Schlüsselwörter Mutter-/Vater-Kind-Maßnahmen - medizinische Vorsorgemaßnahmen - medizinische Rehabilitation
- ICF - externe Qualitätssicherung
Key words parent-child programs - medical prevention - medical rehabilitation - ICF - external
quality assurance
Einleitung
Maßnahmen der stationären medizinischen Vorsorge und Rehabilitation für Mütter und
Väter einschließlich Mutter-/Vater-Kind-Maßnahmen (§§ 24 und 41 SGB V) umfassen zielgruppenspezifische
Angebote, die auf den besonderen Versorgungsbedarf berufstätiger und nicht berufstätiger
Mütter abzielen. Sie haben sich aus den sogenannten „Müttergenesungskuren“ entwickelt,
die bereits seit den 50er Jahren durch das ebenfalls in diesem Zeitraum gegründete
Müttergenesungswerk angeboten werden. Seit dem Jahr 2002 werden entsprechend den Vorgaben
des Gesetzgebers auch Väter als Zielgruppe der Angebote eingeschlossen.[1 ]
Die konzeptuelle Differenzierung von Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen erfolgt
auf der Grundlage des Modells der funktionalen Gesundheit im Sinne der Internationalen
Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF; [1]). Demnach
fokussieren Vorsorgemaßnahmen idealtypisch auf Gesundheits- bzw. Befindlichkeitsstörungen
(auf der Ebene der Körperfunktionen und -strukturen) oder dienen auch der Verhütung
von Krankheiten. Rehabilitationsmaßnahmen zielen auf nicht nur vorübergehende Beeinträchtigungen
der Aktivitäten und Teilhabe ab und dienen damit auch der Minderung von Krankheitsfolgen
wie der Abwendung von Pflegebedürftigkeit, Erwerbsminderung u. ä. Relevante Kontextfaktoren
in beiden Maßnahmenformen sind die Mutter-/Vater-Kind-Beziehung, familiäre Problemsituationen
und geschlechtsspezifische Faktoren. Zu den möglichen elterlichen Stressoren zählen
ökonomische Belastungen [2], Rollenkonflikte [3] oder Erziehungsprobleme [4]. Medizinisch-therapeutische
Maßnahmen im Mutter-/Vater-Kind-Kontext zielen unter anderem auf die Reduktion körperlicher
Symptome, funktionaler Beeinträchtigungen und psychischer Belastungen, die Verbesserung
von Selbstakzeptanz und sozialen Kompetenzen, die Förderung von Ressourcen, Interaktionsfertigkeiten
und Erziehungskompetenz sowie einen funktionaleren Umgang mit Belastungssituationen
ab [5]. In der Gesundheits- und Rehabilitationsforschung stellen die familienorientierten
medizinischen Maßnahmen einen eher unterrepräsentierten Bereich dar. Studien wurden
in erster Linie zu Eingangsbelastungen und Befindlichkeit von Patientinnen [6-8] und
zu Therapieeffekten [9-11] durchgeführt. Auch wurden Fragen des internen Qualitätsmanagements
in Mutter-Kind-Einrichtungen thematisiert [12].
Einrichtungen, die Vorsorge- und/oder Rehabilitationsmaßnahmen für Mütter/Väter und
Kinder anbieten, sind, wie auch andere Einrichtungen der stationären und ambulanten
medizinischen Rehabilitation sowie der stationären Vorsorge, durch den Gesetzgeber
zur Teilnahme an externen, einrichtungsvergleichenden Qualitätssicherungsmaßnahmen
verpflichtet (§ 135a Abs. 2 SGB V i. V. m. § 137d Abs. 1 und 2 SGB V). In der stationären
medizinischen Rehabilitation für Erwachsene haben die Deutsche Rentenversicherung
(DRV) sowie die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) bereits vor Jahren umfassende
Qualitätssicherungsprogramme mit wissenschaftlicher Begleitung aufgebaut [13] und
mittlerweile flächendeckend etabliert. Als gemeinsame Initiative der DRV und der GKV
erfolgt auch die Entwicklung der externen Qualitätssicherung in der Kinder- und Jugendlichenrehabilitation
[14]. Im Versorgungsbereich der Mutter-/Vater-Kind-Maßnahmen lag der Schwerpunkt der
bisherigen Forschungs- und Entwicklungsprojekte zum einen auf dem „mütterspezifischen
Leitsyndrom“ und Maßnahmen zum internen Qualitätsmanagement (Arbeitsgruppe an der
Medizinischen Hochschule Hannover) [10,15]; zum anderen wurden verschiedene Qualitätssicherungselemente
erprobt (Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Freiburg)
[16]. Allerdings lagen standardisierte bundesweite Qualitätssicherungsprogramme für
den Mutter-/Vater-Kind-Leistungskontext bislang noch nicht vor.
Im Auftrag der Verbände der Krankenkassen auf Bundesebene wurden in den Jahren 2006–2010
Verfahren der externen Qualitätssicherung für Einrichtungen zur medizinischen Vorsorge
und Rehabilitation im Mutter-/Vater-Kind-Bereich entwickelt und in 2 Pilotprojekten
erprobt. Ziel war es, ein routinetaugliches Instrumentarium zu konzipieren, das geeignet
ist, qualitätsrelevante Parameter auf den verschiedenen Qualitätsebenen (Struktur-,
Prozess- und Ergebnisqualität) abzubilden und dabei die Besonderheiten des Mutter-/Vater-Kind-Kontextes
zu berücksichtigen. Die Instrumente sollten faire Einrichtungsvergleiche gewährleisten
und sich auf das Modell der funktionalen Gesundheit im Sinne der ICF beziehen. Eine
Orientierung an den in der stationären medizinischen Rehabilitation für Erwachsene
etablierten externen Qualitätssicherungsprogrammen der Deutschen Rentenversicherung
und insbesondere der gesetzlichen Krankenkassen (QS-Reha® -Verfahren, www.qs-reha.de, [17]) war ausdrücklich gewünscht.
Nachfolgend werden die im Rahmen des Projekts entwickelten Qualitätssicherungsinstrumente
mit Bezug auf die Ebenen der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität überblickshaft
dargestellt, und es werden zu jedem Qualitätssicherungsbaustein exemplarische Ergebnisse
referiert. Eine detaillierte Darstellung der Ergebnisse auf den einzelnen Qualitätsebenen
ist in Vorbereitung.
Methode
Im Rahmen einer bundesweiten Erhebung wurden Anfang 2008 bei allen stationären Mutter-/Vater-
bzw. Mutter-/Vater-Kind-Einrichtungen Strukturdaten über die Einrichtungen erhoben.
Daten für die Prozess- und Ergebnisqualität wurden in Zusammenarbeit mit Einrichtungen,
die freiwillig am Entwicklungs- und Erprobungsverfahren teilnahmen („Piloteinrichtungen“),
erhoben. Von den 38 Piloteinrichtungen nahmen 19 im Teilprojekt „Vorsorge“, 12 im
Teilprojekt „Rehabilitation“ und 7 in beiden Teilprojekten teil. Für die Auswertung
ergeben sich damit als Bezugsgröße für den Bereich „Vorsorge“ 26 (19+7) teilnehmende
Einrichtungen und für den Bereich „Rehabilitation“ 19 (12+7) teilnehmende Einrichtungen.
Die Zuordnung zum Teilprojekt „Rehabilitation“ bzw. „Vorsorge“ erfolgte auf Basis
des jeweiligen Versorgungsvertrags und in Absprache mit der Einrichtung. Bei der Auswahl
der Piloteinrichtungen wurde darauf geachtet, dass die Kliniken eine repräsentative
Stichprobe bezüglich der Stratifizierungskriterien Einrichtungsgröße, Region, Trägerschaft
der Einrichtung und hinsichtlich der berücksichtigten Indikationen bzw. Behandlungsschwerpunkte
darstellten. Die Größe der an der Pilotierung beteiligten Einrichtungen (gemessen
an den Mütter-/Väter-Betten) schwankte zwischen 18 und 268 Betten.
Bei der Entwicklung und Abstimmung der Instrumente wurden alle Piloteinrichtungen
in die Diskussion einbezogen. Zu diesem Zweck wurden 2 eineinhalbtägige Projektworkshops
durchgeführt, an denen Vertreterinnen der Piloteinrichtungen, der Leistungsträger
sowie den Leistungserbringerverbände beteiligt waren.
Strukturqualität: Instrumentenentwicklung
Die Strukturqualität einer Einrichtung gibt wieder, in welchem Ausmaß bestimmte Anforderungen
hinsichtlich der räumlichen, apparativen und personellen Ausstattung von den Einrichtungen
erfüllt werden. Ziel der Strukturerhebung war es, das Erhebungsinstrumentarium auf
Eignung für die Routine der Versorgungspraxis zu erproben sowie die Strukturlandschaft
für die Mutter-/Vater- bzw. Mutter-/Vater-Kind-Einrichtungen erstmalig systematisch
zu beschreiben. Dazu wurden ein Strukturerhebungsbogen konzipiert und vorläufige Basis-
bzw. Zuweisungskriterien definiert. Basiskriterien sind Strukturmerkmale, die unabdingbar
für die Durchführung qualitativ hochwertiger Behandlungen sind und von allen Einrichtungen
mit entsprechendem Behandlungsschwerpunkt bzw. entsprechender Indikation vorgehalten
werden sollten. Zuweisungskriterien beinhalten solche strukturellen Merkmale, die
einrichtungsspezifische Besonderheiten abbilden und somit für eine gezielte Zuweisungssteuerung
genutzt werden könnten, aber nicht von allen Einrichtungen erfüllt werden müssen.
Zur Definition der Kriterien wurde unter Berücksichtigung relevanter Vorarbeiten[2 ] zunächst eine umfangreiche Liste möglicher Strukturmerkmale zusammengestellt. Diese
wurde in Zusammenarbeit mit Vertretern aller Piloteinrichtungen im Rahmen einer schriftlichen
Umfrage und eines Projektworkshops bewertet und modifiziert. Anschließend wurde in
einem Konsensprozess mit einer projektbegleitenden Expertengruppe (Leistungserbringerverbände,
Leistungsträger, Einrichtungsvertreter, Wissenschaftler) im Rahmen mehrerer Treffen
sowie E-Mail-Kontakte eine Pilotversion des Strukturerhebungsbogens erstellt. Der
modular aufgebaute Strukturerhebungsbogen differenziert nach Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen.
Er enthält neben dem Kernfragebogen (Merkmale, die gleichermaßen über alle Behandlungsschwerpunkte
bzw. Indikationen hinweg erfasst werden) Module für einzelne Indikationen bzw. Behandlungsschwerpunkte
sowie ein Kinder- und Interaktionsmodul. In [Tab. 1 ] sind die Dimensionen des Strukturerhebungsbogens sowie die Anzahl der Basis- und
Zuweisungskriterien aufgelistet.
Tab. 1 Maximale Anzahl zu erfüllender Basis- (BK) und Zuweisungskriterien (ZK) in den Dimensionen
der Strukturqualität (Pilotphase).
Kernmodul (über alle Behandlungsschwerpunkte/Indikationen hinweg zu erfassende Merkmale)
max. Anzahl BK
max. Anzahl ZK
– allgemeine Merkmale/räumliche Ausstattung
28
8
– medizinisch-technische Ausstattung
12
– therapeutische Behandlungen und Schulungen
40
1
– konzeptionelle Grundlagen
19
1
– internes Qualitätsmanagement
31
– interne Kommunikation und Personalentwicklung
10
Modul für kinder- und interaktionsbezogene Strukturmerkmale (nur für Einrichtungen,
die Kinder aufnehmen)
– allgemeine Merkmale/räumliche Ausstattung
24
5
– therapeutische Behandlungen und Schulungen
6
12
– personelle Ausstattung
3
1
– konzeptionelle Grundlagen
17
2
Module für spezifische Behandlungsschwerpunkte (Vorsorge) bzw. Indikationen (Rehabilitation)
– allgemeine Merkmale/räumliche Ausstattung (nur im gastroenterologischen Modul vorhanden)
1
– medizinisch-technische Ausstattung (aller indikationsspezifischen Module gesamt)
30
4
– therapeutische Behandlungen und Schulungen (aller indikationsspezifischen Module
gesamt)
39
25
Ergänzend wurde eine Visitationscheckliste konzipiert, um die Praktikabilität eines
Visitationsverfahrens für den Mutter-/Vater-Kind-Kontext in ausgewählten Piloteinrichtungen
testen zu können. Die Checkliste basiert auf dem Strukturerhebungsbogen und ist ebenfalls
modular aufgebaut. Die Module orientieren sich dabei an den Dimensionen der Strukturqualität
[Tab. 1 ]. Zudem wurde in den Visitationen ein typischer Maßnahmenverlauf anhand eines Gesprächsleitfadens
geprüft.
Strukturqualität: Stichprobe
Strukturdaten wurden im Rahmen einer Vollerhebung im gesamten Bundesgebiet gewonnen.
Hierzu wurden n=165 stationäre Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen für Mutter-/Vater-Kind-Maßnahmen
angeschrieben (Datenbasis: Verband der Ersatzkassen). Auf Nachfragen wurde deutlich,
dass davon 23 Einrichtungen keine Mutter-/Vater-Kind-Maßnahmen mehr durchführten bzw.
mittlerweile nicht mehr existierten. 27 (existierende) Einrichtungen haben nicht geantwortet,
wobei nicht von systematischen Ausfällen auszugehen ist. Letztendlich lagen für die
Auswertung n=115 Bogen vor. Bezogen auf die Einrichtungen, die noch Mutter-/Vater-Kind-Maßnahmen
durchführten, lag die Rücklaufquote damit bei 81%. In [Tab. 2 ] ist für die Einrichtungen der Strukturerhebung dargestellt, welche Art von Maßnahmen
(Mutter-/Vater-Kind-Maßnahmen, nur Mutter-Kind-Maßnahmen bzw. Maßnahmen nur für Mütter/Väter)
angeboten wurden und welcher Versorgungsvertrag bestand. Weiterhin sind die Auswertungsgruppen
aufgeschlüsselt, die anhand der Behandlungsschwerpunkte (Vorsorge) bzw. Indikationen
(Rehabilitation) der Einrichtungen gebildet wurden. In der Regel waren mehrere Behandlungsschwerpunkte/Indikationen
angegeben worden, sodass sich eine Einrichtung in mehreren der 5 Schwerpunkt-/Indikationsbereiche
befindet.
Tab. 2 Einrichtungen und Auswertungsgruppen in der Strukturerhebung.
Bundesweite Erhebung
Anzahl
* Für Einrichtungen, die vor dem 1.8.2002 stationäre medizinische Leistungen für Mütter/Väter
oder Mütter/Väter mit Kindern erbracht haben, gilt ein sog. „Bestandsschutz“ im Umfang
der im Jahr 2001 erbrachten Leistungen. Es müssen nicht notwendigerweise neue Verträge
für die Erbringung von Vorsorge- oder Rehabilitationsleistungen geschlossen werden.
Die Umsetzung dieser Vorgabe erfolgt je nach Bundesland etwas unterschiedlich
Teilnahme
angeschrieben
165
nicht mehr existent
23
teilgenommen
115
Quote (bezogen auf 142 existierende Einrichtungen)
81%
Maßnahmenart
Mutter-/Vater-Kind
69
Mutter-Kind
39
Mutter/Vater
7
Versorgungsvertrag (nach § 111a in Verb. mit 111 SGB V)
nur Vorsorge
46
nur Rehabilitation
–
beide
58
„Bestandsschutz*“
11
Auswertungsgruppen auf Basis von Indikation/Behandlungsschwerpunkt (bezogen auf Mutter/Vater)
Psychosomatik
114
Pneumologie/Dermatologie
97
muskuloskeletale Erkrankungen/Rheumatologie
87
Gastroenterologie/Stoffwechselerkrankungen
59
Kardiologie
20
Visitationen wurden im Projektzeitraum exemplarisch in 2 Vorsorge- und 5 Vorsorge-
und Rehabilitationseinrichtungen durchgeführt, um die Visitationscheckliste auf Praktikabilität
zu testen und zu optimieren.
Strukturqualität: Auswertungsmethodik
Die Auswertung erfolgte auf Basis von vorläufigen Basis- und Zuweisungskriterien,
die im Rahmen der Entwicklungsprojekte aus den o. g. Quellen abgeleitet und in der
projektbegleitenden Expertengruppe beraten wurden. Hinsichtlich des prozentualen Erfüllungsgrades
einzelner Kriterien oder Kriteriendimensionen (z. B. räumliche Ausstattung) wurden
Klinikvergleiche vorgenommen.
Prozessqualität: Instrumentenentwicklung
Prozessqualität bezieht sich auf die Planung, die Strukturierung und den Ablauf der
Leistungserbringung sowie die sachgerechte Durchführung therapeutischer Maßnahmen.
Vor dem Hintergrund verschiedener Kritikpunkte in Bezug auf das Peer-Review-Verfahren
als gängige Methode der Dokumentation qualitätsrelevanter Prozesse [16,18,19] wurde
ein alternativer Ansatz zur Prüfung der Prozessqualität entwickelt und erprobt. Dem
Vorgehen lag das Konzept des „idealen Prozesses“ zugrunde, der für den Kontext der
Mutter-/Vater-Kind-Maßnahmen spezifiziert wurde [20]. Mit diesem wurde ein idealtypischer
Ablauf einer stationären Rehabilitations- bzw. Vorsorgemaßnahme beschrieben und damit
ein „Soll-Standard“ definiert, der mit realen Prozessen in den Einrichtungen abgeglichen
werden kann. Kriterien für einen solchen idealen Ablauf wurden einerseits auf einem
Workshop mit Klinikvertretern vorläufig festgelegt, andererseits wurden sie mit bereits
verfügbaren Anforderungsprofilen und Qualitätschecklisten [21-24] abgeglichen. Das
Ergebnis wurde erneut mit der projektbegleitenden Expertenrunde abgestimmt. Auf Grundlage
der einzelnen Phasen des idealen Prozesses wurden anschließend ereignisnahe Bewertungskriterien
definiert ([Tab. 3 ]).
Tab. 3 Phasen des „idealen Prozesses“.
Phase des idealen Prozesses
Beispielkriterium
Vorbereitung der Maßnahme durch Erheben von Informationen über die Patientin (und
ihr Kind)
Versendung eines medizinisch-therapeutischen strukturierten Vor-Anamnesebogens zu
Mutter und Kind, der u. a. auch Informationen zur Medikation erfasst, sowie eines
psychosozialen Fragebogens an die Patientin
Anreisesituation
inhaltliche und organisatorische Einführung in Form einer Plenumsveranstaltung oder
im persönlichen Gespräch am 1. Tag (=Anreisetag) oder am 2. Tag
Planung der Behandlung
Dauer der ärztlichen Untersuchung der Vorsorgepatientin mindestens 20 min + ca. 10 min
ärztliche Untersuchung je behandlungsbedürftigem Kind
Durchführung der erforderlichen ärztlich-therapeutischen Maßnahmen
patientenorientierter Ablauf der Therapien der Mutter, z. B. zwischen den Therapien
genügend Ruhezeiten, keine Überschneidungen von Behandlungen, Kinderbetreuung während
Therapien gewährleistet, keine Behandlung zu Essenszeiten
Abschluss der Behandlung
ärztliche Abschlussuntersuchung für Mutter und Kind mit integrierter psychosozialer
Abschlussbesprechung frühestens 2 Tage vor dem Entlassungstag
Organisation der Behandlung
verbindliches, schriftliches und strukturiertes Konzept zur medizinischen Vorsorge/Rehabilitation,
das regelmäßig (etwa alle 2 Jahre) überarbeitet wird
Die Erfassung von Parametern der Prozessqualität erfolgte multimethodal und unter
Einbeziehung verschiedener Perspektiven: Prozessnahe Strukturmerkmale (z. B. Verfahrensweise bei Entlassung, Sprechstundenangebot in der Einrichtung) wurden
im Rahmen der Strukturerhebung mit erfasst. Einzelfallbezogene Prozessparameter (u. a.
Dauer zwischen Aufnahme und Aufnahmeuntersuchung, Anzahl ausgefallener Behandlungen)
wurden über eine fallbezogene Routinedokumentation durch Ärzte/Therapeuten erhoben. Weitere prozessrelevante Parameter wurden mittels
einer ereignisorientierten Patientenbefragung (einem 92 Items umfassenden Selbstbeurteilungsinstrument, das von den Patientinnen
am Ende ihres Aufenthalts zu bearbeiten war) in Form konkret beobachtbarer Ereignisse
[20, 25] erfasst. Für jede Phase des Klinikaufenthalts wurden hier mehrere Ereignisse
abgefragt sowie eine globale Bewertung erhoben.
Prozessqualität: Stichprobe
In die Auswertung gingen Daten von zusammen n=1 799 erwachsenen Patientinnen und Patienten
(1 513 im Bereich „Vorsorge“ und 286 im Bereich „Rehabilitation“) ein, die in den
Piloteinrichtungen von September 2007 bis Februar 2008 erhoben wurden. Die Stichprobe
ist in [Tab. 4 ] beschrieben. Die Berechnung des Anteils der tatsächlichen Studienteilnehmerinnen
(gemessen an allen potentiellen Studienteilnehmerinnen) war nicht möglich, da nicht
aus allen Einrichtungen zuverlässige Angaben über die Zahl der Patientinnen, die nicht
an der Studie teilnehmen wollten, vorlagen.
Tab. 4 Beschreibung der Erwachsenenstichproben (Mutter oder Vater) für die Bereiche „Vorsorge“
und „Rehabilitation“.
Vorsorge (nmax =1 513)
Rehabilitation (nmax =286)
Alter in Jahren (M/SD)
36,7 (6,37)
42,4 (11,47)
Geschlecht weiblich
95,8%
96,2%
Hauptindikationen (Anteil >5%)
psychosomatische/psychovegetative Erkrankungen
50,3%
51,0%
degenerative rheumatische Erkrankungen
27,2%
15,7%
Familienstand
ledig
16,7%
10,1%
verheiratet
59,6%
66,4%
geschieden/getrennt lebend
19,9%
14,0
verwitwet
2,6%
8,0%
feste Partnerschaft
68,8%
72,0%
mit angereiste Kinder pro Mutter/Vater (M/SD)
1,50 (0,67)
1,46 (0,67)
Prozessqualität: Auswertungsmethodik
Die im Kontext der Strukturerhebung erhobenen prozessnahen Strukturmerkmale wurden
analog zu den anderen Strukturmerkmalen ausgewertet (s. o.). Die über die fallbezogenen
Routinedaten (Dokumentationsbogen) in den Piloteinrichtungen erfassten Kriterien sowie
die ereignisorientierte Patientenbefragung wurden deskriptiv ausgewertet. Anders als
bei den Parametern der Ergebnisqualität wurden für die Maße der Prozessqualität wie
im QS-Reha® -Verfahren keine risikoadjustierten Einrichtungsvergleiche vorgenommen. Es wurden
Prozentangaben für die Erfüllung einzelner Kriterien über alle Kliniken hinweg bzw.
bezogen auf die einzelnen Einrichtungen berechnet.
Ergebnisqualität: Instrumentenentwicklung
Unter Ergebnisqualität versteht man das Ausmaß, in dem die gesetzten Ziele der medizinischen
bzw. rehabilitativen Versorgung erreicht werden; sie bezieht sich somit auf das Ergebnis
einer therapeutischen Leistung [26, 27]. Die Verfahren zur Abbildung der Ergebnisqualität
auf Patientenebene (inklusive Patientenzufriedenheit) sollten die relevanten Outcomes
für die beiden Versorgungsbereiche unter Bezugnahme auf die ICF abbilden. Die Instrumente
sollten des Weiteren faire Einrichtungsvergleiche ermöglichen und befriedigende psychometrische
Eigenschaften aufweisen.
Zunächst wurden auf Basis von Literaturrecherchen relevante Zielbereiche (z. B. Funktionseinschränkungen,
Förderung psychosozialer Ressourcen) für den Kontext der Mutter-/Vater-Kind-Vorsorge
und -Rehabilitation zusammengestellt. Sodann wurden vorliegende Assessment-Verfahren
gesichtet und im Hinblick auf ihre psychometrische Güte, ihre inhaltliche Eignung
und ihre Praktikabilität bewertet. Auf dieser Basis wurde der in [Tab. 5 ] aufgeführte Pool von Fragebogenverfahren zur Dokumentation der Ergebnisqualität
für die Bereiche Mutter-/Vater-Kind-Vorsorge und -Rehabilitation zusammengestellt.
Tab. 5 Verwendete Selbstbeurteilungsinstrumente zur Dokumentation der Ergebnisqualität.
Zielbereich
Instrument
erfasste(s) Merkmal(e)
*Härtel U. Standardisierte Erfassung von sozialen Variablen und Gesundheits- und Krankheitsverhalten
in Bevölkerungssurveys. Unveröffentl. Manuskript, LMU München 1997/2005
Funktionsfähigkeit
IMET [28]
Beeinträchtigungen von Aktivitäten und Teilhabe entsprechend ICF (nur Bereich „Rehabilitation“)
IRES-24 [29]
subjektiver Gesundheitsstatus
Befindlichkeit und Ressourcen
FLZ-M [30]
allgemeine Lebenszufriedenheit; Zufriedenheit mit der Gesundheit
Rosenberg-Skala [31]
allgemeiner Selbstwert
RS-11 [32]
psychische Widerstandsfähigkeit gegenüber Belastungen (Resilienz)
BSSS [33]
soziale Unterstützung
Brief COPE [34, 35]
Strategien der Belastungsbewältigung (Coping)
Belastungen
PHQ-D [36]
psychische Symptome/Störungen
IRES-MF [16]
Belastungen von Müttern im Kontext von Mutter-Kind-Maßnahmen
Erziehungsverhalten
EFB-K [37, 38]
elterliche Erziehungsstile und Erziehungsverhalten
FKE [37, 38]
erziehungsbezogene Selbstwirksamkeit
kindliches Befinden und Verhalten
KINDL-R [39, 40]
Lebensqualität von Kindern und Jugendlichen
SDQ [41, 42]
Verhaltens- und psychische Auffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen
Gesundheitsverhalten
GS-R [*]
gesundheitsbezogenes Verhalten (nur Bereich „Rehabilitation“, nur t3)
Patientenzufriedenheit
ZUF-8 [43]
allgemeine Zufriedenheit mit der Behandlung
ZUF-34 (Eigenentwicklung, nach Meixner [16])
Bewertung der in Anspruch genommenen therapeutischen Leistungen
Die Überprüfung der inhaltlichen Passung der ausgewählten Fragebogenverfahren und
der ICF erfolgte anhand der sog. „linkage rules“[3 ] [44, 45].
Ergebnisqualität: Stichprobe
Die einrichtungsvergleichenden Analysen beruhen auf Daten von zusammen N=1 548 Patientinnen
und Patienten (nVorsorge =1 348; nRehabilitation =200). Grundlage bildete die Stichprobe, die bereits im Bereich Prozessqualität beschrieben
wurde (s. o.). Aus methodischen Gründen wurden aber nur die Einrichtungen berücksichtigt,
die mindestens n=10 Datensätze lieferten [46]. Vor diesem Hintergrund konnten im Teilprojekt
„Vorsorge“ alle 26 Einrichtungen, im Teilprojekt „Rehabilitation“ 8 der 19 Einrichtungen
in den klinikvergleichenden Analysen berücksichtigt werden.
Ergebnisqualität: Auswertungsmethodik
Um faire Einrichtungsvergleiche zu ermöglichen, wurden Mehrebenenmodelle mit Risikoadjustierung
berechnet [46-53]. Diese erlauben eine Aussage darüber, welcher Anteil der Varianz
in den Outcomevariablen durch die Patientenebene bzw. durch die Einrichtungsebene
erklärt wird. Die Abbildung der hierarchischen Datenstruktur ermöglicht die adäquate
Berücksichtigung von Confoundern auf Einrichtungsebene. Relevante Confounder auf Patienten-
und Einrichtungsebene waren im Rahmen einer Literaturrecherche spezifiziert worden
[54 - 56], zusätzlich wurden für den Kontext relevante Confounder einbezogen. Es wurden
die folgenden Confounder herangezogen: Eingangswert (t1) im jeweiligen Zielparameter;
Vorsorge-/Rehabilitationsmotivation (Einschätzung durch Behandler); soziodemografische
Variablen (Alter, Beziehungsstatus, Sozialschicht-Index); interkurrente Erkrankungen;
Anzahl der Kinder; Einrichtungsgröße; Art der Maßnahme (mit/ohne Kind). Die abhängigen
Variablen sind die Zielparameter zu t2, wie sie in [Tab. 5 ] benannt sind.
Ergebnisse
Im Folgenden werden exemplarische Ergebnisse für die Piloteinrichtungen vorgestellt,
die das Vorgehen und die Ergebnisdarstellung im jeweiligen Qualitätsbereich besonders
gut demonstrieren.
Ergebnisse Strukturqualität
In [Abb. 1 ] wird beispielhaft für den Bereich „internes Qualitätsmanagement“ der Erfüllungsgrad
der vorläufigen Basiskriterien für die 38 Piloteinrichtungen im Klinikvergleich dargestellt.
Der Balken „Gesamt“ entspricht dabei jeweils dem durchschnittlichen Erfüllungsgrad
in der Gesamtstichprobe aller Einrichtungen aus der bundesweiten Strukturerhebung
(n=115).
Abb. 1 Erfüllungsgrad der vorläufig definierten Basiskriterien der Piloteinrichtungen, Bereich
„Internes Qualitätsmanagement – Kernfragebogen“ (bestehend aus 10 Items).
Wie aus [Abb. 1 ] ersichtlich ist, werden im Hinblick auf den Bereich „internes Qualitätsmanagement“
Unterschiede zwischen den Piloteinrichtungen deutlich.
Bei den Visitationen wurden geringfügige Differenzen zu den Angaben im Strukturerhebungsbogen
festgestellt – in positiver wie auch in negativer Richtung. Die Prüfung der allgemeinen
Merkmale, der räumlichen Ausstattung sowie der medizinisch-technischen Merkmale war
unproblematischer als die Prüfung von Kriterien im Bereich „Gesundheitsinformation
und Schulungen“ und „personelle Ausstattung“. Prozessnahe Strukturmerkmale konnten
anhand entsprechender Dokumente und Aufzeichnungen gut nachvollzogen werden.
Ergebnisse Prozessqualität
In [Tab. 6 ] sind für die Bereiche „Vorsorge“ und „Rehabilitation“ die Erfüllungsgrade von 5
exemplarisch ausgewählten Kriterien des „idealen Prozesses“ zur Bewertung der Behandlungsabläufe,
die über den Dokumentationsbogen erhoben wurden, aufgeführt.
Tab. 6 Erfüllungsgrade exemplarischer Kriterien des „idealen Prozesses“.
Kriterium des „idealen Prozesses“
Kriterium erfüllt (in Prozent)
Vorsorge (ngesamt =1 513)
Reha (ngesamt =286)
Aufnahmeuntersuchung spätestens 2 Tage nach Aufnahme
96,6%
95,3%
erste Behandlung spätestens 2 Tage nach Aufnahme
74,5%
75,2%
mindestens ein weiterer Arztkontakt im Verlauf der Maßnahme
89,2%
86,4%
Nachsorgeempfehlungen
79,2%
77,6%
Entlassungsgespräch frühestens 2 Tage vor der Entlassung
69,7%
82,2%
[Abb. 2 ] verdeutlicht exemplarisch für das Kriterium „erste Behandlung spätestens 2 Tage
nach Aufnahme“ (im Bereich „Vorsorge“) die Varianz der Erfüllungsgrade in der klinikvergleichenden
Darstellung. Der Erfüllungsgrad bezieht sich auf den Anteil der Patienten je Klinik,
für die das jeweilige Kriterium erfüllt war.
Abb. 2 Prozentuale Erfüllungsgrade des Prozesskriteriums „erste Behandlung spätestens 2
Tage nach Aufnahme“ für den Bereich Vorsorge (Daten von 1 513 Vorsorgepatientinnen;
26 Einrichtungen).
Die Items der ereignisorientierten Patientenbefragung zur globalen Bewertung der verschiedenen
Phasen des Behandlungsprozesses wurden mehrheitlich positiv in Bezug auf die zu erfüllenden
Kriterien beantwortet ([Tab. 7 ]). Für die Items der ereignisorientierten Patientenbefragung wurde im Rahmen dieser
Studie noch keine klinikvergleichende Auswertung vorgenommen, da das neu konstruierte
Fragebogeninstrument erst noch in weiteren Studien hinsichtlich seiner Reliabilität
überprüft werden sollte.
Tab. 7 Bewertung des Aufenthalts in der Einrichtung anhand der Globalitems der ereignisorientierten
Patientinnenbefragung (dichotome Antwortskala).
Item
positive Beurteilung (Antwort „ja“)
Vorsorge (ngesamt =1 513)
Reha (ngesamt =286)
War die Ankunft insgesamt für Sie eher stressfrei?
78,3%
80,1%
War das ärztliche Aufnahmegespräch für Sie insgesamt eine positive Erfahrung?
76,5%
75,9%
War die Organisation der Behandlungen insgesamt gut?
89,1%
91,3%
War das Klima in der Klinik insgesamt gut?
90,7%
92,7%
Kam es für Sie insgesamt zu einem guten Abschluss des Aufenthalts?
83,2%
83,6%
Ergebnisse Ergebnisqualität
In [Abb. 3 ] sind exemplarisch für den Parameter „Depressivität“ (PHQ-D) die klinikvergleichenden
Auswertungen für den Bereich „Vorsorge“ dargestellt. Die Darstellung erfolgt anhand
sogenannter „control charts“ [57-59]
, deren Anwendung im Kontext von Einrichtungsvergleichen empfohlen wird [60]. Hierbei
wird die Ausprägung des jeweiligen Ergebnisparameters für jede Einrichtung abgetragen,
ergänzt durch einen sogenannten Plausibilitätsbereich [45].
Abb. 3 Klinikvergleichende Darstellung der Residuen am Ende der Maßnahmen (t2) nach Risikoadjustierung
für den Zielparameter „Depressivität“ (Bereich „Vorsorge“), ngesamt =1 513.
In [Abb. 3 ] sind beispielhaft für jede Einrichtung die Residuen[4 ] des Zielparameters Depressivität zum Messzeitpunkt t2 sowie die zugehörigen Konfidenzintervalle
abgetragen (risikoadjustierte Werte). Die Werte sind hierbei so transformiert, dass
der Gesamtmittelwert immer bei Null liegt. Des Weiteren ist (mit 2 waagerechten Linien
oberhalb und unterhalb des Gesamtmittelwerts von Null) der Plausibilitätsbereich eingetragen,
in dem ca. 95% aller Einrichtungen liegen (±2 Standardabweichungen), wenn man davon
ausgeht, dass es Qualitätsunterschiede zwischen den Einrichtungen gibt, die der Normalverteilung
unterliegen. Einrichtungen, deren Residuen und Konfidenzintervalle außerhalb dieses
Bereichs liegen, sind (in positiver oder negativer Richtung) „auffällig“. Einrichtungen,
deren Konfidenzintervalle sich überschneiden, unterscheiden sich nicht signifikant
auf dem entsprechenden Parameter. Im obigen Beispiel ist für die Kliniken im Bereich
„Vorsorge“ erkennbar, dass mehrere Einrichtungen bezüglich des Parameters „Depressivität“
signifikant voneinander abweichen (zum Beispiel die Einrichtungen 44 und 45), dass
sich aber die Kliniken nicht überzufällig vom Gesamtmittelwert unterscheiden.
Für die eingesetzten Fragebogen für Kinder (KINDL-R; SDQ) konnten aus methodischen
Gründen[5 ] keine einrichtungsvergleichenden Analysen durchgeführt werden.
Zur Dokumentation der Patientenzufriedenheit zum Messzeitpunkt t2 wurden der ZUF-8
[43] und der ZUF-34 (adaptierte und modifizierte Form des von der Universitätsklinik
Freiburg konzipierten Zufriedenheitsbogens; [16]) eingesetzt. Analog zu den anderen
Parametern der Ergebnisqualität (s. o.) wurden klinikvergleichende Auswertungen durchgeführt.
[Abb. 4 ] zeigt beispielhaft für den Bereich „Vorsorge“ das control chart für die „allgemeine
Patientenzufriedenheit“ zum Messzeitpunkt t2 (risikoadjustierte Werte).
Abb. 4 Klinikvergleichende Darstellung der Residuen am Ende der Maßnahmen (t2) nach Risikoadjustierung
für den Zielparameter „allgemeine Patientenzufriedenheit“ (Bereich „Vorsorge“), ngesamt =1 513.
Diskussion
Im Rahmen der Projekte ist es gelungen, sachgerechte Verfahrensweisen für die Prüfung
der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität in stationären Reha- und Vorsorge-Einrichtungen
für Väter, Mütter und Kinder zu entwickeln, zu erproben und mit den Vertretern der
Leistungserbringer und der Leistungsträger abzustimmen. Nun stehen im Prinzip einsatzfähige
Instrumente für den Routinebetrieb in der externen Qualitätssicherung zur Verfügung.
Dabei sind die Entwicklungsstände auf den verschiedenen Qualitätsebenen unterschiedlich:
Das Instrumentarium zur Strukturerhebung baut auf etablierten Fragebogen auf, es kann
insofern unproblematisch angewandt werden. Die zur Bewertung heranzuziehenden Basis-
und Zuweisungskriterien für die Routineverwendung sind durch das Projektgremium der
gesetzlichen Krankenkassen und der Leistungserbringerverbände auf der Grundlage der
Projektergebnisse konsentiert worden. Die Visitationscheckliste erwies sich als geeignetes
Instrument. Allerdings können innerhalb eines Visitationstags nicht alle Strukturkriterien
überprüft werden; vielmehr muss eine Auswahl der zu visitierenden Bereiche erfolgen.
So könnten Bereiche vorrangig geprüft werden, bei denen Auffälligkeiten in der Strukturerhebung
deutlich werden. Für das Verständnis der einrichtungsinternen Abläufe hat es sich
als sehr hilfreich erweisen, den „idealen Prozess“ bei jeder Visitation mittels eines
Gesprächsleitfadens zu prüfen.
Die Erhebung zur Prozessqualität beschränkt sich – in den Empfehlungen für die Routine
– zunächst auf die Berücksichtigung von prozessnahen Strukturdaten, ferner wurde die
Nutzung der Routinedokumentation von Prozessdaten empfohlen. Der im Projekt verwendete
Ansatz zur ereignisorientierten, prozessbezogenen Patientenbefragung [25] bedarf einer
weiteren Entwicklung, bevor er für die Routine empfohlen werden kann. Zum einen muss
noch untersucht werden, welche Bedeutung die einzelnen Indikatoren tatsächlich für
den Behandlungsverlauf haben (Qualitätsrelevanz), zum anderen konnte bislang nicht
methodisch befriedigend geklärt werden, wie diese Einzelindikatoren sinnvoll aggregiert
werden können. Die fallbezogene Erfassung von Routineparametern durch Behandler (z. B.
„Anzahl ausgefallener Behandlungen“) erfolgte in den Pilotprojekten noch über Dokumentationsbogen
in Papierform. „Beschönigungstendenzen“ sind damit nicht auszuschließen. Für die Routine
wird empfohlen, solche Parameter über ein EDV-Dokumentationssystem – mit Schnittstelle
zur Klinik-/Therapieplanungssoftware – zu erfassen. Es ist davon auszugehen, dass
dadurch die „Schwelle“ zur Datenmanipulation erhöht wird. Die Validität der Daten
soll darüber hinaus dadurch gewährleistet werden, dass Prozessdaten aus unterschiedlichen
Quellen zusammengeführt werden.
Für die Erfassung der Ergebnisqualität konnten in der Projektlaufzeit keine neuen
kontextspezifischen Fragebogen entwickelt werden, daher wurde auf bewährte Assessments
zurückgegriffen. Aufgrund der vielen in diesem Bereich zu berücksichtigenden psychosozialen
Parameter kam eine Vielzahl von Fragebogen zum Einsatz. Dabei zeigte sich, dass davon
in diesem Kontext nur ein Teil ausreichende Änderungssensitivität aufweist. Auf Grundlage
der Mehrebenenmodellierung wurden verschiedene Zielparameter als geeignet für die
Routine der externen Qualitätssicherung definiert, die in der Lage waren, Variabilität
zwischen den Kliniken aufzuzeigen. Bei der Empfehlung von Verfahren wurden zudem inhaltliche
Erwägungen (z. B. besondere Relevanz für den Versorgungsbereich) zur Auswahl von Zielparametern
einbezogen. Die für einen Routineeinsatz durch die gesetzliche Krankenversicherung
empfohlenen Instrumente sind in [Tab. 8 ] aufgeführt.
Tab. 8 Empfohlene Assessment-Instrumente zur einrichtungsvergleichenden Ergebnismessung.
Instrument
Parameter
Zielbereich
* Brief-COPE-Subskalen: „emotionale Unterstützung“, „aktive Bewältigung“, „instrumentelle
Unterstützung“, „Ausleben von Emotionen“, „Planung“
PHQ-D
Depressivität
PHQ-D
somatische Symptome
Belastungen
IRES-MF
mütterspezifische Belastungsfaktoren
IRES-24
Funktionsstatus im Alltag
Funktionsfähigkeit
Brief COPE
handlungsorientiertes Coping*
FLZ-M
Zufriedenheit mit der Gesundheit
Rosenberg-Skala
Selbstwert
Befindlichkeit
BSSS
Suche nach sozialer Unterstützung
RS-11
Resilienz
eingeschränkte Empfehlung aus methodischen Gründen, aber inhaltlich sinnvoll
FKE
erziehungsbezogene Selbstwirksamkeit
Erziehungsverhalten
IRES-MF
umweltbezogene Belastungsfaktoren
Belastungen
IRES-MF
familienbezogene Sorgen
Problematisch bleibt, dass durch die Instrumente nicht alle der typischerweise behandelten
Problemkonstellationen (v. a. im Bereich Mutter-/Vater-Kind-Interaktion) erfasst werden,
sodass sie aus Sicht einiger Expertinnen und Experten nicht allen Behandlungszielen
der Einrichtungen gerecht werden. Auch konnten aufgrund inhaltlicher und methodischer
Schwierigkeiten bei den Kinder-Fragebogen keine Klinikvergleiche bezogen auf die Kind-bezogenen
Outcomes vorgenommen werden. Es wurde empfohlen, diese Instrumente in ihrer Gesamtheit
nicht in der Routine zu verwenden. Gleichwohl wäre ein Einsatz bestimmter Subskalen
(durch Einrichtungen im Rahmen ihres internen Qualitätsmanagements) denkbar. Schwierig
ist zudem, dass bei den Outcome-Maßen der zweite Messzeitpunkt direkt am Ende der
Maßnahme liegt. Somit können die in der Behandlung angestrebten zukünftigen Entwicklungen
im häuslichen Umfeld, z. B. durch eine veränderte Mutter-Kind-Interaktion, nicht erfasst
werden, was Aussagen über die Nachhaltigkeit der Maßnahmen erschwert. Wenngleich im
Teilprojekt „Rehabilitation“ eine Katamnese erprobt wurde, so wird dieser Ansatz im
Routineeinsatz nicht weiter verfolgt werden.
In den Projekten wurden die starke Heterogenität dieses Versorgungsbereichs und damit
besondere Herausforderungen für die Qualitätssicherung deutlich. Die Versorgungslandschaft
zeichnet sich durch viele kleine Einrichtungen mit weniger als 60 Betten und einige
große Kliniken (mit über 100 Betten) aus. Neben der Aufteilung in Vorsorge und Rehabilitation
(die sowohl in der Zuweisung als auch in der Behandlung noch nicht stringent umgesetzt
wird) müssen Einrichtungen unterschieden werden, die nur Mütter aufnehmen und solche,
die Mütter und Kinder (mit unterschiedlichen Altersspektren) behandeln. Wenngleich
der Bereich „Psychische Belastungen/Psychosomatik“ die häufigste Indikation darstellt,
gibt es auch Einrichtungen, die schwerpunktmäßig andere Indikationen behandeln bzw.
spezifische thematische Behandlungsschwerpunkte (z. B. trauernde Eltern, Kinder mit
Behinderungen) vorhalten. Diese Bedingungen zeigen die hohe Spezialisierung bzw. Differenzierung
des Angebots auf, stellen aber für die vergleichende externe Qualitätssicherung eine
nicht zu unterschätzende Hürde dar, da diese Vielfalt nur schwer abgebildet werden
kann und die Anzahl der vergleichbaren Einrichtungen in strukturähnlichen Subgruppen
sehr gering ist.
Der erfasste „Gegenstand“ (Qualität der Maßnahme) muss aufgrund seiner Komplexität
über mehrere Parameter auf verschiedenen Ebenen beschrieben werden (die sicherlich
immer noch lediglich einen messbaren Teilbereich von Qualität abbilden). Sie lassen
sich weder methodisch noch inhaltlich sinnvoll in einen einzigen „Index für Behandlungsqualität“
zusammenfassen, der einen einfachen Vergleich (anhand einer Dimension) zuließe. Dies
mag auf den ersten Blick unbefriedigend erscheinen, ist aber insbesondere im Vater-/Mutter-Kind-Bereich
besonders augenscheinlich – schließlich sind hier neben der funktionalen Gesundheit
von Mutter (bzw. Vater) und Kind auch eine ggf. bestehende Interaktionsproblematik
zu berücksichtigen, sowohl bei den Eingangsassessments als auch bei der Veränderungsmessung.
Auch in den gemeinsamen Projekten der DRV und GKV zur Entwicklung externer Qualitätssicherungsinstrumente
in der Kinder- und Jugendlichen-Rehabilitation [14] wurde deutlich, dass es noch vielfältige
Abgrenzungsprobleme zwischen den Einrichtungstypen der Kinder- und Jugendlichen-Rehabilitation
und den Mutter-/Vater-Kind-Einrichtungen gibt. Zudem zeigte sich auch in diesen Projekten
die Abgrenzungsproblematik zwischen Vorsorge und Rehabilitation. Eine externe Qualitätssicherung
kann vor diesem Hintergrund immer nur einen Kompromiss darstellen zwischen der Notwendigkeit,
qualitätsrelevante Merkmale vergleichend und fair zu erfassen, und dem Anspruch, die
Realität angemessen abzubilden und der Vielfalt der Leistungsangebote gerecht zu werden.
Für einen Teil der Parameter zur Prozess- und Ergebnisqualität erscheint eine EDV-gestützte
Erfassung sinnvoll (z. B. Datum der Aufnahme und der Aufnahmeuntersuchung), die eine
Verknüpfung mit der fallbezogenen Routinedokumentation ermöglicht. In Zusammenarbeit
mit dem MDK Rheinland-Pfalz wurde die „Beta-Version“ eines EDV-Dokumentationssystems
entwickelt, welches an das System Eva-Reha® [61] angelehnt ist. In der Nutzung von Routinedaten, die durch die Anwendung EDV-basierter
Verfahren erleichtert wird, liegt sicherlich ein großes Potenzial der externen prozessnahen
Qualitätssicherung, das weiter untersucht werden sollte.
Die Umsetzung des Projektes war durch besondere Rahmenbedingungen erschwert: Mutter-/Vater-Kind-Einrichtungen
haben ihre Strukturen und Konzepte zu einem großen Teil vor dem Hintergrund einer
sozialfürsorgerischen Tradition entwickelt. Gemeinsame Anforderungsprofile für den
Leistungsbereich auf Bundesebene wurden erstmals 2003 zwischen Kassen- und Leistungserbringer-Verbänden
vereinbart und in unterschiedlicher zeitlicher Folge versorgungsvertraglich auf den
Landesebenen umgesetzt. Ein ursprünglich nicht vorhersehbarer Rückgang der Zahl der
Mutter-/Vater-Kind-Maßnahmen führte im Projekt dazu, dass die Patientinnenrekrutierung
deutlich hinter den Erwartungen zurück blieb und speziell im Projektteil Rehabilitation
in den Kliniken – trotz einer Verlängerung der Datenerhebungsphasen – nicht die vorher
durchaus realistisch geplanten Stichprobenzahlen erreicht wurden.
Zu erwähnen ist schließlich, dass die wissenschaftliche Fundierung des Mutter-/Vater-Kind-Bereichs
weiter ausgebaut werden muss. Es fehlen weitgehend akzeptierte, empirisch fundierte
und theoretisch begründete Behandlungsmodelle, die mit operationalisierbaren Assessments
verknüpft sind. Dies erschwerte die Suche nach verwendbaren Assessments und nach Konzepten
für die Beurteilung von Standards und anderen Qualitätskriterien und -dimensionen.
Wie auch im Bereich der Qualitätssicherung in anderen Leistungsbereichen der medizinischen
Rehabilitation erscheinen die in den Mutter-/Vater-Kind-Einrichtungen eingesetzten
Vorgehensweisen und Messverfahren insbesondere geeignet, „bad apples“ herauszufinden.
Damit sind zwar die gesetzlichen Anforderungen an die Qualitätssicherungsansätze der
GKV erfüllt; der Anspruch eines weiter differenzierten Klinikvergleichs entsprechend
dem ursprünglichen Auftrag der Projekte konnte damit allerdings nur bedingt umgesetzt
werden, da zu viele Einflussfaktoren einer weiteren Differenzierung im Wege stehen.
Eine zuverlässige Rangreihung der Einrichtungen kann beispielsweise nicht begründet
werden, weil auf den meisten der risikoadjustierten Outcome-Parameter keine signifikanten
Klinikunterschiede festgestellt wurden. Gründe für die geringen Klinikunterschiede
können beispielsweise darin liegen, dass die eingesetzten Instrumente vorhandene Unterschiede
nicht abbilden, oder aber auch darin, dass nach der Adjustierung von nicht beeinflussbaren
Gegebenheiten der Kliniken kaum mehr Unterschiede vorhanden sind, zumindest bei den
vermutlich überdurchschnittlich engagierten und qualifizierten Modellkliniken.
Mutter-/Vater-Kind-Maßnahmen haben sich als historisch gewachsenes und zielgruppenspezifisches
Versorgungsangebot in unserem Gesundheitssystem etabliert; der Bereich befindet sich
allerdings seit einigen Jahren im Aufbruch und bietet auch aufgrund seiner gesellschaftlichen
Relevanz erhebliche Entwicklungspotenziale. Der qualitätsorientierte Wettbewerb –
orientiert an sachgerechten Kriterien – bietet den Einrichtungen und dem Mutter-/Vater-Kind-Bereich
insgesamt wertvolle Chancen, sich über messbare Erfolge zu legitimieren.
Als Ergebnis der Erprobung von Verfahren zur externen Qualitätssicherung im Bereich
der stationären Vorsorge und Rehabilitation für Mütter und Väter (einschließlich Mutter-/Vater-Kind-Maßnahmen)
stehen Instrumente für den Routineeinsatz zur Verfügung. Der familienorientierte Bereich
der Gesundheitsversorgung stellt aufgrund seiner Heterogenität für die vergleichende
Qualitätssicherung eine besondere Herausforderung dar.
Förderung
Die Forschungsarbeiten wurden von den Verbänden der gesetzlichen Krankenkassen auf
Bundesebene gefördert.·