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DOI: 10.1055/s-0032-1320115
Wie entwickelt sich eine Neuropathie? – Wissenschaftler entdecken Stoffwechselgift, das Nerven schädigt
Publication History
Publication Date:
02 July 2012 (online)
Diabetes schädigt bei ca. 60 % der Betroffenen die peripheren Nerven. Spontane Schmerzen und überhöhte Empfindlichkeit einerseits und gleichzeitig geringere Wahrnehmung äußerer Schmerzreize andererseits sind die paradoxe Folge der diabetischen Neuropathie.
Wissenschaftler der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und der Universität Heidelberg haben jetzt im Rahmen eines internationalen Forschungsprojekts eine der Ursachen für das gestörte Schmerzempfinden entdeckt: ein eigentlich natürlich vorkommendes Stoffwechselgift, das im Körper von Patienten mit Diabetes aber verstärkt produziert wird und nicht mehr richtig abgebaut werden kann. "Vor allem lange Nervenfasern werden bei diabetischer Neuropathie geschädigt", sagt Prof. Susanne Sauer, Erlangen. "Das führt zu einem widersprüchlichen Bild von Symptomen: Die Patienten leiden zum einen unter Missempfindungen, wie ‚Ameisenlaufen‘ und Kältegefühl trotz warmer Haut, einem Brennschmerz in den Füßen oder krampfartigen Schmerzen der Wadenmuskulatur. Andererseits aber gehen Warm- und Kaltempfindung zurück, und schmerzhafte Reize von außen werden nicht mehr wahrgenommen." "Die Ursachen der Nervenschädigung bei diabetischer Neuropathie gehen zwar auf den erhöhten Blutzucker zurück, sind aber nicht der Glukose selbst zuzuschreiben", erläutert Sauer. Stattdessen haben die Heidelberger Diabetologen um Prof. Peter Nawroth gezeigt, dass dafür das Zuckerabbauprodukt Methylglyoxal verantwortlich ist. Bei gesunden Menschen wird es durch Enzyme im Körper abgebaut und unschädlich gemacht. Durch das Überangebot an Zucker wird Methylglyoxal bei Diabetikern aber vermehrt produziert und kann gleichzeitig schlechter abgebaut werden. Seine Anreicherung in den Nervenzellen hat einen Einfluss auf die sogenannten Nozizeptoren.
Die Forschungen in Erlangen
Diese speziellen Nervenfasern machen den Körper empfindlich gegen potenziell schädigende Reize. Hierzu sind die Nozizeptoren mit einer Vielzahl von Sensoren und mit verschiedenen Natriumionenkanälen ausgestattet. Diese Ionenkanäle bilden Nervenimpulse, die ins Gehirn geleitet werden und dort eine Schmerzempfindung auslösen können. "Methylglyoxal modifiziert zumindest 2 dieser Natriumkanäle", erklärt Sauer. "Einer der Kanäle wird durch Methylglyoxal in seinen biophysikalischen Eigenschaften so verändert, dass die Erregbarkeit der Nervenfasern steigt. Die Folge ist schmerzhafte Überempfindlichkeit, zum Beispiel gegen Hitze und mechanische Reize." Im anderen Natriumkanal, den man auch in Neuronen des vegetativen Nervensystems findet, senkt Methylglyoxal hingegen die Erregbarkeit drastisch. Das könnte unter anderem die Schwäche von Magen- und Darmmuskulatur bzw. der Harnblase bei Diabetikern erklären.
Das internationale Forschungsprojekt wurde u. a. von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), der Juvenile Diabetes Research Foundation in den USA, der German Diabetes Association und der Alexander-von-Humboldt-Stiftung gefördert. Die Ergebnisse wurden in Nature Medicine (http://www.nature.com/nm/journal/vaop/ncurrent/full/nm.2750.html) veröffentlicht.
Quelle: Pressemeldung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
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