Rofo 2012; 184(10): 955-957
DOI: 10.1055/s-0032-1318943
DRG-Mitteilungen
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

20% der MTRA-Vollzeitstellen nicht besetzt

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Publication Date:
24 October 2012 (online)

 

    Die Anforderungen an medizinisch-technische Radiologieassistenten steigen ständig, Fachgesellschaft und Berufsverband plädieren daher für die Akademisierung des Berufs. Doch schon heute gibt es Ansätze, neue Mitarbeiter zu gewinnen und langfristig zu halten. Es diskutieren Prof. Dr. Michael Forsting (Essen), Präsident der Deutschen Röntgengesellschaft (DRG), Prof. Dr. Ulrich Carl, Strahlentherapeut aus Bremen, Anke Ohmstede, Vorstandsvorsitzende Radiologie / Funktionsdiagnostik beim dvta und Katja Röhr, Vorsitzende der Vereinigung der medizinisch-technischen Berufe in der DRG.

    Anke Ohmstede: Wir haben durch den demografischen Wandel in Deutschland einen Rückgang an Jugendlichen und stehen zugleich in Konkurrenz mit 360 Ausbildungsberufen und 11 000 Studiengängen. Ein anderer Aspekt ist, dass man keinen Masterplan hatte, als die Radiologie expandierte und z. B. das Screening einen hohen Anteil der MTRA absorbiert hat. 2000 MTRA arbeiten heute in diesem Bereich.

    Prof. Dr. Michael Forsting: Wir konkurrieren mit anderen Gesundheitsberufen in der Pflege, mit Hebammen oder Physiotherapeuten, die in der weiteren beruflichen Entwicklung ganz andere Perspektiven haben als ein MTRA. Es wurde in der Vergangenheit auch nicht genügend strategisch bedacht, dass sich das Berufsbild gewandelt hat. Ursprünglich war die Ausbildung der MTRA im Wesentlichen darauf beschränkt, konventionelles Röntgen sowie die Grundlagen der Nuklearmedizin und der Strahlentherapie zu vermitteln. Wir haben aber heute in der Radiologie sehr komplexe Schnittbildverfahren, sehr komplexe Hybridverfahren und sehr komplexe Software. Die MTRA übernehmen mittlerweile ganz andere Aufgaben in der sekundären Bildbearbeitung. Aber sie werden nicht mehr für die Anforderungen des Berufsalltags ausgebildet.

    Prof. Dr. Ulrich Carl: Junge Menschen, die sich den gehobenen Anforderungen des MTRA-Berufs stellen, fragen sich, ob sie nicht lieber hätten Medizintechnik studieren sollen. Da haben sie viel bessere Möglichkeiten sich beruflich weiterzuentwickeln. Diese Perspektiven haben MTRA in anderen Ländern. Ein MTRA in England ist ein Bachelor of Science und kann danach einen Masterabschluss machen oder später sogar noch eine Promotion.

    Katja Röhr: Der Bekanntheitsgrad des MTRA-Berufs ist zu gering. Jugendliche können sich darunter nichts vorstellen. Dazu kommt, dass sie keine Ausbildungsvergütung bekommen und sie dann z. B. lieber eine bezahlte kaufmännische Ausbildung machen.

    Katja Röhr: Ich denke, der Mangel ist flächendeckend, besonders betroffen sind aber sicher kleinere Krankenhäuser in der Peripherie und in den ostdeutschen Bundesländern.

    Anke Ohmstede: Laut Gutachten des Deutschen Krankenhaus Instituts (DKI) von 2009 sind allein im Krankenhausbereich 20% der MTRA-Vollzeitstellen nicht besetzt. Über den ambulanten Bereich und Teilzeitstellen liegen keine Zahlen vor. Anhand des Stellenmarktes der monatlich erscheinenden dvta-Zeitschrift „MTA-Dialog“ lässt sich ein Fachkräftemangel bei den MTRA erkennen. Seit Jahren liegen für den Bereich der radiologischen Diagnostik die meisten Stellenangebote vor. Zudem haben wir in der Geschäftsstelle Anrufe von Radiologen aus kleinen Krankenhäusern in Ostdeutschland bekommen, die beklagt haben, dass sie ihre Dienste nicht mehr aufrechterhalten können. Auch in der Peripherie von Städten, z. B. Oldenburg, findet man keine Bewerber auf freie Stellen. Selbst in vielen größeren Städten gibt es Probleme Stellen zu besetzen.

    Anke Ohmstede: Die Patienten müssen unter Umständen auf eine angemessene diagnostische Versorgung verzichten oder sie müssen in ein Krankenhaus verlegt werden, das weiter entfernt ist.

    Prof. Dr. Ulrich Carl: Letztendlich läuft die Versorgung dann nur noch, wenn man dem vorhandenen Personal mehr Arbeit zumutet. Das ist aber nur in größeren Praxen oder Abteilungen möglich.

    Prof. Dr. Michael Forsting: Ich glaube, wir sind an einem Punkt, wo die Arbeitsverdichtung in den radiologischen Abteilungen, in der Nuklear- und Strahlenmedizin nicht mehr viel weiter geht. Gegenwärtig gibt es noch keine größeren Versorgungsengpässe, aber zunehmend Probleme Dienste zu besetzen. Das System droht zu kippen. Wenn wir jetzt nicht aufpassen, dann haben wir in ein paar Jahren schon eine echte Mangelsituation und wir können die Patienten nicht mehr adäquat versorgen.

    Prof. Dr. Ulrich Carl: Wir haben Stipendien ausgeschrieben. Im Moment haben wir 2 MTRA in der Ausbildung und finanzieren ihnen die Kosten für die Schule. Vor allem aber sind sie von Anfang an voll in unserem Team eingebunden, d. h. sie können sich mit Fragen an die anderen Mitarbeiter wenden und sind bei Betriebsausflügen und Weihnachtsfeiern selbstverständlich mit dabei. Als Gegenleistung, dass ich ihre Ausbildung finanziere, müssen sich die MTRA verpflichten, mindestens 2 Jahre in meiner Praxis zu bleiben. Ich denke, dieses Modell ist auch auf andere Praxen übertragbar, denn es entstehen keine hohen Kosten. Das Geld ist gar nicht so bedeutsam. Es geht vielmehr darum, diesen jungen Menschen das Gefühl zu geben, dass sie nicht alleine auf sich gestellt sind und mit ihnen gemeinsam den Weg durch die Berufsausbildung zu gehen.

    Prof. Dr. Michael Forsting: Ich denke, dass wir die schulische Ausbildung in irgendeiner Form beibehalten sollten, also nicht das österreichische Modell übernehmen müssen. Es wäre auch zu überlegen, ob man die Ausbildung nicht vergütet und ob die MTRA ihre Ausbildung weiterhin selbst finanzieren müssen. Notwendig ist aber vor allem eine Akademisierung des MTRA-Berufs, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden. Und da muss man auch über das Geschäftsmodell Radiologie und eine andere Aufgabenteilung viel ernsthafter nachdenken. Die Lösung kann aber nicht sein, dass eine Krankenschwester oder Arzthelferin Tätigkeiten von MTRA übernimmt, da die Anforderungen an den Beruf gestiegen sind und wir im Sinne der Patienten auch eine hohe diagnostische Qualität gewährleisten müssen.

    Anke Ohmstede: Man muss ganz neu darüber nachdenken, wie zukünftig die Arbeit verteilt werden muss. Welche Qualifikationen brauchen wir für eine gute diagnostische und therapeutische Versorgung, welche in anderen Bereichen wie Lehre und Management? Ich würde es begrüßen, wenn die MTRA, die mehr aus ihrem Beruf machen wollen, auch die Möglichkeit dazu haben. Es ist auch wichtig, dass die Fachexpertise der MTRA im Beruf verbleibt. Mit einer Akademisierung würden wir andere Gruppen von Jugendlichen ansprechen. Man weiß z. B. aus Erfahrungen des Gesundheitscampus Bochum, dass dort junge Leute einen Beruf wählen, weil sie ihn studieren können. Die Öffnung des MTRA-Berufs für Geringqualifizierte ist keine Lösung. Die Ärztlichen Stellen sehen ja zu welchen Beanstandungen der Bildqualität es kommt, wenn Geräte nicht richtig bedient werden. Bilder sind dann zum Teil gar nicht befundbar.

    Katja Röhr: Eine Akademisierung oder Teil-Akademisierung ist sehr wichtig, weil viele Jugendliche über die Ausbildung hinaus denken. Natürlich kann man eine Leitungsposition übernehmen oder an einer Schule unterrichten, aber man hat nicht die Möglichkeit sich beruflich weiterzuentwickeln. Wenn man noch was „draufsetzen“ kann, wenn man sich spezialisieren oder einen Master machen kann, wäre das eine massive Aufwertung des Berufs.

    Prof. Dr. Michael Forsting: Die schulische Ausbildung ist heute überfrachtet. Sie muss zukünftig eine Grundausbildung sein, die einem MTRA erlaubt in einem Krankenhaus zu arbeiten und konventionelles Röntgen und CT abzudecken. MRT und hybride Verfahren sind sehr komplex geworden. Aber z. B. Ultraschall, das machen uns andere Länder vor, kann man in die Hände der MTRA geben. Ihnen muss man in Zukunft mehr Verantwortung in der Beurteilung der Bilder übertragen, dabei werden sie sich auch auf verbesserte Screening-Software stützen können. In 10 bis 20 Jahren werden wir gar nicht mehr genügend Ärzte haben, um diese Aufgaben ohne entsprechend qualifizierte MTRA zu bewerkstelligen.

    Anke Ohmstede: Ich bin der Meinung, dass wir zweigleisig fahren müssen. Auf der einen Seite brauchen wir die grundständige Berufsausbildung der MTRA – aber mit einer neuen Ausbildungs- und Prüfungsverordnung. Die aktuell gültige ist von 1994 und dringend überarbeitungsbedürftig. Der Gesetzgeber muss die Ausbildungsinhalte zügig an die Gegenwart anpassen. Leider wurde den MTA der Zugang zur sogenannten Modellklausel zur Erprobung einer Ausbildung an den Hochschulen 2009 verwehrt. Lediglich Hebammen, Logopäden, Physio- und Ergotherapeuten können seitdem an Hochschulen ausgebildet werden. Wir brauchen für die MTA-Berufe eine rasche Umsetzung der Empfehlungen des Wissenschaftsrates zur Akademisierung der Gesundheitsfachberufe vom Juli 2012. Wir brauchen zudem eine konzertierte Aktion von den Fachgesellschaften und den Berufsverbänden dvta, VMTB und auch den beiden anderen MTA-Verbänden in der DEGRO und DGN, um eine Ausbildungsreform und eine Akademisierung des MTRA-Berufs zu beschleunigen.

    Katja Röhr: Eine Aktivität ist der gemeinsame Aktionstag im November, an dem DRG, dvta und VMTB bundesweit den MTRA-Beruf an Berufsfachschulen und Kliniken gemeinsam mit radiologischen Instituten vorstellen. Für den diesjährigen Aktionstag haben wir bisher 12 Anmeldungen von MTRA-Schulen (siehe nächster Beitrag in diesem Heft, Anm. d. Redaktion).

    Anke Ohmstede: Ein wichtiger Aspekt ist die Öffentlichkeitsarbeit für das gesamte diagnostisch / therapeutische Spektrum: die Radiologe, die Strahlentherapie, die Nuklearmedizin und die damit verbundenen Berufen wie die Fachärzte, aber auch MTRA und Medizinphysiker. Ziel muss es sein, gemeinsam den Wert der Bildgebung und der therapeutischen Maßnahmen für das Wohl der Patienten in den Mittelpunkt zu stellen.

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