulären, transfusionsmedizinisch relevanten Antikörpern im
Vorfeld einer Transfusion sowie die korrekte Durchführung und Dokumentation des
BST sind wichtige Maßnahmen, diese Anwendungsfehler zu minimieren.
Fehltransfusion und transfusionsassoziierte Volumenüberlastung stellen die
häufigsten Komplikationen dar.
Jedoch müssen ebenfalls Nebenwirkungen durch unbekannte Erreger oder solche, die
erstmalig humanpathogen aufgetreten sind, berücksichtigt werden. Diese sog.
„Re-Emerging Pathogens“ stellen immer ein potenzielles Risiko für eine
transfusionsassoziierte Infektion dar. Ausgehend vom Zeitpunkt der Erkenntnis
über eine „neue Infektion“, der Identifizierung des Pathogens bis hin zur
Etablierung eines Testverfahrens kann längere Zeit vergehen. Beispiele hierzu
sind der Wirtswechsel des HIV im Jahr 1981/1982, des HCV, identifiziert im Jahr
1989, des West-Nil-Fieber-Virus im Jahr 1999 oder des Chikungunya-Virus im Jahr
2005. Die modernen molekularbiologischen Methoden (NAT) erlauben jedoch, nach
Aufklärung des genetischen Codes, eine zunehmend schnellere Etablierung eines
neuen Testverfahrens.
Ein weiteres Risiko geht von Erregern aus, für die es keine geeigneten
Nachweisverfahren gibt z. B. Plasmodien, Leishmanien oder Trypanosomen.
Allergische Reaktionen können ebenfalls nicht vermieden werden ([Tab. 6]).
Obwohl Blutprodukte heute als so sicher wie nie gelten, muss ebenfalls vor
dem Hintergrund der bleibenden transfusionsassoziierten Risiken die
Indikation zur Transfusion immer kritisch abgewogen werden.
Tab. 6 Unerwünschte Nebenwirkungen [3], [32].
unerwünschte Nebenwirkungen
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Risiko pro transfundierter Einheit
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* Testung auf Antikörper und Virusgenom (PCR
[Polymerasekettenreaktion]) BG: Blutgruppe; GvHD:
Transplantat-gegen-Wirt-Erkrankung; HBV: Hepatitis-B-Virus;
HCV: Hepatitis-C-Virus; HIV: humanes Immundefizienzvirus;
IgA: Immunglobulin A; IgE-AK: Immunglobulin-E-Antikörper;
PTP: posttransfusionelle Purpura; TACO:
transfusionsassoziierte Volumenüberlastung; TRALI:
transfusionsassoziierte akute Lungeninsuffizienz
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transfusionsassoziierte Virusinfektionen
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1 : 4,3 Mio diagnostische Fensterphase
8–10 Tage* 1 : 360 000 diagnostische
Fensterphase
22 Tage* 1 : 10,88 Mio diagnostische
Fensterphase 6–7 Tage*
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bakterielle Kontamination (Sepsis)
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1 : 1 × 104–1 × 105
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übertragbare Form der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung (vCJK)
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Verdachtsfälle u. a. in Großbritannien; keine
Verdachtsfälle in Deutschland
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Parasitosen
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Einzelfälle
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hämolytische Transfusionsreaktion, verzögert
(Alloantikörper) tödlicher Ausgang
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1 : 1 × 104–1 × 105
1 : 1 × 106
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hämolytische Transfusionsreaktion
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1 : 1 × 104 –
1 × 105
1 : 5–10 × 105
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febrile, nicht hämolytische Transfusionsreaktion
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< 1 : 103
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allergische Transfusionsreaktion (IgE-AK des Empfängers,
Anti-IgA-Mangel) schwerer Verlauf
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ca. 1 : 200 1 : 1 × 105
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TRALI
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1 : 1 × 104 –
1 × 105
1 : 1 × 106
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TACO
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bis 8 % (1 : 12,5)
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GvHD
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Einzelfälle
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PTP
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Einzelfälle
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Lagerungseffekte
Bei gelagerten Erythrozyten kommt es, abhängig von der Lagerungsdauer, zu
Veränderungen ([Tab. 7]) [4]:
Tab. 7 Lagerungsschäden bei Erythrozytenkonzentraten
[4].
2,3-DPG: 2,3-Diphosphoglycerat ATP:
Adenosintriphosphat; K+: Kaliumion; LDH:
Laktatdehydrogenase; IL-1: Interleukin-1; IL-8:
Interleukin-8; MHC-I-AG:
Haupthistokompatibilitätskomplex-I-Antigen; TNF:
Tumornekrosefaktor
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Erythrozyten
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Plasmaüberstand
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Freisetzung von K+, LDH, Histamin,
Zytokinen (IL-1, IL-8, TNF) und bioaktiven
Substanzen (eosinophiles kationisches Protein,
eosinophiles Protein X, Myeloperoxidase, Lipide),
lösliche MHC I-AG
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morphologischer Formwandel (z. B. Auftreten von Kugelzellen und
Stechapfelformen) und Verminderung der Verformbarkeit
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Abnahme des 2,3-DPG-Gehalts (DPG: Diphosphoglycerat) mit
Linksverschiebung der Sauerstoffdissoziationskurve
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Zunahme der Laktatkonzentration
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Freisetzung von erythrozytären Inhaltsstoffen (z. B. Kalium,
Laktatdehydrogenase, Hämoglobin)
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Abnahme des S-Nitrosohämoglobins der Erythrozyten (Transportform des NO
im Kreislauf)
Diese sogenannten Lagerungsschäden sind z. T. nach der Transfusion in vivo
innerhalb von 48–72 Stunden reversibel. Lagerungsschäden sind vermutlich für die
Gewebeoxygenierung und den Verlauf der Erkrankung transfundierter Patienten von
Bedeutung.
Bei gelagerten Erythrozyten kann es u. a. zu morphologischem Formwandel,
Verminderung der Verformbarkeit und Abnahme des 2,3-DPG-Gehalts kommen.
Klinische Studien zu den Auswirkungen der Lagerungsdauer auf die
Gewebeoxygenierung kamen zu widersprüchlichen Ergebnissen. Assoziationen
zwischen der Zunahme der Lagerungsdauer transfundierter Erythrozyten und der
Mortalität, der Morbidität, der Inzidenz von Infektionen und multipler
Organdysfunktionen sowie der Krankenhausliegedauer wurden bei retrospektiven
Analysen nach Trauma und großen Operationen sowie bei kritisch kranken
Erwachsenen festgestellt [5]. Im Gegensatz dazu fand
die retrospektive Analyse aller Patienten, die in Dänemark und Schweden zwischen
den Jahren 1995 und 2002 mindestens 1 Blutkonserve erhalten hatten, ein
tendenziell erhöhtes Sterblichkeitsrisiko nur nach Transfusion von
Erythrozytenkonzentraten, die länger als 30 Tage gelagert waren [6]. Eine Metaanalyse bestätigt dagegen einen
Zusammenhang zwischen der Transfusion von länger gelagertem Blut und erhöhter
Sterblichkeit [7]. Im Gegensatz dazu konnte jüngst in
einer Studie an Patienten, die sich einer Hüft- oder Knieoperation unterziehen
mussten, gezeigt werden, dass die Transfusion als solches mit einer erhöhten
Mortalitätsrate einhergeht, dass jedoch innerhalb der Patientengruppe, die
Erythrozytenkonzentrattransfusionen erhalten hatten, die Lagerungsdauer keine
Einfluss auf die Mortalitätsrate hatte [8]. Als
Ursache werden lagerungsbedingte Strukturveränderungen,
Funktionsbeeinträchtigungen und die 2,3-DPG-Verarmung der Erythrozyten sowie die
o. g. zellulären und bioaktiven Bestandteile im Plasmaüberstand, die eine
immunmodulatorische Wirkung haben, diskutiert. Eine ganz aktuelle,
retrospektive, an 6994 erwachsenen operativen Patienten mit unterschiedlichen
Grunderkrankungen durchgeführte Auswertung zeigte ebenfalls keine Assoziation
zwischen Lagerungsalter der transfundierten Erythrozytenkonzentrate und
postoperativer Mortalität (Hazard Ratio 0,99 [0,94–1,04]; p = 0,64) [9].
Die klinische Bedeutung der Lagerungsschäden kann derzeit nicht abschließend
beurteilt werden. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die klinischen
Daten aus retrospektiven Kohortenstudien stammen und ein Teil dieser Studien
vor Einführung der Leukozytendepletion (in Deutschland seit dem Jahr 2000)
durchgeführt wurde, bleibt die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die
heutige Situation unklar.
Daher wird in den gültigen Leitlinien der Bundesärztekammer (BÄK) empfohlen,
innerhalb der zugelassenen Lagerungsdauer nicht generell kurz
gelagerte EK anzufordern.
Eine Tumorrezidive und Metastasierung begünstigende Wirkung gelagerter EK wird
kontrovers diskutiert, ohne dass derzeit eine abschließende Bewertung möglich
ist [10].
Die Tatsache, dass trotz ständiger Optimierungsschritte bei Auswahl, Herstellung
und Lagerung von Blutkomponenten dennoch bei der Transfusion immer ein, wenn
auch geringes, gesundheitliches Restrisiko für den Patienten bleibt, und die
Tatsache, dass die Ressource Blut limitiert ist, erfordern einen
verantwortungsvollen Umgang mit Blutprodukten. Eine Auswertung aus Österreich
[11] lässt den Eindruck aufkommen, dass trotz
bestehender Leitlinien die Transfusionsinzidenz bei definierten, identischen
Eingriffen (Hüft- und Knie-TEP [TEP: totale Endoprothese], Kolon- und
aortokoronare Bypasschirurgie) und vergleichbaren Blutungsverlusten oft
erheblich zwischen den Kliniken differieren.
Die Entscheidung zur Transfusion muss mit konkreter Zielsetzung – und damit nicht
aus Intuition heraus – sondern, wenn immer möglich, evidenzbasiert d. h.
rational getroffen werden. Außerdem verlangen die aktuellen Richtlinien zur
Hämotherapie und das Transfusionsgesetz die Dokumentation der der Transfusion
zugrunde liegenden Indikation [1].
Die Indikation zur Transfusion ist bei jeder Gabe eines Blutpräparats zu
prüfen und zu dokumentieren.
Grundlagen der Sauerstoffversorgung und physiologische Kompensationsmechanismen
bei Anämie
Grundlagen der Sauerstoffversorgung und physiologische Kompensationsmechanismen
bei Anämie
Die physiologische Hauptaufgabe der Erythrozyten ist der Sauerstofftransport zu den
Geweben und der Abtransport von Kohlenstoffdioxid von den Geweben. Darüber hinaus
dienen sie dem Transport von Protonen, Ionen, organischem Phosphat und
Stickstoffmonoxid sowie der Aufrechterhaltung der Hämostase. Erythrozyten sind
kernlos und haben einen Durchmesser von 7,5–8,7 µm, ein Volumen von 80–100 fl und
eine Oberfläche von 136 µm2. Durch ihre bikonkave Form und
Lipiddoppelschichtmembran können sie anschwellen und ihr Volumen fast verdoppeln,
aufgrund ihrer Verformbarkeit jedoch ebenfalls Kapillaren mit einem Durchmesser von
2,8 µm passieren. Unter physiologischen Ruhebedingungen werden beim
normalgewichtigen Menschen ca. 1000 ml Sauerstoff/min transportiert bei einem
Verbrauch von nur ca. 200–300 ml/min. Aufgrund dieser breiten
Sauerstoffangebotsreserve kann, auch bei akutem Mehrverbrauch (z. B. körperlicher
Anstrengung) oder bei einem Abfall der Hämoglobinkonzentration auf
2/3 des normalen Ausgangswerts (z. B. von 15 g/dl auf
10 g/dl), die Sauerstoffversorgung der Gewebe aufrechterhalten werden ([Tab. 8]).
Die physiologische Hauptaufgabe der Erythrozyten ist der Sauerstofftransport zu
den Geweben und der Abtransport von Kohlenstoffdioxid von den Geweben.
Tab. 8 Primäre Mechanismen zur Kompensation des verminderten
Sauerstoffgehalts des Blutes bei akuter Anämie.
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Dabei wird der Sauerstoffmehrverbrauch bzw. der verminderte Sauerstoffgehalt im Blut
bei akuter Anämie durch Anstieg des Blutflusses (Herzzeitvolumen), Steigerung der
Sauerstoffextraktion aus dem arteriellen Blut sowie Umverteilung der Durchblutung
zwischen den Organsystemen und in der Mikrozirkulation kompensiert.
Bei akutem Blutverlust können gesunde Individuen unter strikter Aufrechterhaltung
der Normovolämie die globale Sauerstoffversorgung bis zu einer
Hämoglobinkonzentration von circa 6 g/dl (3,7 mmol/l) aufrechterhalten, ohne
dass dauerhafte hypoxische Schäden entstehen.
Besteht allerdings simultan mit der akuten Anämie außerdem eine akute Verminderung
des Blutvolumens z. B. bei akuter Blutung bzw. im hämorrhagischen Schock, sind die
Kompensationsmechanismen nicht mehr wirksam und es kommt frühzeitiger zu einer
Hypoxie. Aus therapeutischer Sicht ist es daher zwingend, zwischen hypo- und
normovolämischer Anämie zu differenzieren.
Bei chronischer Anämie treten langfristige Adaptationsmechanismen, wie die Steigerung
der Erythrozytenbildung und die Zunahme der intraerythrozytären Konzentration an
2,3-DPG auf, wodurch die Sauerstoffaffinität des Hämoglobins abnimmt bzw. die
Sauerstoffdissoziationskurve nach rechts verschoben wird. Darüber hinaus zeigen sich
kardiovaskuläre Veränderungen, die dauerhaft eine Steigerung des Herzzeitvolumens
sowie des Blutflusses ermöglichen [12] ([Tab. 9]).
Bei chronischer Anämie treten langfristige Adaptationsmechanismen, z. B.
Steigerung der Erythrozytenbildung und Zunahme der intraerythrozytären
Konzentration an 2,3-DPG, auf.
Tab. 9 Primäre Mechanismen zur Kompensation des verminderten
Sauerstoffgehalts des Blutes bei chronischer Anämie [12].
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Zunahme der intraerythrozytären Konzentration an
2,3-Diphosphoglycerat (2,3-DPG), wodurch die
Sauerstoffaffinität des Hämoglobins abnimmt bzw. die
Sauerstoffdissoziationskurve nach rechts verschoben
wird
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Das Ausmaß der physiologischen Fähigkeit des Organismus, bei einer akuten Anämie den
Verlust an Sauerstofftransportkapazität zu kompensieren, ist jedoch individuell
unterschiedlich. Es wird von Alter, allgemeinem Gesundheitszustand, aktuellem
klinischen Zustand, intravasalem Blutvolumen und Erkrankungen, die mit den primären
physiologischen Kompensationsmechanismen interferieren (z. B. koronare oder
zerebrovaskuläre Gefäßerkrankungen, Herzinsuffizienz) beeinflusst.
Erst nach Erschöpfung der physiologischen Kompensationsmechanismen kommt es zur
Minderversorgung der Gewebe mit Sauerstoff, d. h. zur Hypoxie, die, wenn sie auf der
kritischen Reduktion der Hämoglobinkonzentration beruht, als „anämische Hypoxie“
bezeichnet wird.
Indikationen zur Transfusion bei akuter Anämie
Indikationen zur Transfusion bei akuter Anämie
Bei der Indikationsstellung zur Erythrozytentransfusion müssen neben Faktoren, welche
die physiologische Kompensationsfähigkeit bei Anämie limitieren, auch
anämiespezifische Faktoren berücksichtigt werden. Hierzu zählen Ursache, zeitlicher
Verlauf, Dauer und Schweregrad der Anämie.
Die individuell unterschiedliche, physiologische Kompensationsfähigkeit und die
variable Dynamik der Anämie machen verständlich, dass die gemessene
Hämoglobinkonzentration über weite Bereiche nicht mit der Ausprägung der klinischen
Symptome der Anämie korreliert. Folglich kann die Hämoglobinkonzentration allein
kein suffizientes Kriterium zur Diagnose einer anämischen Hypoxie bzw. der alleinige
Transfusionstrigger sein. Das wird in den aktuellen Leitlinien ausdrücklich
hervorgehoben [13].
Vielmehr müssen zur Indikationsstellung einer Transfusion bei laborchemisch
gesicherter Anämie und Normovolämie zusätzliche klinische Symptome, die sog.
„physiologischen Transfusionstrigger“, berücksichtigt werden, die auf eine anämische
Hypoxie hinweisen können ([Tab. 10]). Sie sind
Indikatoren dafür, dass die Fähigkeit eines individuellen Organismus zur
Kompensation einer Anämie erschöpft ist, und stellen somit – zumindest aus
physiologischer Sicht – die definitive Indikation zur Erythrozytentransfusion
dar.
Treten physiologische Transfusionstrigger auf, muss i. d. R. zum Ausschluss einer
manifesten anämischen Hypoxie ein Erythrozytenkonzentrat transfundiert werden.
Dabei ist das therapeutische Ziel der Transfusion die Vermeidung bzw. Therapie
der manifesten anämischen Hypoxie und nicht die Normalisierung der
Hämoglobinkonzentration.
Tab. 10 Physiologische Transfusionstrigger [3].
O2: Sauerstoff; PO2: Sauerstoffdruck
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Kardiopulmonale Symptome
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Tachykardie (z. B. > 110/min oder > 25 % über
Ausgangswert)
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Hypotension (art. Mitteldruck < 60 mmHg o. Abfall
> 25 %)
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Blutdruckabfall unklarer Genese
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Dyspnoe
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Ischämietypische EKG-Veränderungen
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Neu auftretende ST-Senkungen (> 0,2 mV)
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Neu auftretende ST-Hebungen > 0,2 mV
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Neu auftretende Rhythmusstörungen
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Neue myokardiale Kontraktionsstörungen im
Echokardiogramm
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Globale Indices einer unzureichenden
Sauerstoffversorgung
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Anstieg der globalen O2-Extraktion > 50 %
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Abfall der O2-Aufnahme > 10 % vom Ausgangswert
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Abfall der gemischtvenösen O2-Sättiging < 50 %
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Abfall des gemischtvenösen PO2 < 32 mmHg
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Abfall der zentralvenösen O2-Sättigung < 60 %
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Laktatazidose (Laktat > 2 mmol/l + Azidose)
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An gesunden Probanden erhobene Befunde zeigen, dass unter normovolämischen
Bedingungen die Sauerstoffversorgung erst bei einem Abfall der
Hämoglobinkonzentration unter ca. 5 g/dl kritisch vermindert wird [12].
Für kardiovaskuläre Risikopatienten mit koronarer Herzkrankheit, Herzinsuffizienz
oder zerebrovaskulärer Erkrankung liegen keine ausreichenden Daten für eindeutige
Empfehlungen vor. Auf Basis der vorhandenen Daten kann jedoch geschlossen werden,
dass diese Patienten bei hämodynamischer Stabilität und ohne Anzeichen einer
anämischen Hypoxie bei Hb-Konzentrationen zwischen 8 und 10 g/dl nicht von
Erythrozytentransfusionen profitieren, wie eine jüngst publizierte, große
randomisierte und kontrollierte Untersuchung an älteren kardialen Risikopatienten
(KHK [koronare Herzkrankheit] oder Risikofaktoren für KHK), die sich einer
Hüftgelenksoperation unterzogen, zeigte [14].
Selbst Hämoglobinkonzentrationen von 7–8 g/dl (4,3–5,0 mmol/l, Hkt [Hämatokrit]
21–24 %) werden von kardiovaskulär stabilen Risikopatienten ohne bleibende
hypoxische Schädigungen toleriert. Erst ein Absinken der Hämoglobinkonzentration
unter 7 g/dl (< 4,3 mmol/l) geht mit einer Zunahme der Morbidität und Mortalität
einher [15].
Für die Versorgung von Schwer- und Mehrfachverletzten (Polytrauma) mit massiver
Blutung empfiehlt die aktuelle S3-Leitlinie Polytrauma/Schwerverletztenbehandlung,
dass die Therapie mit Blutprodukten entsprechend einem spezifischen
Massivtransfusionsprotokoll erfolgen sollte [16]. Da
Erythrozyten an der primären Hämostase beteiligt sind und sich eine signifikante
Beeinträchtigung der Gerinnung deutlich vor einer Beeinflussung der Oxygenierung
entwickelt, wird weiterhin empfohlen, dass bei aktiv blutenden Patienten die
Indikation zur Erythrozytentransfusion bei Hb-Werten unter 10 g/dl gestellt und der
Hämatokrit bei 30 % gehalten werden sollte.
Da Erythrozyten an der primären Hämostase beteiligt sind, wird bei massiver
aktiver Blutung empfohlen, einen Hämoglobinwert von 10 g/dl (Hkt 30 %)
anzustreben.
Die für polytraumatisierte Patienten geltende Vorgehensweise sollte analog bei
anderen Patienten mit aktiver, massiver und unkontrollierter Blutung angewendet
werden. Neben der Transfusion von Erythrozyten muss bei diesen Patienten außerdem
an
die rechtzeitige Substitution von Gerinnungsfaktoren und Thrombozyten gedacht
werden.
Auf Basis der verfügbaren Studiendaten wurden in den Leitlinien der Bundesärztekammer
Empfehlungen zur Transfusion von Erythrozyten bei akuter Anämie unter
Berücksichtigung der aktuellen Hämoglobinkonzentration, physiologischen
Kompensationsmechanismen, vorhandener kardiovaskulärer Risikofaktoren und klinischen
Hinweisen auf eine manifeste anämische Hypoxie (physiologische Transfusionstrigger)
zusammengefasst ([Tab. 10]).
Unbestritten ist, dass in bestimmten Situationen wie z. B. bei aktiver Blutung und
Zeichen der Hypoxie (physiologische Transfusionstrigger), im hämorrhagischen Schock,
bei Unterschreiten eines, individuell allerdings schwer diagnostizierbaren,
kritischen Hämoglobinwerts sowie bei Austauschtransfusionen des Neugeborenen die
rechtzeitige Gabe von Erythrozytenkonzentraten absolut indiziert ist, um hypoxische
Schäden zu vermeiden – zumindest wenn keine andere, mindestens gleichwertige
Therapie zur Verfügung steht.
Unbestritten ist, dass in bestimmten Situationen die rechtzeitige Gabe von
Erythrozytenkonzentraten absolut indiziert ist, um hypoxische Schäden zu
vermeiden.
Therapeutisches Ziel der Erythrozytentransfusion
Bei der Indikationsstellung zur Erythrozytentransfusion wird implizit davon
ausgegangen, dass durch die Transfusion der Krankheitsverlauf günstig
beeinflusst wird. Je nach therapeutischem Ziel wird erwartet, dass durch die
Transfusion die Gewebeoxygenierung verbessert, die Mortalität oder Morbidität
vermindert, die Inzidenz kardiovaskulärer, zerebrovaskulärer oder pulmonaler
Komplikationen günstig beeinflusst sowie das Infektionsrisiko gesenkt werden.
Weitere Ziele sind, die Rekonvaleszenz zu beschleunigen oder die Lebensqualität
zu verbessern. Nach heutigem Kenntnisstand ist jedoch vielfach unklar, ob
überhaupt, in welcher Situation oder ab welchem Schweregrad einer Anämie diese
therapeutischen Ziele durch die Erythrozytentransfusion erreicht werden können
[17].
So ist eine Verbesserung der Gewebeoxygenierung durch die Transfusion von
Erythrozyten nur dann zu erwarten, wenn eine bestehende Gewebehypoxie –
zumindest teilweise – durch eine kritische Verminderung der Sauerstoffträger
bedingt ist, d. h. eine „anämische“ Komponente hat. Dies trifft z. B. im
hämorrhagischen Schock oder bei Unterschreiten des kritischen Hämatokrits zu.
Liegt keine anämische Hypoxie(-komponente) vor, werden Erythrozyten die
Gewebeoxygenierung nicht verbessern. Dies bestätigen Untersuchungen an
Intensivpatienten, die bei moderater Anämie (Hb ca. 8,0–0,0 g/dl) keine
Verbesserung der Sauerstoffaufnahme und Gewebeoxygenierung durch
Erythrozytentransfusionen feststellten [18].
Ein positiver therapeutischer Effekt von Erythrozytentransfusionen auf die
Sterblichkeit oder die Morbidität konnte in zahlreichen, allerdings meist
retrospektiven Beobachtungsstudien an unterschiedlichen Patientengruppen
(Trauma- und Intensivpatienten, herz-, gefäß- und allgemeinchirurgische
Patienten) bisher nicht nachgewiesen werden [19]. Im
Gegenteil: In der Mehrzahl der Studien hatten transfundierte im Vergleich zu
nicht transfundierten Patienten eine schlechtere Prognose und höhere
Komplikationsraten (Infektionen, Wundheilungsstörungen, pulmonale
Komplikationen, verlängerte Liegedauer). Dabei scheint nicht nur die
Massivtransfusion, sondern bereits die Gabe von wenigen Erythrozytenkonzentraten
eine Relevanz zu besitzen. Bei herz- und allgemeinchirurgischen Patienten waren
wenige perioperative Transfusionen (≤ 2 Einheiten) mit einer erhöhten
Sterblichkeit und einer höheren Inzidenz an Komplikationen assoziiert [19].
Einschränkend muss berücksichtigt werden, dass aufgrund des retrospektiven
Studiendesigns („Selection-Bias“, d. h. nicht berücksichtigte Störfaktoren und
dadurch bedingte nicht erkannte Imbalancen im untersuchten Patientengut sowie
keine definierten Transfusionsindikationen) und der unterschiedlichen Qualität
der verabreichten Blutprodukte (z. B. leukozytendepletiert vs. nicht depletiert,
verschiedene Lagerungszeiten) trotz des scheinbar eindeutigen statistischen
Zusammenhangs zwischen Erythrozytentransfusion und ungünstiger Prognose nicht
sicher auf einen kausalen Zusammenhang geschlossen werden kann. Die Möglichkeit
des „Selection-Bias“ durch nicht balancierte Störfaktoren unterstreicht eine
aktuelle Studie [20]: Bei definierten chirurgischen
Eingriffen wurden sowohl transfundierte mit nicht transfundierten Patienten als
auch Zentren mit hoher und niedriger Transfusionsrate verglichen. Es bestätigte
sich der negative Effekt der Transfusion auf die Sterblichkeit im direkten
Patientenvergleich, nicht jedoch im Zentrenvergleich. Obwohl die
Transfusionsraten sich zwischen den in unterschiedlichen Zentren operierten
Patienten drastisch unterschieden, konnte kein Einfluss der Transfusion auf die
Prognose festgestellt werden.
Festzuhalten bleibt daher, dass nach heutigem Kenntnisstand durch die Transfusion
von Erythrozyten das angestrebte therapeutische Ziel häufig nicht erreicht wird;
ob Transfusionen tatsächlich mit negativer Prognose assoziiert sind, bleibt
offen.
Voraussetzung für die therapeutische Effizienz einer Erythrozytentransfusion
ist das Vorliegen einer anämischen Hypoxie(-komponente). In diesem Fall
führt die Gabe von Erythrozyten zu einer Verbesserung der
Gewebeoxygenierung.
„Liberale“ vs. „restriktive“ Indikation zur Erythrozytentransfusion
Aufgrund der Hinweise auf eine ungünstige Beeinflussung der Prognose durch
Erythrozytentransfusionen wurden klinische Studien initiiert, in denen meist
„Standard-Transfusionsindikationen“ (Hb < 10 g/dl) mit restriktiveren und die
individuelle Physiologie berücksichtigenden Konzepten verglichen wurden.
Prospektive, randomisierte und kontrollierte Studien an erwachsenen
Intensivpatienten [21], an herzchirurgischen
Patienten [22] und an älteren kardiovaskulären
Risikopatienten [14] kommen übereinstimmend zu dem
Ergebnis, dass bei moderater Anämie (Hb 7,0–10,0 g/dl) und ohne aktive Blutung
die Transfusion von Erythrozytenkonzentraten auf Hb-Werte über 10,0 g/dl
(„liberale Transfusionsstrategie“) die Sterblichkeit und die Morbidität
gegenüber „restriktiveren“ Transfusionsindikationen (Hb ca. 7,0–9,0 g/dl) nicht
verbessert. Jüngere, unter 55 Jahre, oder weniger schwer erkrankte
Intensivpatienten (APACHE-Score [APACHE: Acute Physiology And Chronic
Health] < 20 Punkte) überlebten signifikant häufiger, wenn die Indikation zur
Transfusion zurückhaltend gestellt und moderat anämische Hb-Werte toleriert
wurden [21].
Von besonderer klinischer Relevanz ist die Studie von Carson und Mitarbeitern
(FOCUS-Trial). Sie verglich prospektiv an älteren (> 50 Jahre) kardialen
Risikopatienten (KHK oder Risikofaktoren für KHK), die sich einer Hüftoperation
unterzogen, ein liberales Transfusionsschema (Erythrozytentransfusionen bei
einem Hb-Wert < 10 g/dl) mit einem restriktiven Tranfusionsschema
(Erythrozytentransfusionen bei Symptomen einer Anämie bzw. bei einem Hb-Wert
< 8 g/dl). Als klinische Symptome der Anämie galten: akute thorakale
Schmerzen (V. a. Angina Pectoris), akute Herzinsuffizienz, Tachykardie und
Hypotension. Die primären Studienendpunkte waren die Mortalität sowie die
Fähigkeit, gehen zu können, beobachtet in einem postoperativen 60-Tage-Zeitraum
[14] ([Tab. 11]). Es
zeigte sich, dass zwischen beiden randomisierten Patientengruppen kein
Unterschied hinsichtlich Mortalität, der Inzidenz kardio- und zerebrovaskulärer
Symptome oder der postoperativen körperlichen Belastbarkeit (der Fähigkeit, ohne
fremde Hilfe laufen zu können) bestand. Während bei liberaler
Indikationsstellung 97 % der Patienten mindestens 1 Transfusion erhielten, waren
es in der restriktiven Gruppe nur 40 %.
Tab. 11 Liberales vs. restriktives Transfusionsregime:
Ergebnis 60 Tage nach der OP [14].
Transfusionsindikation
|
liberales Transfusionsregime
|
restriktives, symptomorientiertes Transfusionsregime
|
Hb: Hämoglobin; EK: Erythrozytenkonzentrat
|
Anzahl der Patienten
|
1007
|
1009
|
Hb vor Transfusion (g/dl)
|
9,2 ± 0,5
|
7,9 ± 0,6 (p < 0,001)
|
Outcome 60 Tage post-OP
|
|
|
EK transfundiert
|
1866
|
652
|
Sterblichkeit
|
7,6 %
|
6,6 % (p = 0,34)
|
unfähig zu laufen
|
27,6 %
|
28,1 %
|
kardiale Komplikationen
|
4,3 %
|
5,2 %
|
zerebrovaskuläre Komplikationen
|
0,8 %
|
0,3 %
|
Eine aktuelle Metaanalyse der Cochrane Library bestätigt die Ergebnisse der
genannten klinischen Studien [23]. Eine restriktive
Indikationsstellung zur Transfusion vermindert das Risiko der Blutübertragung
(RR [relatives Risiko] 0,66; 95 %-KI [Konfidenzintervall] 24–45 %), die Anzahl
der transfundierten Erythrozyteneinheiten (− 1,19, 95 %-KI 0,53–1,85) und die
Krankenhausmortalität (RR 0,77; 95 %-KI 0,62–0,95). Hinsichtlich der
30-Tage-Mortalität (RR 0,85; 95 %-KI 0,70–1,03), kardialer Komplikationen,
Myokardinfarkte, thromboembolischer Ereignisse, der funktionellen Erholung
(Rekonvaleszenz), der Inzidenz von Pneumonien und der Liegedauer
(Intensivstation, Krankenhaus) sind restriktive Transfusionsstrategien den
liberaleren ebenbürtig.
Aufgrund dieser Datenlage empfehlen die aktuellen Leitlinien, bei Patienten ohne
spezifische kardio- oder zerebrovaskuläre Risiken und ohne aktive Blutung die
Indikation zur Transfusion von Erythrozyten restriktiv zu stellen und keine
Normalisierung der Hämoglobinkonzentration anzustreben ([Tab. 12]).
Abhängig von der Patientenklientel geht ein restriktives Transfusionsschema
mit keinen gesundheitlichen Nachteilen und möglicherweise für bestimmte
Patienten sogar mit Vorteilen einher.
Tab. 12 Empfehlungen zur Transfusion von
Erythrozytenkonzentraten bei Erwachsenen [3].
Hb-Bereich
|
Kompensationsfähigkeit/Riskofaktoren
|
Eine Transfusion sollte erfolgen:
|
EKG: Elektrokardiogramm; Hkt: Hämatokrit; KHK: koronare
Herzkrankheit
|
≤ 5 g/dl (≤ 3,1 mmol/l)
|
(Hkt von ca. 15 %) muss bei normaler Herz-Kreislauf-Funktion
und Normovolämie als kritischer Grenzwert der absoluten
Transfusionsindikation angenommen werden!
|
ja
|
≤ 6 g/dl (≤ 3,7 mmol/l)
|
—
|
ja
|
> 6–8 g/dl (> 3,7–5,0 mmol/l)
|
Kompensation adäquat, keine Risikofaktoren
|
nein
|
> 6–8 g/dl
|
Kompensation eingeschränkt, Risikofaktoren (KHK,
Herzinsuffizienz, zerebrovaskuläre Insuffizienz)
|
ja
|
> 6–8 g/dl
|
Hinweis auf anämische Hypoxie (Tachykardie, Hypotension,
EKG-Ischämie, Laktatazidose)
|
ja
|
< 7–8 g/dl (< 4,3–5,0 mmol/l)
|
chronische Anämie
|
ja
|
> 10 g/dl (≥ 6,2 mmol/l)
|
Kompensation adäquat
|
nein
|
Indikation zur Transfusion bei chronischer Anämie
Indikation zur Transfusion bei chronischer Anämie
Grundsätzlich wird eine langsam entstehende, chronische Anämie besser toleriert als
eine akute. Patienten ohne kardiovaskuläre Erkrankungen können bei Normovolämie
extrem niedrige Hämoglobin- und Hämatokritwerte gut kompensieren. Dennoch kann eine
chronische Anämie den klinischen Verlauf einer Erkrankung verschlechtern (z. B. bei
Herzinsuffizienz) und die Mortalitätsraten erhöhen [24].
Durch Anheben der Hämoglobinkonzentration kann die objektive Belastbarkeit und das
subjektive Wohlbefinden betroffener Patienten mit chronischer Anämie verbessert
sowie die Rate an stationären Behandlungen reduziert werden.
Bei Patienten mit chronischer, renaler Anämie verbesserte die Normalisierung der
Hämoglobinkonzentration auf Werte von 13–15 g/dl gegenüber moderat anämischen
Werten von 11–13 g/dl zwar die subjektive Lebensqualität, die Inzidenz von
anämiebedingten Komplikationen (z. B. kardiovaskulär) wurde dadurch aber nicht
weiter reduziert [25].
Kardiovaskuläre Risikopatienten mit chronischer Anämie profitieren von höheren
Hämoglobinkonzentrationen.
Kardiovaskuläre Risikopatienten (koronare oder zerebrovaskuläre Gefäßerkrankung,
Herzinsuffizienz) mit chronischer Anämie profitieren von höheren
Hämoglobinkonzentrationen. So werden insbesondere bei schwerer Herzinsuffizienz das
Überleben, die Belastungsfähigkeit und die Lebensqualität verbessert [24].
Wenn bei Patienten mit chronischer Anämie akute Blutverluste auftreten, ist zu
beachten, dass dieselben Kompensationsmechanismen wirksam werden wie bei Patienten
ohne chronische Anämie. Es gelten bei diesen Patienten daher dieselben
Therapiegrundsätze und Indikationen zur Erythrozytentransfusion wie bei Patienten
ohne vorbestehende chronische Anämie.
Patienten mit einer chronischen Anämie infolge primärer oder sekundärer
Knochenmarkinsuffizienz sollten grundsätzlich so wenig wie möglich transfundiert
werden, insbesondere, wenn eine spätere Knochenmark- bzw. Stammzelltransplantation
infrage kommt. Es liegen bezüglich der Erythrozytentransfusionen bei diesen
Patientengruppen keine Daten vor. Sie werden jedoch wie schwerkranke Patienten
behandelt. Der Transfusionstrigger liegt bei Hämoglobinkonzentrationen < 8–7 g/dl
(< 5,0–4,3 mmol/l). Der Transfusionsbedarf kann durch Erythropoetingaben zum Teil
reduziert werden. Nach derzeitigem Kenntnisstand kann Erythropoetin bei Patienten
mit malignen Erkrankungen negative Wirkungen zeigen, daher sollte die Anwendung auf
Patienten unter Chemotherapie beschränkt bleiben.
Bei Patienten mit chronischer Anämie (Hämoglobinkonzentration < 8–7 g/dl
[< 5,0–4,3 mmol/l] sollten EK transfundiert werden.
Für die Behandlung von Patienten mit nicht immunologisch bedingten, hämolytischen
Anämien gelten dieselben Grundsätze wie bei Anämien infolge von
Bildungsstörungen.
Indikation zur Transfusion in der Pädiatrie und Neonatologie
Indikation zur Transfusion in der Pädiatrie und Neonatologie
Empfehlungen zur Transfusionsindikation und -dosierung unterschiedlicher Blutprodukte
wurden erstmal in dieser Umfänglichkeit im Jahr 2002 von Roseff et al.
zusammengestellt [26]. Sie gelten für Kinder nach dem
4. Lebensmonat unverändert bis heute und definieren, mit Ausnahme bei schwerer
kardialer und pulmonaler Erkrankung, einen Hämatokrit von < 24 % (Hb-Wert von
8 g/dl) als Transfusionstrigger ([Tab. 13]). Jüngere
Studie zeigen, analog zu Erwachsenen, dass ebenfalls bei dieser Patientengruppe aus
einer restriktiven Transfusionsindikation (Hb < 7 g/dl) verglichen mit einem
liberalen Transfusionsregime (Hb < 9,5 g/dl) keine gesundheitlichen Nachteile
resultieren. Bei Kindern (Alter 3 Tage bis 14 Jahre) auf Intensivstationen zeigte
sich, dass die restriktive Transfusionsindikation zu einer niedrigeren
Transfusionsrate führte, ohne dass negative Einwirkungen auf den klinischen Verlauf
zu verzeichnen waren [27]. Es wurden keine Unterschiede
hinsichtlich der Mortalität, progressiver multipler Organdysfunktionen, nosokomialen
Infekten und der Beatmungsdauer festgestellt.
Tab. 13 Indikation zur Transfusion bei Kindern
> 4. Lebensmonat [3].
Präoperative Anämie und ein Hämatokrit < 24 %
|
Blutverlust ≥ 25 % des Blutvolumens
|
Symptomatische Anämie und Hämatokrit < 24 %
|
Chemotherapie und/oder Radiotherapie und ein Hämatokrit
< 24 %
|
Schwere kardiale oder pulmonale Erkrankungen und ein Hämatokrit
< 40 %
|
Symptomatische Sichelzellanämie oder andere hereditäre Anämie
|
Dies gilt nicht für Kinder mit Hypoxämie, instabilen Kreislaufverhältnissen, akutem
Blutverlust und zyanotischen Herzvitien, auch wenn in ersten Studien an kleinen
Fallzahlen (n = 125) bei Kindern, die sich einer Herzoperation unterziehen mussten,
vergleichbare Ergebnisse erhoben werden konnten [28]. Bei
diesen Patienten sollte ein Hämatokritwert von ≥ 30 % angestrebt werden.
Gemäß der aktuellen Literatur ist bei Kindern die Erythrozytentransfusion mit
einem höheren Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko assoziiert, sodass als
Transfusionstrigger ein Hb-Wert von 7 g/dl empfohlen wird. Hiervon ausgenommen
sind Früh- und Neugeborene. Die Präparate sollten nicht länger als 3 Wochen
gelagert sein.
Ebenfalls hiervon ausgenommen sind Früh- oder Neugeborene bis zum 4. Lebensmonat.
Die
von Roseff im Jahr 2002 definierten Empfehlungen werden, abhängig vom Lebensalter,
hinsichtlich der Transfusionstrigger Hämatokrit, Beatmung und Sauerstoffbedarf sowie
der klinischen Symptomatik in den aktuellen Leitlinien weiter präzisiert ([Tab. 14]).
Tab. 14 Indikation zur Transfusion bei Früh-/Neugeborenen und
Säuglingen bis zum 4. Lebensmonat [3].
Alter (Tage)
|
mittlerer Hämatokrit-Normwert (%)
|
Transfusionsindikation: Hämatokrit-Grenze und/oder
Indikationsliste
|
1
|
56
|
< 40
|
|
< 15
|
50
|
< 35
|
|
15–28
|
45
|
< 30
|
|
> 28
|
40
|
< 25
|
|
Vergleichsstudien im Hinblick auf restriktives vs. liberales Transfusionsschema
kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. So zeigt sich, dass bei liberaler
Erythrozytenkonzentrattransfusion chronische Lungenerkrankungen und Retinopathie
häufiger auftreten. Dem gegenüber steht die Feststellung, dass eine restriktive
Indikationsstellung mit häufigeren, neurologischen Komplikationen [29] und einer höheren Frequenz an Apnoe einhergeht [30].
Die Gabe von Erythrozytenkonzentraten bei Früh- oder Neugeborenen kann vermieden
werden, wenn in der 1. Woche nach der Geburt mit der Applikation von Erythropoetin
in Kombination mit oraler Eisensubstitution sowie Vitamin B12 und
Folsäure begonnen wird. Die Gabe von Erythropoetin wird auch bei Kindern mit
malignen Erkrankungen und Chemotherapie empfohlen.
Das Ziel, die Hypoxämie bei Früh- oder Neugeborenen durch die Transfusion zu
verbessern und somit die Beatmung zu reduzieren, wird oft nicht erreicht [29], so dass – analog zu Erwachsenen – ebenfalls bei
dieser Patientenklientel die Forderung gestellt wird, die Transfusionstrigger durch
weitere Studie kritisch zu überprüfen und den Trigger „Sauerstoffbedarf
(FiO2 [inspirierte Sauerstofffraktion] > 0,4)“ zu überdenken.
Die Transfusion von länger gelagerten Erythrozytenkonzentraten zeigt ein erhöhtes
Risiko für multiple Organdysfunktionen [31]. Die
aktuellen Leitlinien empfehlen bei bestimmten Behandlungen, z. B.
Austauschtransfusion, nur kurz gelagerte Erythrozytenkonzentrate zu verwenden [3].
Durchführung und Dokumentation der Transfusion
Durchführung und Dokumentation der Transfusion
Die Durchführung einer Transfusion erfolgt nach der Aufklärung über die Transfusion
und deren Risiken durch den zuständigen Arzt sowie die Einwilligung des Patienten
zu
dieser medizinischen Intervention.
Sofern der transfundierende Arzt die Aufklärung nicht selber vorgenommen hat,
muss er sich davon überzeugen, dass das Aufklärungsgespräch geführt wurde. Die
Dokumentation hierüber, vom Arzt und Patienten unterschrieben, sowie die
Einwilligung des Patienten müssen vorliegen.
Ist der Patient nicht geschäftsfähig, bspw. im Fall einer bestehenden Betreuung, muss
der gesetzliche Vertreter über die geplante Transfusion aufgeklärt werden.
Eingeschränkt ist der Umfang dieser Aufklärungspflicht im dokumentierten
Notfall.
Ist eine Aufklärung des Patienten vor der Anwendung von Blutprodukten nicht möglich,
z. B. in einer Notfallsituation, dann ist der Patient nachträglich über die
stattgefundene Anwendung und insbesondere die Infektions-, ggf. die
Immunisierungsrisiken, aufzuklären (Sicherungsaufklärung).
Vor der Transfusion muss eine eindeutige Sicherung der Patientenidentität erfolgen,
indem der Patient nach Vor- und Nachname sowie Geburtsdatum gefragt wird. Diese
Angaben werden mit den Angaben des Blutpräparatebegleitscheins abgeglichen. Weitere
produktbezogene Angaben auf diesem Dokument müssen mit dem Kreuzprobenetikett des
Erythrozytenkonzentrats abgeglichen werden. Darüber hinaus ist die
Kreuzprobenhaltbarkeit, das Ergebnis der Kreuzprobe, die Produkthaltbarkeit sowie
die Unversehrtheit des Erythrozytenkonzentrats zu überprüfen. Zudem sind Angaben auf
immunhämatologische Besonderheiten, z. B. das Vorliegen von Alloantikörpern und
entsprechend die Bereitstellung antigennegativ getesteter Erythrozytenkonzentrate,
zu prüfen.
Gleiches gilt für zusätzliche Produktbesonderheiten wie z. B. die Bestrahlung des
EK.
Vor der Transfusion wird aus einer frisch entnommenen Patientenblutprobe am Bett der
Bedside-Test durchgeführt, dessen Ergebnis mit der Patientenblutgruppe auf dem
Begleitschein und der Präparateblutgruppe abgeglichen werden muss [1].
Das Blutgruppenergebnis des BST mit Datum und Unterschrift des Arztes muss in der
Patientenakte dokumentiert werden.
Der Bedside-Test ist der entscheidende Schritt, um eine Patientenverwechslung und
somit das Risiko einer A-B-0-Verwechslung auszuschließen.
Nur wenn eine Blutgruppenübereinstimmung bzw. -kompatibilität vorliegt, darf die
Transfusion durchgeführt werden.
Für die Transfusion muss ein Standardtransfusionsbesteck mit Standardfilter verwendet
werden. Ein Infusionsbesteck ist nicht zulässig. Die Beimischung von Medikamenten
über den gleichen Zugang ist zwingend zu vermeiden.
Die Transfusionsgeschwindigkeit sollte dem klinischen Zustand des Patienten
angepasst werden.
Die Transfusionsgeschwindigkeit sollte dem klinischen Zustand des Patienten angepasst
werden. Bei kreislaufstabilen, erwachsenen Patienten mit einer hochgradigen Anämie
können bei Bedarf bis zu 4 Erythrozytenkonzentrate (entsprechend etwa 1000 ml) in
3–4 Stunden übertragen werden. Eine zu hohe Transfusionsgeschwindigkeit birgt das
Risiko einer TACO.
Eine Erwärmung gekühlter Erythrozytenkonzentrate ist in der Regel nicht erforderlich.
Ausnahmen sind Massivtransfusionen mit Zufuhr von mehr als 50 ml pro Minute, bereits
vor der Transfusion unterkühlte Patienten, Patienten mit einer chronischen
Kälteagglutininkrankheit und hochtitrigen Kälteantikörpern oder Patienten, die auf
den Kältereiz durch gekühltes Blut mit einem Vasospasmus reagieren. Zur
Bluterwärmung dürfen nur für diesen Zweck zugelassene Geräte eingesetzt werden.
Eine Erwärmung gekühlter Erythrozytenkonzentrate ist in der Regel nicht
erforderlich.
Eine Zwischenlagerung des Erythrozytenkonzentrats außerhalb der Blutbank oder des
Blutdepots sollte weitestgehend vermieden werden. Sollte diese z. B. aufgrund einer
akuten Intervention am Patienten unumgänglich sein, darf das Erythrozytenkonzentat
nicht in einem allgemeinen Stationskühlschrank zwischengelagert werden.
Eröffnete („angestochene“) Erythrozytenkonzentrate sind innerhalb von 6 Stunden zu
transfundieren.
Die Blutbeutel von transfundierten Blutprodukten müssen für 24 Stunden bei 4 ± 2 °C
asserviert werden, da im Fall einer Transfusionsnebenwirkung weitere Untersuchungen
aus dem Restblut im Beutel durchgeführt werden.
Im § 16 TFG (Transfusionsgesetz) ist festgehalten, dass im Zusammenhang mit der
Anwendung von Blutprodukten aufgetretene, unerwünschte Ereignisse oder
Nebenwirkungen meldepflichtig sind. Eine Nebenwirkung setzt einen bestimmungsgemäßen
Gebrauch voraus. Jede transfundierende Einrichtung muss deshalb hausintern Meldewege
unter Einbeziehung des Transfusionsbeauftragten und -verantwortlichen etabliert
haben ([Tab. 15]).
Die Daten der patienten- und produktbezogenen Dokumentation müssen über 30 Jahre
archiviert werden.
Tab. 15 Meldungswege bei transfusionsassoziierten
Nebenwirkungen [1].
Ereignis
|
Meldung an …
|
unerwünschte Ereignisse, alle unerwarteten Komplikationen, auch
Fehltransfusionen
|
|
V. a. unerwünschte Reaktionen/Nebenwirkungen (UAW) beim
bestimmungsgemäßen Gebrauch auftretend
|
|
V. a. schwerwiegende unerwünschte Reaktionen/tödliche oder
lebensbedrohliche Nebenwirkungen, Behinderung, Invalidität,
stationäre Behandlung (oder Verlängerung)
|
|
Die Einrichtung der Krankenversorgung hat sicherzustellen, dass die Daten der
patienten- und produktbezogenen Dokumentation über 30 Jahre archiviert und im Fall
einer Rückverfolgung unverzüglich zur Verfügung gestellt werden können (§ 14 Abs. 2
und 3 TFG).
Patientenbezogene Daten müssen in der Krankenakte abgelegt werden ([Tab. 16]).
Tab. 16 Dokumentation einer Transfusion in der
Krankenakte.
Hb: Hämoglobin
|
|
|
|
|
|
-
Indikation, Notfallindikation, ggf. klinische Symptome,
die bei ausreichend hohem Hb-Wert die Indikation für
eine Transfusion darstellten
|
|
|
|
Fazit
Die Indikation zur Transfusion von Erythrozytenkonzentraten bzw. allgemein
Blutprodukten sollte auf Basis der jeweiligen Richtlinien und unter Berücksichtigung
des individuellen Gesundheits- und Allgemeinzustands des Patienten getroffen werden.
Denn auch wenn Blutprodukte so sicher sind wie nie, bleiben mögliche
transfusionsassoziierte Risiken durch die Gabe von allogenem Blut. Ein
leitlinienkonformes Vorgehen sichert die Blutversorgung als gemeinsame Aufgabe von
Transfusionsmedizinern und klinischen Fachvertretern. Kliniken, die nicht direkt an
eine Blutbank angeschlossen sind, haben entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, um
eine zeitgerechte Versorgung mit Blutsprodukten sicherstellen zu können.