Nach einer arthroskopischen Rekonstruktion der Rotatorenmanschette gehören frühe passive
Bewegungsübungen zum Standard-Rehabilitationsprotokoll, um postoperativen Versteifungen
vorzubeugen. Yang-Soo Kim et al. gingen nun der Frage nach, ob nicht gerade eine längere
Immobilisierung die Heilung der Sehne fördern und das Operationsergebnis verbessern
kann. Dies war zwar nicht der Fall, aber einen Vorteil brachte die frühe Mobilisierung
auch nicht.
Am J Sports Med 2012 40: 815–821
Die Rekonstruktion der Rotatorenmanschette ist eine der erfolgreichsten orthopädischen
Behandlungsmethoden, und die meisten Patienten erlangen nach dem Eingriff eine sehr
gute funktionelle Wiederherstellung. Trotz der großen Fortschritte in der Operationstechnik
bleibt die Zahl der nicht heilenden Rekonstruktionen jedoch auf einem recht hohen
Level. Dabei ist die strukturelle Integrität der rekonstruierten Sehne der kritische
Faktor, der sowohl das klinische als auch das funktionelle Outcome beeinflusst. Die
vorliegende Studie von Kim und Kollegen, Department für Orthopädische Chirurgie am
Seoul National University College/Korea, hat nun überprüft, ob eine längere Immobilisierung
anstelle der frühen Mobilisierung zu einem größeren Behandlungserfolg beitragen kann,
indem Sehne und Knochen länger heilen können.
An der prospektiven Kontrollstudie beteiligten sich 105 konsekutive Patienten. Diese
unterzogen sich aufgrund kleiner bis mittelgroßer (< 3 cm) Rupturen der Rotatorenmanschette
die volle Sehnendicke betreffend ("full thickness") zwischen August 2007 und Juli
2009 einer arthroskopischen Rekonstruktion. Patienten mit großen bis massiven Rissen
und einer begleitenden Versteifung oder Labralrissen wurden von der Studie ausgeschlossen.
Alle Patienten trugen je nach Größe des Defekts postoperativ für 4 (<1 cm) bis 5 Wochen
(1–3 cm) eine Abduktionsschiene eingestellt auf 30°. Die Teilnehmer wurden in 2 Gruppen
randomisiert, die sich demografisch nicht signifikant voneinander unterschieden.
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Gruppe 1: Die 56 Patienten führten während des Tragens der Abduktionsschiene 3- bis
4-mal täglich frühe passive Bewegungsübungen durch. Diese begannen am 1. postoperativen
Tag und umfassten Flexion nach vorne, Abduktion und Rotation nach außen.
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Gruppe 2: Den 49 Patienten war für die gesamte Zeit des Schienentragens keine passive
Bewegung erlaubt.
Alle Patienten wurden angehalten schon direkt nach der Operation folgende Bewegungen
auszuführen: Ellbogenflexion/-extension, Achselzucken, Supination und Pronation des
Unterarms, aktive Hand/ Handgelenks-Bewegungen. Nach Entfernung der Abduktionsschiene
begannen für alle Patienten aktiv assistierte Schulterübungen.
Funktion und Schmerz ohne signifikanten Unterschied
Der Bewegungsumfang sowie die Visuelle Analogskala (VAS) für das Schmerzempfinden
wurden präoperativ, nach Entfernen der Abduktionsschiene sowie 3, 6 und 12 Monate
postoperativ gemessen. Dabei bestand zu keinem Zeitpunkt ein signifikanter Unterschied
zwischen den beiden Gruppen. So lag die Schmerz-VAS 6 Monate postoperativ bei 3,0
in Gruppe 1 und 3,2 in Gruppe 2 (p = 0,745). 12 Monate nach dem Eingriff betrugen
die Werte 2,8 und 1,8 (p = 0,34).
Die Funktionalität wurde 6 und 12 Monate nach dem Eingriff mittels Constant-Score,
Simple-Shoulder-Test (SST) und ASES-Score (American Shoulder and Elbow Surgeons) beurteilt.
Alle Werte hatten sich durch den Eingriff deutlich verbessert, der Unterschied zwischen
den beiden Gruppen war jedoch auch hier nicht signifikant. Die Ergebnisse zum Studienende
nach 12 Monaten lieferten im Gruppenvergleich 1 versus 2
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einen Constant-Score von
69,81 ± 3,43 vs. 69,83 ± 6,24,
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einen SST von
9,00 ± 2,12 vs. 9,00 ± 2,59 und
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ASES-Score von
73,29 ± 18,48 vs. 62,90 ± 12,35.
Objektive Beurteilung ohne signifikanten Unterschied
Die postoperative Heilung wurde objektiv beurteilt durch Ultraschall, Magnetresonanz-
und Computertomografie. Bei 12 % der Patienten von Gruppe 1 und 18 % der Gruppe 2
kam es im Laufe der Studie zu einer Ablösung an der rekonstruierten Manschette (p
= 0,429). Insgesamt war also zu beobachten, dass es durch die verzögerte Mobilisierung
nach der arthroskopischen Rekonstruktion der Rotatorenmanschette im Vergleich mit
einer frühzeitigen passiven Bewegungstherapie weder vermehrt zu postoperativen Versteifungen
noch zu schlechteren klinischen Ergebnissen kam.
Frühzeitige passive Bewegungsübungen nach einer arthroskopischen Rekonstruktion der
Rotatorenmanschette garantieren keine schnellere Erweiterung des Bewegungsumfangs,
beeinflussen die Heilung aber auch nicht negativ. Die Rehabilitationstherapie nach
der Reparatur kleiner bis mittelgroßer Full-Thickness-Risse könne daher an den Patienten
angepasst und so seine Compliance erhöht werden.
Britta Brudermanns, Köln