Dialyse aktuell 2012; 16(05): 260-268
DOI: 10.1055/s-0032-1320078
Fachgesellschaften
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Nephro Fachtagung Ulm 2012

Zusammenfassung der Vorträge
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Publication Date:
15 June 2012 (online)

 
 
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Die vielfältigen Vortragsthemen und die Redner begeisterten die Tagungsteilnehmer.

Freitag, 30. März

Den akuten Shuntverschluss vermeiden

Dr. Everard Braganza, Olpe, sprach über die Shuntchirurgie mit dem Ziel, Venenkatheter möglichst zu vermeiden. Die Zunahme peripherer Gefäßveränderungen (Diabetiker), die vorausgegangene Implantation von Herzschrittmachern und besonders auch temporäre Venenkatheter mit Verlegung der zentralen Venen schränken die Möglichkeit zur Anlage einer typischen Cimino-Brescia-Fistel ein. Die Verwendung von Kunststoffgefäßprothesen und Gefäßkathetern sollte man laut Braganza nach Möglichkeit vermeiden.

Mit eindrucksvollem, umfangreichem Bildmaterial gab der Referent Beispiele von Eingriffen, die unter Erhalt einer Punktionsmöglichkeit die Gefäßkomplikation beseitigen konnten, ohne dass ein temporärer Katheter erforderlich war. Braganza zeigte Thrombosen, Stenosen sowie Aneurysmen und präsentierte gefäßchirurgische Lösungen. Als Besonderheit zeigte der Redner die DRIL ("Distal Revascularisation Internal Ligature") als Operationsmethode bei shuntbedingtem Stealsyndrom.


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Dialysebeginn und Dialysedosis

Dr. Thomas Weinreich, Villingen-Schwenningen, referierte über den richtigen Zeitpunkt für den Dialysebeginn und über die Dialysedosis. Unstrittig sind nicht beherrschbare Überwässerung oder Hyperkaliämie und urämische Perikarditis absolute Indikationen zum Dialysebeginn. Von einem frühen Dialysebeginn versprach man sich vor allem, derartige Komplikationen und auch eine Malnutrition zu vermeiden. So revidierte die NKF ("National Kidney Foundation") ihre 1997 erlassene Empfehlung, bei einer eGFR ("estimated glomerular filtration rate") von 10,5 ml/min zu beginnen und empfahl 2007 den Dialysebeginn bereits bei einer eGFR von unter 15 ml/min.

Die Studienlage war jedoch uneinheitlich. Einige Untersucher fanden in Oberservationsstudien bei einem früheren Beginn sogar einen Überlebensnachteil. Die 2010 publizierte IDEAL[ 1 ]-Studie verglich dann prospektiv, kontrolliert und randomisiert mit dem primären Endpunkt Tod 3,5 Jahre lang über 800 Patienten, die entweder bei einer eGFR zwischen 5 und 7 oder 10 und 14 ml/min mit der Dialyse beginnen sollten. Es fand sich kein Mortalitätsunterschied zwischen den beiden Gruppen. Allerdings fiel auf, dass 3 Viertel der Patienten in der Gruppe mit späterem Beginn wegen klinischer Symptome schon vorzeitig mit der Dialyse beginnen mussten. Der Referent schloss hieraus, dass ein frühzeitiger Beginn bei über 10 ml/min eGFR keinen gesicherten Vorteil für den Patienten bringt, jedoch höhere Kosten verursacht. Außerdem sollte der richtige Zeitpunkt nicht nur nach der eGFR, sondern mittels Einschätzung der klinischen Konstellation durch einen Nephrologen festgelegt werden, so Weinreich.

Ähnlich kontrovers ist die Bedeutung der Dialysedosis. Unstreitig führt Behandlung mit einer eKt/V (Dialysedosis) von unter 1,0 zu erhöhter Mortalität (NCDS[ 2 ]). Andererseits konnte in der HEMO[ 3 ]-Studie bei einer Erhöhung der Dosis von 1,05 eKt/V auf 1,45 kein Überlebensvorteil gefunden werden (Ähnliches gilt aufgrund der ADEMEX[ 4 ]-Studie für die PD, bei der die Restnierenfunktion für das Überleben entscheidend ist). Offenbar spielen Dialysezeit und Dialysefrequenz nach Erreichen eines Mindest-Kt/V eine entscheidendere Rolle. Die Dialysedosis (Kt/V) allein ist auch nicht mit Dialysequalität gleichzusetzen. Hierzu gehören vielmehr auch ein ausgeglichener Hydratationszustand, ein gut eingestellter Blutdruck, eine Korrektur der Anämie, des Kalzium-Phosphat-Haushalts und der Azidose sowie eine ausreichende Proteinernährung. Alle diese Parameter wirken sich neben der Dialysedosis auf Morbidität und Mortalität der Dialysepatienten aus.


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Geniustherapie

Dipl.-Ing. Gangolf Backus (Abb. [ 1 ]) und PD Werner Kleophas, Düsseldorf, sowie Manfred Breit, Trier, befassten sich in 3 Referaten mit grundsätzlichen Fragen, klinischen Ergebnissen sowie pflegerisch-praktischen Aspekten bei der Dialyse mit dem Geniusgerät. Die Entwicklung des Geniusgeräts hat ihren Ursprung in Düsseldorf, wo in den 1970er-Jahren Dr. Tersteegen dieses tankbasierte System entwarf, das später von der Fa. Fresenius vertrieben wurde. Im Gegensatz zu den damals gerade eingeführten Geräten mit Proportionierung, die seinerzeit nur mit Azetat als Puffer gefahren werden konnten, war hier wieder Bikarbonat als physiologischer Puffer möglich.

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Abb. 1 Dipl.-Ing. Gangolf Backus.

Die Dialysierflüssigkeit konnte individuell variiert werden und kam nur mit Duranglas in Kontakt, was zu hervorragender Keim- und Pyrogenarmut führte. Das luftfrei gefüllte Schlauchsystem minimierte die Gerinnungsaktivität. Das völlige Fehlen von Sensoren, Kammern, Ventilen, Toträumen, Muffen und Kupplungen im Wasserteil ist genial einfach. Die Grenzschicht zwischen verbrauchter und frischer Dialysierflüssigkeit im Glasbehälter (70 oder 90 Liter Inhalt) ist auch für den Patienten ein faszinierendes Phänomen. Hinzu kommt die hervorragende Mobilität, da eine Unabhängigkeit von Wasseranschluss und Strom (Akkusystem integriert) besteht und weder Konzentrat- noch Permeatschläuche noch ein Dialysatabfluss notwendig sind. Daher eignet sich das System bestens für die Dialyse im Intensiv- oder Isolierzimmer.

Die Dialysierlösung wird automatisiert aus einer trockenen Komponente (Natrium, Bikarbonat, Glukose) und einer autosterilen hochkonzentrierten Lösung hergestellt. Aus 24 verfügbaren Komponenten lassen sich theoretisch 420 verschiedene Dialysierlösungen komponieren. In der Praxisdialyse Düsseldorf-Karlstraße kommen für 300 Patienten etwa 70 verschiedene Dialysierlösungsrezepturen zum Einsatz. Der Einsatz automatisierter Füllstationen (Präparator) erfordert für die Aufrüstung eines Geräts 8 Minuten, sodass die Patienten entsprechend des Patientenplans nacheinander angelegt werden. Dies zusammen mit der extremen Geräuscharmut der Geräte führt zu einer sehr entspannten Atmosphäre (z. B. auch in der Nachtdialyse), die von den Patienten ebenso geschätzt wird wie die gute Verträglichkeit der Behandlung. Systembedingt kann das Gerät allerdings nicht bei Patienten mit einlumigen Kathetern, d. h. nicht in Single-Needle-Technik, gefahren werden.

Obwohl keine prospektiven, kontrollierten und randomisierten Langzeitstudien zur Behandlung mit dem Geniussystem vorliegen, gibt es aus verschiedenen Zentren gute klinische Erfahrungen, so auch aus der Praxisdialyse Düsseldorf-Karlstraße, die über 900 000 Geniusdialysen ohne besondere Vorkommnisse durchgeführt hat, wie Kleophas berichtete.

Die 5-Jahres-Überlebensrate war mit 59 % besser als im EDTA-Durchschnitt (47 %). Die Patienten benötigten unterdurchschnittlich wenige Blutdruckmedikamente, hatten eine überdurchschnittliche Serum-Albumin-Konzentration (besonders in der Langzeit-Nacht-Dialyse), allerdings wegen der guten Protein-Ernährungs-Situation ein relativ hohes Serumphosphat. Auch die Kreislaufstabilität war mit 4,5 % intradialytischen Hypotensionen bei Nichtdiabetikern und 8,2 % bei Diabetikern sehr befriedigend. Grund hierfür könnte die langsame Abkühlung der Dialysierflüssigkeit (0,5 ° C/h) mit daraus resultierender Gefäßengstellung und die variable Glukosekonzentration (Erleichterung des Refilling) sein. In einer Studie konnte außerdem durch den Aminosäurezusatz in die Dialysierflüssigkeit das irreguläre AS-Muster der Dialysepatienten weitgehend normalisiert werden.

Das Geniussystem wurde im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Trier 1995 mit 6 Geräten eingeführt, wie Fachpfleger Manfred Breit berichtete. Der größte Vorteil beim Einsatz auf der Intensivstation ist die Unabhängigkeit vom Wasseranschluss und Dialysatabfluss sowie das Fehlen von Zu- und Ablaufschläuchen, die zuvor ständige Stolperfallen waren. Durch die Einführung von doppellumigen zentralvenösen Kathetern und die Umstellung auf Genius 90 war das System für Akutdialysen, (z. B. bei akutem Nierenversagen) nutzbar und löste das bisherige CVVH-System (CVVH: "continuing veno-venous hemofiltration") ab. Heute werden in Trier circa 40 Geniusdialysen mit Zitratantikoagulation auf der Intensivstation gefahren, entweder intermittierend (tgl. oder alle 2 Tage) bei wachen und mobilen Patienten oder als SLEDD (langsame verlängerte tägliche oder nächtliche Dialyse). Das Regime wird zusammen mit dem Oberarzt der Intensivstation festgelegt.

Die Rezeptur ist üblicherweise 135–140 mmol/l Natrium, 3 oder meist 4 mmol/l Kalium, 1,5 mmol/l Kalzium und 35 mmol/l Bikarbonat. Die Temperatur wird wegen der langen Dialysezeit höchstmöglich gewählt. Der Blutfluss (= Dialysatfluss, da bauartbedingt nur 1 Pumpe für Blut und Dialysierlösung) beträgt bei SLEDD über 12 Stunden 150 ml/min, bei SLEDD über 24 Stunden meist nur 100 ml/min.

Ein Problem sind die langen Wege und unterschiedlichen Ebenen zwischen Dialysestation mit dem Präparator (Füllstation) und der Intensivstation. Immerhin wiegt ein Genius-90-Gerät weit über 100 kg. Vorbereitung und Transport des Geräts erfolgen durch das nephrologische Personal, ebenso der Anschluss des Patienten und die Erstdokumentation. Die weitere Dokumentation, den Abschluss und die Entsorgung der Einmalartikel übernimmt das Intensivpersonal. Der Rücktransport des Geräts, das Entleeren und Desinfizieren erfolgt durch das Dialysepersonal meist erst am Tag nach der Therapie.

Aus den unterschiedlichen Verantwortlichkeiten ergibt sich ein gewisses Konfliktpotenzial, insbesondere nachts und am Wochenende, wo Dialysepersonal nur in Rufbereitschaft zur Verfügung steht. Zur richtigen Interpretation von Störungen ist die ständige Nachschulung des Intensivpersonals (Fluktuation) erforderlich. Ebenso ist ein guter kollegialer Umgang Voraussetzung für die Zusammenarbeit.


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Interkulturelle Pflege

Petra Löcker-Emgan, Bildungszentrum am Klinikum München-Ost, sprach über transkulturelle Pflege. In Deutschland leben fast 15 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund. Besondere Herausforderungen für die Pflege liegen in der Unterschiedlichkeit kultureller Gewohnheiten, den Wertvorstellungen und der Migrationserfahrung.

Sprachliche Barrieren, unterschiedliches Schmerzerleben und eine andere Art der Schmerzäußerung kommen hinzu. Transkulturalität bedeutet, dass sich Kulturen durchdringen und miteinander vernetzt sind. Kultur ist keine geschlossene Einheit, sondern innerhalb einer Kultur gibt es viele verschiedene Identitäten. Die transkulturelle Sichtweise fokussiert stets das Individuum und nicht die Kultur an sich. Transkulturelle Kompetenz stützt sich auf Selbstreflexion, auf Wissen und Erfahrung sowie auf Empathie. Transkulturelle Kompetenz bewirkt gezieltere und individuellere Pflege und wirkt sich positiv auf Krankheitsverläufe aus. Durch Vermeiden von Fehldiagnosen und -behandlungen kommt es zur Senkung der Verweildauer und damit zur Kostenreduktion im Gesundheitswesen.


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Mangelernährung

Prof. Martin Kuhlmann, Berlin, referierte über Mangelernährung und Supplemente in der Nephrologie. Bei 10–15 % der Dialysepatienten liegt eine schwere Mangelernährung vor. Diese wird heute als "Protein-Energy-Wasting" (PEW) bezeichnet und ist durch einen gesteigerten Proteinkatabolismus bei gleichzeitiger Hemmung anaboler Stoffwechselvorgänge gekennzeichnet. Dialyse selbst ist ein kataboler Vorgang. Hinzu kommen Anorexie durch Urämietoxine und eine chronische Inflammation. Ältere Patienten sind besonders gefährdet, wenn längere Krankenhausaufenthalte mit reduzierter Nahrungsaufnahme oder interkurrente Infektionen hinzukommen.

Als Hinweise auf Mangelernährung gelten ungewollte Gewichtsabnahme, reduzierte interdialytische Gewichtszunahme, Appetit- und Kraftlosigkeit sowie unerklärter Abfall von Serumalbumin, -cholesterin und -phosphat. Ein Body-Mass-Index (BMI) von unter 23 kg/m2 ist bereits ein Hinweis auf das Vorliegen eines PEW. Eine erweiterte Diagnostik mit SGA ("Subjective Global Assessment") und Ernährungsprotokoll schließt sich an. Hinweise auf ein PEW bestehen bei einer Eiweißaufnahme von unter 0,8 g/kg Körpergewicht bei Dialysepatienten und/oder einer Kalorienaufnahme von unter 25 kcal/kg Körpergewicht.

Veränderungen von Muskel- und Fettmasse sowie des Hydratationszustandes lassen sich auch mit der BIS (Bioimpedanz-Spektroskopie) gut nachweisen. Aufwendigere Methoden wie DXA ("dual-emission X-ray absorptiometry") oder MRT (Magnetresonanztomografie) sind selten erforderlich. Die PCR ("protein catabolic rate") ist bei kataboler Stoffwechsellage ungeeignet. Differenzialdiagnostisch müssen andere Malnutritionsursachen ausgeschlossen und behandelt werden (Zahnstatus, Gastritis, Malignom, unzureichende Dialysedosis).

Die Therapieplanung erfolgt anhand der Ernährungsprotokolle auf ein ödemfreies Normalgewicht nach BROCA (Männer Körpergröße (cm) – 100, Frauen Körpergröße (cm) – 100 – 10 %). Ziel der Therapie ist eine anhaltend anabole Stoffwechsellage. Zur Verfügung stehen die intradialytische orale oder intravenöse Ernährung. Eine Intervention an nur 3 Tagen pro Woche kann jedoch keinen Erfolg haben. Die Eiweißzufuhr sollte vielmehr täglich auf mindestens 1,1 g/kg Normalgewicht (NG) und die Kalorienzufuhr auf 30–40 kcal/kg NG gesteigert werden.

Muskelaktivität wirkt sich positiv aus. Es stehen Trinknahrung oder Ernährungsriegel zur Verfügung, die neben den regulären Mahlzeiten zusätzlich verordnet werden. Die Trinknahrung sollte nicht in die limitierte Gesamttrinkmenge eingehen. Bei Volumenproblemen kann vorübergehend 4-mal pro Woche dialysiert werden. Bei schwerer oder nicht oral ausreichend therapierbarer Mangelernährung kommt bei therapiewilligen Patienten die Zusatzernährung über Magensonde oder PEG-Sonde (PEG: perkutane endoskopische Gastrostomie) infrage. Hierbei bietet die PEG-Sonde den Vorteil einer weiterhin unbehinderten oralen Nahrungszufuhr. Mehrere Studien (darunter auch eine eigene Studie des Referenten) bestätigten die Wirkung auf das Körpergewicht mangelernährter Dialysepatienten. Ob die Mortalität beeinflusst wird, ist bisher nicht erwiesen.

Die intradialytische parenterale Ernährung (IDPN) hat den Nachteil, dass sie den wöchentlichen Eiweiß- und Kalorienbedarf bei Weitem nicht decken kann und hohe Kosten (monatlich 1600–2000 Euro) verursacht. Solange eine orale oder enterale (PEG) Nahrungszufuhr möglich ist, wird man von einer IDPN absehen – zumal in einer prospektiven randomisierten Studie die zusätzliche IDPN keinen Überlebensvorteil brachte.


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Ethische Aspekte der künstlichen Ernährung

Dipl.-Pflegewirt (FH) Oswald, Nürnberg, referierte über ethische Aspekte der künstlichen Ernährung bei terminal Kranken. Ernährung gehört insoweit nicht zur Basisversorgung, als Hunger und Durst bei 2 Dritteln der terminal Kranken nicht vorhanden und mit Kleinstmengen zu befriedigen sind. Juristisch ist ein Therapieverzicht oder -abbruch dann gerechtfertigt, wenn die medizinische Indikation oder die Zustimmung des Patienten fehlt. Der Patientenwille kann aktuell ausgesprochen werden, vorausverfügt sein oder als mutmaßlicher Wille durch den Betreuer zu einer Entscheidung im Sinne des Patienten verwendet werden. Der Arzt bietet an und klärt auf, trifft aber nicht die Entscheidung.

In Deutschland werden jährlich 140 000 PEG-Sonden gelegt. Die Wirksamkeit künstlicher Ernährung zeigt sich etwa in der Zunahme der Lebenserwartung, der Kontrolle des Körpergewichts oder auch im Rückgang von Aspirationen oder Pneumonien. Dies lässt sich im Falle neurologisch (akuter Schlaganfall) oder HNO-bedingter (Tumor-)Dysphagien nachweisen. Demgegenüber profitieren Patienten mit Tumorkachexie oder fortgeschrittener Demenz nicht im obigen Sinne.

Die Wirksamkeit einer künstlichen Ernährung ist im Übrigen nicht mit dem Nutzen für den individuellen Patienten zu verwechseln. Bei einem Patienten mit Wachkoma liegt dieser nur vor, wenn der Patient sich ein Leben mit dieser Diagnose wünschen würde. Es bedarf daher immer der Betrachtung des Einzelfalles.

Künstliche Ernährung bei Sterbenden kann zu Übelkeit und Atemnot, zur Blockierung der Endorphinausschüttung und zur Störung des Dämmerzustands in der letzten Lebensphase führen. Künstliche Ernährung bei Dementen kann zum Verlust menschlicher Zuwendung, Fixierung oder Sedierung der Patienten und damit zur Verletzung der Patientenautonomie führen.

Zur Entscheidungsfindung für oder gegen eine künstliche Ernährung ist eine dialogische Fallkonferenz zu empfehlen, die auch den Patienten und seine Angehörigen einbezieht. Bei schwierigen oder dissenten Fällen kann eine klinische Ethikberatung zur Problemlösung beitragen.


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Ethische und rechtliche Aspekte des Dialyseabbruches

Dr. Susanne Kuhlmann, Berlin, sprach über ethische und rechtliche Aspekte des Dialyseabbruchs. In den USA sind 5–20 % der Todesfälle bei Dialysepatienten auf Dialyseabbruch zurückzuführen. Das typische Patientenprofil zeigt alte, demente, im Pflegeheim lebende Patienten mit progredientem Abbau. Rechtlich gesehen ist ein Dialyseabbruch passive Sterbehilfe. Unproblematisch ist diese, wenn der Sterbeprozess bereits begonnen hat und die Indikation zur Weiterbehandlung entfällt (Hilfe im Sterben).

Demgegenüber ist Hilfe zum Sterben nur mit Einwilligung straffrei. Ein Betreuer muss bei einem nicht entscheidungsfähigen Patienten den mutmaßlichen Willen ermitteln, der Arzt berät, entscheidet aber nicht. Wichtig ist, dass ein Dialyseabbruch nicht mit einem Therapieabbruch gleichzusetzen ist: Ernährung, Schmerztherapie und ggf. Ultrafiltration bei Überwässerung müssen weiter garantiert werden. Im Allgemeinen führt innerhalb von 10 Tagen nach dem Abbruch der natürliche Erkrankungsverlauf zum Tod.

In der Praxis kommt es häufig zu Konflikten zwischen der Fürsorgepflicht des Teams, das den Lebensschutz im Vordergrund sieht (salus aegroti), und der Patientenautonomie (voluntas aegroti). Die Patientenautonomie hat bei entscheidungsfähigen Patienten immer Vorrang, da die Behandlung ohne eine Einwilligung eine Körperverletzung darstellt. Zwänge im persönlichen oder gesellschaftlich-ökonomischen Umfeld sollten zuvor ausgeschlossen sein. Patientenautonomie setzt weiter voraus, dass der Patient kompetent und informiert ist und keine Depression, kognitiven Defizite oder schwere Schmerzsyndrome bestehen. Für das Team gilt, sich Ruhe und Zeit zu nehmen, um eine "shared decision" herbeizuführen. Transparenz und exakte Dokumentation sind unerlässlich.


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Podiumsdiskussion und Workshops

Zum Abschluss des Tages fand eine Podiumsdiskussion mit den zuletzt genannten 3 Referenten und Prof. Frieder Keller, Ulm, zum Thema Dialyseabbruch statt, bei der auch das Publikum lebhaften Anteil hatte (Abb. [ 2 ]). Im Parallelprogramm fanden ferner 4 Workshops der Firmen Nephro-Medical GmbH, RenaCare Nephromed GmbH, Phoenix Pure Water GmbH und Vitasyn statt, die ebenfalls gut besucht waren.

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Abb. 2 Podiumsdiskussion.

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Samstag, 31. März

Dialysierlösungen

Prof. Mark Dominik Alscher, Stuttgart, sprach über alternative Dialysierlösungen in der Peritonealdialyse. Wegen der kontinuierlichen unphysiologischen Belastung des Peritoneums mit Glukose kommt es mit den Jahren zu einer peritonealen Vaskulopathie mit Gefäßneubildungen, ähnlich wie bei der diabetischen Retinopathie. Zunehmende Fibrose und Sklerose bedingen eine erhöhte Permeabilität, Glukose wird vermehrt resorbiert, was zum Ultrafiltrationsverlust führt.

Diese Vorgänge werden durch Glukoseabbauprodukte (GDP) in den "alten", sauren Lösungen verstärkt. Die neuen Zweikammersysteme beinhalten eine saure Komponente (pH 3) mit Glukose und Elektrolyten und eine basische Komponente (pH 8,5) mit Laktat oder Bikarbonat als Puffer, die nach Mischung einen physiologischen pH zwischen 7,2 und 7,4 ergeben. In diesem Milieu entstehen weniger AGEs ("advanced glycation endproducts") und Aldehyde, die mit Fibrose korreliert sind. CA 125 als Parameter für die Mesothelmasse steigt mit den biokompatiblen Lösungen an, und in verschiedenen Studien waren das technische Überleben und der Erhalt der Restnierenfunktion besser.

Eine weitere Möglichkeit zur Verbesserung der Biokompatibiltät besteht im Einsatz des physiologischen Puffers Bikarbonat anstelle von Laktat. In verschiedenen experimentellen Untersuchungen zeigte sich dabei eine verbesserte zelluläre Abwehrfunktion. Danach ging der Referent noch auf alternative osmotische Agenzien ein. Polyglukose (Icodextrin) führt kolloidosmotisch zu einer lang anhaltenden Ultrafiltration und kann bei CAPD über Nacht oder bei APD tagsüber zum Einsatz kommen. Es hilft auch dabei, Ultrafiltrationsprobleme im Rahmen einer Peritonitis zu beherrschen und bei beginnendem Ultrafiltrationsverlust die Methodenverweilzeit zu verlängern.

Schließlich kommt noch die Gabe einer Lösung mit Aminosäuren als osmotisches Agens etwa um die Mittagszeit infrage. Hierdurch kann der methodenbedingte Verlust an Aminosäuren mehr als ausgeglichen werden.


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Kalzium- und Phosphathaushalt

PD Rainer Nowack, Lindau, sprach über den Kalzium-Phosphat-Haushalt, dessen Störungen bereits im Frühstadium der Niereninsuffizienz beginnen und therapiert werden sollten. Eine verminderte Produktion von aktivem Vitamin D und Störungen der renalen Phosphatausscheidung sind verantwortlich für eine negative Kalziumbilanz und eine Hyperphosphatämie, die einen Hyperpathathyreoidismus bedingen und schließlich zur renalen Osteopathie und zu extraossären Verkalkungen führen – insbesondere in den Gefäßen.

Als diagnostisch wichtige Parameter stellte Nowack Serumkalzium und -phosphat, das Kalzium-Phosphat-Produkt (CaxP-Produkt), Vitamin D (25-OH-D3), PTH und alkalische Knochenphosphatase (BAP) vor und erläuterte sie. Therapeutisch lässt sich die Hyperphosphatämie mit Diät und konventioneller Dialyse allein nicht beheben, wohl aber mit sehr langen Dialysezeiten (Nachtdialyse). Im Regelfall müssen Phosphatbinder eingesetzt werden, von denen die kalziumhaltigen bei erhöhtem CaxP-Produkt durch kalziumfreie (Sevelamer, Lanthanum) ergänzt bzw. ersetzt werden sollten.

Der neue Wirkstoff Cinacalcet ist ein Calcimimetikum und senkt PTH, Kalzium und Phosphat. Die Therapie mit aktivem Vitamin D zur Hemmung der Nebenschilddrüsen ist bei erhöhtem CaxP-Produkt kritisch zu sehen. Paracalcitol erhöht die enterale Aufnahme von Kalzium und Phosphat demgegenüber kaum.

Während die älteren KDOQI-Leitlinien (KDOQI: "Kidney Disease Outcomes Quality Initiative") Zielpunkte für PTH (100–300 pg/ml), Kalzium, Phosphat und CaxP-Produkt (unter 55 mg2/dl2) formulierten, raten die neuen KDIGO-Leitlinien (KDIGO: "Kidney Disease: Improving Global Outcomes") dazu, Serumkalzium und Serumphosphatwerte im Normbereich anzustreben und das PTH zwischen dem 2- und 9-Fachen des Normbereichs zu halten. Schlussendlich besprach der Referent noch die Indikation und die Techniken der Parathyreoidektomie bei medikamentös nicht beherrschbarem Hyperparathyreoidismus.


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Hygieneplan und aktuelle Urteile

PD Andreas Schwarzkopf, Aura an der Saale, sprach über den Hygieneplan. Das neue Infektionsschutzgesetz fordert in §23 (in dem Dialysezentren explizit erwähnt sind) einen Hygieneplan nach dem Stand der Technik, der sich aus den Empfehlungen der KRINKO und der ART am Robert Koch-Institut ergibt. Dabei müssen auch Aspekte des Arbeitsschutzes berücksichtigt werden, die sich aus der Biostoffverordnung und der Technischen Regel für Biostoffe (TRBA 250) ableiten. Weiterhin ist eine tätigkeits- und arbeitsplatzbezogene Gefährdungsbeurteilung für jeden Mitarbeiter zu erstellen, Rechtsgrundlage hierfür ist die TRBA 400.

Der Hygieneplan muss durch die Zentrumsleitung in Kraft gesetzt werden und ist dann rechtsverbindliche Arbeitsanweisung. Nach dem Grundsatz der Eigenverantwortung muss ein Mitarbeiter melden, wenn er zur Einhaltung der Regeln nicht fähig ist. Nach dem Grundsatz des Vertrauens können Mitarbeiter darauf vertrauen, dass die gegebenen Anweisungen dem Stand der Technik entsprechen und dass sich alle Kollegen daran halten. War der Hygieneplan unrichtig, trifft den Arbeitgeber ein Organisationsverschulden, das bei Arbeitsunfällen einen Regress der Berufsgenossenschaft nach sich zieht.

Beim Medizinprodukte- und Arzneimittelrecht gilt prinzipiell die Anwenderhaftung. Daher ist zumindest eine Aufbereitungsanweisung mit eindeutiger Freigaberegelung erforderlich. Diese wird besonders aufwendig, wenn noch die Instrumentenaufbereitung im eigenen Sterilisator stattfindet.

Im Reinigungs- und Desinfektionsplan ist festzulegen, welche Flächen routinemäßig nur gereinigt bzw. auch desinfiziert werden sollen. Er gibt auch Auskunft über die zu verwendenden Produkte, deren Konzentration und Einwirkzeit. Im Hautschutzplan werden die erforderlichen Maßnahmen zur Händehygiene festgelegt.

Bei Infektionen und Multiresistenz ist ein guter Informationsfluss innerhalb des Zentrums und bei Überweisungen wichtig, gemäß TRBA 250 ist insoweit die Schweigepflicht aufgehoben. Sachgerechte Information von Personal (auch Reinigungspersonal!), Patienten und Angehörigen ist zu fordern.


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Management infektöser Komplikationen an der PD

Prof. Andreas Vychityl, Wien (Österreich), sprach über infektiöse Komplikationen bei der PD. Exit-site- und Tunnel-Infektionen werden als katheterassoziierte Infektionen zusammengefasst. Die Diagnose erfolgt klinisch, bei der Tunnelinfektion ist die Tunnelsonografie hilfreich, die bei einer Exit-site-Infektion mit S. aureus immer durchgeführt werden sollte (50 % Tunnelinfekte).

Ein Abstrich von der KAS (Katheter-Austritts-Stelle) dient der Erregeridentifizierung. Bei milden KAS-Infektionen ohne eitriges Sekret, Schwellung oder Rötung genügt zunächst eine Lokaltherapie (häufige Verbandswechsel mit 10 % NaCl oder Antiseptika).

Die systemische antibiotische Therapie ist indiziert bei virulenten Erregern mit hohem Tunnelinfektionsrisiko (S. aureus, Pseudomonas), bei fehlender Verbesserung oder gar Verschlechterung des Lokalbefunds innerhalb einer Woche, bei Rezidiven innerhalb von 4 Wochen und immer bei Tunnelinfektionen. Ist der Keim noch nicht bekannt, sollte bei eitrigem Sekret ein Cephalosporin der ersten Generation oder ein Aminopenicillin gewählt werden, gegenüber denen S. aureus in der Regel sensibel ist. Die Therapie sollte mindestens 2 Wochen, bei einer Tunnelinfektion 4 Wochen andauern. Liegt bei Tunnelinfektionen nach 2 Wochen keine Besserung vor, ist die Katheterentfernung zu erwägen. Diese sollte sofort erfolgen, wenn die Tunnelinfektion mit einer Peritonitis verbunden ist.

Bei der PD-Peritonitis liegen in 70 % der Fälle grampositive Keime vor, selten sind gramnegative Keime oder Pilze (Hyphen häufig in der Gramfärbung sichtbar). In 20 % der Fälle sind die Kulturen negativ, meist wegen Verarbeitungsfehlern (fehlende Zentrifugation) oder bei kurzen Verweilzeiten (APD), selten liegt aber dann auch eine toxische, eosinophile oder gar tuberkulöse Peritonitis vor. Das klinische Bild reicht von Beschwerdefreiheit (Diagnose nur durch trübes Dialysat und über 100 Leuko/μl) bis zum akuten Abdomen mit septischem Schock.

Als Ersttherapie noch ohne Erregerkenntnis wird die Kombination von Altcephalosporin oder Vancomycin mit einem Aminoglykosid oder neuerem Cephalosporin empfohlen. Die Therapie erfolgt intraperitoneal (mindestens 6 Stunden Verweilzeit) oder intravenös. Kommt es nicht innerhalb von 48 Stunden zur deutlichen Besserung, erfolgt die erneute Abnahme von Kulturen, Tunnelsonografie, evtl. CT des Abdomens und chirurgisches Konsil, letzteres insbesondere beim Nachweis von mehreren gramnegativen Keimen oder Anaerobiern als Hinweis auf eine Perforation.

Persistiert die Peritonitis über 4 Tage, ist die Katheterexplantation indiziert, ebenso bei Peritonitis mit gleichzeitigem Tunnelinfekt und bei Pilzperitonitis. Die Mindesttherapiedauer bei bakterieller Peritonitis beträgt 14 Tage, beim Nachweis von S. aureus oder gramnegativen Keimen 3 Wochen. Vor Therapieende soll die Leukozytenzahl im Dialysat aber für 1 Woche normal gewesen sein. Zur Prophylaxe von infektionsbedingten Komplikationen dienen:

  • Erfahrung des Implanteurs (das Kathetermodell ist nicht entscheidend)

  • Lage der KAS, z. B. nicht unter dem Gürtel

  • Nachschulungen des Patienten

  • intranasale Therapie oder Therapie an der KAS mit Mupirocin- oder Gentamycinsalbe bei S.-aureus-Trägern

  • orale Antibiose vor zahnärztlichen, gynäkologischen oder endoskopischen Interventionen

Als zu erstrebendes Ziel gab der Referent eine Rate von unter 0,3 katheterassoziierten Infektionen und unter 0,5 Peritonitiden pro Jahr an. Die Rate kulturnegativer Peritonitiden sollte unter 20 % liegen. Die Heilungsrate bei Peritonitis sollte mindestens 80 % sein, ebenso das 1-Jahres-Katheter-Überleben.


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Sport und Dialyse

Dr. Iris Fuhrmann, Berlin, sprach über strukturiertes Training während der Hämodialyse. Dialysepatienten haben eine verringerte Muskelkraft, eine verminderte Ausdauer und eine beeinträchtigte Koordination und Flexibilität. Diese Symptome können mit strukturierten, einfachen Übungen während der Dialyse gebessert werden, wie die Referentin mit anschaulichem Bildmaterial zeigte. Grundsätzlich beginnt eine Trainingseinheit mit der Aufwärmphase, in der Flexibilität und Koordination geübt wird. Es schließt sich die Trainingsphase an, in der Übungen für Kraft und Ausdauer im Vordergrund stehen. Das Training beendet ein Cool down mit Entspannungs- und Atemübungen.

Flexibilitätsübungen sind zum Beispiel Streck- und Dehnübungen des Nackens, der Beine und Greifübungen der Hände. Koordination kann mit Balancieren von kleinen Medizinbällen oder Bierdeckeln geübt werden. Kraftübungen sind mit Kleinhanteln, aber auch mit Shunttrainingsbällen, Dehnbändern oder sogar Wäscheklammern möglich. Kraftausdauer kann ganz ohne Hilfsmittel durch Anheben der Beine oder Anstemmen ans Bettende durchgeführt werden.

Alle diese Übungen sind auch für ältere und schwache Patienten durchführbar und ersparen den Patienten einen Trainingstermin außer Haus. Ernsthafte Komplikationen traten in verschiedenen Studien nicht auf, die Wirksamkeit auf diverse Stoffwechselvorgänge ist nachgewiesen. Eine Broschüre über das Thema ist bei der Deutschen Gesellschaft Rehabilitationssport für chronisch Nierenkranke (ReNi) erhältlich.


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Single-Needle-Dialyse

Nach einer Schweigeminute zum Gedenken an den im März nach kurzer Krankheit verstorbenen vorgesehenen Referenten Dr. Hans-Dietrich Polaschegg, Köstenberg (Österreich), referierte an seiner Stelle Herr Telchert, FMC Bad Homburg, mit Adalbert Natterer, Ulm, über Single-Needle-Dialyse.

Hierunter versteht man die Dialyse über einen einzelnen Gefäßzugang, entweder eine Kanüle oder einen einlumigen zentralen Venenkatheter. Der Blutfluss wird hierbei in eine Entnahme- und eine Rückgabephase aufgeteilt. Als zeitlich befristeter Zugang kommt die Single-Needle-Dialyse bei akutem Nierenversagen über einen temporären Venenkatheter, zur Shuntschonung nach Shuntrevision oder bei kleinem Punktionsareal nach Fehlpunktion zur Anwendung. Über einen längeren Zeitraum über einen getunnelten Katheter (z. B. Demerskatheter) bei kurzer Lebenserwartung, stark sklerosierten Gefäßen oder zur Shuntreifung bei dringendem Dialysebeginn.

Nach einem Überblick über die verschiedenen technischen Systeme der Firmen Fresenius, Gambro und Braun wurden Fragen der Praxis diskutiert: Für eine effektive Dialyse ist ein ausreichend hoher mittlerer Blutfluss erforderlich. Dieser errechnet sich überschlagsmäßig aus der Summe des arteriellen und venösen Blutflusses geteilt durch 4. Bei funktionsfähigen, einlumigen Vorhofkathetern sind arterielle und venöse Blutflüsse von bis zu 600 ml, d.h. ein effektiver Blutfluss von 300 ml, erreichbar.

Bei Kanülen geben die Hersteller maximale Blutflüsse vor: bei 1,6-mm-Kanülen 350ml/min und bei 1,8-mm-Kanülen 450 ml/min. Sind Blutangebot oder Blutabfluss limitiert, kann die venöse oder arterielle Blutpumpengeschwindigkeit bis aufs Doppelte der jeweils anderen Blutpumpe gesteigert werden. Das Hubvolumen ist das Blutvolumen, das pro SN-Zyklus (Entnahme- und Rückgabephase) bewegt wird. Da je Zyklus etwa 8 ml Rezirkulationsvolumen entsteht, ist das Hubvolumen möglichst hoch zu wählen. Bei Blutflussproblemen und bei hoher Ultrafiltration muss das Hubvolumen wegen Bluteindickung reduziert werden, hier sollte dann ggf. die Dialysezeit verlängert werden.


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Hantavirus

Prof. Jürgen Kult, Bad Mergentheim, referierte über Erkrankungen, die das Hantavirus auslöst. Namensgeber des Virus ist ein Fluss (Hantaan), wo während des Koreakrieges 3000 Soldaten an einem "hämorrhagischen Fieber mit renalem Syndrom" verstarben. Die mitteleuropäische Form des Virus wird als Puumalavirus bezeichnet und löst eine meist gutartig verlaufende Erkrankung aus, die auch als "Nephropathia epidemica" (NE) bezeichnet wird. Die Erkrankung entsteht durch das Einatmen von kontaminierten Aerosolen mit Urin oder Kot von Nagetieren (Rötelmaus!), die Zwischenwirt sind, ohne selbst zu erkranken. Die Übertragung von Mensch zu Mensch ist nicht beschrieben.

Bei der NE kommt es nach einer Inkubationszeit von meist 2–4 Wochen zu grippeähnlichen Symptomen mit Fieberanstieg und starken Abdominal- oder Flankenschmerzen sowie stark variierenden Begleitsymptomen. Eine wichtige Komplikation ist eine meist reversible, jedoch häufig dialysepflichtige Niereninsuffizienz. Die Erkrankung ist in Deutschland erst seit 2001 meldepflichtig.

Da es weder eine Impfung noch eine spezifische antivirale Therapie gibt, sind vorbeugende Maßnahmen von entscheidender Bedeutung. Hierbei ist zu beachten, dass die Erkrankung in bestimmten Gegenden endemisch vorkommt, so auf der Schwäbischen Alb, in Oberschwaben, im Odenwald, in Hohenlohe, Unterfranken und im Münsterland. Demgegenüber werden etwa aus Oberbayern ganz selten Hantavirusinfektionen gemeldet.

Prophylaktisch sollte man vor allem in Endemiegebieten beim Aufräumen von Speichern, Scheuern und Ställen, wo Mäusebesiedlung zu erwarten ist, Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, am besten durch Befeuchtung und Tragen einer Schutzmaske mit Partikelfilter FFP3, die das Einatmen der Aerosole sicher verhindert.


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Erfahrungen mit der Betreuung bei Lebendspende

Dr. Stephanie Graf, Fulda, sprach über Lebendspender-Nierentransplantation. Die erste erfolgreiche Nierentransplantation überhaupt fand 1954 statt: Dies war eine Lebendspender-Transplantation zwischen eineiigen Zwillingen. Heute wird die Lebendspende wegen des Mangels an postmortal gewonnen Organen immer wichtiger – sie machte 2011 27 % aller Nierentransplantationen aus.

Die Ergebnisse bei Lebendspender-Nierentransplantation sind besser als bei Leichennieren (90 % vs. 75 % 5-Jahres-Funktionsrate), was auf kürzere Ischämiezeit, fehlende Inflammation und kürzere Wartezeit an Dialyse zurückgeführt wird.

Das deutsche Transplantationsgesetz setzt eine absolute Freiwilligkeit der Lebendspende voraus, der Spender muss volljährig sein und die Spendereignung ärztlich festgestellt werden. Eine postmortale Spende hätte Vorrang (Subsidiarität), in der Praxis kann ein Patient, der auf eine Lebendspende hofft, jedoch ein angebotenes Leichenorgan ablehnen.

Der Arztkontakt mit dem potenziellen Spender sollte idealerweise von diesem ausgehen. Er wird über die Risiken der Nephrektomie, den nicht vorhersagbaren Transplantationserfolg und über die Möglichkeit aufgeklärt, dass er möglicherweise als Spender ungeeignet sein könnte, bevor das Untersuchungsprogramm anläuft. Wichtig ist die versicherungsrechtliche Absicherung des Spenders. Hierbei werden Voruntersuchungen, Krankenhausaufenthalt und Verdienstausfall des Spenders von der Krankenkasse des Empfängers getragen. Die mittelbare Nachbetreuung ist nicht explizit geregelt. Wichtig ist, dass der Spender bis unmittelbar vor der Spende von seinem Spendeentschluss zurücktreten kann.

Darauf beginnt eine umfangreiche allgemeinmedizinische und speziell nephrologische Evaluation des potenziellen Spenders. Nephrologisch ist neben der Nierensonografie die seitengetrennte Isotopenclearance (Szintigrafie) interessant, um bei unterschiedlich arbeitenden Nieren die geeignete (in der Regel die weniger leistende) Niere für die Spende auszuwählen. Abschließend erfolgt die Renovasografie, u. a. zum Ausschluss aberrierender Gefäßversorgung.

Die eigentliche Organgewinnung kann traditionell-chirurgisch mit Flankenschnitt oder aber laparaskopisch erfolgen. Letztere Technik hat eine höhere Akzeptanz bei Spendern und Empfängern, die Narbe ist ästhetischer und die Rekonvaleszenzzeit kürzer. Allerdings sind Blutungs- und andere Komplikationen häufiger, sodass nicht selten auf die offene Technik übergegangen werden muss.

Die Spendermortalität ist mit 0,02–0,03 % verschwindend gering. Schwere Komplikationen, vor allem Blutungen, sind mit 2,1 % selten, häufiger treten Pneumothorax, Wund- oder Harnwegsinfektionen auf. Die Mehrzahl der Spender ist nach 3 Monaten wieder voll erwerbsfähig. Im Langzeitverlauf ist bei Lebendspendern eher eine geringere Mortalität als bei der Normalbevölkerung zu beobachten, wahrscheinlich aufgrund regelmäßiger Nachuntersuchungen. Die GFR ist gegenüber der Normalbevölkerung etwas erniedrigt und es kommt zu einer geringen Proteinurie, die Prävalenz der Hypertonie ist jedoch nicht erhöht. In der subjektiven Selbsteinschätzung sahen sich Lebend-spender mental und physisch positiver als Nichtspender.

Dr. Dieter Bundschu, Ulm


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1 Initiating Dialysis Early and Late


2 National Cooperative Dialysis Study


3 Hemodialysis


4 ADEquacy of PD in MEXico




 
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Abb. 1 Dipl.-Ing. Gangolf Backus.
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Abb. 2 Podiumsdiskussion.