Herth JF, Eberhardt R, Gompelmann D et al.
Radiological and clinical outcomes of using chartis to plan endobronchial valve treatment.
Eur Respir J
DOI:
10.1183/09031936.00015312
Hintergrund Die Wirksamkeit der Lungenvolumenreduktion (LVR) mittels endobronchialer Ventilimplantation
(EBV: endobronchial valves) wird durch eine kollaterale Ventilation (CV) im betroffenen
und im benachbarten Lungenlappen eingeschränkt. Das bronchoskopische Lungenbewertungssystem
Chartis soll helfen, die Erfolgschancen der Emphysembehandlung abzuschätzen. Es besteht
aus einem Einmalkatheter mit einem nachgiebigen Ballon am distalen Ende, der aufgeblasen
den Luftweg verschließt. Luft kann dann nur durch das zentrale Lumen des Katheters
zurückfließen. Das System misst dabei Atemfluss und -druck, berechnet den Atemwegswiderstand
und bestimmt die CV. Die Studie von J. F. Herth et al. hat nun untersucht, wie gut
das Chartis-System den Therapieerfolg der EBV vorhersagen kann.
Methoden In 5 Kliniken (3 in Deutschland, 1 in Holland und in Schweden) wurden 80 Patienten,
die für eine EBV-Behandlung vorgesehen waren, zuvor mit Chartis untersucht. Vor und
30 Tage nach der Implantation führten die Wissenschaftler eine hochauflösende Computertomografie
(HR-CT) durch, um die Volumenreduktion (TLVR: target lobe volume reduction) für den
behandelten Lungenlappen zu bestimmen. Eine Reduktion um 350 ml wurde dabei als signifikant
definiert. Zusätzlich erhoben die Wissenschaftler klinische Parameter, wie die forcierte
Einsekundenkapazität (FEV1).
Ergebnisse Die Chartis-Untersuchung führte zu keinen schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen.
51 Patienten wiesen danach keine CV auf. 36 von ihnen erreichten durch die EBV-Behandlung
eine TLVR von 350 ml und mehr. Für 29 Patienten ergab die Voruntersuchung mit Chartis
eine CV, 24 erreichten nach der EBVImplantation nicht den TLVR-Zielwert. Die präoperative
Beurteilung mit Chartis ermöglichte eine Vorhersagegenauigkeit von 75 %, egal ob der
TLVR-Zielwert erreicht wurde oder nicht. Ließen die Chartis- Ergebnisse ein Ansprechen
wahrscheinlich erscheinen, lag die TLVR und die FEV1-Verbesserung später deutlich höher als bei Patienten, für die ein Ansprechen nach
Chartis unwahrscheinlich war.
Schlussfolgerung Mit dem Chartis-System lässt sich effektiv und sicher die Wahrscheinlichkeit des
EBV-Therapieerfolgs abschätzen.
Herth JF, Eberhardt R, Gompelmann D et al. Radiological and clinical outcomes of using
chartis to plan endobronchial valve treatment. Eur Respir J 2012, DOI: 10.1183/ 09031936.00015312
Kommentar
Die LVR ist ein chirurgisches Verfahren, bei dem emphysematös destruierte Lungenareale
reseziert werden. Das Ziel: eine Verbesserung der elastischen Rückstellkräfte von
Lunge und Thorax, die Redistribution der Ventilation in besser perfundierte Lungenareale
sowie eine Verbesserung der Zwerchfellkontraktilität. Die Indikation und Patientenselektion
zur LVR wurde im randomisierten, kontrollierten National Emphysema Treatment Trial
(NETT) untersucht. Die NETT-Studie zeigte Verbesserungen bei Lungenfunktion und Leistungsfähigkeit
mittels LVR, jedoch eine hohe perioperative Morbidität und Mortalität.
In den letzten 10 Jahren wurden minimal -invasive Verfahren zur Lungenvolumenreduktion,
wie die EBV, erprobt. Das Ziel der EBV-Therapie ist, ähnliche Erfolge wie bei der
LVR zu erreichen, jedoch mit geringerer Morbidität und Mortalität. In Anlehnung an
die Methodik und Patientenselektion der NETT-Studie wurde die EBVTherapie in einer
großen klinischen Studie untersucht. Die primären Zielgrößen FEV1 und 6-Minuten-Gehstrecke wurden mit einer statistischen Signifikanz erreicht. Bei
einer durchschnittlichen Verbesserung des FEV1 von 6 % im Vergleich zur Kontrollgruppe war jedoch keine klinische Signifikanz gegeben.
Das Vorhandensein einer CV durch inkomplette interlobäre Fissuren ist dabei ein wesentlicher
negativer Prädiktor.
Eine Alternative zu der relativ aufwendigen computertomografischen Auswertung der
interlobären Fissuren stellt die in der Arbeit von J. F. Herth et al. untersuchte
katheterbasierte Echtzeitmessung der CV mit dem Chartis-System dar. Patienten ohne
Hinweise auf eine CV wiesen nach Ventilimplantation eine klinisch relevante durchschnittliche
FEV1-Verbesserung von 16 % und eine Steigerung im 6-Minuten- Gehtest von 24 m auf. Bei
Vorhandensein einer CV war keine relevante Änderung in den Parametern nachweisbar.
Die Ergebnisse dieser Studie sind vielversprechend, wenn auch einige potenzielle Limitationen
zu bedenken sind: Bei den Autoren dieser Arbeit handelt es sich um Experten mit hoher
Erfahrung in der Patientenselektion und Implantation von Einwegventilen. Ob diese
Daten in einem "Real-Life-Setting" reproduzierbar sind, muss erst gezeigt werden.
Weiter bleibt offen, wie viele Patienten mit fortgeschrittenem Lungenemphysem "gescreent"
werden müssen, um potenzielle Kandidaten für eine EBV-Therapie zu finden. Mit steigender
Effizienz ist schließlich auch mit einem erhöhten Risiko von Komplikationen zu rechnen,
allen voran mit einem ipsilateralen Pneumothorax nach EBV-Therapie. Das Risiko hierfür
liegt Expertenmeinungen zufolge bei mindestens 20 %. Das Management dieser Komplikationen
bedarf eines entsprechenden Umfeldes mit Erfahrung in der Betreuung dieser zum Teil
schwerkranken Patienten. Dem gegenüber steht ein sehr hoher Leidensdruck einer täglich
wachsenden Zahl an Patienten mit mangelnden palliativen Therapieoptionen.
PD Dr. Arschang Valipour, Wien