Dialyse aktuell 2012; 16(06): 360-361
DOI: 10.1055/s-0032-1322461
Forum der Industrie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kongressbericht vom 49. ERA-EDTA in Paris – Moderne Phosphatbindertherapie mit Magnesium

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Publication Date:
19 July 2012 (online)

 
 

Zunehmende Erkenntnisse über die schädlichen Auswirkungen der Hyperphosphatämie bei Hämodialysepatienten mit chronischer Nierenerkrankung (CKD) auf das Herz-Kreislauf-System und die Mortalität belegen die Notwendigkeit einer Therapie mit Phosphatbindern. Wie eine Studie zeigt, kann die Kombination aus Kalziumazetat und Magnesiumkarbonat (CaMg) besonders wirksam die Phosphatspiegel senken und dabei gleichzeitig duch eine reduzierte Kalziumzufuhr mögliche kalziumrelevante Risikofaktoren deutlich minimieren. Zudem zeigen aktuelle Ergebnisse aus klinischen Studien, dass duch Magnesium zusätzlich eine mögliche Reduktion kardiovaskulärer Kalzifizierungen erzielt werden kann.

Der Nachweis, dass der kalziumreduzierte Phosphatbinder (OsvaRen®) eine effektive Therapieoption ist, wurde in der kontrollierten und randomisierten multizentrischen Vergleichsstudie CALMAG[ 1 ] [ 1 ] geführt, sagte Prof. Markus Ketteler, Coburg. Sowohl unter der Therapie mit der CaMg-Kombination als auch mit Sevelamer hatten sich bei den 204 "per-protocol"-analysierten Patienten am Ende der Behandlungsperiode in Woche 25 die Phosphatspiegel in ähnlicher Höhe signifikant verringert (CaMg: 1,704 mmol/l = 5,276 mg/l, Sevelamer: 1,769 mmol/l = 5,477 mg/dl). Mit der CaMg-Kombinations-Therapie kam es jedoch zu einem schnelleren Abfall der Phosphatwerte im Serum (Abb. [ 1 ]). Aufgrund dieser Daten konnte die Hypothese der Nichtunterlegenheit von CaMg bestätigt werden.

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Abb. 1 In der CALMAG [ 1 ]-Studie sanken die Serum-Phosphat-Spiegel unter der Therapie mit CaMg schneller als unter Sevelamer.
KDOQI = "Kidney Disease Outcomes Quality Initiative"

Weiter wurde in der Studie CALMAG beobachtet, dass es im CaMg-Arm gegenüber der Vergleichsgruppe zu einem durchschnittlichen leichten asymptomatischen Anstieg des Serummagnesiums kam. Die Differenz betrug 0,2597 mmol/l. Des Weiteren kam es in dieser Gruppe gegenüber dem Vergleichsarm zu einem leichten Anstieg der durchschnittlichen gesamten Kalziumwerte im Serum, jedoch zu keiner Veränderung beim ionisierten Kalzium. Beide Therapieregime wurden gut toleriert, erklärte Ketteler. Die Anzahl der unerwünschten Ereignisse lag ähnlich hoch und es bestand kein signifikanter Unterschied hinsichtlich des gastrointestinalen Index der Lebensqualität.

Stabilisierung von Markern des Knochenstoffwechsels

Wie Ketteler weiter sagte, zeigte eine zusätzliche Analyse der Studie CALMAG [ 2 ], dass verschiedene Marker des Knochenstoffwechsels unter der Therapie mit CaMg stabilisiert werden konnten. Dazu gehörten neben BAP ("bone-specific alkaline phosphatase"), die alkalische Phosphatase (AP), β-CTX ("β-crosslaps"), P1NP ("aminoterminal propeptide of type I procollagen") und TRAP5b ("tartrate-resistant acid phosphatase 5b") (Abb. [ 2 ]).

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Abb. 2 Verschiedene Marker des Knochenstoffwechsels konnten unter der Therapie mit CaMg stabilisiert werden.
ANCOVA = "analysis of covariance", AP = alkalische Phosphatase, BAP = "bone-specific alkaline phosphatase", β-CTX = "β-crosslaps", P1NP = "aminoterminal propeptide of type I procollagen", TRAP5b = "tartrate-resistant acid phosphatase 5b"

Dass Marker des Knochenstoffwechsels mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko verbunden sein können, belegte eine prospektive Kohortenstudie [ 3 ] mit 800 Hämodialysepatienten, bei denen 12 Monate nach Beginn der Dialyse die BAP-Werte bestimmt wurden. Werte in der höchsten Tertile (> 18 U/l) waren mit einem 5,7-fach erhöhten Sterblichkeitsrisiko innerhalb von 6 Monaten gegenüber solchen mit Werten in der untertesten Tertile (< 12 U/l) verbunden. Hohe BAP-Werte waren auch mit einer erhöhten kardiovaskulären Mortalität im Langzeitverlauf verknüpft.

Ein weiterer möglicher Marker für eine schlechte Prognose ist der Fibroblasten-Wachstums-Faktor 23 (FGF-23: "fibroblast growth factor 23"), der zurzeit als wichtigster Regulator des Serumphosphats und der Calcitriolspiegel (1,25(OH)2D) diskutiert wird. FGF-23 wird von Osteoblasten ausgeschüttet, verstärkt zusammen mit seinem Korezeptor Klotho die renale Phosphatausscheidung und hemmt die Produktion von 1,25(OH)2D in der Niere. Dieser Mechanismus hält den Phosphatspiegel im physiologischen Bereich.

Bereits in der frühen Phase der Niereninsuffizienz können FGF-23 Spiegel deutlich über das normale Maß hinaus ansteigen, da die Phosphatspiegel wegen der Abnahme der intakten Nephrone nicht mehr verringern kann. Im Verlauf kommt es zu abnorm hohen FGF-23-Werten im Plasma und damit verbundenen Auswirkungen wie Herzmuskelhypertrophie, endothelialer Dysfunktion und erhöhter Mortalität. Die Ergebnisse der CALMAG- Studie zeigen, dass mit CaMg als Phosphatbinder die FGF-23-Spiegel effektiv und signifikant gesenkt werden. Ketteler fasste die wichtigsten Ergebnisse der CALMAG-Studie wie folgt zusammen:

  • Kalziumazetat/Magnesiumkarbonat zeigt im Vergleich zu kalziumfreien Phosphatbindern eine vergleichbar starke Phosphatbindung. In der CaMg-Gruppe war keine Erhöhung der Dosis erforderlich.

  • Die Zeit, um nach den Empfehlungen der aktuellen Leitlinien [ 4 ] die Ziel-Phosphat-Werte zu erreichen, war gegenüber der Sevelamergruppe im CaMg-Arm signifikant kürzer.

  • Das Verträglichkeitsprofil war in beiden Gruppen vergleichbar.

  • Die Menge der täglichen Ca-Zufuhr kann mit CaMg deutlich reduziert werden.

  • CaMg ist eine kosteneffektive Alternative zu Kalziumazetat und kalziumfreien Phosphatbindern.

  • FGF-23-Spiegel können mit CaMg effektiv und signifikant gesenkt werden.


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Geringere Mortalitätsraten

Der Einsatz von Magnesium kann zusätzliche Vorteile über die reine Phosphatbindung hinaus haben, führte Ketteler weiter aus. So besteht eine potenzielle Beziehung zwischen den Magnesiumspiegeln und der Gesamtsterblichkeit. Dies ergab eine aktuelle Auswertung der europäischen Datenbank EuCliD® [ 5 ] (Abb. [ 3 ]).

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Abb. 3 Einer Auswertung der Datenbank EuCliD® zufolge wurde nach 12 Monaten eine signifikant niedrigere Sterblichkeitsrate bei höheren Magnesiumspiegeln im Serum verzeichnet.

Bei den 953 einbezogenen Hämodialysepatienten betrug der durchschnittliche Magnesiumspiegel zu Studienbeginn 1,06 ± 0,24 mmol/l. Die auf das Alter, Geschlecht, Herkunftsland, Vorliegen eines Diabetes und den Dialysejahren adjustierte Auswertung ergab nach 12 Monaten ein signifikant erhöhtes Sterblichkeitsrisiko bei den niedrigsten Magnesiumwerten gegenüber den höchsten Mg-Spiegeln. Das Risiko war am geringsten bei Werten, die größer als 1,3 mmol/l, und am höchsten bei Werten, die kleiner als 0,85 mmol/l waren. Bei letzteren war das Risiko um mehr als 3-fach erhöht ("hazard ratio" = 3,30).

Wie eine andere, prospektive Beobachtungsstudie [ 6 ] mit dem Endpunkt Sterblichkeit zeigte, waren niedrige Mg-Serum-Spiegel ein signifikanter Vorhersagewert für die Mortalität bei Hämodialysepatienten. In der Studie evaluierten Forscher den prognostischen Wert der Mg-Konzentration bei 515 Dialysepatienten, die 51 ± 17 Monate nachbeobachtet wurden. Wie die Analyse der engmaschig bestimmten Mg-Werte ergab, lag die Mortalität signifikant höher in der Gruppe mit niedrigen Mg-Spiegeln (< 1,13 mmol/l) gegenüber den Patienten mit höheren Werten (≥ 1,13 mmol/l = 2,77 mg/dl).


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Bedeutung von Magnesium

Magnesium hat im Körper zahlreiche Funktionen, führte Ketteler zur Bedeutung des Minerals aus. Es ist als Kofaktor an mehr als 300 enzymatischen Reaktionen beteiligt. So sind der ATP-Metabolismus, die Funktion der Muskeln, der Knochenstoffwechsel und die neurologischen Funktionen von Mg abhängig. Mg trägt auch zur Regulierung des Gefäßtonus, des Herzrhythmus und der Knochenbildung bei. Über 55 % des Mg-Gehalts des menschlichen Körpers befindet sich in den Knochen.

Experimentelle und andere Studien wiesen nach, dass niedrige Serum-Mg-Spiegel mit einer vaskulären Kalzifizierung verbunden sind. So zeigte ein Tiermodell, dass eine phosphatreiche und magnesiumarme Ernährung eine schwere Kalzifizierung des Herzens und der Niere verursachte. Eine erhöhte Mg-Zufuhr und eine phosphatarme Diät dagegen reduzierte die Kalziumkonzentration im Herzen von DBA/2-Mäusen [ 7 ].

Eine Beobachtungsstudie [ 8 ] mit 390 Hämodialysepatienten belegte eine signifikante Assoziation zwischen einer Hypomagnesiämie und der über Röntgenuntersuchungen beobachteten Kalzifizierung der Handarterien, unabhängig von den Kalzium- und Phosphatwerten im Serum. Mg hat das Potenzial, vor der vaskulären Kalzifizierung über verschiedene molekulare Mechanismen zu schützen, so Ketteler. Zwar sind die Mechanismen der vaskulären Kalzifizierung noch nicht vollständig aufgeklärt, dieser dynamische Prozess ist aber wahrscheinlich multifaktoriell bedingt und zellvermittelt. Der Einsatz von magnesiumhaltigen Phosphatbindern hat bestimmte intrinsische Vorteile, eine Aluminiumtoxizität wird vermieden und die Aufnahme von Kalzium kann verringert werden, schloss Ketteler.

Dr. Ralph Hausmann, Frankfurt am Main

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Fresenius Medical Care GmbH, Bad Homburg.
Die Beitragsinhalte stammen vom Symposium "Meeting cardiovascular challenges in haemodialysis", veranstaltet von der Fresenius Medical Care GmbH, Bad Homburg, auf dem 49th ERA-EDTA Congress, Paris (Frankreich).
Der Autor ist freier Journalist.


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1 CALciumazetat-MAGnesiumkarbonat-Evaluationsstudie


  • Literatur

  • 1 de Franciso ALM et al. Nephrol Dial Transplant 2010; 25: 3707-3717
  • 2 Passlick-Deetjen J et al. ERA-EDTA Congress. Prag 2011, Poster F446
  • 3 Drechsler C et al. Clin J Am Soc Nephrol 2011; 6: 1752-1759
  • 4 CKD-MDB Work Group. Kidney Int 2009; 76 (Suppl. 113) S1-S130
  • 5 Marzell B et al. Nephrol Dial Transplant Plus 2011; 4 (Suppl. 02) DOI: 10.1093/ndtplus/4.s2.20.
  • 6 Ishimura E et al. Magnes Res 2007; 20: 237-244
  • 7 van den Broek FA, Beynen AC. Lab Anim 1998; 32: 483-491
  • 8 Ishimura E et al. Clin Nephrol 2007; 68: 222-227

  • Literatur

  • 1 de Franciso ALM et al. Nephrol Dial Transplant 2010; 25: 3707-3717
  • 2 Passlick-Deetjen J et al. ERA-EDTA Congress. Prag 2011, Poster F446
  • 3 Drechsler C et al. Clin J Am Soc Nephrol 2011; 6: 1752-1759
  • 4 CKD-MDB Work Group. Kidney Int 2009; 76 (Suppl. 113) S1-S130
  • 5 Marzell B et al. Nephrol Dial Transplant Plus 2011; 4 (Suppl. 02) DOI: 10.1093/ndtplus/4.s2.20.
  • 6 Ishimura E et al. Magnes Res 2007; 20: 237-244
  • 7 van den Broek FA, Beynen AC. Lab Anim 1998; 32: 483-491
  • 8 Ishimura E et al. Clin Nephrol 2007; 68: 222-227

 
Zoom Image
Abb. 1 In der CALMAG [ 1 ]-Studie sanken die Serum-Phosphat-Spiegel unter der Therapie mit CaMg schneller als unter Sevelamer.
KDOQI = "Kidney Disease Outcomes Quality Initiative"
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Abb. 2 Verschiedene Marker des Knochenstoffwechsels konnten unter der Therapie mit CaMg stabilisiert werden.
ANCOVA = "analysis of covariance", AP = alkalische Phosphatase, BAP = "bone-specific alkaline phosphatase", β-CTX = "β-crosslaps", P1NP = "aminoterminal propeptide of type I procollagen", TRAP5b = "tartrate-resistant acid phosphatase 5b"
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Abb. 3 Einer Auswertung der Datenbank EuCliD® zufolge wurde nach 12 Monaten eine signifikant niedrigere Sterblichkeitsrate bei höheren Magnesiumspiegeln im Serum verzeichnet.