Notfallmedizin up2date 2013; 8(2): 133-147
DOI: 10.1055/s-0032-1325043
Spezielle Notfallmedizin
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Das 1 × 1 der häufigsten Kindernotfälle

J. Keil
,
M. Olivieri
,
F. Hoffmann
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
12. Juni 2013 (online)

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Kernaussagen zu den häufigsten präklinischen Notfällen im Kindesalter

Atemwegsnotfälle

Häufigste Ursache

  • Die meisten Atemwegsnotfälle im Kindesalter sind obstruktive Ventilationsstörungen. Am häufigsten sind dabei der virale Krupp-Anfall („Pseudo-Krupp“) mit inspiratorischem Stridor und der Asthmaanfall mit exspiratorischem Stridor.

Vorgehen

  • Höchste Priorität bei der Behandlung eines Kindes mit Atemnot hat die Vermeidung von zusätzlicher Aufregung.

  • Die Indikation zur Sauerstoffgabe besteht bei nicht ausreichender Oxygenierung. Sie sollte jedoch aus o. g. Grund zurückhaltend gestellt werden.

  • Bei oberer Atemwegsobstruktion (inspiratorischer Stridor) beinhaltet die Therapie eine rektale bzw. orale Steroidgabe sowie bei Vorliegen eines Ruhestridors oder Dyspnoe eine Inhalationstherapie mit Adrenalin.

  • Bei unterer Atemwegsobstruktion (exspiratorischer Stridor, Giemen) sind die Therapiesäulen eine frühzeitig und hoch dosiert durchgeführte Inhalationstherapie mit einem β2-Mimetikum (z. B. Salbutamol) sowie die orale oder rektale Applikation eines Steroids. Bei Nichtansprechen kann ein Therapieversuch mit inhalativem Adrenalin durchgeführt werden.

  • Bei in- und/oder exspiratorischem Stridor muss an eine Fremdkörperaspiration oder Anaphylaxie gedacht werden.

  • Bei systemischer Reaktion im Rahmen eines allergischen Geschehens (Dyspnoe, Schock) sollte Adrenalin i. m. verabreicht werden.

  • Ein intravenöser Zugang ist fast nie notwendig.

Krampfanfälle

Häufigste Ursache

  • Die häufigste Ursache eines tonisch-klonischen Krampfanfalls im Kindesalter ist ein infektassoziierter Krampfanfall („Infektkrampf“, „Fieberkrampf“).

  • Typischerweise sind Kinder im Alter von 6 Monaten bis 6 Jahren betroffen.

Vorgehen

  • Krampfanfälle > 3 Minuten sollten frühzeitig und ausreichend dosiert behandelt werden.

  • Krampfanfälle, die über 5–10 Minuten dauern, sistieren nur selten spontan und sollten deshalb wie ein Status epilepticus behandelt werden.

  • Mit steigender Anfallsdauer sinkt die Ansprechrate und damit die Wahrscheinlichkeit der Unterbrechung des Krampfanfalls durch die antikonvulsiven Medikamente (vor allem Benzodiazepine).

  • Eine Anfallsterminierung mit Midazolam oder Lorazepam ist wahrscheinlicher als mit Diazepam.

  • Mit der 3. Benzodiazepin-Gabe steigt das Risiko einer Atemdepression.

  • Nach 2-maliger i. v. Gabe von Benzodiazepinen ist ein Wechsel auf eine andere Substanzklasse sinnvoll.

Traumatologische Notfälle und Schmerztherapie

Häufigste Ursache

  • Die Analgesie bei Verbrühungen oder Extremitätenverletzungen gehört zu den häufigsten Einsatzindikationen bei Kindernotfällen.

Vorgehen zur Analgesie

  • Nicht invasive Zugangswege für Analgetika (intranasal, rektal) haben präklinisch einen hohen Stellenwert.

  • Eine intranasale Medikamentenapplikation muss mittels MAD erfolgen.

  • Eine intranasale Analgesie mit Ketamin/Midazolam oder Fentanyl ist effektiv und hat wenig Nebenwirkungen.

Vorgehen bei Verbrühungen

  • Die Einteilung von Verbrennungen und Verbrühungen erfolgt nach der Tiefe und der Ausdehnung in % der betroffenen Körperoberfläche (1 % KOF = Handfläche des Kindes einschließlich der Finger).

  • Eine Kühlung sollte für maximal 10 Minuten mit handwarmem Wasser erfolgen; eine Auskühlung des Kindes muss unbedingt vermieden werden.

  • Gängige „Verbrennungssets“ wie Water-Gel oder Burn-Pack bergen bei Kindern die Gefahr einer iatrogenen Auskühlung. Besser ist ein trockenes, steriles Abdecken der betroffenen Körperoberfläche.

  • Eine kristalloide Infusionstherapie mit 20 ml/kgKG/h ist meist ausreichend, bei Vorhandensein von Schockzeichen müssen zusätzliche Volumenboli verabreicht werden.