Z Orthop Unfall 2012; 150(03): 242-243
DOI: 10.1055/s-0032-1320096
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Komplikationen – Thromboembolieprophylaxe nach OSG-Fraktur?

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Publication Date:
21 June 2012 (online)

 
 

Die Indikation zur Thromboseprophylaxe bei Verletzungen des Sprunggelenkes ist laut den Autoren nicht exakt definiert. Daher war es Ziel der Studie das Risiko thromboembolischer Ereignisse nach Verletzungen des Sprunggelenkes zu ermitteln und damit im Verlauf eine Festlegung zur erforderlichen Prophylaxe zu erarbeiten.
The incidence of thromboembolic events in surgically treated ankle fracture. J Bone Joint Surg Am 2012; 94: 502–526

Einleitung

Nach Unfällen und Verletzungen des muskoloskelettalen Systems, v.a. der unteren Extremitäten, besteht das Risiko von thromboembolischen Ereignissen bei zu erwartender Immobiliserung.

Für thromboembolische Ereignisse bei Verletzungen im Knie- und Hüftbereich gibt es in der Literatur viele Angaben, u.a. werden Häufigkeiten zwischen 8 % und 70 % beschrieben, wobei Lungenembolien mit einer Wahrscheinlichkeit von 1–10 % auftreten. Die Wahrscheinlichkeit von Thromboembolien bei Sprunggelenksfrakturen differiert zwischen 0,22–21 %.


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Material und Methoden

Insgesamt konnten in diese retrospektive Studie 1540 Patienten eingeschlossen werden. Es wurden ausschließlich Verletzungen des oberen Sprunggelenkes berücksichtigt. Pilon-tibial-Frakturen wurden aufgrund des meist höhergradigen Weichteilschadens ausgeschlossen. Unter den eingeschlossenen Patienten waren 51 % Frauen und 49 % Männer. Das Alter lag im Mittel bei 46 +/- 17,4 Jahren (der jüngste Teilnehmer war 11 Jahre; der älteste 91 Jahre). Neben der Art der Fraktur wurden auch allgemeine Risikofaktoren wie: Neoplasien/Tumore, Kontrazeptiva, Schwangerschaft, Rauchen oder vorausgegangene thromboembolische Ereignisse erhoben.

Die Prophylaxe wurde mit niedermolekularem Heparin oder Warfarin durchgeführt. 9,2 % der Patienten nahmen noch zusätzlich ASS ein.

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(Foto: MEV)

Eine Thrombose galt als bestätigt, wenn sie doppler-sonografisch nachgewiesen wurde. Lungenembolien wurden mit eine Ventilations-/Diffusionsszintigraphie aufgezeigt. Kein Patient wurde routinemäßig sonografiert; das heißt, nur wenn der klinische Verdacht bestand, wurde eine entsprechende Diagnostik durchgeführt.


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Ergebnisse

Die Inzidenz der Thromoboembolien betrug insgesamt bei allen eingeschlossenen Patienten 2,99 %; 2,66 % der Patienten erlitten tiefe Beinvenenthrombosen, 0,32 % Lungenembolien.

Nur 16,43 % der eingeschlossenen Patienten erhielten eine Thromboseprophylaxe in Form von niedermolekularen Heparinen oder Warfarin. Von diesen Patienten hatten 2,37 % eine Thrombose und 0,40 % eine Embolie der Lunge. Bei den Patienten ohne Prophylaxe lag das Risiko eine Thrombose zu erleiden bei 2,56 % und 0,47 % für eine Lungenembolie.

Somit liegt die errechnete relative Risikoreduktion bei Einnahme von thromboseprophylaktischen Medikamenten bei 9 %. Die Einnahme von ASS hatte keinerlei Effekt auf die Rate der thromboembolischen Ereignisse.

45,3 % der eingeschlossenen Patienten hatte mindestens einen Risikofaktor für thromboembolische Ereignisse. Das Vorhandensein mindestens eines Faktors erhöhte die Rate der Thromboembolien auf 3,59 %. Interessanterweise hatte die Thromboseprophylaxe keinen erheblichen Effekt auf das tatsächliche Vorkommen thromboembolischer Ereignisse in dieser Gruppe; das heißt trotz Prophylaxe erlitten 3,55 % dieser Subgruppe eine Thrombose.

Das Vorhandensein von mehreren Faktoren, nämlich die Art der Fraktur, das Alter, Geschlecht oder die Rasanz des Unfalls hatten keinen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Thrombosen oder Embolien.


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Zusammenfassung

Klinisch erfasste thromboembolische Ereignisse nach Verletzungen und chirurgischer Versorgung des oberen Sprunggelenkes sind relativ selten und werden nur wenig durch eine Thromboembolieprophylaxe beeinflusst. Es ist gesichert, dass Personen mit entsprechenden Risikofaktoren eine höhere Rate an thromboembolischen Ereignissen aufweisen als Personen ohne. Den tatsächlichen therapeutischen Effekt der Thromboembolieprophylaxe sollten prospektive Studien erfassen.


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Kommentar

Die vorgelegte Studie eröffnet interessante Aspekte der Sinnhaftigkeit und Dauer einer Thromboembolieprophylaxe, wenngleich der retrospektive Charakter und die Untersuchung der nur symptomatischen Patienten auf eine Thrombose oder Embolie erhebliche Limiten darstellen.

Es wäre in dieser Untersuchung doch interessant gewesen mit wieviel Gewicht die Patienten teilbelasteten, über welchen Zeitraum und welche Orthese/Gips dabei angewendet wurde.

Denn erfahrungsgemäß halten sich in der Realität die Patienten ausschließlich unter der Beobachtung des Arztes für geschätzte 10 Minuten an eine tatsächliche Ent- oder Teilbelastung. Trifft man die Person in der Stadt oder kann sie im Freundeskreis beobachten, werden diese Teilbelastungen wenig eingehalten.

In unserer Einrichtung bekommen alle Patienten leitliniengerecht mit einer angeordneten Teilbelastung oder Entlastung bzw. einer das OSG überbrückenden Orthese eine Thromboembolieprophylaxe. Thrombosen werden vor allem bei Patienten beobachtet, die ein erhöhtes Risiko aufweisen, meist auch schon eine TVT in der Vergangenheit nachweisen konnten. Somit geben die Zahlen der Studie Recht: Personen mit erhöhtem Risikofaktor weisen eine höhere Rate von thromboembolischen Ereignissen auf.

Manuela Brunk
Chirurgische Klinik und Poliklinik
Abteilung für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsmedizin Rostock
E-Mail:
manuela.brunk@med.uni-rostock.de


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(Foto: MEV)