Arzneimittelforschung 2012; 62(S 01): S15-S16
DOI: 10.1055/s-0032-1324909
Symposium der Paul-Martini-Stiftung
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Mustererkennung durch das angeborene Immunsystem: neue therapeutische Targets

V. Hornung
1   Institut für Klinische Chemie und Klinische Pharmakologie, Universitätsklinikum Bonn, Bonn
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Publication Date:
04 December 2012 (online)

 

    Die rasche Abwehrreaktion gegen mikrobielle Pathogene, wie z. B. Viren, Bakterien oder Pilze, wird durch das angeborene Immunsystem koordiniert, wobei hier Zellen der myeloiden Stammreihe (z. B. Monozyten, Makrophagen oder Granulozyten) eine tragende Rolle zukommt. Die Anwesenheit von Pathogenen wird durch eine limitierte Anzahl von keimbahnkodierten Mustererkennungsrezeptoren (pathogen recognition receptors = PRRs) detektiert, die sich im Laufe der Evolution darauf spezialisiert haben, sog. mikrobenassoziierte molekulare Muster zu erkennen (microbe-associated molecular patterns = MAMPs). Zudem hat die Forschung der letzten Jahre gezeigt, dass dieselben Mustererkennungssysteme auch durch endogene Substanzen aktiviert werden können, die z. B. während Zellstress oder Gewebeschaden freigesetzt werden (danger-associated molecular patterns = DAMPs). PRR-Aktivierung führt zur Initiation von Signaltransduktionskaskaden, die proinflammatorische Genexpression induzieren (z. B. Zytokine). Ferner führt die Stimulation von PRRs auch zur Aktivierung von Kaskaden, die unabhängig von de-novo-Genexpression Proteasen aktiveren.

    Inflammasome sind hoch-molekulare Signaltransduktionsplattformen, die zur Aktivierung von sog. inflammatorischen Caspasen führen. In diesem Kontext spielt die Cysteinprotease Caspase-1 eine besondere Rolle, da sie die zentralen proinflammatorischen Zytokine IL-1β und IL-18 spaltet und dadurch aktiviert. Sowohl IL-1β als auch IL-18 werden jeweils als Pro-Zytokine translatiert, die aber erst nach proteolytischer Reifung ihre volle Wirkung entfalten können. Caspase-1-Aktivierung führt neben der proteolytischen Reifung von IL-1β und IL-18 zudem auch zur Induktion eines speziellen Zelltods (Pyroptose), der unabhängig von IL-1β und IL-18 eine proinflammatorische Wirkung entfacht. Verschiedene Sensorproteine wurden bis dato identifiziert, die die Formierung eines Inflammasomkomplexes induzieren können. So rekrutieren die Inflammasom-Sensoren NLRC4, NLRP1, NLRP3 (nucleotide-binding domain leucine-rich repeats-Proteinfamilie) oder AIM2 (HIN200-Proteinfamilie) nach Stimulation das Signaltransduktionsmolekül ASC, welches wiederum die Rekrutierung von Caspase-1 nach sich zieht. Caspase-1 wird daraufhin durch seine autoproteolytische Funktion aktiviert und kann nun Zielproteine spalten. Die genauen molekularen Mechanismen dieses Aktivierungsprozesses sind noch nicht genau verstanden, aber man geht davon aus, dass eine Multimerisierung dieser Rezeptoren hier eine entscheidende Rolle spielt.

    Während für die Inflammasomsensoren NLRP1, NLRC4 und AIM2 sehr spezifische Stimuli identifiziert wurden, umspannt das Spektrum von NLRP3-Aktivatoren eine große Gruppe von physiochemisch höchst unterschiedlichen Molekülklassen. Diese Beobachtung legt nahe, dass diese Substanzen NLRP3 nicht direkt als Liganden binden, sondern, dass ein indirekter Aktivierungsmodus für NLRP3 existieren muss. Auch wenn sein genauer Aktivierungsmechanismus noch nicht genauer eruiert werden konnte, scheint NLRP3 ein genereller Sensor für die Pertubation der zellulären Integrität zu sein. So wurden Aktivierungsmechanismen, wie die Induktion reaktiver Sauerstoffradikale, die Freisetzung lysosomaler Bestandteile bzw. die Aktivierung durch mitochondriale DNA als endogene Stimuli beschrieben. Um eine zufällige Ingangsetzung von inflammasomabhängigen Entzündungsreaktionen zu verhindern, erscheint es in diesem Zusammenhang als sinnvoll, dass NLRP3-Aktivierung durch einen zusätzlichen Regulationsmechanismus kontrolliert wird. So benötigt NLRP3 ein zusätzliches Priming-Signal, um aktiviert werden zu können, wobei dieses Signal hierbei meistens durch einen weiteren Mustererkennungsrezeptor erfolgt (z. B. durch TLR4). Das Priming-Signal führt zu einer Induktion der NLRP3-Expression, was eine kritische Voraussetzung für seine Aktivierung darstellt.

    Mehrere Studien konnten zeigen, dass NLRP3 eine wichtige Rolle in Inflammationsprozessen einnimmt, die durch körpereigene Substanzen ausgelöst werden. So konnte Jürg Tschoppʼs Gruppe zeigen, dass die durch Harnsäurekristalle ausgelöste Entzündung maßgeblich durch Aktivierung des NLRP3-Inflammasoms bedingt ist. Entscheidend für die Aktivierung scheint hier zu sein, dass Harnsäurekristalle in lysosomale Kompartimente von myeloiden, phagozytierenden Zellen aufgenommen werden und hier nicht adäquat verdaut werden können. Die „frustrane“ Phagozytose führt letztlich zur Freisetzung von lysosomalen Bestandteilen ins zytosolische Kompartiment, wodurch es durch einen noch unbekannten Mechanismus zur NLRP3-Aktivierung kommt. Eine ähnliche Kaskade kann auch durch Cholesterinkristalle ausgelöst werden, die im Rahmen atherosklerotischer Veränderungen auftreten. Durch Makrophagen im atherosklerotischen Gewebe wird eine NLRP3-abhängige Inflammationskaskade ausgelöst, was wiederum zu einer Akzeleration der Erkrankung führt. Pathophysiologisch ähnliche Prozesse scheinen bei Typ-2-Diabetes und bei der Alzheimer-Erkrankung eine Rolle zu spielen. Auch hier kommt es zur Ablagerung von nicht verdaubaren Aggregaten (z. B. β-Amyloid), die nach Phagozytose eine NLRP3-abhängige Inflammation in gewebeständigen Makrophagen auslösen.

    Zumal es durch mehrere Studien eindeutig belegt ist, dass die Blockade einer NLRP3-abhängigen Inflammation die Progression einer assoziierten Erkrankung positiv beeinflussen kann, stellt das NLRP3-Inflammasom somit ein interessantes Drug Target dar. Therapeutisch lässt sich die inflammasomabhängige Entzündung durch Blockade der Wirkung der pro-inflammatorischen Zytokine IL-1α und IL-1β angehen (z. B. durch den Interleukin-1-Rezeptorantagonist Anakinra oder monoklonale Antikörper gegen IL-1β). Da jedoch auch IL-1-unabhängige Inflammasom-Effekte eine wichtige Rolle in der Entzündungsreaktion darstellen (z. B. Pyroptose), wäre es von Vorteil, einen Inhibitor zu entwickeln, der weiter Upstream in der Aktivierungskaskade eingreift. Da jedoch weder der genaue Aktivierungsmechanismus noch die Struktur von NLRP3 bekannt sind und auch die Proteinexpression von NLRP3 ein schwieriges Unterfangen darstellt, gestalten sich konventionelle Verfahren des Inhibitor-Screenings als äußerst schwierig.

    Wir haben zu diesem Zweck ein zellbasiertes Reportersystem entwickelt, das es uns ermöglicht, Inflammasomaktivierung im Hochdurchsatzverfahren zu untersuchen. In ersten Pilotexperimenten haben wir dieses Reportersystem eingesetzt, um eine kleine Drug-like Compound Library (1200 small molecule compounds) auf Inhibition der NLRP3 Inflammasom-Kaskade zu testen. Erste vielversprechende Ergebnisse dieses Screening-Ansatzes werden in dem Vortrag vorgestellt und sich daraus ableitende therapeutische Optionen erläutert.

    Please note that the print version was published with a different, incorrect DOI. The correct DOI is the one shown here.


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    Interessenkonflikt: Keiner