Pneumologie 2013; 67(04): 198-204
DOI: 10.1055/s-0032-1326344
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Diagnose und prädiktive Analysen an zytologischen und bioptischen Tumorproben nicht-kleinzelliger Lungenkarzinome: Aktuelle Strategien und Herausforderungen

Diagnostic and Predictive Analyses of Cytological Specimens of Non-Small Cell Lung Cancer: Strategies and Challenges
F. J. F. Herth
1   Abteilung für Pneumologie und Intensivmedizin, Thoraxklinik am Universitätsklinikum Heidelberg
,
L. Bubendorf
2   Institut für Pathologie, Universität Basel
,
S. Gütz
3   Robert-Koch Klinik, Klinikum St. Georg Leipzig
,
A. Morresi-Hauf
4   Institut für Pathologie, Asklepios Fachkliniken München-Gauting
,
M. Hummel
5   Institut für Pathologie, Charité, Berlin
,
K. Junker
6   Zentrum für Pathologie, Klinikum Bremen Mitte
,
U. Lehmann
7   Institut für Pathologie, Medizinische Hochschule Hannover
,
I. Petersen
8   Institut für Pathologie, Universitätsklinikum Friedrich-Schiller-Universität Jena
,
P. A. Schnabel
9   Sektion Pneumopathologie, Institut für Pathologie, Universität Heidelberg
,
A. Warth
10   Institut für Pathologie, Universität Heidelberg
› Author Affiliations
Further Information

Korrespondenzadresse

Dr. Arne Warth
Institut für Pathologie
Universität Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 224
69120 Heidelberg

Publication History

eingereicht 29 December 2012

akzeptiert nach Revision 31 January 2013

Publication Date:
10 April 2013 (online)

 

Zusammenfassung

Personalisierte Medizin wird zunehmend zum Standard in der Behandlung des fortgeschrittenen nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms. Tumorspezifische Therapien auf Basis von Biomarkeranalysen, z. B. dem Nachweis von EGFR Mutationen oder Translokationen des ALK-Genlokus, übertreffen die undifferenziert eingesetzte Kombinationschemotherapie hinsichtlich des klinischen Ansprechens und des progressionsfreien Überlebens deutlich. Der Nachweis prädiktiver molekularer Alterationen erfordert jedoch eine hohe Kompetenz im Umgang mit Zell- und Gewebeproben. Eine Herausforderung ist hierbei häufig die meist geringe Menge an verfügbarem Untersuchungsmaterial, an welchem sowohl eine spezifische Tumorsubtypisierung als auch ergänzende Biomarkeranalysen durchgeführt werden müssen. Aktuell gibt es nur wenige standardisierte und evidenzbasierte Empfehlungen bezüglich der Probengewinnung, der Materialprozessierung, der Analyse und der Befundung. Entsprechende qualitätsoptimierte Verfahren erfordern eine fachübergreifende Zusammenarbeit, um klinische und pathologische Aspekte gleichermaßen zu berücksichtigen. Um hierfür eine Basis zu schaffen, wurden unterschiedliche Verfahren, Methoden und Protokolle interdisziplinär diskutiert und bewertet. Ein Schwerpunkt lag hierbei neben den unterschiedlichen Verfahren der zytologischen und bioptischen Probengewinnung in der Prozessierung des Materials, um den gestiegenen Anforderungen an Diagnostik und Prädiktion gerecht zu werden. Die dargestellten Einflussgrößen der Probengewinnung und -aufarbeitung sind unter dem Aspekt einer qualitativ hochwertigen und standardisierten Diagnostik von wachsender Bedeutung in der multidisziplinären, zunehmend komplexer werdenden Betreuung von Lungenkrebspatienten.


Abstract

Personalised medicine is becoming the standard care for advanced non-small cell lung cancer. Tumour-specific therapies based on biomarker analyses, e. g., EGFR mutations or translocations of the ALK gene locus, result in a superior patient outcome compared to unselected therapy approaches. However, predictive molecular analyses can be challenging and require significant experience with cell- and tissue-based diagnostic methods. The major challenge relates to the sometimes low amount of available tumour material for both diagnostic and predictive analyses. As yet, there are no standardised or evidence-based recommendations concerning biopsies, specimen processing, and analyses. Respective guidelines require combined interdisciplinary actions to consider both clinical and pathological aspects. In order to establish a basis for high quality procedures, different approaches, methods, and protocols were interdisciplinary discussed with an emphasis on cytological specimens. Detailed evaluation of the parameters and consented recommendations might contribute to optimised strategies in the interdisciplinary, more and more complex care of non-small cell lung cancer patients.


Abkürzungsverzeichnis

ALK: anaplastische Lymphomkinase
ATS: American Thoracic Society
BAL: bronchoalveoläre Lavage
CK: Zytokeratin
CT: Computertomografie
EUS-FNA: endoösophagealer Ultraschall mit Feinnadelaspiration
EBUS: endobronchialer Ultraschall
EGFR: epidermaler Wachstumsfaktorrezeptor (epidermal growth factor receptor)
ERS: European Respiratory Society
FFPE: Formalin-fixiertes und in Paraffin eingebettetes (Gewebe)
FISH: Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung
IASLC: International Association for the Study of Lung Cancer
MGG: May-Grünwald-Giemsa
NSCLC: nicht-kleinzelliges Lungenkarzinom
PCR: Polymerase Kettenreaktion
TBNA: transbronchiale Nadelaspiration
TTF-1: thyroidaler Transcriptionsfaktor-1

Einleitung

Mit jährlich weltweit etwa 1,4 Millionen Todesfällen sind Lungenkarzinome nach wie vor die führende Ursache aller tumorbedingter Sterbefälle [1]. Die historisch gewachsene Einteilung in kleinzellige und nicht-kleinzellige Karzinome muss zunehmend differenzierter betrachtet werden, da jüngste Daten belegen, dass sowohl eine präzise histomorphologische [2] als auch eine immunhistochemische [3] und molekularpathologische [4] [5] [6] Charakterisierung dieser Tumoren einen signifikanten Einfluss auf die Prognose und den Krankheitsverlauf dieser Patienten haben [7] [8]. So können Patienten mit nicht-kleinzelligen Lungenkarzinomen und aktivierenden EGFR-Mutationen oder Translokationen des ALK-Genlocus [5] [9] im Vergleich zu einer konventionellen Chemotherapie eindeutig von zielgerichteten Therapien mit Tyrosinkinaseinhibitoren profitieren [7] [8] [10].

Der Nachweis therapierelevanter Mutationen erfolgt mit unterschiedlichen Methoden unmittelbar am Tumorgewebe selbst und ist im deutschsprachigen Raum flächendeckend in entsprechend qualifizierten Instituten für Pathologie etabliert [11]. Die Standardmethode zum Mutationsnachweis stellt nach wie vor die Sanger Sequenzierung [12] dar, mit welcher potentiell alle EGFR-Mutationen in den untersuchten Exonen nachgewiesen werden können. Einschränkungen ergeben sich jedoch bei der Sensitivität dieser Methode, da für diagnostisch belastbare Ergebnisse ein Tumoranteil von ~30 % im Gewebsschnitt (ohne Mikrodissektion) notwendig ist [5]. Sensitivere Methoden zur Detektion von EGFR-Mutationen sind beschrieben [13] [14] [15] [16] [17] [18], finden jedoch in der Routinediagnostik bislang keine regelhafte Anwendung. Ein gewichtiger Faktor zur verlässlichen Analyse prädiktiver Biomarker ist somit die Menge an bioptisch gewonnenem Tumormaterial, welches ausreichend für eine zunehmend detailliertere histomorphologische und (immun-) histochemische Subtypisierung der Tumoren als auch darauf basierenden prädiktiven Biomarkeranalysen sein sollte. Aktuell gibt es nur wenige standardisierte und evidenzbasierte Empfehlungen bezüglich der Materialprozessierung, der Analyse und der Befundung [5] [19] [20]. Eine Verbesserung dieser Situation erfordert interdisziplinäre Konzepte, um von der Art der Probengewinnung bis hin zur Befundinterpretation verlässliche Analysen gewährleisten zu können. Um hierfür eine Basis zu schaffen, wurden fachübergreifend unterschiedliche Vorgehensweisen der Probengewinnung, der Materialprozessierung und der prädiktiven Diagnostik diskutiert und bewertet sowie Konzepte und Strategien für eine qualitätsoptimierte Diagnostik erarbeitet.


Material und Methoden

Die prädiktive Diagnostik an zytologischen Proben wurde in mehreren Sitzungen der Arbeitsgemeinschaft Pneumopathologie der Deutschen Gesellschaft für Pathologie seit ihrer Gründung im Jahre 2008 [21] [22] ausführlich thematisiert. Unterschiedliche Vorgehensweisen, Methoden und Protokolle wurden diskutiert, unter den Mitgliedern ausgetauscht und validiert. In Vorbereitung auf ein Expertentreffen wurde zusätzlich eine gezielte Literaturrecherche durchgeführt, um bereits publizierte Erfahrungswerte zu integrieren. Relevante Aspekte der Probengewinnung wurden in gemeinsamen Diskussionen mit klinischen Kollegen integriert. Ziel war hierbei, konsentierte Empfehlungen einer qualitätsoptimierten und standardisierten Probengewinnung und Materialprozessierung im Kontext prädiktiver molekularpathologischer Analysen abzugeben.


Ergebnisse

Aspekte der Probengewinnung für prädiktive Biomarkeranalysen

Um dem gestiegenen Gewebe- bzw. Zellbedarf in Diagnostik und Prädiktion gerecht zu werden, kann bereits die Wahl der Methode zur Probengewinnung entscheidend sein, z. B. in Abhängigkeit der Tumorlage ([Abb. 1], [Tab. 1]). Es wurden daher die unterschiedlichen Möglichkeiten der bioptischen bzw. zytologischen Probengewinnung detailliert diskutiert und bewertet.

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Abb. 1 Für zentrale Tumoren (a) erlaubt der endobronchiale Ultraschall (EBUS; b) eine Steigerung der diagnostischen Effizienz. Für peripher gelegene Tumorherde sind transbronchiale Biopsien unter Durchleuchtung geeignet (c). Abbildung d verdeutlicht den Größenunterschied zwischen einer konventionellen Zangenbiopsie (oben) und einer Kryobiopsie (unten).
Tab. 1

Methoden der Probengewinnung in Abhängigkeit der Tumorgröße und -lage.

Entnahmeverfahren

Material

Klinik

Endoskopischer Befund

Sputum

zentrale Lage

Bronchoskopie

Zangenbiopsie/ PE-Abstrich

zentrale Lage

endobronchiale/intratumorale Läsion

Tumorpunktion

zentrale Lage

endobronchiale/intratumorale Läsion

transbronchiale Biopsie

periphere Lage

keine sichtbare Läsion

Bürstenabstrich

periphere Lage

keine sichtbare Läsion

zentrale Lage

sichtbare Läsion/Zangenbiopsie nicht möglich

TBNA (FNA)

peri-/parabronchial Durchleuchtung
Blindpunktion

BAL

intraalveolär/pneumonisch

interstitielle Lungenerkrankungen

keine sichtbare Läsion

EBUS

TBNA

peri-/parabronchial

Für endoskopisch unmittelbar bzw. durch Kompression indirekt sichtbare Läsionen geeignet ist die transbronchiale Nadelaspiration (TBNA), welche sowohl mit als auch ohne Ultraschall Anwendung findet [23] [24]. Größere Nadeldurchmesser (z. B. 19G, Innendurchmesser 0,69 mm) erzielen hier bessere Ergebnisse, da so in der Regel größere Tumoranteile erfasst werden oder auch Stanzzylinder gewonnen werden können.

Das EBUS-Verfahren (gezielte Probenentnahme mit Hilfe von endobronchialem Ultraschall; EBUS) verbessert die Aussagekraft zytologischer Proben weiter, insbesondere bei der Probengewinnung aus hilären Lymphknoten und Lymphknoten aus dem oberen Mediastinum (Stationen 2 L, 2r, 10 – 12) [25]. Die Kombination von EBUS-TBNA und EUS-FNA (endoösophagealer Ultraschall mit Feinnadelaspiration) optimiert die diagnostische Aussagekraft in Bezug auf eine Tumordiagnose noch weiter, im besten Fall mit einer Sensitivität von bis zu 96 % und einer Spezifität von 100 % [26].

Bronchiale und transbronchiale Biopsien haben eine hohe diagnostische Wertigkeit, sofern ausreichend große Zangen (offene Zangendurchmesser ~2 mm) verwendet und mindestens 4 Proben entnommen werden. Zu kleine Zangen führen zu Artefakten, welche eine spezifische Diagnose mit dem Ziel eines minimalen Gewebeverbrauchs schwierig machen. Bei zu großen Zangen steigt naturgemäß das Komplikationsrisiko [27] [28], jedoch in einem vertretbaren Ausmaß. Insbesondere die Methode der Kryobiopsien ist sehr effektiv und sicher, um möglichst große Gewebeproben zu gewinnen [29]. Diese Methode ist in der transbronchialen Anwendung jedoch noch nicht weit verbreitet und steht aktuell nur in spezialisierten Zentren zur Verfügung.

Transthorakale Nadelbiopsien, meist CT gesteuert, werden häufig eingesetzt, um unklare periphere Lungenrundherde diagnostisch abzuklären. Die Erfolgswahrscheinlichkeit liegt hier bei 80 – 95 % [30] [31]. Der negativ prädiktive Wert des Verfahrens wird mit 84 – 96 % angegeben, falsch negative Ergebnisse sind lediglich in 2 – 4 % der Fälle zu erwarten [32]. Hier liegen die Komplikationsraten, meist in Form eines Pneumothorax, bei etwa 20 – 50 % [33] [34] [35].

Bürstenabstriche können vor oder nach einer Biopsie durchgeführt werden, eine mögliche Kontamination mit Blut infolge einer vorher entnommenen Biopsie scheint keinen signifikanten Einfluss auf die Probenqualität zu haben [36] [37]. Die Methode ist insbesondere für endoskopisch sichtbare Tumoren geeignet. Die Bronchiallavage kann ebenfalls vor oder nach einer Biopsie erfolgen, wobei etwa 10 – 20 ml isotonische Kochsalzlösung empfohlen werden [36] [37] [38]. Das gewonnene Material wird in Form von Ausstrichpräparaten und/oder durch die Anfertigung von Zellblöcken aufgearbeitet. Die Methode ist jedoch meist weniger ertragreich als die Bürstenzytologie. Die bronchoalveoläre Lavage (BAL), bei der 3 × 50 ml isotonische Kochsalzlösung in die peripheren Luftwege eingelassen und wieder aufgefangen werden, wird vor allem für die Diagnostik von infektiösen oder interstitiellen Lungenerkrankungen eingesetzt [39]. Gelegentlich lassen sich damit aber auch Adenokarzinome vom „lepidischen“ Typ diagnostizieren, auch wenn die Methode dafür weniger geeignet ist. Die diagnostische Verwertbarkeit bzw. die Wahrscheinlichkeit einer positiven Tumordiagnostik mittels zytologischer Proben ist bei Sputum am geringsten, gefolgt von Bronchiallavagen, Bürstenabstrichen und Feinnadelaspiraten [20] ([Tab. 2]). Die Sputumdiagnostik kann aufgrund der geringen Sensitivität [40] nicht empfohlen werden.

Tab. 2

Diagnostische Effizienz in Abhängigkeit unterschiedlicher Entnahmeverfahren.

Methode

Effizienz (%)

Sputum

27 – 41

Bürstenabstriche

61 – 77

transbronchiale Biopsate (TBB)

61 – 77

bronchoalveoläre Lavage (BAL)

37,5

Feinnadelaspirat (TBNA/FNA)

89

Für eine optimale Ausbeute an diagnostisch und prädiktiv verwertbarem Probenmaterial wird empfohlen, unterschiedliche Verfahren wie z. B. Bürstenabstriche und Biopsien bei zentralen Tumoren zu kombinieren [41] [42]. Mehrere Nadelpassagen (mindestens 3 – 4 pro suspekter Läsion) erhöhen ebenfalls die Wahrscheinlichkeit für diagnostisch verwertbares Probenmaterial [43].


Aspekte der Zell- und Gewebefixation für prädiktive Analysen

Nach Entnahme sollte ein etwaiger Transport der Proben keinesfalls gefroren, sondern stets flüssig im Temperaturbereich von 2 – 8 °C oder in geeigneten Fixativa (z. B. Alkohol oder gepuffertes Formalin mit definiertem pH + Pufferkapazität) erfolgen. Bouin’sche Lösung sollte unbedingt vermieden werden, da die enthaltene Pikrinsäure zu DNA-Schäden führt und so molekularpathologische Analysen deutlich erschwert oder unmöglich macht.

Das durch eine BAL gewonnene Zellmaterial sollte in 50 %-70 % Alkohol oder ggf. in gepuffertem Formalin (verdünnt auf 10 %) fixiert werden, wobei für eine MGG Färbung eine Fixation nicht zwingend erforderlich ist und eine Lufttrocknung bereits ausreicht. Die Fixation von Bürstenabstrichen und TBNA-Material erfolgt in der Regel mit 95 % Alkohol. Um nicht nur Ausstrichpräparate zur Verfügung zu haben, empfiehlt es sich, von zytologischem Material stets Zellblöcke anzufertigen (siehe unten). Bioptisch gewonnenes Gewebe sollte in 10 % gepuffertem Formalin fixiert werden.


Diagnostischer Algorithmus für Zytologiepräparate und Zellblöcke

Es besteht Konsens, zytologische NSCLC-Proben in Analogie zu dem Schema, welches im Kontext der kürzlich erschienenen IASLC/ATS/ERS-Klassifikation des Adenokarzinoms der Lunge für Biopsien publiziert wurde [44], aufzuarbeiten. Unter Berücksichtigung der Histomorphologie und einer geeigneten Immunmarkerselektion ist so eine verlässliche Biopsiediagnostik bei minimalem Gewebeverbrauch möglich [3].


Allgemeine Aspekte und Protokolle zur Herstellung von Zellblöcken

Es gibt aktuell keine standardisierten Qualitätskontrollen für molekulare Biomarkeranalysen an Zytologiematerial. Ringversuche in Analogie zu Gewebeproben [11] sind daher wünschenswert, um einen einheitlichen diagnostischen Standard zu gewährleisten.

Die Vorteile von Zellblöcken liegen in der Verfügbarkeit validierter FFPE Protokolle und der Möglichkeit, Serienschnitte anfertigen zu können. Somit kann einerseits das Originalpräparat erhalten bleiben und entsprechend archiviert werden, andererseits können molekulare Analysen ggf. an Folgeschnitten wiederholt werden bzw. bei Tumorprogress weitere prädiktive Biomarker am Archivmaterial analysiert werden ohne die Notwendigkeit einer erneuten Materialentnahme. Zellblöcke ersetzen hierbei keine Zytologie (Ausstrich, Zytospin), sind aber als ergänzendes Verfahren für prädiktive Biomarkeranalysen sehr gut geeignet. Sie bieten weiter den Vorteil einer optimalen Materialausbeute, da die diagnostische Aufarbeitung eines relativ großen Volumens von Zellmaterial möglich und daher ggf. eine bessere Repräsentativität realisierbar ist, z. B. bei TBNAs mit mehreren Nadelpassagen. Grundsätzlich sind alle zytologisch gewonnenen Proben geeignet, um Zellblöcke herzustellen. Das im Folgenden detailliert aufgeführte Gautinger Protokoll ([Abb. 2]) kann uneingeschränkt für die molekularzytologische Diagnostik empfohlen werden:

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Abb. 2 Herstellung eines Zellblockes. Quelle: Institut für Pathologie, Asklepios Fachkliniken München-Gauting.
  1. Flüssigkeit in ein Zentrifugationsröhrchen abfüllen und 10 Minuten zentrifugieren (4000 U/Min) ([Abb. 2 a]).

  2. Den Überstand in ein extra Röhrchen abkippen und aufbewahren.
    Es ist empfehlenswert, vom Bodensatz Ausstriche anzufertigen.

  3. Auf den Bodensatz 1 – 2 ml Formalin (10%ige Lösung; neutral gepuffert) geben. Gut mischen. Mindestens 15 Minuten stehen lassen. Kurz anzentrifugieren (4000 U/Min), den Überstand abkippen ([Abb. 2 b]).

  4. Einige Tropfen Eiweißglycerin + 1,5 – 2 ml 96 % Alkohol langsam dazu geben und gut mischen ([Abb. 2 c]). Flocken bilden sich ([Abb. 2 d]). Das Gemisch für 5 Minuten zentrifugieren (4000 U/Min).

  5. Das geronnene Material mit einem Spatel sofort lösen ([Abb. 2 e] und [Abb. 2 f]).

  6. Probe in die nummerierte Kassette geben. Weitere Prozessierung analog zu konventionellen Gewebeproben.

Beim Ausgießen (nach der Prozessierung) darauf achten, dass keine vollständig runden Proben, sondern in Stufenschnitten wieder erkennbare Konturen (z. B. im Probenrandbereich) zur Orientierung entstehen. Dies erleichtert eine ggf. folgende Mikrodissektion durch versiertes technisches Personal nach entsprechender Markierung der Objektträger durch den Pathologen. Weiter ist anzumerken, dass die Zugabe von Eiweißglycerin und die mehrfache Zentrifugation nur notwendig sind, wenn sich kein spontanes Koagulat bildet.

Weitere validierte und empfehlenswerte Protokolle zur Herstellung von Zellblöcken werden in Jena [45] und in Basel [46] verwendet.



Diskussion

Zur Optimierung der prädiktiven Molekulardiagnostik bei nur spärlich vorhandenem Zell- oder Gewebsmaterial nicht-kleinzelliger Lungenkarzinome wurden Verfahren und Protokolle zur Materialprozessierung diskutiert und bewertet. Die Ergebnisse zielen darauf ab, eine interdisziplinäre Basis für die qualitätsoptimierte Probengewinnung und die Aufarbeitung von entsprechenden Proben zu schaffen, um so den gestiegenen Anforderungen an Diagnostik und Prädiktion gerecht zu werden.

Zum Zeitpunkt der Erstdiagnose sind mehr als zwei Drittel der Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom inoperabel [47] [48]. In diesen Fällen steht zur Tumortypisierung und zur prädiktiven Diagnostik ausschließlich bioptisches oder zytologisches Material zur Verfügung, was einen rationalen Umgang mit dem Gewebe erfordert [20] [44]. Bei ca. 40 % aller Patienten erfolgt die Diagnose ausschließlich an zytologischem Material [49]. Gerade solche Patienten könnten jedoch von einem positiven prädiktiven Biomarkernachweis profitieren. Insofern sollte uneingeschränkt jedes zur Verfügung stehende Tumormaterial einer solchen Diagnostik unterzogen werden. Bei morphologisch nicht sicher klassifizierbaren NSCLC, welche bis zu einem Drittel aller Fälle ausmachen [3], sollte die immunhistochemische bzw. immunzytochemische Subtypisierung möglichst mit wenigen spezifischen und sensitiven Immunmarkern (TTF-1, p40, p63, CK5/6) erfolgen, um weiteres Material für prädiktive Analysen zur Verfügung zu haben [3] [49].

Prinzipiell sind an zytologischem Material bei ausreichendem Tumorgehalt alle gängigen Zusatzuntersuchungen (Immunzytochemie, PCR-basierte Analysen, FISH) ohne Einschränkungen durchführbar, was mit unterschiedlichen Methoden und Kollektiven in der Literatur hinreichend belegt ist [49] [50] [51] [52] [53] [54] [55] [56]. Von Vorteil im Vergleich zu bioptisch gewonnenem Tumormaterial kann dabei sogar sein, dass im Präparat häufig weniger nicht-neoplastische Zellen enthalten sind, welche z. B. PCR-basierte DNA-Analysen in ihrer Sensitivität einschränken können [5].

Auf Basis der hier dargelegten Aspekte ergeben sich für eine standardisierte Aufarbeitung von zytologischem oder spärlich bioptisch gewonnenem Material im Hinblick auf prädiktive molekulare Biomarkeranalysen folgende Empfehlungen:

  • Sofern im klinischen Kontext vertretbar, sollte stets so viel Tumormaterial wie möglich gewonnen werden.

  • Sputumdiagnostik und Bronchiallavage sollten nach Möglichkeit mit Verfahren kombiniert werden, welche eine ausreichende Menge an Tumormaterial gewährleisten (TBNA oder bioptische Verfahren).

  • Wenn ein Transport zytologischer Proben notwendig ist, sollte dies flüssig in geeigneten Fixativa oder bei 2 – 8 °C erfolgen. Ein Einfrieren der Probe muss vermieden werden.

  • Neben Ausstrichen sollte von zytologisch positiven Proben stets ein Zellblock angefertigt werden, da dies molekularpathologische Analysen oftmals erleichtert. Die Zellblockherstellung sollte aus Gründen der Effizienz unmittelbar nach zytologischer Malignitätsdiagnose anhand des bei 4 Grad Celsius aufbewahrten Restsediments erfolgen. Bei allen EBUS-TBNA und bei allen klinisch malignitätsverdächtigen Ergüssen sollte dies gleich zu Beginn erfolgen.

  • Zytologische und bioptisch gewonnene Proben sollten mit möglichst minimalem Verbrauch von Untersuchungsmaterial aufgearbeitet werden, um weiteres Material für prädiktive Analysen zur Verfügung zu haben. Ein Algorithmus auf Basis der IASLC/ATS/ERS-Klassifikation [44] wird empfohlen.

  • An zytologischem und bioptisch gewonnenem Material sind prinzipiell alle prädiktiven Analysen zuverlässig durchführbar. Falls das Biopsiematerial nur eingeschränkt repräsentativ ist oder ausschließlich zytologisches Tumormaterial zur Verfügung steht, sollten prädiktive Biomarkeranalysen an diesem Material durchgeführt werden.

Fazit für die Praxis

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass auch spärlich zytologisches oder bioptisch gewonnenes Tumormaterial unter Berücksichtigung der aufgeführten Bedingungen ohne wesentliche Einschränkungen für prädiktive Markeranalysen geeignet ist. Die dargestellten Einflussgrößen der Probengewinnung und -aufarbeitung sind unter dem Aspekt einer qualitativ hochwertigen und standardisierten Diagnostik von wachsender Bedeutung in der multidisziplinären, zunehmend komplexer werdenden Betreuung von Lungenkrebspatienten.



Interessenkonflikt

Der interdisziplinäre Austausch im Rahmen von Expertentreffen und das Erstellen des Manuskriptes (durch A. Warth) wurden durch AstraZeneca unterstützt.


Korrespondenzadresse

Dr. Arne Warth
Institut für Pathologie
Universität Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 224
69120 Heidelberg


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Abb. 1 Für zentrale Tumoren (a) erlaubt der endobronchiale Ultraschall (EBUS; b) eine Steigerung der diagnostischen Effizienz. Für peripher gelegene Tumorherde sind transbronchiale Biopsien unter Durchleuchtung geeignet (c). Abbildung d verdeutlicht den Größenunterschied zwischen einer konventionellen Zangenbiopsie (oben) und einer Kryobiopsie (unten).
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Abb. 2 Herstellung eines Zellblockes. Quelle: Institut für Pathologie, Asklepios Fachkliniken München-Gauting.