Prof. Dr. Ulla Walter
Dr. Silke Pawils, Dipl.-Psych.
Memoranden haben, so scheint es, Konjunktur. Sie deuten auf Missstände hin, fassen
konsentierte Grundsätze zusammen und bieten Empfehlungen als Lösungsansatz an. Ein
Memorandum ist, so der Blick in das etymologische Wörterbuch nach Pfeifer, eine Denkschrift.
Dem lateinischen Wortsinn nach möchte ein Memorandum „in Erinnerung bringen, was erinnernswert
ist“. Nun also noch ein Memorandum, und dieses zur Prävention. Ist nicht schon alles
gesagt?
Dass ein durchgreifender politischer Gestaltungswille zur nachhaltigen Umsetzung und
Förderung der Prävention und Gesundheitsförderung in Deutschland fehlt, wurde mehrfach
beklagt, die seit 20 Jahren gleichbleibend geringen Ausgaben um 4% der Gesundheitsausgaben
(www.gbe.bund.de) werden als Stagnation der Bemühungen moniert, und die systematische Integration
in die gesundheitsbezogene Versorgung [1] wird seit Jahren angemahnt.
Parallel zur politischen Umsetzung ist eine grundlagen- und anwendungsorientierte
Forschung in der Prävention und Gesundheitsförderung notwendig, um (a) die theoretischen
Grundlagen zu überprüfen und weiterzuentwickeln, (b) Bedarfe und Zielgruppen zu identifizieren,
(c) Interventionen zielgerichtet zu planen, umzusetzen und ihre Effekte zu bewerten
sowie (d) erfolgreiche Maßnahmen qualitätsgesichert zu implementieren und in andere
Kontexte zu transferieren. Die WHO definierte 2005 die Förderung von grundlagen- und
anwendungsorientierter Forschung mit einem Fokus auf der Entwicklung wirksamer Strategien
und ihre Integration in die Versorgungspraxis als Ziel zur Prävention chronischer
Erkrankungen [2].
Prävention und Gesundheitsförderung, die wirkt, basiert dabei immer auf Forschungserkenntnissen
diverser Disziplinen. Das jüngst vorgelegte Memorandum zur sozial-ökologischen Forschung
in Deutschland [3] verweist auf die Notwendigkeit der transdisziplinären Forschung, die sich auszeichnet
durch eine „Orientierung an gesellschaftlichen Problemen, die Integration unterschiedlicher
wissenschaftlicher und praktischer Wissensformen sowie die Produktion sozial robusten
Wissens – ein Wissen, das partizipativ erzeugt und bewertet ist“ [3, S. 4].
Dieses gilt auch für die Prävention und Gesundheitsförderung. In dem Forschungsschwerpunkt
„Präventionsforschung“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), der
erstmals die primäre Prävention und Gesundheitsförderung explizit förderte, bildete
die enge Zusammenbindung zwischen Wissenschaft und Praxis eine zentrale Voraussetzung
der Förderung.
Lebensphasen und -lagenbezogen setzte der Förderschwerpunkt an Zielgruppen wie Kinder
und Jugendliche, ältere Menschen sowie sozial benachteiligte Menschen an. Gegenstand
der inhaltlichen Förderung waren eine Überprüfung der Wirksamkeit und Qualitätssicherung
bereits anstehender oder neu konzipierter Maßnahmen sowie die Entwicklung und Erprobung
neuer Zugangswege zu einer Zielgruppe oder einer Lebenswelt. Die Projekte sollten
zudem einen innovativen Beitrag zur Weiterentwicklung methodischer Kompetenzen leisten.
In 4 Förderphasen wurden im Zeitraum von 2004–2012 rund 60 Projekte mit einem Gesamtvolumen
von 20,05 Mio. Euro unterstützt. Eingebunden waren über 50 wissenschaftliche Einrichtungen
und 170 sogenannte Praxispartner, Akteure in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Arbeit
und Soziales auf kommunaler, Landes- und Bundesebene.
In dieser Zusammenbindung von Wissenschaft und Praxis wurden über eine kontinuierliche
Auseinandersetzung und Reflexion in unterschiedlichsten Kontexten vielfältige Erfahrungen
im Verlauf des Forschungsprozesses auf beiden Seiten gewonnen. Dieses implizite und
für die Weiterentwicklung von Prävention und Gesundheitsförderung insgesamt erforderliche
Wissen wurde in einem aufwendigen partizipativen Prozess zusammengeführt und in dem
nun vorliegenden Memorandum zur Forschungsförderung Prävention gebündelt.
Angeregt und unterstützt wurde dieser Prozess durch das Meta-Projekt „Kooperation
für nachhaltige Präventionsforschung“ (KNP), das im letzten Drittel des Förderschwerpunkts
eingerichtet wurde. Das Projekt soll die Distribution wesentlicher Erkenntnisse unterstützen,
die Vernetzung zwischen Wissenschaft, Praxis und Politik fördern und Wissensmanagement
im Bereich der Präventionsforschung nutzen [4].
Mit dem Memorandum zur Forschungsförderung sollen in erster Linie politischen Entscheidungsträgern
Hinweise zur Optimierung der Forschungsförderung im Bereich der Primärprävention und
Gesundheitsförderung gegeben werden, um den begonnenen Forschungsprozess konstruktiv
weiterzuführen.
Ausgehend von den Erfahrungen mit der bisherigen Forschungsförderung werden daher
Empfehlungen zur künftigen Forschungsförderung gegeben, die in einem breiten Abstimmungsprozess
mit allen Projektverantwortlichen des BMBF-Förderschwerpunkts, 13 relevanten Fachgesellschaften
und den Beiräten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und von
KNP anerkannt wurden.
Die inhaltlichen Empfehlungen umfassen:
-
Rahmenbedingungen für anwendungsorientierte Forschung wie beispielsweise Anpassung
der Projektlaufzeiten, Zweistufigkeit des Antragsverfahrens, Inhalte der Kooperation
Wissenschaft – Praxis, Monitoring-Phase, Publikationsphase in der Förderphase, Transfer-Anschlussförderphase
und
-
Rahmenbedingungen für grundlagenorientierte Forschung wie beispielsweise von Verfahren
wie Meta-Analysen und systematischen Reviews, aber auch Strukturbildung durch Graduiertenkollegs
und der Einbezug von Gutachter/innen mit Expertise in Primärprävention und Gesundheitsförderung.
Diese Empfehlungen erscheinen in Kreisen praxisbezogener Forschung hinlänglich bekannt.
Und dennoch: Bei breiter Akzeptanz aus allen relevanten Fachgesellschaften und mit
hoher Praktikabilität liegen die Empfehlungen nun für den politischen Diskurs erstmalig
aufbereitet vor. Wissenschaft und Praxispartner hat dieser Prozess vorangebracht.
Nun liegt es in der Hand der politischen Entscheidungsträger, die gewonnenen Erkenntnisse
aufzunehmen und das bereitete Feld fruchtbar zu nutzen.