Die Anforderungen an medizinisch-technische Radiologieassistenten steigen ständig,
Fachgesellschaft und Berufsverband plädieren daher für die Akademisierung des Berufs.
Doch schon heute gibt es Ansätze, neue Mitarbeiter zu gewinnen und langfristig zu
halten. Es diskutieren Prof. Dr. Michael Forsting (Essen), Präsident der Deutschen
Röntgengesellschaft (DRG), Prof. Dr. Ulrich Carl, Strahlentherapeut aus Bremen, Anke
Ohmstede, Vorstandsvorsitzende Radiologie / Funktionsdiagnostik beim dvta und Katja
Röhr, Vorsitzende der Vereinigung der medizinisch-technischen Berufe in der DRG.
Anke Ohmstede: Wir haben durch den demografischen Wandel in Deutschland einen Rückgang
an Jugendlichen und stehen zugleich in Konkurrenz mit 360 Ausbildungsberufen und 11 000
Studiengängen. Ein anderer Aspekt ist, dass man keinen Masterplan hatte, als die Radiologie
expandierte und z. B. das Screening einen hohen Anteil der MTRA absorbiert hat. 2000
MTRA arbeiten heute in diesem Bereich.
Prof. Dr. Michael Forsting: Wir konkurrieren mit anderen Gesundheitsberufen in der
Pflege, mit Hebammen oder Physiotherapeuten, die in der weiteren beruflichen Entwicklung
ganz andere Perspektiven haben als ein MTRA. Es wurde in der Vergangenheit auch nicht
genügend strategisch bedacht, dass sich das Berufsbild gewandelt hat. Ursprünglich
war die Ausbildung der MTRA im Wesentlichen darauf beschränkt, konventionelles Röntgen
sowie die Grundlagen der Nuklearmedizin und der Strahlentherapie zu vermitteln. Wir
haben aber heute in der Radiologie sehr komplexe Schnittbildverfahren, sehr komplexe
Hybridverfahren und sehr komplexe Software. Die MTRA übernehmen mittlerweile ganz
andere Aufgaben in der sekundären Bildbearbeitung. Aber sie werden nicht mehr für
die Anforderungen des Berufsalltags ausgebildet.
Prof. Dr. Ulrich Carl: Junge Menschen, die sich den gehobenen Anforderungen des MTRA-Berufs
stellen, fragen sich, ob sie nicht lieber hätten Medizintechnik studieren sollen.
Da haben sie viel bessere Möglichkeiten sich beruflich weiterzuentwickeln. Diese Perspektiven
haben MTRA in anderen Ländern. Ein MTRA in England ist ein Bachelor of Science und
kann danach einen Masterabschluss machen oder später sogar noch eine Promotion.
Katja Röhr: Der Bekanntheitsgrad des MTRA-Berufs ist zu gering. Jugendliche können
sich darunter nichts vorstellen. Dazu kommt, dass sie keine Ausbildungsvergütung bekommen
und sie dann z. B. lieber eine bezahlte kaufmännische Ausbildung machen.
Katja Röhr: Ich denke, der Mangel ist flächendeckend, besonders betroffen sind aber
sicher kleinere Krankenhäuser in der Peripherie und in den ostdeutschen Bundesländern.
Anke Ohmstede: Laut Gutachten des Deutschen Krankenhaus Instituts (DKI) von 2009 sind
allein im Krankenhausbereich 20% der MTRA-Vollzeitstellen nicht besetzt. Über den
ambulanten Bereich und Teilzeitstellen liegen keine Zahlen vor. Anhand des Stellenmarktes
der monatlich erscheinenden dvta-Zeitschrift „MTA-Dialog“ lässt sich ein Fachkräftemangel
bei den MTRA erkennen. Seit Jahren liegen für den Bereich der radiologischen Diagnostik
die meisten Stellenangebote vor. Zudem haben wir in der Geschäftsstelle Anrufe von
Radiologen aus kleinen Krankenhäusern in Ostdeutschland bekommen, die beklagt haben,
dass sie ihre Dienste nicht mehr aufrechterhalten können. Auch in der Peripherie von
Städten, z. B. Oldenburg, findet man keine Bewerber auf freie Stellen. Selbst in vielen
größeren Städten gibt es Probleme Stellen zu besetzen.
Anke Ohmstede: Die Patienten müssen unter Umständen auf eine angemessene diagnostische
Versorgung verzichten oder sie müssen in ein Krankenhaus verlegt werden, das weiter
entfernt ist.
Prof. Dr. Ulrich Carl: Letztendlich läuft die Versorgung dann nur noch, wenn man dem
vorhandenen Personal mehr Arbeit zumutet. Das ist aber nur in größeren Praxen oder
Abteilungen möglich.
Prof. Dr. Michael Forsting: Ich glaube, wir sind an einem Punkt, wo die Arbeitsverdichtung
in den radiologischen Abteilungen, in der Nuklear- und Strahlenmedizin nicht mehr
viel weiter geht. Gegenwärtig gibt es noch keine größeren Versorgungsengpässe, aber
zunehmend Probleme Dienste zu besetzen. Das System droht zu kippen. Wenn wir jetzt
nicht aufpassen, dann haben wir in ein paar Jahren schon eine echte Mangelsituation
und wir können die Patienten nicht mehr adäquat versorgen.
Prof. Dr. Ulrich Carl: Wir haben Stipendien ausgeschrieben. Im Moment haben wir 2
MTRA in der Ausbildung und finanzieren ihnen die Kosten für die Schule. Vor allem
aber sind sie von Anfang an voll in unserem Team eingebunden, d. h. sie können sich
mit Fragen an die anderen Mitarbeiter wenden und sind bei Betriebsausflügen und Weihnachtsfeiern
selbstverständlich mit dabei. Als Gegenleistung, dass ich ihre Ausbildung finanziere,
müssen sich die MTRA verpflichten, mindestens 2 Jahre in meiner Praxis zu bleiben.
Ich denke, dieses Modell ist auch auf andere Praxen übertragbar, denn es entstehen
keine hohen Kosten. Das Geld ist gar nicht so bedeutsam. Es geht vielmehr darum, diesen
jungen Menschen das Gefühl zu geben, dass sie nicht alleine auf sich gestellt sind
und mit ihnen gemeinsam den Weg durch die Berufsausbildung zu gehen.
Prof. Dr. Michael Forsting: Ich denke, dass wir die schulische Ausbildung in irgendeiner
Form beibehalten sollten, also nicht das österreichische Modell übernehmen müssen.
Es wäre auch zu überlegen, ob man die Ausbildung nicht vergütet und ob die MTRA ihre
Ausbildung weiterhin selbst finanzieren müssen. Notwendig ist aber vor allem eine
Akademisierung des MTRA-Berufs, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden. Und
da muss man auch über das Geschäftsmodell Radiologie und eine andere Aufgabenteilung
viel ernsthafter nachdenken. Die Lösung kann aber nicht sein, dass eine Krankenschwester
oder Arzthelferin Tätigkeiten von MTRA übernimmt, da die Anforderungen an den Beruf
gestiegen sind und wir im Sinne der Patienten auch eine hohe diagnostische Qualität
gewährleisten müssen.
Anke Ohmstede: Man muss ganz neu darüber nachdenken, wie zukünftig die Arbeit verteilt
werden muss. Welche Qualifikationen brauchen wir für eine gute diagnostische und therapeutische
Versorgung, welche in anderen Bereichen wie Lehre und Management? Ich würde es begrüßen,
wenn die MTRA, die mehr aus ihrem Beruf machen wollen, auch die Möglichkeit dazu haben.
Es ist auch wichtig, dass die Fachexpertise der MTRA im Beruf verbleibt. Mit einer
Akademisierung würden wir andere Gruppen von Jugendlichen ansprechen. Man weiß z. B.
aus Erfahrungen des Gesundheitscampus Bochum, dass dort junge Leute einen Beruf wählen,
weil sie ihn studieren können. Die Öffnung des MTRA-Berufs für Geringqualifizierte
ist keine Lösung. Die Ärztlichen Stellen sehen ja zu welchen Beanstandungen der Bildqualität
es kommt, wenn Geräte nicht richtig bedient werden. Bilder sind dann zum Teil gar
nicht befundbar.
Katja Röhr: Eine Akademisierung oder Teil-Akademisierung ist sehr wichtig, weil viele
Jugendliche über die Ausbildung hinaus denken. Natürlich kann man eine Leitungsposition
übernehmen oder an einer Schule unterrichten, aber man hat nicht die Möglichkeit sich
beruflich weiterzuentwickeln. Wenn man noch was „draufsetzen“ kann, wenn man sich
spezialisieren oder einen Master machen kann, wäre das eine massive Aufwertung des
Berufs.
Prof. Dr. Michael Forsting: Die schulische Ausbildung ist heute überfrachtet. Sie
muss zukünftig eine Grundausbildung sein, die einem MTRA erlaubt in einem Krankenhaus
zu arbeiten und konventionelles Röntgen und CT abzudecken. MRT und hybride Verfahren
sind sehr komplex geworden. Aber z. B. Ultraschall, das machen uns andere Länder vor,
kann man in die Hände der MTRA geben. Ihnen muss man in Zukunft mehr Verantwortung
in der Beurteilung der Bilder übertragen, dabei werden sie sich auch auf verbesserte
Screening-Software stützen können. In 10 bis 20 Jahren werden wir gar nicht mehr genügend
Ärzte haben, um diese Aufgaben ohne entsprechend qualifizierte MTRA zu bewerkstelligen.
Anke Ohmstede: Ich bin der Meinung, dass wir zweigleisig fahren müssen. Auf der einen
Seite brauchen wir die grundständige Berufsausbildung der MTRA – aber mit einer neuen
Ausbildungs- und Prüfungsverordnung. Die aktuell gültige ist von 1994 und dringend
überarbeitungsbedürftig. Der Gesetzgeber muss die Ausbildungsinhalte zügig an die
Gegenwart anpassen. Leider wurde den MTA der Zugang zur sogenannten Modellklausel
zur Erprobung einer Ausbildung an den Hochschulen 2009 verwehrt. Lediglich Hebammen,
Logopäden, Physio- und Ergotherapeuten können seitdem an Hochschulen ausgebildet werden.
Wir brauchen für die MTA-Berufe eine rasche Umsetzung der Empfehlungen des Wissenschaftsrates
zur Akademisierung der Gesundheitsfachberufe vom Juli 2012. Wir brauchen zudem eine
konzertierte Aktion von den Fachgesellschaften und den Berufsverbänden dvta, VMTB
und auch den beiden anderen MTA-Verbänden in der DEGRO und DGN, um eine Ausbildungsreform
und eine Akademisierung des MTRA-Berufs zu beschleunigen.
Katja Röhr: Eine Aktivität ist der gemeinsame Aktionstag im November, an dem DRG,
dvta und VMTB bundesweit den MTRA-Beruf an Berufsfachschulen und Kliniken gemeinsam
mit radiologischen Instituten vorstellen. Für den diesjährigen Aktionstag haben wir
bisher 12 Anmeldungen von MTRA-Schulen (siehe nächster Beitrag in diesem Heft, Anm.
d. Redaktion).
Anke Ohmstede: Ein wichtiger Aspekt ist die Öffentlichkeitsarbeit für das gesamte
diagnostisch / therapeutische Spektrum: die Radiologe, die Strahlentherapie, die Nuklearmedizin
und die damit verbundenen Berufen wie die Fachärzte, aber auch MTRA und Medizinphysiker.
Ziel muss es sein, gemeinsam den Wert der Bildgebung und der therapeutischen Maßnahmen
für das Wohl der Patienten in den Mittelpunkt zu stellen.
Prof. Dr. Michael Forsting
Prof. Dr. Ulrich Carl
Anke Ohmstede
Katja Röhr