Diabetes aktuell 2012; 10(3): 129-133
DOI: 10.1055/s-0032-1320054
Schwerpunkt
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Revolution in der Diabetesdiagnostik dank -omics – Biomarker mittels Metabolomics

Revolution in Diabetes Diagnostics – Metabolomics for Discovering Biomarkers
Kilian Wörmann
1   Abteilung Analytische BioGeoChemie, Helmholtz Zentrum München
6   Mitglied im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD)
,
Alesia Walker
1   Abteilung Analytische BioGeoChemie, Helmholtz Zentrum München
6   Mitglied im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD)
,
Franco Moritz
1   Abteilung Analytische BioGeoChemie, Helmholtz Zentrum München
6   Mitglied im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD)
,
Sara Forcisi
1   Abteilung Analytische BioGeoChemie, Helmholtz Zentrum München
6   Mitglied im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD)
,
Dimitrios Tziotis
1   Abteilung Analytische BioGeoChemie, Helmholtz Zentrum München
6   Mitglied im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD)
,
Marianna Lucio
1   Abteilung Analytische BioGeoChemie, Helmholtz Zentrum München
6   Mitglied im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD)
,
Silke S Heinzmann
1   Abteilung Analytische BioGeoChemie, Helmholtz Zentrum München
6   Mitglied im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD)
,
Jerzy Adamski
2   Gruppe Molekulare Endokrinologie, Institut für Experimentelle Genetik, Helmholtz Zentrum München
6   Mitglied im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD)
,
Rainer Lehmann
3   Labor für Präanalytik und Metabolomics/Lipidomics-Probenvorbereitung (Div. Klinische Chemie und Pathobiochemie), Abteilung für Innere Medizin 4, Universitätsklinik Tübingen
5   Institut für Diabetesforschung und metabolische Erkrankungen des Helmholtz Zentrum München an der Universität Tübingen (Paul Langerhans Institut Tübingen)
6   Mitglied im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD)
,
Hans-Ulrich Häring
4   Abteilung für Innere Medizin 4, Universitätsklinik Tübingen
5   Institut für Diabetesforschung und metabolische Erkrankungen des Helmholtz Zentrum München an der Universität Tübingen (Paul Langerhans Institut Tübingen)
6   Mitglied im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD)
,
Philippe Schmitt-Kopplin
1   Abteilung Analytische BioGeoChemie, Helmholtz Zentrum München
6   Mitglied im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD)
› Author Affiliations
Further Information

Korrespondenz

PD. Dr. Philippe Schmitt-Kopplin
Abteilung Analytische BioGeoChemie
Ingolstädter Landstraße 1
85764 Neuherberg

Publication History

Publication Date:
11 June 2012 (online)

 

Metabolomics ist eine neue Verfahrensweise in der Diabetesforschung, mit deren Hilfe man versucht, noch unbekannte diagnostische Biomarker zur Früherkennung und Monitoring der Krankheit zu entdecken. Ebenso sind neue Einblicke in die molekularen Mechanismen der Diabetesentstehung, die pathogenetische Evolution der Stoffwechselerkrankung und deren Folgeerkrankungen von Interesse. Als Zwischen- und Endprodukte aller Stoffwechselwege bieten Metabolite eine gute Chance, noch unbekannte einzelne Biomarker oder ganze Metabolitmuster durch translationale Forschungsansätze im DZD aufzuspüren. Dazu werden in verschiedensten biologischen Proben, wie Körperflüssigkeiten, Gewebe und Zellkulturproben, entweder mittels hochauflösender Technologien die Anzahl der detektierten Metabolite maximiert oder einige wenige quantifiziert. Neben einer allgemeinen Einführung in die Metabolomicsforschung soll dieser Übersichtsartikel eine kurze Zusammenfassung aktueller Forschungsansätze von Metabolomicsanalysen in der Diabetesforschung geben.


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In diabetes research Metabolomics is a new approach for discovering unknown diagnostic biomarkers for early detection and monitoring of the disease. Also new insights into the pathogenetic evolution of the metabolic disorder and its late complications are interesting. Since metabolites are intermediates and end product of all metabolic pathways they offer a high chance to identify new biomarkers or metabolic patterns. For that purpose either the number of detected metabolites is maximized or few are quantified in diverse biological samples like body fluids, tissues and cell cultures. Besides a general introduction to metabolomic research also a short summary of current metabolomics analysis in diabetic research will be presented in this review.


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Diabetes mellitus ist eine der global am meisten verbreiteten chronischen Krankheiten. Weltweit wurde im Jahr 2010 die Zahl der Personen im Alter von 20–79 Jahren, die an der polygenetischen Stoffwechselkrankheit leiden, auf 285 Millionen beziffert und diese Zahl soll bis 2030 auf 439 Millionen Betroffene ansteigen [1]. Dabei sind circa 90 % der Patienten vom Typ-2-Diabetes betroffen. In Deutschland wird nach einer Schätzung von Shaw et al. die Anzahl der Diabetiker im Alter von 20–79 Jahren von 12 % im Jahr 2010 auf 13,5 % im Jahr 2030 ansteigen [1]. Mit annähernd je 8 Millionen Betroffenen ist die Anzahl der Diabetespatienten und der Personen mit bereits gestörtem Glukosestoffwechsel, sogenannte Prädiabetiker, ähnlich hoch. Werden noch Individuen mit einer Insulinresistenz berücksichtigt, beträgt die Zahl der Prädiabetiker in Deutschland circa 15 Millionen. Mit der Bestimmung von Glukose in Plasma und Urin, HbA1c, Albumin im Urin etc. stehen eine Reihe etablierter Indikatoren zur Diagnostik, Verlaufskontrolle und Therapieüberwachung des manifesten Typ-2-Diabetes zur Verfügung. Ziel aktueller Forschung ist es unter anderem, geeignete Biomarker zur Prädiabetesdiagnose oder zur Risikoabschätzung von Spätfolgen zu finden. Diese neuen diagnostischen Marker eröffnen der Medizin die Möglichkeit, durch geeignete, frühzeitige Interventionen die Manifestation zu verzögern oder im besten Fall zu unterbinden.

Metabolomics

Mithilfe der „-omics“-Methoden gelang es bereits in der Vergangenheit neue Biomarker zu identifizieren, die interessante Einblicke in pathogenetische Zusammenhänge verschiedenster Krankheitsbilder erlaubten. Neben Genomics, Tanskriptomics und Proteomics hat sich dabei Metabolomics als ein neuer Ansatz in der Diabetesforschung etabliert. Das allgemeine Interesse an Metabolomuntersuchungen in der Diabetesforschung steigt seit 2008 exponenziell, wie die Zahlen der in PubMed gefundenen Veröffentlichungen zu den Schlüsselwörtern Diabetes, Metabolomics und Metabonomics, zeigen. Für diese Zunahme sind unter anderem auch neue Entwicklungen im Bereich der instrumentellen Analytik und kundenfreundliche kommerzielle Lösungen für zielgerichtete Analysen verantwortlich. Zugleich bieten immer mehr Firmen sowie universitäre Einrichtungen vor allem zielgerichtete Metabolomanalysen an. Eine große Zahl zum Teil sehr interessanter Publikationen resultierte in der jüngsten Vergangenheit aus diesem Fortschritt. Mit den instrumentell, datenanalytisch und dateninterpretatorisch ungemein komplexeren nichtzielgerichteten Metabolomicsanalysen befassen sich dagegen noch verhältnismäßig wenige Publikationen.

Metabolomics befasst sich dabei mit der Analyse des Metaboloms, der Gesamtheit der Metabolite eines Organismus und dessen Veränderung infolge äußerer Einflüsse bzw. Krankheiten wie zum Beispiel Diabetes. Als Metabolite werden hierbei kleine Moleküle der verschiedensten Substanzklassen bezeichnet, die Zwischen- oder Endprodukt aller zellulären Stoffwechselreaktionen sind und deren Analyse somit ein großes Potenzial zur Entdeckung neuer Marker bietet [Abb. 1]. Aus den beteiligten Enzymen des Stoffwechselweges lässt sich so auf die beteiligten Gene zurückschließen. Durch die Untersuchung dieser Metabolitenvielfalt eröffnen sich mittels mathematischer Modellierungen und systembiologischer Interpretation neue, bisher nicht bekannte Zusammenhänge, die zum besseren Verständnis von Diabetes und dessen Entwicklung beitragen.

Die Herausforderungen der Metabolomanalyse sind die chemische und physikalische Diversität sowie die großen Konzentrationsunterschiede zwischen den Komponenten, weshalb es analytisch nicht möglich ist, alle Metabolite einer biologischen Probe gleichzeitig quantitativ zu erfassen. Deshalb werden derzeit bei Metabolomics-Untersuchungen 2 grundlegend verschiedene Strategien verfolgt.

Mit der Strategie der zielgerichteten molekularen Analyse (targeted Metabolomics) können bis zu mehrere hundert Komponenten im direkten oder indirekten Vergleich zu isotopenmarkierten Standards absolut quantifiziert werden. Zur Bestimmung der absoluten Konzentration einer Komponente müssen dafür Eichkurven erstellt werden, dies ist jedoch nur für bekannte biologische Moleküle möglich. Nichtzielgerichtete molekulare Analysen (non-targeted Metabolomics) versuchen hingegen, die Zahl der detektierten Metabolite zu maximieren, um die Voraussetzung zu schaffen, mit multivariaten Analysenmethoden neue Biomarker zu entdecken. Dazu werden verschiedenste chemisch-analytische Trennverfahren, Probenvorbereitungs- und Detektionsmethoden optimiert und kombiniert. Bei dieser Strategie lassen sich meist nur relative Aussagen zur Konzentration der verschiedenen Komponenten zwischen verschiedenen Proben treffen. Die Datenverarbeitung solcher Analysen ist eine weitere Herausforderung. Mithilfe verschiedener multivariater statistischer Methoden werden aus den typischerweise mehr als 10 000 aufgezeichneten Signalen diejenigen Biomarker herausgefiltert, die eine Unterscheidung zwischen den Krankheitsgruppen erlauben [2].

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Abb. 1 Zusammenhang der einzelnen „omics“-Forschungsgebiete und deren Informationsgehalt. Im Gegensatz zum Genom geben dabei Transkriptom, Proteom und Metabolom einen zeitpunktabhängigen Zustand wieder.

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Biologische Proben

Bei der umfangreichen Analyse von Stoffwechselprodukten in der Diabetesforschung spielt besonders die Stabilisierung der zum Teil reaktiven Metabolite („quenching“) eine wesentliche Rolle, in Abhängigkeit der Art der Bioproben, ob aus Zellkulturen oder Körperflüssigkeiten. Dafür wird insbesondere Wert auf möglichst schnelles, kontaminationsfreies Aliquotieren und Lagerung bei –80° C gelegt. Verschiedene Arten von biologischen Proben können analysiert werden, um auch eine Bilanzierung der Metaboliten im Körper zu gewährleisten [Abb. 2]: Muttermilch, Urin, Atemluftkondensat, Speichel und Fäzes sind leicht und nicht invasiv zugänglich und deshalb auch für Kinder gut geeignet, haben jedoch den Nachteil verschiedener Verdünnungen zwischen Individuen und Zeitpunkten der Probenahme. Blut dagegen wird biologisch gepuffert, daher sind die Verdünnungseffekte und der Einfluss des pH-Werts zwischen den einzelnen Proben geringer, dafür ist eine invasive Probennahme und aufwendigere Probenvorbereitung nötig. Zerebrospinalflüssigkeit und Biopsien können ebenfalls nur aufwendig invasiv erhalten werden, und bei der Analyse von Gewebeproben verkompliziert sich die Probenvorbereitung, sie zeigen jedoch den metabolischen Zustand spezifischer Zellverbände und Organe. Sehr interessant und ein wachsendes Forschungsfeld ist die Untersuchung von Fäzes, als nicht invasiver Ansatz; hier bekommt man unter anderem auch Aufschluss über die Darmflora, wobei es Hinweise gibt, dass sie sich zwischen Typ-2-Diabetikern und Gesunden unterscheidet [3].

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Abb. 2 Für Metabolomics interessante biologische Proben und ein Beispiel für die Arbeitsschritte von Metabolomanalysen.

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Analytische Methoden

Im Gegensatz zu Proteinen und DNA, die aus einem repetitiven Grundstock kleinerer Bausteine bestehen, ist die chemische und physikalische Diversität des Metabolom enorm. Die Vielfalt der enthaltenen Substanzklassen und die großen Konzentrationsunterschiede machen eine gleichzeitige Detektion aller Komponenten momentan noch unmöglich, jedoch wurden in den letzten Jahren große instrumentelle Fortschritte im Bereich der Trennverfahren und Detektionsmethoden erzielt. Bei Metabolomics-Untersuchungen stehen Massenspektrometrie (MS) und Kernspinresonanzspektroskopie (NMR) als Detektionsverfahren im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses [4].

Mithilfe der MS werden alle Moleküle einer sehr komplexen biologischen Mischung mit hoher Genauigkeit über ihre molekulare Masse identifiziert. Diese Technik setzt voraus, dass Moleküle ionisierbar sind, wofür unterschiedliche Methoden existieren. Unter ihnen ist die Elektrospray-Ionisation (ESI) die wichtigste, da sie besonders bei polaren Molekülen gut gelingt. Eine gute Probenvorbereitung ist hierbei essenziell, da sich größere Proteinmengen oder Salzanteile sowie die Metabolitenkonzentration in der Probe negativ auf die Ionisationseffizienz auswirken. Um diesen Nachteil auszugleichen und die Anzahl der detektierten Metabolite zu steigern, werden häufig verschiedene Trennverfahren wie Flüssigchromatografie (LC), Gaschromatografie oder Kapillarelektrophorese mit dem Massenspektrometer gekoppelt. Bei Analysen auf Geräten mit sehr hoher Massengenauigkeit lassen sich den aufgezeichneten Massen direkt bekannte Stoffwechselprodukte durch eine Datenbanksuche zuordnen und dann bestätigen [5]. Ein weiterer Vorteil der MS ist die große Empfindlichkeit der Methode, die dadurch in der Lage ist, auch sehr gering konzentrierte Verbindungen zu detektieren und im Falle von zielgerichteten Analysen auch zu quantifizieren.

Die Protonen-NMR-Spektroskopie (1H NMR) detektiert Metabolite über die Anzahl und Stellung der Protonen (Wasserstoffkerne, H) im Molekül sowie der Bindungspartner und der chemischen Umgebung jedes Protons im Molekül. Dabei kann über die Signalintensität die Quantität des Metabolits bestimmt werden. Der Vorteil von NMR-Spektroskopie im Vergleich zur MS ist hierbei die Vergleichbarkeit der Metabolitenkonzentration innerhalb einer Probe.

Mithilfe der NMR besteht auch die Möglichkeit, in Kombination mit massenspektrometrischen Verfahren die chemische Struktur von Molekülen aufzuklären und sie damit zu identifizieren. Weitere Vorteile in diesem analytischen Ansatz sind die relativ einfache Probenvorbereitung und der Erhalt der Proben, diese werden bei der NMR-Analyse nicht zerstört und können nach der Analyse konserviert und bei Bedarf reanalysiert werden oder stehen für weitere Analysemethoden zur Verfügung. Die deutlich geringere Sensitivität im Vergleich zur MS ist der gravierendste Nachteil. Eine Steigerung der Empfindlichkeit der NMR-Spektroskopie lässt sich unter anderem durch die Verstärkung des magnetischen Feldes erzielen, und Signalüberlappungen können mittels zweidimensionaler Experimente differenziert werden, was in laufenden Arbeiten im Bereich der Diabetesforschung weiterentwickelt wird [4].

Mit den sich zunehmend verbessernden chemisch-analytischen Methoden nehmen auch die Rohdatenfülle und damit der Aufwand der Datenverarbeitung zu. Aus den Rohdaten müssen zuerst die vorhandenen Signale extrahiert werden, um diese anschließend mit verschiedenen statistischen, bioinformatischen und mathematischen Ansätzen zu analysieren. Speziell bei nichtzielgerichteten Metabolomics-Ansätzen sind Strategien wie multivariante Statistik oder automatisierte Lernverfahren zur Datenreduzierung und Mustererkennung bedeutend. Mit diesen Methoden lässt sich nicht nur nach Veränderungen einzelner Metaboliten suchen, wie bei früheren Analysen, sondern auch nach Gruppen von Metaboliten, die ein signifikantes Veränderungsmuster aufweisen. Auch die Methoden der Datenauswertung werden kontinuierlich weiterentwickelt, um möglichst maximale Informationen aus den analytisch aufgezeichneten Rohdatensätzen im Rahmen der Diabetes Forschungsprojekte zu extrahieren.


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Analytische Plattform am Deutschen Zentrum für Diabetes (DZD)

Die Suche nach Biomarkern verbindet im DZD verschiedene klinische und analytische Forschungsgruppen und bündelt Disziplinen und Expertisen in wesentlichen Schwerpunkten, um den genetischen Hintergrund und die Physiologie und Biochemie dieser Volkserkrankung sowie die einflussreichsten Umweltfaktoren auf molekularer Ebene zu verstehen.

Metabolomics (zielgerichtet und nicht-zielgerichtet) wird auch am Helmholtz Zentrum München im Zusammenspiel verschiedener Verbände, Abteilungen, Institute und Departments als erfolgreiches Instrument angewandt. Bereichert wird das DZD mit einer technologisch vielseitigen Metabolomics-Plattform. Diese ist in der Lage, in den Projekten verschiedenste biologische Proben, je nach Erfordernissen und Fragestellung der Forschung, mit den geeigneten instrumentellen Techniken zu untersuchen und die gewonnenen Daten zu analysieren [Abb. 3].

Voraussetzung für erfolgreiche Metabolomics-Untersuchungen mit der vielseitigen technologischen Plattform ist eine sehr gute Qualität der zu analysierenden Proben. Mit dem hierfür wichtigen präanalytischen Prozess, d. h. den Effekten von der Probengewinnung bis zur Lagerung, befasst sich die am Zentrallabor des Universitätsklinikums Tübingen angesiedelte Gruppe seit vielen Jahren. Zusätzlich bildet die Optimierung und Standardisierung der weiteren präanalytischen Schritte, d. h. der Probenaufarbeitung für Metabolomics und Lipidomicsanalysen aus Zellkultur, verschiedensten Körperflüssigkeiten und Geweben, einen weiteren Fokus in Tübingen. Diese präanalytische Expertise bietet eine ideale Ergänzung und Komplettierung der Metabolomics-Plattform, um im engen Zusammenspiel die Metabolomicsprojekte von der Probengewinnung bis hin zum Endergebnis bei jedem Schritt optimal zu gestalten.

Für nicht-zielgerichtete Metabolomics werden neben einem hochauflösenden Fouriertransformations-Ionenzyklotronresonanz-Massenspektrometer (12 Tesla FT-ICR-MS), eine UPLC-QTOF/MS-NMR-Plattform, NMR-Geräte (cryo-800 und cryo-500 MHz) mit geeigneten bioinformatischen Techniken für die Analyse verschiedenster Studien in der Abteilung Analytische BioGeoChemie (BGC, unter der Leitung von P. Schmitt-Kopplin) eingesetzt. Im Genomanalysezentrum (GAC, unter der Leitung von J. Adamski) werden für zielgerichteten Metabolomics mithilfe verschiedener Biocrates-Kits bis zu 181 Metabolite im Hochdurchsatz quantifiziert. Hier werden die Konzentrationen bestimmter Metabolite aus verschiedenen Substanzklassen bestimmt. Neben der Quantifizierung von Aminosäuren, Acylcarnitinen, biogenen Aminen, Hexosen, Phospho- sowie Sphingolipiden gibt es auch ein spezielles Kit für Steroidhormone. Beide Abteilungen sind beteiligt im Diabetes Research Department (DRD) und besonders auch im Labormedizinischen Zentrum (LMZ-Diabetes, koordiniert durch R. Lehmann), eine vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte zentrale Analyseplattform für Laborparameter des Kompetenznetz Diabetes mellitus (KKNDm), dessen Ziel die Harmonisierung der Aktivitäten in den Bereichen Immunologie, Klinische Chemie, Genomics und Metabolomics ist [6].

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Abb. 3 Die ergänzenden strategischen und instrumentellen Möglichkeiten der zielgerichteten und nicht-zielgerichteten Metabolomics am DZD. Die zielgerichtete Plattform eignet sich für einen hohen Probendurchsatz und damit z. B. für genomweite Assoziationsstudien [9] [10]. Ziel der nicht-zielgerichteten Plattform ist die Maximierung der detektierten Metabolite zur Entdeckung neuer Biomarker und deren Strukturen.

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Perspektive von Metabolomics in der Diabetesforschung

Welchen Mehrwert Metabolomics-Analysen in der Zukunft für die Diabetesforschung bereithalten ist noch ungewiss. Jedoch geben aktuelle Publikationen sichtbar neue Impulse zum besseren Verständnis der pathophysiologischen Zusammenhänge bei der Pathogenese und somit zur Diagnose von Diabetes und dessen Folgeerkrankungen.

So patentierte die Biocratres Life Sciences AG 2010 ein Methodenkit und ein Biomarkerset bestehend aus Aminosäuren, Acylcarnitinen und biogenen Aminen zur Erkennung von Nierenleiden, wie die diabetische Nephropathie. Diese empfindliche quantitative Methode ermöglicht eine frühzeitige Feststellung pathologischer Veränderungen in den Metabolit-Konzentrationen und den Verhältnissen untereinander [7].

Durch die Analyse von Plasma und Serumproben mit einer Biocrates-Plattform, einer zielgerichteter NMR und einer nicht-zielgerichteten Plattform konnte eine Serie bekannter und neuer Diabetes assoziierter, deregulierter Metabolite identifiziert werden. Ebenso konnte die Medikation der Probanden ermittelt und damit gezeigt werden, dass Metabolomics nicht nur in der Lage ist natürliche Komponenten zu identifizieren, sondern auch die Einnahme xenobiotischer Substanzen extern zu bestimmen [8]. Suhre et al. identifizierten durch Vergleich der Daten genomischer und nicht-zielgerichteter metabolomischer Untersuchungen 37 genetische Positionen, die mit Metabolitkonzentrationen im menschlichen Blut zusammenhängen [9]. 25 davon zeigen ungewöhnlich hohe Effekte und sind pro Allel für 10–60 % der Konzentrationsunterschiede verantwortlich. Eine Kombination von Genomics und Metabolomics könnte zu einem neuen personalisierten medizinischen Ansatz führen, der auf einer Genotypisierung und Metabolomcharakterisierung basiert. Mithilfe des ermittelten Metabotyp wären eventuell Vorhersagen über die Wirksamkeit und Nebenwirkungen bestimmter Medikamente bzw. die Reaktion auf Ernährung- und Umweltänderungen möglich [10].

Eine nicht-zielgerichtete Analyse von Metabolitprofilen, die mittels FT-ICR-MS aufgezeichnet wurden, zeigte, dass bei einem Insulinsensitivitätsindex (ISI) nach Matsuda von 15 eine klare Trennung zwischen insulinsensitiven und -resistenten Individuen aufgrund des Metabolitmusters erzielt werden kann. Des Weiteren wurde von Lucio et al. eine Gruppe von Probanden identifiziert, deren ISI sich im Bereich von 8,5–15 bewegt [11]. Das Metabolom dieser Gruppe weist sowohl Charakteristika der Insulinresistenz wie auch der -sensitivität auf und zeigt somit einen metabolischen Übergangszustand. Eine andere Untersuchung zeigte Veränderungen des Fettsäuren-, Tryptophan-, Harnsäure-, Gallensäure- und Phosphatidylcholinmetabolismus bei Prädiabetikern anhand der gefundenen diskriminierenden Metabolite [12]. Die Abweichung der Gallensäuren und anderer Metabolite, wie z. B. der 3-Hydroxyhippursäure, liefert Hinweise auf einen veränderten Darmflorametabolismus und damit auf eine unterschiedliche Zusammensetzung der Darmflora [2] [8] [12]. Die metabolomische Untersuchung wässriger Fäkalextrakte auf einer nicht zielgerichteten Plattform bietet hierbei eine gute Möglichkeit, die Veränderungen der Darmflora nachzuvollziehen [13].


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Fazit

Metabolomics konnte, als vergleichsweise noch relative junge Strategie in der Diabetesforschung, bereits erste Erfolge bei der Suche nach diagnostisch interessanten Biomarkern zur Erkennung von Diabetes und Diabetesfolgeerkrankungen erzielen. So wurden neben der Bedeutung der Darmflora auch Aminosäuren und Fettstoffwechselprodukte als wichtige Forschungsziele identifiziert. Dennoch sind die Möglichkeiten der Metabolomicsforschung noch lange nicht ausgeschöpft und bieten sowohl instrumentell wie datenanalytisch noch enormes Entwicklungspotenzial. Vor allem im Bereich der Früherkennung bzw. der Vorhersage des Typ-2-Diabetes und der Sekundärschäden werden noch dringend Signalmoleküle, die eine einfache zweifelsfreie Labordiagnostik ermöglichen, gesucht. Mit der technologisch vielseitigen Metabolomics-Plattform verfügt das DZD über ein geeignetes Mittel, diese Ziele zu erreichen.

Autorenerklärung

Die Autoren erklären, dass für diesen Artikel kein Interessenkonflikt besteht.


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  • Literatur

  • 1 Shaw JE, Sicree RA, Zimmet PZ. Global estimates of the prevalence of diabetes for 2010 and 2030. Diabetes Res Clin Pract 2010; 87: 4-14
  • 2 Chen J et al. Practical approach for the identification and isomer elucidation of biomarkers detected in a metabonomic study for the discovery of individuals at risk for diabetes by integrating the chromatographic and mass spectrometric information. Anal Chem 2008; 80: 1280-1289
  • 3 Larsen N et al. Gut microbiota in human adults with type 2 diabetes differs from non-diabetic adults. PLoS ONE 2010; 5
  • 4 Dunn WB et al. Systems level studies of mammalian metabolomes: the roles of mass spectrometry and nuclear magnetic resonance spectroscopy. Chem Soc Rev 2011; 40: 387-426
  • 5 Suhre K, Schmitt-Kopplin P. MassTRIX: mass translator into pathways. Nucleic Acids Res (Web Server issue) 2008; 36
  • 6 Adler K. Standardized Measurement of diabetes-related Biomarkers in the Competence Network?. Diabetes Stoffwechsel und Herz 2011; 20: 395-397
  • 7 Biocrates Life Sciences. Lundin AU, Weinberger KM. New Biomarkers for Assessing Kidney Diseases. WIPO WO 2010/139341 Al 2010;
  • 8 Suhre K et al. Metabolic footprint of diabetes: a multiplatform metabolomics study in an epidemiological setting. PLoS ONE 2010; 5
  • 9 Suhre K et al. Human metabolic individuality in biomedical and pharmaceutical research. Nature 2011; 477: 54-60
  • 10 Gieger C et al. Genetics meets metabolomics: a genome-wide association study of metabolite profiles in human serum. PLoS Genet 2008; 4
  • 11 Lucio M et al. Insulin sensitivity is reflected by characteristic metabolic fingerprints-a Fourier transform mass spectrometric non-targeted metabolomics approach. PLoS ONE 2010; 5
  • 12 Zhao X et al. Metabonomic fingerprints of fasting plasma and spot urine reveal human pre-diabetic metabolic traits. Metabolomics 2010; 6: 362-374
  • 13 Jansson J et al. Metabolomics reveals metabolic biomarkers of Crohn's disease. PLoS ONE 2009; 4

Korrespondenz

PD. Dr. Philippe Schmitt-Kopplin
Abteilung Analytische BioGeoChemie
Ingolstädter Landstraße 1
85764 Neuherberg

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  • 1 Shaw JE, Sicree RA, Zimmet PZ. Global estimates of the prevalence of diabetes for 2010 and 2030. Diabetes Res Clin Pract 2010; 87: 4-14
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  • 13 Jansson J et al. Metabolomics reveals metabolic biomarkers of Crohn's disease. PLoS ONE 2009; 4

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Abb. 1 Zusammenhang der einzelnen „omics“-Forschungsgebiete und deren Informationsgehalt. Im Gegensatz zum Genom geben dabei Transkriptom, Proteom und Metabolom einen zeitpunktabhängigen Zustand wieder.
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Abb. 2 Für Metabolomics interessante biologische Proben und ein Beispiel für die Arbeitsschritte von Metabolomanalysen.
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Abb. 3 Die ergänzenden strategischen und instrumentellen Möglichkeiten der zielgerichteten und nicht-zielgerichteten Metabolomics am DZD. Die zielgerichtete Plattform eignet sich für einen hohen Probendurchsatz und damit z. B. für genomweite Assoziationsstudien [9] [10]. Ziel der nicht-zielgerichteten Plattform ist die Maximierung der detektierten Metabolite zur Entdeckung neuer Biomarker und deren Strukturen.