Einleitung
Der berufliche Kontakt zu Asbest gilt als Hauptursache in der Entstehung des malignen
Pleuramesothelioms (MPM). Im Jahre 1993 wurde in Deutschland die Herstellung und Verwendung
von Asbest verboten (§ 15 GefStoffV [1 ]). Jedoch wird auch heute noch in vielen Ländern der Welt Asbest abgebaut und verarbeitet.
2010 wurden weltweit 2,01 Mio. Tonnen Asbest produziert ([Tab.1 ]) [2 ].
Tab. 1
Übersicht der Asbestproduktion einzelner Länder und weltweit in Tonnen [2 ].
Asbest: Weltproduktion im Ländervergleich (Angaben in Tonnen)
Country
2006
2007
2008
2009
2010
Brasilien
227.000
254.000
288.000
288.000
270.000
Kanada
200.000
180.000
160.000
150.000
100.000
China
360.000
390.000
380.000
380.000
350.000
Indien
20.000
21.000
20.000
19.000
20.000
Kasachstan
315.000
293.000
230.000
230.000
230.000
Russland
925.000
1.030.000
1.020.000
1.000.000
1.000.000
Sonstige
106.099
84.780
11.800
5.300
1.300
Total
2.150.000
2.250.000
2.110.000
2.130.000
2.010.000
Tab. 2
Mesotheliom-Todesfälle und vorhergesagte Todeszahlen [3 ]
[36 ].
1994 bis 2008
2015 bis 2019
Großbritannien
13.517
8.750
Frankreich
6.608
7.750
Deutschland
9.569
6.850
Italien
3.706
4.760
Niederlande
5.141
4.650
Total
38.541
32.760
Aufgrund der langjährigen baulichen Nutzung sind in Deutschland noch viele Asbestaltlasten
zu berücksichtigen, welche vor allem bei Abriss- und Sanierungsarbeiten zu Asbestexpositionen
geführt haben und weiterhin führen. Aufgrund der oft mehrere Jahrzehnte dauernden
Latenz bis zum Auftreten der Erkrankung steigt die Inzidenz der asbestbedingten malignen
Tumore, wie das Pleuramesotheliom, weiterhin an. Der Häufigkeitsgipfel der asbestbedingten
Tumore, insbesondere des Pleuramesothelioms, wird in Europa zwischen 2010 und 2020
erwartet [3 ].
Neben Asbestfasern in der Arbeits- und Umwelt stehen inzwischen auch neue Materialien
wie Nanoröhren (sogenannte Tubes) wegen möglicher asbestfaserähnlicher Eigenschaften
im Fokus der wissenschaftlichen Diskussion. Auch sie stehen im Verdacht, bei der Pathogenese
von Mesotheliomen zukünftig eine Rolle spielen zu können [4 ].
Klinik
Die Symptomatik des malignen Pleuramesothelioms ist anfangs unspezifisch und beginnt
meist mit Müdigkeit, Abgeschlagenheit sowie Dyspnoe. Diese kann entweder neu auftreten
oder bestehende Luftnot anderer Ursache verschlimmern. Des Weiteren sind Husten und
thorakale Schmerzen typisch. Sie entstehen meist durch die Infiltration des Tumors
in die sensibel innervierte Pleura. Die Entzündung und Reibung der beiden Pleurablätter
ist hiervon Folge und führt zur weiteren Schmerzverstärkung. Beim Fortschreiten der
Erkrankung kann es durch das Wachstum des Tumors zu einer Schrumpfung der betroffenen
Thoraxseite und zu einer Verdrängung der Lunge kommen. Auch ein einseitiger Pleuraerguss,
der die Dyspnoesymptomatik weiter verschlimmert, ist möglich. Neben einer B-Symptomatik
mit Gewichtsverlust, Nachtschweiß und Fieber kann eine vermehrte Sputumproduktion
beobachtet werden [5 ]
[6 ].
Pathogenese
Oberdörster et al. [7 ] sowie Miserocchi et al. [8 ] führten tierexperimentelle morphologische Untersuchungen zum Transport der Asbestfasern
ins Lungeninterstitium und schließlich in den Pleuralraum durch. Sie beschrieben,
dass die Fasern entweder parazellulär ober über verletzte Epithelzellen ins Interstitium
gelangen. Von dort erfolgt entweder der Transport der Asbestfasern per Lymphflüssigkeit
oder Blutstrom oder diese gelangen passiv in den Interpleuralraum. Aufgrund der unterschiedlichen
Anatomie vom Menschen zum Nagetier ist eine Übertragung dieser Befunde auf den Menschen
jedoch nur eingeschränkt möglich. Neue Techniken, wie die Kernspinresonanzspektroskopie
(NMR) und Multiphotonenmikroskopie, ermöglichen es, detaillierte Erkenntnisse über
die intrapulmonalen Transportwege von Asbest im Tierversuch erzielen zu können.
Aktuell wird erforscht, wie Asbestfasern pleurale Mesothelzellen auf direktem oder
indirektem Wege über Makrophagen schädigen können. Die zentrale Hypothese der Mesotheliomentstehung
beinhaltet hierbei folgende Kausalkette:
Verminderte Clearence und nachfolgende Entzündungsreaktion
Zellrecruitment und Aktivierung, später Fibrosierung
Entstehung freier Radikale (ROS, RNS), Chemokine, Cytokine und Wachstumsfaktoren
DNA-Schäden, veränderte Mitoserate, Apoptose, Nekrose
Aktivierung zellulärer Signalwege, Zell-Proliferation, gestörte Apoptose, fehlerhafte
DNA-Reparatur, Inaktivierung von Tumor-Supressor-Genen sowie Aktivierung von Onkogenen
[9 ].
Von amphibolen Asbestarten ist bekannt, dass sie auf ihrer Oberfläche redoxaktive
Eisenione enthalten, die Sauerstoffradikale generieren, welche zusätzlich zu Protein-
und DNA-Schäden führen [10 ].
Histologie
Die malignen mesotheliomen Tumore der Pleura werden entsprechend des führenden histologischen
Typs eingeteilt nach
Nach wie vor ist die Unterscheidung zum Adenokarzinom der Lunge pathologisch schwierig.
Nur mit genauer immunhistochemischer Untersuchung kann die Differenzialdiagnose gestellt
werden. Der Nachweis von Cytokeratin und Vimentin sowie des Markers WT1 (Wilms-Tumor
1) sind typisch für das Pleuramesotheliom, aber negativ beim Adenokarzinom. Umgekehrt
verhält es sich mit den Markern CEA, Len M1, , Ber EB4, AUA1 und TTF-1, welche beim Pleuramesotheliom nicht nachweisbar sind, jedoch
beim Adenokarzinom zu einer positiven Reaktion führen [6 ]
[12 ].
Prognostische Faktoren
Das Pleuramesotheliom ist ein sehr schnell wachsender Tumor, die mittlere Überlebenszeit
nach Diagnosestellung der Erkrankung beträgt 7 bis 9 Monate ohne Therapie [13 ]. Von prognostischem Wert scheint dabei der histologische Subtyp zu sein: Der nicht-epitheloide
Subtyp hat eine schlechtere Prognose mit einer mittleren Überlebenszeit zwischen 8
und 13 Monaten, diese liegt für den epitheloiden Subtyp bei 19 Monaten [14 ]
[15 ]. Auch auf der Inflammation basierende Indices wie der mGPS (modified Glasgow Prognostic
Score) und die NLR (Neutrophil Lymphocyte Ratio) korrelieren mit anhaltender Neoangiogenese
sowie erhöhter Zellproliferation und somit schnellerem Tumorwachstum [16 ].
Diagnostik und Staging
Beim Auftreten von Symptomen kann die angefertigte Thoraxröntgenaufnahme einen Pleuraerguss
oder eine pleurale Verdickung mit Pleuraplaques aufweisen [6 ]. Die Computertomografie (CT) ist das meist gebrauchte diagnostische Instrument,
um den Verdacht auf ein MPM zu bestätigen. Im Frühstadium erscheint der Tumor fokal
mit einer Pleuraverdickung und/oder mit einem Pleuraerguss. In späteren Stadien erreicht
der Tumor eine große Masse, die die Lunge regelrecht umschließen kann [17 ]. Um den Verdacht auf ein Pleuramesotheliom zu sichern, sollte eine Biopsie, wenn
möglich, mittels Thorakoskopie, durchgeführt werden. Die Zytologie aus dem Pleurapunktat
ist aufgrund der hohen diagnostischen Fehlerrate alleine nicht ausreichend. Wenn die
Thorakoskopie technisch oder aufgrund von Kontraindikationen nicht möglich ist, kann
eine Feinnadelpunktion zum Ziel führen. Aufgrund der schwierigen Differentialdiagnostik
ist eine immunhistologische Untersuchung des Biopsates unabdingbar [18 ].
In der Diagnosestellung und auch für das weitere Staging zeigten sich in Studien zahlreiche
Vorteile in der Verwendung der Positronen-Emissions-Tomografie mit Fluordesoxyglucose
(FDG-PET) [19 ]. Die Wertigkeit der PET-Computertomografie und weiterer Staging-Untersuchungen wie
der endosonografischen Lymphknotenpunktion (EBUS-FNA) ist jedoch noch nicht abschließend
zu bewerten [5 ]. Für das Staging des malignen Pleuramesothelioms sind verschiedene Tumor-Klassifizierungen
bekannt, die größte klinische Relevanz besitzt die TNM-Klassifikation der „Union internationale
contre le cancer“ (UICC) ([Tab. 3 ] und [Tab. 4 ]). Dieses System wird aufgrund der fraglichen Prognose-Abschätzung kontrovers diskutiert.
Von der International Association for the Study of Lung Cancer Staging Committee wurden
aktuell 3101 Patientendaten ausgewertet. Es konnte gezeigt werden, dass durch Erweiterung
und Neugestaltung des Staging-Systems bessere Korrelationen zwischen dem Staging-Ergebnis
und der Prognose erreicht werden können. Diese Ergebnisse werden auch durch die Auswertung
früherer kleinerer Datenbestände unterstützt und beweisen damit die Notwendigkeit
der Überarbeitung [15 ]
[20 ].
Tab. 3
TNM-Klassifikation des Pleuramesotheliom [58 ].
Tx
Primärtumor nicht beurteilbar
T0
Kein Anhalt für Primärtumor
T1
Tumor befällt ipsilaterale parietale Pleura, mit oder ohne fokale Beteiligung der
viszeralen Pleura
T1a
Tumor begrenzt auf ipsilaterale parietale (mediastinale, diaphragmale) Pleura. Keine
Beteiligung der viszeralen Pleura.
T1b
Tumor befällt ipsilaterale parietale (mediastinale, diaphragmale) Pleura. Fokale Beteiligung
der viszeralen Pleura.
T2
Tumor befällt die ipsilaterale Pleuraoberfläche mit wenigstens einem der folgenden
Merkmale:
Konfluierender Tumor der viszeralen Pleura (einschließlich der Fissuren)
Infiltration der Zwerchfellmuskulatur
Infiltration des Lungenparenchyms
T3
Tumor befällt die ipsilaterale Pleuraoberfläche mit wenigstens einem der folgenden
Merkmale:
Infiltration der endothorakalen Faszie
Infiltration von mediastinalem Fettgewebe
Einzelner Tumorherd mit Infiltration des Weichgewebes der Thoraxwand
Nicht-transmurale Infiltration des Perikard
T4
Tumor befällt die ipsilaterale Pleuraoberfläche mit wenigstens einem der folgenden
Merkmale:
Diffuse oder multifokale Infiltration der Weichgewebe der Thoraxwand
Infiltration der Rippe(n)
Infiltration durch das Zwerchfell in das Peritoneum
Infiltration anderer Mediastinalorgane
Direkte Ausbreitung in die kontralaterale Pleura
Infiltration der Wirbelsäule
Ausbreitung auf die innere Oberfläche des Perikards
Perikarderguss mit positiver Zytologie
Infiltration des Myokards
Infiltration des Plexus brachialis
Nx
Regionäre Lymphknoten nicht beurteilbar
N0
Keine regionären Lymphknotenmetastasen
N1
Metastase(n) in ipsilateralen bronchopulmonalen und/oder in ipsilateralen Hiluslymphknoten
N2
Metastase(n) in subcarinalen Lymphknoten und/oder ipsilateralen Lymphknoten entlang
der Arteria mammaria interna oder in mediastinalen Lymphknoten
N3
Metastase(n) in kontralateralen mediastinalen Lymphknoten, solchen entlang der Arteria
mammaria interna, kontralateralen Hilus- und/oder ipsi- oder kontralateralen Skalenus-
oder supraklavikulären Lymphknoten
Mx
Fernmetastasen nicht beurteilbar
M0
Fernmetastasen nicht nachweisbar
M1
Fernmetastase(n)
Tab. 4
Stadien nach UICC (Union Internationale Contre le Cancer) [58 ].
Stadium IA
T1a
N0
M0
Stadium IB
T1b
N0
M0
Stadium II
T2
N0
M0
Stadium III
T1, T2 T1, T2
T3
N1 N2
N0, N1, N2
M0 M0 M0
Stadium IV
T4 Jedes T Jedes T
Jedes N N3 Jedes N
M0 M0 M1
Asbest
Der Begriff Asbest ist eine Sammelbezeichnung für natürlich vorkommende Silikat-Minerale,
die in Serpentine und Amphibole eingeteilt werden. Mit ca. 90 bis 95 % Anteil gehört
Chrysotil (Weißasbest) weltweit zu der am häufigsten industriell verwendeten Asbestart.
Es wird den Serpentinen zugeordnet und erscheint elektronenoptisch spiralig. Nur 5
bis 10 % der weltweit verwendeten Asbestmenge sind Amphibole, zu denen Krokydolith
(sog. Blauasbest, ein Natriumeisensilikat), Amosit (sog. Braunasbest), Aktinolith,
Tremolith und Anthophyllit gehören ([Abb. 1 ]). Sie besitzen eine nadelförmige Struktur und sind besonders gut alveolengängig
[21 ].
Abb. 1 Einteilung der Asbestgruppen
Asbest wird zumeist im Tagebau gefördert. Die weltweite Jahresförderung beträgt etwa
2 Mio. Tonnen, das Hauptabbauland ist seit Jahren Russland mit einer Produktion von
etwa 1 Mio. t Asbest (2010), gefolgt von China mit 400.000 t. Weitere wichtige Abbauländer
sind – in der Reihenfolge der Fördermengen – Brasilien, Kasachstan, Kanada, Indien,
Simbabwe und Argentinien ([Tab. 1 ]) [2 ].
Aufgrund der vielfältigen Eigenschaften von Asbest (griechisch asbestos: nicht brennbar,
unzerstörbar) wurde es als „Mineral der 1.000 Möglichkeiten“ bezeichnet und fand in
Deutschland in über 3.000 verschiedenen Anwendungsbereichen von Industrie und Handwerk
Verwendung. Besondere Eigenschaften von Asbest sind u. a. Hitzebeständigkeit, Elastizität,
Zugfähigkeit, Beständigkeit gegenüber Chemikalien sowie hohe Isolierfähigkeit. Die
Fasern können versponnen und somit zu verschiedenen Textilien verarbeitet werden.
Die Nutzungsmöglichkeiten sind vielseitig wie bei kaum einer anderen Substanz. Vor
allem in der Bauwirtschaft wurde Asbest im Zement (z. B. früher in Spritzzement oder
Faserzementplatten), als Isolierungsmaterial, in Dichtungen, als Dachziegel, in Feuerschutzeinrichtungen
und vielem mehr verwendet. Auch im Elektrizitätswesen, der Schiffs- und Automobilindustrie
sowie im Handwerks-, Haushalts- und Hobbybereich wurden asbesthaltige Produkte wie
z. B. Bremsen, Kupplungen, Textilprodukte (Garne, Bänder, Schnüre etc.) eingesetzt.
Häufig war Asbest auch Bestandteil von persönlicher Schutzausrüstung der Arbeiter
(z. B. Handschuhe, Decken, Schutzanzüge). Selbst die Filter mancher Atemmasken bestanden
z. T. aus Asbest.
Entsprechend den Einsatzgebieten sind auch die Berufsfelder mit Asbestexposition sehr
zahlreich. Im BK-Report 1/2007 [22 ] sind allein 60 Berufsgruppen, die eine Vielzahl von Einzelberufen umfassen, aufgeführt.
Besonders gefährdet sind u. a. Chemiearbeiter, Isolierer, Schlosser, Dachdecker, Maurer,
Sanitär- und Elektroinstallateure, Schweißer, Brennschneider und Maschinenschlosser.
Um eine mögliche Asbestexposition zu eruieren, ist daher eine genaue Arbeitsanamnese
unabdingbar.
Besonders beim Abbau von Asbesterzen und deren Weiterverarbeitung treten hohe Expositionen
auf. Bei bisher durchgeführten Messungen an Arbeitsplätzen in Steinbrüchen wurden
Asbestfaserkonzentrationen von bis zu 0,4 Mio. Fasern/m3 Luft (90 % Wert) erreicht. Noch höhere Werte finden sich bei der Aufbereitung von
Chrysotil. Bei der Spritzasbesttechnologie wurden 30 bis 300 Mio. biobeständige Asbestfasern/m3 Luft gemessen. Besonders gefährlich ist das Zerkleinern, Brechen, Sägen, Bohren,
und Schleifen von Asbest, weil hierbei reichlich Staub ensteht und Asbeststaubpartikel
eingeatmet werden können. Die Exposition kann sich durch die Tätigkeiten in schlecht
belüfteten Räumen weiter erhöhen, wie dies besonders im Schiffbau und Waggonbau bei
Installation und Wartungsarbeiten gegeben war. Aber nicht nur die Arbeiter, die direkt
mit Asbest Umgang hatten, sondern auch sogenannte „By-Stander“ an nahegelegenen Arbeitsplätzen
oder Familienmitglieder, die die Arbeitskleidung reinigten, können belastet sein.
Sie waren den Stäuben häufig ungeschützt ausgesetzt und oftmals über die möglichen
Expositionen nicht unterrichtet [23 ]
[24 ].
Seit dem Asbest-Verbot sind aktuell in Deutschland die Abbruch- und Sanierungsarbeiten
die Hauptursache für eine mögliche Asbestexposition. Bei der Sanierung alter Gebäude
und dem Austausch asbesthaltiger Produkte müssen die Arbeiter besondere Schutzmaßnahmen
einhalten. Dazu gehören Expositionsminimierung durch Atemschutz und strikte Trennung
von Asbest-Schutzkleidung und sonstiger Arbeitskleidung. Behälter mit Asbest und asbestverunreinigten
Materialien bedürfen einer speziellen Kennzeichnung [25 ].
Neben der beruflichen Exposition und dem natürlichen Asbest-Vorkommen ist eine Exposition
durch viele asbesthaltige Mineralien, wie z. B. Speckstein (Talkum) und Erionit, möglich.
Auch durch Verwitterung (ca. 100 t/Jahr) und Abrieb von Straßendecken und Bremsbelägen
(unter 17 t/Jahr) ergeben sich relevante Belastungen von ca. 100 bis maximal 330 Fasern/m³
Luft [26 ].
Epidemiologie
Der Zusammenhang zwischen dem Umgang mit Asbest und dem Auftreten maligner Tumore
der Pleura und des Peritoneums wurde bereits von Wagner et al. im Jahre 1960 belegt
[27 ]. Seither konnte in verschiedenen tierexperimentellen und epidemiologischen Studien
die Kanzerogenität von Asbest und die asbestbedingte Verursachung des malignen Mesothelioms
bestätigt werden. Dabei wurde intensiv diskutiert, ob nur ambiphole Asbestmaterialien
oder auch das Chrysotil Mesotheliome verursachen kann. Zwischenzeitlich wird davon
ausgegangen, dass Chrysotil mit seiner spiralförmigen elektronenoptischen Erscheinung
eine geringere kanzerogene Potenz als die Amphibol-Asbeste besitzt. Jedoch sind zahlreiche
Fälle von malignen Mesotheliomen dokumentiert, bei denen die Verursachung durch Chrysotil
wahrscheinlich ist. Es ist davon auszugehen, dass in vielen Industrien wie Bergbau,
Handwerk und ähnlichen vermutlich kein reines Chrysotil, sondern Mischfasern zum Einsatz
kamen [28 ].
Lenters et al. [29 ] zeigten in einer aktuellen Metaanalyse, dass die Beurteilung der Kanzerogenität
des Chrysotils im Vergleich zu den Amphibolen schwierig ist, da viele der untersuchten
Studien erhebliche Einschränkungen in der Beurteilung der Faserkomponente aufwiesen.
Festzuhalten ist aber, dass Amphibole eine lange Biobeständigkeit besitzen. Chrysotile
sind dagegen im Gewebe nur einige Monate nachweisbar ([Abb.1 ]) [23 ]
[30 ].
Beruflich bedingte Krebserkrankungen sind für mehr als die Hälfte (ca. 54 %) der berufskrankheitenbedingten
Todesfälle ursächlich, wobei die asbestbedingten Tumore hauptursächlich sind [31 ]. Wurde zu Beginn des Jahrtausends noch davon ausgegangen, dass das Plateau für die
Anzahl des asbestbedingten Pleuramesothelioms erreicht sei [32 ], zeigt nunmehr die Betrachtung der aktuellen Berufskrankheitenstatistik für Deutschland
weiterhin einen fast stetigen Anstieg der angezeigten Mesotheliom-Fälle. Kamen im
Jahr 1990 noch 467 Verdachtsfälle zur Anzeige, so waren es 2009 bereits 1494 Verdachtsfälle,
wobei in demselben Jahr 929 neue Fälle als Berufskrankheit anerkannt wurden. Auch
die neuesten Zahlen zeigen – nach einem vorübergehenden Abfall für 2010 – für das
Jahr 2011 eine Fortsetzung dieses Trends (siehe [Abb. 2 ]) [31 ].
Abb. 2 Verdachtsanzeigen, Anerkennungen, Rentenfälle und Todesfälle der BK 4105 („Durch
Asbest verursachtes Mesotheliom des Rippenfells, Bauchfells oder des Perikards“) zwischen
1996 und 2011, nach [31 ].
Schätzungen zu Inzidenz von Mesotheliomerkrankungen und die Abschätzung zukünftiger
Fallzahlen leisten darüber hinaus einen wichtigen Beitrag zur Überprüfung der Wirksamkeit
von Früherkennungsmaßnahmen und der Abschätzung entstehender Kosten für das Gesundheitswesen
[33 ]. Europaweit steht zur Diskussion, ob die Inzidenz des Pleuramesothelioms einen weiteren
Anstieg zeigt, ein Peak wird hierbei um das Jahr 2018 erwartet [3 ]. Für Großbritannien publizierten Hodgson et al. [34 ] eine Prognose für die Inzidenz- und Mortalitätsraten des Mesothelioms. Sie betrachteten
hierfür Daten aus dem Zeitraum von 1968 bis 2001. Die Anzahl der Todesfälle stieg
dabei rapide von 153 Toten in 1968 auf 1848 Tote in 2001. Das Maximum wurde mit über
2000 Toten für die Jahre 2011 bis 2015 vorhergesagt. Insgesamt schätzen die Autoren,
dass bis 2050 kumulativ 90.000 Sterbefälle durch das Mesotheliom in Großbritannien
auftreten werden.
In den USA ist das maligne Mesotheliom der Pleura ebenfalls ein vergleichsweise seltener
Tumor, jedoch steigen auch hier die Fallzahlen in den letzten Jahrzehnten stetig an
[35 ]. Nach der Auswertung der Daten der “Surveillance, Epidemiology and End Results”
(SEER) von 1973 bis 2005 von Price and Ware [33 ] werden für 2008 bis 2042 insgesamt rund 68.000 Mesotheliomfälle in den USA erwartet,
bei denen Asbest aber nur noch in 34 % als Hauptverursacher angesehen werden könne.
Die Autoren rechnen hoch, dass ab dem Jahr 2042 Asbest in der Mesotheliomentstehung
in den USA keine wesentliche Rolle mehr einnehmen werde.
Weltweit wurden von 1994 bis 2008 (in 83 erfassten Ländern) 92.253 Sterbefälle durch
ein Mesotheliom registriert, davon 38.121 mit Pleuramesotheliom. Die fünf Länder mit
der höchsten Todeszahl waren die USA, Großbritannien (mit Nordirland), Japan, Deutschland
und Frankreich. Die Verteilung Männer zu Frauen betrug dabei 3:1, begründet durch
die vermehrte berufliche Exposition der Männer [36 ]. Eine Übersicht über die weltweit zu erwartenden Mesotheliom-Fälle gibt [Tab. 2 ].
Wesentlich ursächlich für die aktuelle Entwicklung der Erkrankungszahlen ist der hohe
Asbestverbrauch in den 1970er- und 1980er-Jahren in Deutschland und die durchschnittliche
Latenzzeit zwischen Erstexposition und der Diagnosestellung von mehr als 30 Jahren.
Weltweit führt dies dazu, dass Männer der Geburtsjahrgänge 1945 bis 1950 die höchste
Wahrscheinlichkeit für eine Erkrankung an einem MPM haben [3 ]
[36 ]. Ein weiterer zu berücksichtigender Faktor ist die Zunahme der Erkrankungen im höheren
Alter als Folge des demografischen Wandels. Lag 1980 das durchschnittliche Sterbealter
bei 59,2 Jahren, betrug es 2000 schon 65,1 Jahre, Tendenz steigend. Zzt. liegt das
mittlere Sterbealter bei 70 Jahren.
Schwerpunkte besonders gefährdeter Berufe in Bezug auf das MPM im Vergleich zu den
Berufen insgesamt mit bestandener Asbesteinwirkung konnten nicht festgestellt werden
[32 ].
Aufgrund der ärztlichen Anzeigepflicht sollte jeder Arzt bereits im Verdachtsfall
eine Berufskrankheit bei dem Unfallversicherungsträger (Berufsgenossenschaft oder
Unfallkasse) melden. Dies ist auch ohne Zustimmung des Patienten möglich, dieser sollte
aber über die Anzeige informiert werden. Das maligne Pleuramesotheliom gilt als Signaltumor
für eine meist berufliche Asbestexposition und ist daher nach BK-Nummer 4105 („Durch
Asbest verursachtes Mesotheliom des Rippenfells, des Bauchfells oder Perikards“) anzuzeigen.
Dies gilt auch dann, wenn eine mögliche Asbestexposition arbeitsanamnestisch nicht
eruierbar ist. Im weiteren Verfahren wird die Exposition retrospektiv ermittelt. Aufgrund
der langen Latenzzeit des MPM gestaltet sich dies jedoch häufig als schwierig, da
die Betriebe zum Teil nicht mehr existieren [25 ]
[30 ]. Ebenso wichtig ist daher die Erhebung einer umfangreichen und detaillierten Arbeitsanamnese.
Anders als beim Lungen- oder Kehlkopfkrebs in Verbindung mit Asbest (BK-Nummer 4104)
sind zur Anerkennung keine Brückenbefunde oder der Nachweis von 25 Asbestfaserjahren
erforderlich [11 ]
[37 ].
Weitere diskutierte Ursachen des Pleuramesothelioms
Weitere diskutierte Ursachen des Pleuramesothelioms
Genetische Faktoren
In der Literatur wird von einigen Autoren bei der Entstehung des Pleuramesothelioms
ein Zusammenhang mit genetischen Faktoren postuliert. In der Türkei sind Kasuistiken
beschrieben, in denen gleich mehrere Generationen von dieser Krankheit betroffen waren.
Das Mesotheliom ist dort in einigen Regionen einer der häufigsten Tumoren und Todesursachen
bei den Erwachsenen. Ursächlich hierfür ist Erionit, eine Asbestunterart, die in diesen
Regionen natürlich im Felsen vorkommt. Aus dem Felsgestein bauten die Einwohner ihre
Häuser. Ein solches Dorf ist Karain. In dem Dorf Kalik wird dieselbe Steinart verwendet
wie in Karain, jedoch wird hier nur von einem einzigen Mesotheliomfall berichtet,
und dies von einer Frau, die aus Karain weggezogen ist. Nähere Betrachtungen der Stammbäume
verschiedener Familien der Dörfer konnten bei sechs Familien eine Häufung von Mesotheliomfällen
beobachten. Diese führen die Autoren auf eine genetische Beeinflussung im Zusammenhang
mit den genannten Umweltfaktoren zurück [6 ].
Simian-Virus 40
Das SV40, ein Polyomavirus, kann wie andere Polyomaviren unter bestimmten Voraussetzungen
Tumore hervorrufen. Im Labor induzierte das Virus in menschlichen In-vitro -Zellen auch Mesotheliome. In einer Kohortenstudie konnten M. Price et al. [38 ] in der Personengruppe, die einen mit SV40 kontaminierten Polioimpfstoff erhalten
hatte, im Vergleich mit einer Kontrollgruppe jedoch keinen statistisch signifikanten
Unterschied bezüglich der Mesotheliomhäufigkeit feststellen.
Strahlung
Mehrere Fallbeispiele belegen einen Zusammenhang von früherer Strahlentherapie und
dem Auftreten von Mesotheliomen ohne anamnestische Asbestexposition [39 ].
Rauchen
Es gibt keinen Hinweis, dass Tabakrauch das Risiko der Entwicklung eines Mesothelioms
erhöht [6 ].
Nanotechnologie (Nanomaterialien)
Nanotechnologie (Nanomaterialien)
Nanomaterialien finden eine immer größere Anwendung in vielen industriellen Einsatzgebieten.
So sind Nanopartikel in den vielfältigsten Produkten wie Kleidung, Geschirr, Sanitäranlagen,
Reinigungsmittel, Beschichtungsstoffe, Akkus, Filtersysteme und Nahrungsmitteln anzutreffen.
In der Medizin werden sie mittlerweile in der Krebstherapie eingesetzt [40 ]. Dabei bleibt zzt. weitgehend unklar, welchen Weg diese ultrafeinen Strukturen nach
der Aufnahme in unserem Körper nehmen oder wie diese weiter verstoffwechselt werden
[41 ].
Aufgrund ihrer einzigartigen physikalischen und chemischen Eigenschaften wecken Carbonnanotubes
(CNT) bzw. Multiwalled carbon nanotubes (MWCNTs) besonderes Interesse in Industrie und Forschung [42 ]. Dabei ähneln Nanokohlenstoffröhren phänotypisch oftmals dem Erscheinungsbild von
Asbestfasern. Jaurand et al. [43 ] konnten in Bezug auf Form, Größe und Reaktivität der Oberfläche gemeinsame Eigenschaften
von CNTs und Asbest aufzeigen, verwiesen zugleich aber auch auf die unterschiedliche
Struktur und chemische Zusammensetzung. Insgesamt besteht die Hypothese, dass CNTs
zur Entstehung der gleichen Zielerkrankungen – insbesondere dem Pleuramesotheliom – beitragen
können [44 ].
Mithilfe von Tierversuchen an Mäusen konnte untersucht werden, inwieweit die Länge
der Nanotube-Fasern bei der Gewebeschädigung eine Rolle spielt. Schinwald et al. [45 ] zeigten, dass die Länge für die akute Inflammation einen wichtigen Faktor darstellt.
Besonders Fasern von 4 µm Länge weisen eine hohe Pathogenität auf. Verschiedene Untersuchungen
an Ratten ließen erkennen, dass Multi Walled (MW)-CNTs Entzündungsreaktionen hervorrufen
können. In diesen Studien wurden die CNTs überwiegend intraperitoneal appliziert [46 ]. Auch Takagi et al. [47 ]
[48 ] installierten MW-CNTs in die Bauchhöhle von Mäusen. Hierdurch konnte tatsächlich
die Entstehung von Mesotheliomen nachgewiesen werden. Allerdings wurden in dieser
Studie sehr hohe Dosen der Kohlenstoffröhren verwendet, weshalb sie im Bezug auf den
Menschen nur eingeschränkt beurteilbar bleibt [48 ]. Sakamoto et al. [49 ] konnten bei einer einmaligen intrascrotalen Applikation von MW-CNTs die Entstehung
von Mesotheliomen im Tierversuch nachweisen.
Weitere Experimente zeigten, dass CNTs, insbesondere MW-CNTs über Veränderungen der
intrazellulären Signalwege zu DNA-Schäden und Apoptose führen können [50 ]. Diese Ergebnisse konnten durch eine neue Untersuchung von Ogasawara Y et al. [51 ] bestätigt werden. Andere Studien wiederum führten zum Ergebnis, dass Carbonnanotubes
zwar Granulome induzieren können, jedoch keine Mesotheliome [52 ].
Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keine Untersuchung zur Kanzerogenität der Carbonnanotubes
unter physiologischen Bedingungen für Menschen. Hinsichtlich ihrer Toxizität konnte
jedoch nachgewiesen werden, dass die Hauptmechanismen via oxidativen Stress und Entzündungsreaktionen
wirken, welche zu Fibrosen und Granulomen sowie Genschädigungen und schließlich zur
Karzinogenität führen können. Humanbasierte Studien zeigen, dass für den Menschen
ein gesundheitliches Risiko in der chronischen Inhalation von Carbonnanotubes mit
hohen Konzentrationen besteht. Die wichtigsten Zielorgane sind dabei die Atemwege
und die Lunge [53 ].
Inwiefern bestimmte CNTs damit das gleiche gesundheitliche Gefährdungspotenzial wie
Asbestfasern aufweisen, kann aufgrund der unterschiedlichen Studiendesigns und -ergebnisse
noch nicht abschließend beantwortet werden. Die historischen Erfahrungen und wissenschaftlichen
Erkenntnisse zu Asbestfasern sollten Forschungs- und Regulationsgremien dazu anhalten,
die potenziellen Gefahren der Nanomaterialien multidisziplinär zu überwachen, um eine
effektive Risikokontrolle zu ermöglichen und potenzielle Gesundheitsgefahren möglichst
frühzeitig zu entdecken [54 ].
Arbeitsschutz und Prävention
Arbeitsschutz und Prävention
Schon vor dem generellen Asbestverbot im Jahre 1993 erfolgte in Deutschland die stufenweise
Reduzierung der Verwendung. So wurde 1979 in der BRD in einem Nachtrag zur Unfall-Verhütungs-Vorschrift
„Schutz gegen gesundheitsgefährlichen mineralischen Staub“ das Spritzen und Aufsprühen
von Asbest verboten. Im Jahre 1982 erfolgte – mit einer 2-jährigen Übergangsfrist
– ein Verbot von asbesthaltigen Isoliermaterialien, Spachtelmassen, Anstrichen, Klebstoffen,
Mörtel, Boden- und Straßenbelägen. Schließlich wurde im Jahre 1993 der Einsatz von
Asbest und asbesthaltigen Produkten sowie deren Herstellung endgültig verboten [25 ]. Auch Arbeiten an asbesthaltigen Teilen von Gebäuden, Geräten, Maschinen, Anlagen,
Fahrzeugen und sonstigen Erzeugnissen sind nicht erlaubt. Ausnahmen bestehen für Abbruch-,
Sanierungs- und Instandsetzungsarbeiten oder z. B. für die Chloralkalielektrolyse,
wobei asbesthaltige Rohstoffe verwendet werden [55 ].
Abbruch-, Sanierungs- und Instandsetzungsarbeiten, bei denen eine Asbestexposition
auftritt, sind meldepflichtig. Diese dürfen nur mit staubdichter Abtrennung, raumlufttechnischer
Anlage, Personenschleuse mit Duschen, kompletter persönlicher Schutzausrüstung, Materialschleuse,
Arbeitsplan und Unterweisungen der Mitarbeiter erfolgen.
Als Orientierungswert dienen 15.000 Fasern/m³; werden diese überschritten, sind entsprechende
Schutzmaßnahmen und Vorsorge- sowie nachgehende Untersuchungen zu veranlassen. Die
technischen Regeln für Gefahrstoffe im Zusammenhang mit Asbest sind in der TRGS 517:
„Tätigkeiten mit potenziell asbesthaltigen mineralischen Rohstoffen“ und die TRGS
519 Asbest: „Abbruch-, Sanierungs- oder Instandhaltungsarbeiten“ [25 ] festgelegt.
Beschrieben wird der Fall der Familie G., bestehend aus dem Vater H.G., 76 Jahre,
der mit 74 Jahren verstorbenen Ehefrau L.G. und dem mit bereits 42 Jahren verstorbenen
Sohn M.G.
Der Betriebselektriker Herr H.G. arbeitete über 33 Jahre in einem Kraftwerk, in dem
er im Rahmen von Revisionsarbeiten und Reparaturen an Generatoren und Turbinen häufig
und z. T. hochgradig gegenüber Asbestfaserstaub exponiert war. Die Ehefrau reinigte
zu Hause die asbestverschmutzte Kleidung ihres Ehemannes, der Sohn M.G. wurde in der
Phase der häuslichen Kleiderreinigung geboren und war als Säugling bzw. Kleinkind
über einen Zeitraum von mindestens 7 Jahren im häuslichen Umfeld der Asbestexposition
ausgesetzt.
In den 80er-Jahren traten bei Herrn H.G. erste Symptome wie Atemnot und progrediente
Leistungsminderung auf. Aufgrund des Röntgenbefundes und mikroskopisch erkennbarer
Asbestkörperchen in der bronchoalveolären Lavage wurde eine Asbestose als Berufserkrankung
anerkannt. Wegen eines unklaren Herdbefundes wurde im Jahre 1995 eine linksseitige
Lungenoberlappenresektion durchgeführt. Pathologisch fand sich eine Pleuraverschwielung
mit älterer Lungenatelektase und dem histologischen Nachweis typischer Asbestkörperchen.
Bei seiner Ehefrau L.G. trat im August 2010 erstmalig ein symptomatischer Pleuraerguss
mit der Diagnose eines epitheloiden Pleuramesothelioms rechts auf ([Abb. 3 ]). Es erfolgte die Pleurodese und die palliative Chemotherapie mit Carboplatin und
Pemetrexed. Wegen einer Tumorprogression wurde im Januar 2011 eine Monochemotherapie
mit Vinorelbin eingeleitet.
Der bereits als Kleinkind den Asbeststäuben aus der Kleidung des Vaters gegenüber
exponierte Sohn Herr M.G. erkrankte ebenfalls. Zunächst war er als Dipl.-Betriebswirt
und Geschäftsführer eines Unternehmens beruflich tätig. Im Jahre 2002 trat bei dem
damals 42-jährigen aus völliger Gesundheit heraus und bei negativer Raucheranamnese
ein linksseitiger Pleuraerguss auf. Im Rahmen einer posterolateralen Thorakotomie
fand sich ein ausgedehnter parietaler und viszeraler Tumor mit Einwachsen von Tumorplaques
in die untere Lungenvene, das Mediastinum und den Rezessus (Stadium: pT2 pN2, M0,
R2). Histologisch wurde ein Pleuramesotheliom von epitheloiden Typ diagnostiziert.
Eine BK-Anzeige wurde erstattet; die BK musste jedoch abgelehnt werden, da aufgrund
des außerberuflichen Asbestkontaktes Herr M.G. als Familienangehöriger nicht dem Schutz
der gesetzlichen Unfallversicherung unterlag. Herr M.G. verstarb im Alter von 42 Jahren
an den Folgen der Erkrankung.
Abb. 3 Der besondere Fall: Röntgenthorax einer 76-jährigen Patientin: a Pleuramesotheliom mit großem Erguss (p. a.-Übersichtsaufnahme) b Pleuramesotheliom und Erguss nach Anlage eines diagnostischen Pneumothorax (p. a.-Übersichtsaufnahme)
c CT-Thorax der Patientin zeitgleich d 5 Monate später.
Ausblick
Asbeststaubexponierte bzw. ehemals exponierte Arbeiter müssen auf Grundlage der Gefährdungsbeurteilung
eine arbeitsmedizinische Betreuung erhalten. Nach den „DGUV-lichen Grundsätzen der
arbeitsmedizinischen Vorsorge“ werden Erst- und Nachuntersuchungen von nachgehenden
Untersuchungen unterschieden. Erst- und Nachuntersuchungen werden während oder bei
Beendigung der Tätigkeit durchgeführt. Nachgehende Untersuchungen stellen ein Angebot
an die Versicherten dar, auch über das Ende des Beschäftigungsverhältnis hinaus arbeitsmedizinisch
betreut zu werden. Diese nachgehenden Untersuchungen werden von der GVS (Gesundheitsvorsorge),
ehemals ZAs (Zentrale Erfassungsstelle Asbestgefährdeter Arbeiter), einer Gemeinschaftseinrichtung
der gesetzlichen Unfallversicherungsträger, organisiert. Maßgeblich hierfür ist der
DGUV-liche Grundsatz G 1.2 „Asbestfaserhaltiger Staub“ [31 ]
[56 ]. Neben Arbeits- und Gesundheitsanamnese, körperlicher Untersuchung und Lungenfunktionsprüfung
wird eine Röntgenaufnahme des Thorax angefertigt, bei unklaren Fällen wird zusätzlich
eine Computertomografie bzw. ein HR-CT durchgeführt [57 ].
Die Früherkennung (Sekundärprävention) eines Pleuramesothelioms ist hinsichtlich des
Therapieerfolges und der Krankheitsprognose von zentraler Bedeutung. Insbesondere
bei schnell wachsenden Tumoren wie dem Pleuramesotheliom ist eine frühzeitige Detektion
des Tumors besonders wünschenswert. Weltweit besteht jedoch ein großer Forschungsbedarf
bzgl. effizienter und effektiver Methoden und Programmen zur Früherkennung. In Ergänzung
der bildgebenden Verfahren wird in verschiedenen Forschungsgruppen versucht, Kandidaten-Biomarker
zu detektieren bzw. in bestehenden Früherkennungsprogrammen zusätzlich zu validieren.
Der Einsatz valider, nichtinvasiver Biomarker kann dabei in kürzeren Untersuchungsintervallen
erfolgen, ohne zugleich die mögliche „untersuchungsinduzierte“ Strahlenbelastung zu
erhöhen.