Klingmann C, Tetzlaff K Hrsg.
Moderne Tauchmedizin.
2. Aufl., 65 Euro
Stuttgart: Gentner; 2012.
ISBN: 9783872477446
Es gibt keine Freizeitaktivität in unserer modernen Gesellschaft, die in den letzten
Jahrzehnten einen derartigen anhaltenden Boom zu verzeichnen hat, wie das Tauchen
aus Spaß. Im Gegensatz zum Unterwasserarbeiter, für den der Tauchvorgang seit Jahrhunderten
nur den Zweck hat, den Arbeitsplatz aufzusuchen und dort eine definierte Aufgabe zu
erfüllen, möchte sich der freizeitorientierte Zeitgenosse im Urlaub vom den Zwängen
des Alltagstrotts befreien und das Abenteuer suchen.
Die umfassendste Erfahrung von Freiheit ist ohne Zweifel unter Wasser erlebbar, wo
sogar die Schwerkraft aufgehoben ist und der Mensch sich so frei in den 3 Dimensionen
des Raums bewegen kann wie sonst nur im All. Die Faszination des Tauchens wird noch
gesteigert durch die intensive Abhängigkeit von der Technik, ohne die ein Aufenthalt
unter Wasser auf Minuten und wenige Meter Tiefe begrenzt würde. Die zuverlässige Versorgung
mit Atemluft, die Auftriebsregulierung, der Schutz vor Wärmeverlust, die Kontrolle
von Tauchtiefe und Tauchzeit erfordern einen materiellen Aufwand, der schnell erhebliche
finanzielle Dimensionen erreicht.
Ärztlicher Rat notwendig
Die menschliche Physis ist nicht an das Leben im Wasser adaptiert. Ab der Geburt sind
wir unumkehrbar als Lungenatmer auf die Atmosphäre angewiesen. Bei der Immersion verändert
sich die menschliche Physiologie umfassend: Diese Vorgänge sind bisher nicht vollständig
aufgeklärt. Sie sind außerdem individuell sehr unterschiedlich. Das ist jedem Taucher
und jeder Taucherin (letzterer häufig stärker) bewusst. Sie suchen deshalb in zunehmendem
Umfang ärztlichen Rat, bevor sie sich entsprechenden Expositionen aussetzen.
Idealerweise ist der befragte Mediziner selbst Taucher und kann aus eigener Kenntnis
und Erfahrung gezielt untersuchen, Fragen beantworten, Hinweise geben, aber auch eventuelle
Bedenken deutlich aussprechen und begründen. Eine verbindliche Pflicht zur vorsorglichen
Untersuchung und Beratung von Sporttauchern ist nicht festgelegt. Anders als in der
streng reglementierten Sportfliegerei hält sich der Staat aus den privaten Unterwasseraktivitäten
seiner Bürger heraus.
Auch für den untersuchenden Arzt bestehen keine Verpflichtungen zur Aneignung von
spezifischen Kenntnissen auf dem Gebiet der Tauchmedizin. Keine Landesärztekammer
hat bisher den Auftrag verspürt, im Interesse von Millionen deutscher Sporttaucher
ärztliche Fortbildungsstandards zu implementieren.
Fachleute in einem Buch vereint
Fachleute in einem Buch vereint
Ein Handbuch versucht jetzt, diese Lücke zu schließen: Nachdem jahrzehntelang die
tauchmedizinische Literatur von Einzelautoren dominiert war, ist es den jungen Herausgebern
in enger Zusammenarbeit mit dem Verlag gelungen, über 30 Fachleute ihres Gebiets in
einem Buch zu vereinen. Dieses Werk bietet auf fast 800 Seiten wirklich "moderne"
Tauchmedizin, weil sämtliche Aspekte, von der Historie über die Physiologie und Pathologie
bis zu den Herausforderungen des "Technischen Tauchens" umfassend und verständlich
dargestellt sind.
Im Zentrum stehen Aspekte der Tauchtauglichkeit, Unfälle und Erkrankungen beim Tauchen
und die Behandlung von Taucherunfällen, für deren Durchführung profundes Wissen über
die Pathophysiologie der Dekompression Voraussetzung ist.
Dieses Handbuch wendet sich nicht speziell an Ärzte. Die entscheidenden Zielgruppen
sind Taucher und ihre Ausbilder in Tauchclubs und -schulen im In- und Ausland. Die
Sprache und Darstellung unterscheidet sich deshalb von den etablierten englischsprachigen
Lehrbüchern, deren Studium den Nichtfachmann häufig überfordert und damit frustriert.
Die Fakten und Aussagen in diesem Handbuch sind fundiert und belastbar. Sie bilden
den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft zuverlässig ab. In Verbindung mit
der vom selben Verlag aktuell publizierten "Checkliste Tauchtauglichkeit" wird jeder
verantwortungsbewusst untersuchende Arzt auch ohne eigene praktische Taucherfahrung
den Anforderungen einer tauchsportärztlichen Untersuchung gewachsen sein. Das gilt
gleichermaßen für Arbeitsmediziner und Betriebsärzte, die seit der Aufhebung der berufsgenossenschaftlichen
Ermächtigungsvoraussetzung ohne weiteren Fachkundenachweis gewerbliche Taucher untersuchen
dürfen.
Reise- und tropenmedizinische Aspekte des Tauchens
Reise- und tropenmedizinische Aspekte des Tauchens
Die reise- und tropenmedizinischen Aspekte des Tauchens werden ebenfalls umfassend
und praxisnah dargestellt. Auch die nicht zu vernachlässigenden juristischen Implikationen
sind berücksichtigt (Zitat: "Mangelnde tauchsportmedizinische Kenntnisse schützen
nicht vor Haftung").
Die Aufmachung des Buches ist lesefreundlich. Durch farbig abgesetzte Kompaktinformationen
lassen sich wesentliche Sachverhalte schnell erfassen und bleiben so länger haften.
Natürlich wird der Leser auch immer wieder durch farbige Darstellungen der Unterwasserwelt
angesprochen. Die Tabellen und schematischen Abbildungen sind durchweg farbig und
für dieses Werk speziell angefertigt. Selbst wenn kein spezifischer Fortbildungswunsch
zu diesem Buch greifen lässt, wird der Leser schnell von der Faszination des Themas
eingefangen werden und eine Bereicherung seines Wissensschatzes erfahren. Bei der
seit vielen Jahren bewiesenen Kompetenz und Sorgfalt des Verlags auf dem Gebiet der
Tauchmedizin ist zu erwarten, dass dieses Werk stets "up-to-date" gehalten wird und
so auch in Zukunft die moderne Tauchmedizin kompetent abbilden wird.
Dr. Karl-Peter Faesecke, Hamburg